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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 02.11.2005
Aktenzeichen: 2 Sa 731/05
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 78 a
Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund einer auf das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses aus § 78 a BetrVG gestützten Beschäftigungs(Verfügungs-)klage.
Sächsisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes URTEIL

2 Sa 731/05

Verkündet am 02. November 2005

In dem Rechtsstreit

hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 2 - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Herrn ... und Herrn ... auf die mündliche Verhandlung vom 02.11.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 02.08.2005 - 10 Ga 24/05 - wird auf Kosten der Verfügungsklägerin zurückgewiesen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten auch in dem Berufungsverfahren auf den beantragten Erlass einer einstweiligen Verfügung weiter darüber, ob die Verfügungsbeklagte die Verfügungsklägerin "bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, die bei dem Arbeitsgericht Chemnitz unter dem Az. 8 BV 32/05 anhängig ist", als Industriekauffrau im Werk ... zu beschäftigen hat.

Den weitergehenden Antrag dahin, die Verfügungsbeklagte auch zur Zahlung der Vergütung zu verurteilen, hat die im Ersten Rechtszug insgesamt unterlegene Verfügungsklägerin in der Berufungsverhandlung zurückgenommen.

Von der erneuten Darstellung des Tatbestandes wird aufgrund der Regelung in § 69 Abs. 2 ArbGG im Wesentlichen abgesehen und stattdessen auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils des Arbeitsgerichts Chemnitz verwiesen.

Ergänzt sei lediglich Folgendes:

Erhoben worden ist die Verfügungsklage bei dem Arbeitsgericht Leipzig und erst im Wege der Verweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht Chemnitz gelangt.

Das Beschlussverfahren beim Arbeitsgericht Chemnitz, das die Verfügungsklägerin in ihrem Antrag als Hauptsache bezeichnet, wird aufgrund des der Verfügungsklägerin unter dem 14.04.2005 zugestellten verfahrenseinleitenden Schriftsatzes der Verfügungsbeklagten vom 21.03.2005 über den dort angekündigten Antrag folgenden Inhalts geführt:

"Es wird festgestellt, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen der Antragstellerin und der Frau ... nach Ablauf der Ausbildungszeit nicht begründet wird."

Die Verfügungsklägerin hat gegen das ihr am 06.08.2005 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts am 05.09.2005 Berufung eingelegt und diese am 08.09.2005 ausgeführt.

Sie vertritt weiter die Auffassung, dass ein Verfügungsanspruch bestehe. Entweder sei die Drei-Monats-Frist des § 78 a Abs. 2 Satz 1 BetrVG aus Rechtsgründen nicht maßgebend (da die Sechs-Monats-Frist nach § 5 BBiG gelte bzw. sich die Verfügungsbeklagte auf ein vorfristiges Verlangen nach Weiterbeschäftigung nicht berufen könne) oder aber sei die Frist gewahrt.

Gegeben sei auch ein Verfügungsgrund. Dieser ergebe sich bereits aus dem durch § 78 a BetrVG gewährten Schutz. Die Wahrung der Amtskontinuität des einzigen Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung habe hier bedeutend mehr Gewicht als das "gewöhnliche" Weiterbeschäftigungsinteresse eines Arbeitnehmers in Kündigungssachen.

Die Verfügungsklägerin beantragt nunmehr noch,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 02.08.2005 - 10 Ga 24/05 - die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, sie, die Verfügungsklägerin, bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, die bei dem Arbeitsgericht Chemnitz zum Az. 8 BV 32/05 anhängig ist, als Industriekauffrau im Werk ... zu beschäftigen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt

die Zurückweisung der Berufung.

Die Verfügungsbeklagte verteidigt das angegriffene Urteil.

Ein Verfügungsanspruch bestehe nicht. Das Beschäftigungsverlangen sei vorfristig erfolgt. Mit der Einleitung des Beschlussverfahrens habe sie sich nicht ihrer Rechtsposition ergeben. Denn seinerzeit hätte sie durchaus damit rechnen müssen, dass das Weiterbeschäftigungsverlangen rechtzeitig erfolgt sei.

