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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 12.06.2003
Aktenzeichen: 2 Sa 715/02
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB


Vorschriften:

BGB § 611
EGBGB Art. 229 § 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Sächsisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes URTEIL

2 Sa 715/02

Verkündet am 12. Juni 2003

In dem Rechtsstreit

hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 2 - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Herrn ... und Herrn ... auf die mündliche Verhandlung vom 12.06.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 11. Juli 2002 - 8 Ca 8202/02 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Revisionszulassung: keine.

Die Parteien streiten - soweit im Berufungsverfahren (noch) von Relevanz - über die Feststellung, ob die Beurlaubung des Klägers von seiner Arbeit durch die Beklagte im Zeitraum vom 07.03.2002 bis 30.09.2002 unzulässig war. Weiter beansprucht der Kläger für den Zeitraum von März bis September 2002, mithin für sieben Monate, die Fortentrichtung seiner monatlichen Funktionszulage über 1.573,21 EUR, mithin 11.012,47 EUR (der Sache nach wohl brutto).

Von der erneuten Darstellung des Tatbestands kann aufgrund der Regelung in § 69 Abs. 2 ArbGG n. F. abgesehen und stattdessen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen werden (vgl. § 69 Abs. 3 Satz 2 ArbGG n. F.).

Lediglich mit Blick auf den im Berufungsverfahren verbliebenen Streitgegenstand ist ergänzend folgendes nachzutragen:

In dem schriftlichen Anstellungsvertrag der Parteien vom 18.05.2000 heißt es unter § 2 (Arbeitsort und Art der Tätigkeit) unter Nr. 1:

"Der Arbeitnehmer wird als leitender Angestellter eingestellt und beschäftigt. Er übernimmt die Funktion des Leiters des Gesamtmarktes der Bank."

Mit Schreiben der Beklagten vom 23.05.2000 an den Kläger bedankte sich diese für die prompte Rücksendung des vom Kläger unterschriebenen Anstellungsvertrages. Unter Bezugnahme auf beigefügte Anmerkungen des Klägers und im Nachgang zu einem zwischenzeitlich bereits geführten Telefonat gab die Beklagte dem Kläger u. a. folgende "Bestätigungen bzw. Erläuterungen":

"In § 3 des Anstellungsvertrages ist vereinbart, dass die Funktionszulage und die erfolgsabhängige Vergütung seitens des Arbeitgebers beim Wegfall der Voraussetzungen ganz oder teilweise widerrufen werden kann. Gemäß § 2 sind Sie als leitender Angestellter eingestellt worden und werden ausdrücklich die Funktion des Leiters des Gesamtmarktes der Bank übernehmen.

Ein Wegfall der vorgenannten Gehaltsbestandteile kann somit nur unter der Mindestbedingung erfolgen, dass Sie nicht mehr als Leiter des Gesamtmarktes tätig wären."

Schließlich ist nachzutragen, dass der Kläger unter dem 02.01.2001 bestätigte, die Arbeitsordnung der Beklagten in der Fassung von 08/98 erhalten zu haben, deren Inhalt er hiermit als rechtsverbindlich anerkenne.

Diese Arbeitsordnung sieht unter Punkt 17 b vor, dass die Bank nach einer Kündigung berechtigt ist, für die restliche Dauer des Dienstverhältnisses auf eine weitere Dienstleistung zu verzichten.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

1.

Die Klage ist in der Fassung ihres Berufungsantrages zu 1. zulässig. Der Kläger kann Feststellungsklage hinsichtlich eines vergangenen Rechtsverhältnisses hier deshalb führen, weil er aus ihm noch Ansprüche herleitet. Denn er wendet sich gegen seine Beurlaubung. Wäre diese Beurlaubung vertragswidrig, hätte er weiter in der Funktion des Leiters des Gesamtmarktes bis zum Ablauf der Kündigungsfrist tatsächlich beschäftigt werden müssen. Da dies nicht erfolgt ist, stünde ihm die Funktionszulage unter dem Gesichtspunkt eines Nachzahlungsanspruchs nach § 615 Satz 1 BGB zu, ohne zur Nachleistung der Dienste verpflichtet zu sein.

2.

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Denn es ist nicht festzustellen, dass die Beurlaubung in dem Zeitraum vom 07.03.2002 bis zum 30.09.2002 unzulässig war (a). Auch der streitgegenständliche Anspruch auf die Funktionszulage besteht nicht (b).

a) Eine einseitige Freistellung von der Arbeit ist angesichts des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers im bestehenden Arbeitsverhältnis rechtlich nicht möglich (BAG vom 21.09.1993 - 9 AZR 335/91 -, EzA § 7 Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen Nr. 14, ohne Auseinandersetzung allerdings mit älteren gegenläufigen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zur Möglichkeit von "Suspendierungen" als milderes Mittel gegenüber dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung).