Auch an einem Verfügungsgrund fehle es. Der Fall des unstreitigen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses sei nicht gegeben. Die auch auf kaufmännische Fülltätigkeiten bezogenen Beschäftigungsangebote bis Ende November oder Ende Dezember habe die Verfügungsklägerin abgelehnt. Im Falle der Annahme der Angebote wäre auch die Fortsetzung des Amtes möglich gewesen. Durch das Ausschlagen des Angebots könne die Verfügungsklägerin heute keine Eilbedürftigkeit der Sache herleiten.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Antragsgemäß beigezogen war die Akte des Arbeitsgerichts Chemnitz 8 BV 32/05.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

1. Die Verfügungsklage ist zulässig.

a) Nach § 940 ZPO sind einstweilige Verfügungen auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung - insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen, also auch bei Arbeitsverträgen - zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei sind ein Verfügungsgrund und ein -anspruch glaubhaft zu machen (§§ 936, 920 Abs. 2 ZPO). Dies kann auch durch eidesstattliche Versicherung der Parteien oder Dritter geschehen (§ 294 Abs. 1 ZPO), wobei allerdings eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, unstatthaft ist (§ 294 Abs. 2 ZPO). Dort, wo Glaubhaftmachung zugelassen ist, gilt das auch für deren Widerlegung und den Nachweis von Einwendungen des Gegners (vgl. Zöller/Greger, ZPO, § 294 Rdnr. 2 m. w. N.).

Zulässig ist insbesondere auch die Ausbringung einer einstweiligen Verfügung eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber zur Durchsetzung eines arbeitsrechtlichen Beschäftigungsanspruchs.

b) Die Verfügungsklage ist ordnungsgemäß erhoben und so exakt, dass die Verfügungsbeklagte ihr Handeln darauf einstellen könnte. Denn danach wäre die Verfügungsklägerin als Industriekauffrau im Werk ... zu beschäftigen.

Die Verfügungsklägerin hat auch einen durch einstweilige Verfügung sicherbaren Anspruch behauptet. Denn sie macht die Beeinträchtigung eines arbeitsrechtlichen Beschäftigungsanspruchs dadurch geltend, dass sie die Verfügungsbeklagte nicht beschäftigt.

Die bereits jetzt und auch zukünftig anspruchsbefriedigende Leistungsverfügung ist jedenfalls mit der Behauptung der Verfügungsklägerin zulässig, sie werde anderenfalls des sich aus § 78 a BetrVG ergebenden Schutzes beraubt.

2. Die - somit zulässige - Verfügungsklage ist aber nicht begründet.

a) Es kann dahinstehen, ob zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist, das allein Grundlage des geltend gemachten Weiterbeschäftigungsanspruchs - mithin des Verfügungsanspruchs - sein könnte. Dies ergibt sich aus zwei Gründen:

Zum einen verlangt die Verfügungsklägerin die Verurteilung der Verfügungsbeklagten mit der Maßgabe

"bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, die beim Arbeitsgericht Chemnitz zum Az. 8 BV 32/05 anhängig ist".

"Hauptsache" i. S. des Prozessrechts ist das Beschlussverfahren, auf das sich die Verfügungsklägerin bezieht, nicht. Dort wird nicht auf einen Antrag der Verfügungsklägerin gestritten, sondern auf einen Antrag der Verfügungsbeklagten. Ein irgendwie gearteter Beschäftigungsanspruch ist nicht Streitgegenstand des Beschlussverfahrens. Auch im Übrigen ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass zwischen den Parteien wenigstens anderweitig eine Beschäftigungsklage der Verfügungsklägerin gegen die Verfügungsbeklagte anhängig wäre.

Zum anderen hätte die Verfügungsklage überhaupt nur dann Erfolg haben können, wenn die Verfügungsklägerin vorgetragen und glaubhaft gemacht hätte, dass die von der Verfügungsbeklagten u. a. in dem Beschlussverfahren geltend gemachten Gründe für die Weigerung weiterer Beschäftigung nicht zutreffen. Solange nicht die Möglichkeit ausgeräumt ist, dass zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis begründet wurde, besteht jedenfalls aus diesem Grund kein Beschäftigungsanspruch.

b) Unabhängig von dem Vorstehenden und selbständig tragend fehlt es auch an einem Verfügungsgrund.

Zum einen widerlegt die Verfügungsklägerin die Dringlichkeit der Angelegenheit selbst. Es fehlt ersichtlich an einer Hauptsacheklage auf Beschäftigung. Beschäftigungsangebote der Verfügungsbeklagten hat sie ausgeschlagen. Ausgeschöpft hat sie die Berufungsfrist.

Ihre Argumente zum Schutz der Amtskontinuität treffen sicher zu. Diese wäre aber ununterbrochen bis heute und nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung wenigstens bis 31.12.2005 zu wahren gewesen, wenn sich die Verfügungsklägerin auf Beschäftigungsangebote der Verfügungsbeklagten eingelassen hätte. So hat sie sich schon frühzeitig der von der Rechtsprechung nachgelassenen Möglichkeit begeben, sich wenigstens hilfsweise dazu bereit zu erklären, zu anderen als den sich aus § 78 a BetrVG ergebenden Arbeitsbedingungen in ein Arbeitsverhältnis übernommen zu werden (vgl. BAG vom 06.11.1996 - 7 ABR 54/95 - dok. in JURIS).

Unabhängig davon und selbständig tragend ist darauf hinzuweisen, dass § 78 a BetrVG im Gegensatz zu § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG (gerade) keinen Anspruch auf vorläufige Beschäftigung für die Dauer eines Streits über das Bestehen oder das Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses kennt. Damit räumt der Gesetzgeber ersichtlich dem Fall des § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG einen höheren Rang ein als dem Fall des § 78 a BetrVG. Gemessen daran ist es nicht einsichtig, warum es für die Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG durch einstweilige Verfügung eines Verfügungsgrundes bedarf, dies bei dem wesentlich schwächer ausgestalteten Schutz des § 78 a BetrVG aber nicht der Fall sein sollte.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 17 b Abs. 2 Satz 2 GVG, 515 Abs. 3, 97 Abs. 1 ZPO:

Nach § 17 b Abs. 2 Satz 2 GVG hat die Verfügungsklägerin in jedem Fall die Kosten zu tragen, die durch die Anrufung des örtlich unzuständigen Arbeitsgerichts Leipzig entstanden sind.

Nach § 515 Abs. 3 ZPO hat sie die Kosten zu tragen, soweit ihre Berufungsrücknahme reicht.

Nach § 97 Abs. 1 ZPO hat sie die Kosten zu tragen, soweit ihre Berufung ohne Erfolg geblieben ist.

Gegen Urteile des Landesarbeitsgerichts, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision aufgrund der Regelung in § 72 Abs. 4 ArbGG nicht zulässig, ohne dass dies eines besonderen Ausspruchs bedarf. Dies bedeutet nicht nur, dass diese Entscheidung nicht anfechtbar ist, sondern auch, dass das Landesarbeitsgericht die Revision an das Bundesarbeitsgericht nicht zulassen kann. Deswegen besteht auch nicht die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht mit einer Nichtzulassungsbeschwerde - wie sonst - anzufechten.

Soweit die (gemischte) Kostenentscheidung auch auf § 515 Abs. 3 ZPO beruht, besteht hier die Möglichkeit einer Rechtsbeschwerde nicht, weil auch gegen das Urteil kein Rechtsmittel stattfindet. Deshalb kann auch die Rechtsbeschwerde schon nicht zugelassen werden.

Ende der Entscheidung

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