Eine einseitige Freistellung durch die Beklagte im Rechtssinne liegt hier nicht vor. Vielmehr haben die Parteien durch die vom Kläger auch akzeptierte Arbeitsordnung unter Nr. 17 b die Möglichkeit einer Freistellung im Falle des Ausspruchs einer Kündigung dadurch vereinbart, dass der Beklagten das Recht eingeräumt wurde, für die restliche Dauer des Dienstverhältnisses auf eine weitere Dienstleistung zu verzichten. Derartige Regelungen sind üblich und zulässig (vgl. beispielsweise LAG Köln vom 20.08.1998 - 6 Sa 241/98 -, RzK I 2 a Nr. 20). Dies ergibt sich aus der Dispositivität des an sich bestehenden Beschäftigungsanspruchs. Möglich ist es auch, eine Abweichung von dem Beschäftigungsanspruch im Voraus zu vereinbaren (LAG Hamburg vom 10.06.1994 - 6 Sa 42/94 -, LAGE § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 37). Ob eine derartige Regelung nach der sog. Schuldrechtsmodernisierung auch durch vorformulierte Arbeitsbedingungen - wie hier - erfolgen darf (vgl. offenbar noch zum alten Recht ErfK/Preis, 230 § 611 BGB Rdnr. 707 f.), erfordert hier keine Antwort. Denn die insoweit einschlägigen Neuregelungen hätten aufgrund Art. 229 § 5 EGBGB für das Arbeitsverhältnis der Parteien frühestens ab 01.01.2003 gegolten. Der Streitzeitraum liegt zeitlich jedoch vor diesem Datum.

Jedenfalls hält das ausgeübte Freistellungsrecht einer Billigkeitskontrolle stand. Die Beklagte hat bereits mit Schriftsatz vom 10.06.2002 im Ersten Rechtszug - der Klagerwiderung - geltend gemacht, mit der Freistellung dem Kläger ausreichend Zeit zur Suche einer neuen Stelle, und zwar einer Bewerbung auf eine solche, zur Verfügung stellen zu wollen. Darüber hinaus habe sie sich in einer Umbruchphase befunden und ein neues Betreuungs- und Vertriebskonzept mit der Folge eingeführt, dass es die Position des Klägers als Gesamtmarktleiter nicht mehr geben werde und stattdessen vier Teilmarktleiter eingesetzt würden. Hinsichtlich einer Vielzahl von Marktmitarbeitern stünden Versetzungen und vertragliche Änderungen ins Haus. Deshalb erachte es die Beklagte als ungünstig, den Kläger in die dadurch veranlasste Vielzahl von Einzel- und auch Gruppengesprächen mit den Mitarbeitern noch einzubinden. Dies erscheine weder zweckmäßig noch für den Kläger zumutbar. Auch seien Fragen von Mitarbeitern an einen Vorgesetzten, der bald ausscheide, nicht mehr im Interesse der Beklagten. Alles dies leuchtet schon mit Blick auf die herausgehobene Position des Klägers als leitender Angestellter in der Funktion des Leiters des Gesamtmarktes der Bank ein.

b) Die Funktionszulage kann der Kläger für die Dauer der Kündigungsfrist nicht weiter beanspruchen. "Funktion" ist nach § 2 Nr. 2 Satz 2 des schriftlichen Anstellungsvertrages der Parteien vom 18.05.2000 die des "Leiters des Gesamtmarktes der Bank". Damit ist auch hinreichend klar, wofür die "Funktionszulage" i. S. der Regelung des § 3 des Anstellungsvertrages gezahlt wird. Mit "Wegfall der Voraussetzungen", die zum Widerruf der Funktionszulage berechtigt, ist der Fortfall der Wahrnehmung der Funktion des Leiters des Gesamtmarktes der Bank gemeint. Diese Funktion verrichtet der Kläger aufgrund der Freistellung im Streitzeitraum tatsächlich nicht mehr. Er kann die Funktionszulage auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges als Nachzahlungsanspruch nach § 615 Satz 1 BGB beanspruchen. Denn die Beklagte hat ihn - wie aus den vorstehenden Ausführungen ersichtlich - vereinbarungsgemäß freistellen dürfen. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob aufgrund des erläuternden Schreibens vom 23.05.2000 die Funktionszulage schon bzw. allein bei Wegfall der tatsächlichen Ausübung der Funktion widerrufen werden konnte.

Nicht im Streit zwischen den Parteien ist, dass der neben dem Wegfall der Funktion kumulativ vorausgesetzte Widerruf der Funktionszulage erfolgt ist. Gegenstandslos wäre der Widerruf nur gewesen, wenn die Beklagte den Kläger tatsächlich hätte in seiner früheren Funktion fortbeschäftigen müssen.

II.

Der Kläger hat aufgrund der Regelung in § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner ohne Erfolg gebliebenen Berufung zu tragen.

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Die Revision ist nicht zuzulassen. Es wird darauf hingewiesen, dass die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht ihrerseits durch Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde) angefochten werden kann. Möglich ist dies unter den in § 72 a ArbGG genannten Voraussetzungen, auf die hingewiesen wird.

Ende der Entscheidung

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