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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 10.10.2001
Aktenzeichen: 2 Sa 744/00
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 3 Satz 1
Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Beachtung der Auswahl nach sozialen Kriterien nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG geht der einem sozial stärkeren Arbeitnehmer aufgrund Dienstvereinbarung oder Individualzusage gegebene Beschäftigungsgarantie jedenfalls dann vor, wenn die Garantie die Sozialauswahl im Rahmen erwarteter Entlassungswellen steuern sollte und zur Herausnahme des sozial schwächeren Arbeitnehmers aus dem auswahlrelevanten Personenkreis führen würde.
Sächsisches Landesarbeitsgericht IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 Sa 744/00

Verkündet am 10. Oktober 2001

In dem Rechtsstreit

hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 2 - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Herrn ... und Herrn ... auf die mündliche Verhandlung vom 10.10.2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 19. Juli 2000 - 7 Ca 7162/00 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Revision ist zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung. Außerdem geht es um die Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.

Die zum Zeitpunkt der Kündigung 46jährige Klägerin (Geburtstag war der ...) steht in einem seit 01.09.1973 rechnenden Arbeitsverhältnis mit der beklagten Stadt.

In einem schriftlichen Änderungsvertrag der Parteien vom 06.04.1999 ist eine Beschäftigung der Klägerin im Sozial- und Erziehungsdienst abgemacht. Tätig war und ist die Klägerin als Erzieherin in einer von der Beklagten getragenen Kindertageseinrichtung.

Abgemacht ist nach dem Änderungsvertrag weiter, daß die Klägerin "gemäß § 22 BAT-O in die Vergütungsgruppe V c eingruppiert" ist. Daraus ergibt sich aufgrund einer zuletzt verabredeten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von 3.179,84 DM.

Die Klägerin ist verheiratet und hat zwei volljährige Kinder. Eines davon, geboren im Jahre 1974, ist arbeitslos und wohnt zu Hause. Das andere Kind leistete bis Juli 2000 seinen Wehrdienst.

Im Monat Juli 1999 ermittelte die Beklagte den pädagogischen Personalbedarf auf der Grundlage des voraussichtlichen Bedarfes an Plätzen in ihren Kindertageseinrichtungen für den Planungszeitraum 2000/2001. Zugrunde legte sie dabei die Anzahl der in Weißwasser wohnhaften Kinder und - prognostisch - Erfahrungswerte vorangegangener Jahre betreffend die Aufnahmen in die Kindereinrichtungen und die Abgänge im laufenden Kalenderjahr durch Wegzug aus der Stadt sowie die Abgänge bei Verlassen des Kindergartens und der Grundschule. Dabei war zu berücksichtigen, daß in der Stadt fünf Einrichtungen in freier Trägerschaft vorhanden sind.

Aufgrund ständigen Bevölkerungsrückganges in der Stadt sinkt auch die für die Personalbedarfsplanung zugrunde zu legende Zahl der Kinder. Deshalb wurde es erforderlich, die Bedarfsplanung im IV. Quartal des Jahres 1999 zu überarbeiten.

Am 31.10.1999 befanden sich 669 Kinder in allen städtischen Einrichtungen. In Anwendung ihrer Grundlagen für die Bedarfsermittlung prognostizierte die Beklagte die Zahl der Kinder im Schuljahr 2000/2001 auf nur noch 593.

Unter Anwendung der für die Betreuung der Kinder in den Einrichtungen maßgebenden Schlüsselzahlen des Sächsischen Gesetzes über Kindertageseinrichtungen (vom 24.08.1996 - SäKitaG -, GVBl. S. 38) ermittelte die Beklagte für die erwartete Zahl von Kindern, getrennt nach Krippe, Kindergarten und Hort, hierbei jeweils aufgeschlüsselt nach dem jeweiligen zeitlichen Umfang der Betreuung je Zahl der Kinder, einen Bedarf von 44,576 VbE.

Zur Absicherung von Öffnungszeiten und Vertretungsbedarf wurde der ermittelte Mindestpersonalbedarf um 4,5 VbE erhöht. Hieraus ergab sich ein Personalbedarf für das folgende Schuljahr von 49,076 VbE.

Daraus wurde aus Sicht der Beklagten eine Reduzierung um 11,799 VbE erforderlich. Unter Berücksichtigung der vorhandenen Teilzeitbeschäftigung allerdings ergab sich ein Personalüberhang von 15,732 Stellen.

Am 15.12.1999 beschloß der Stadtrat der Beklagten im Zuge des Erlasses der Haushaltssatzung 2000 im Stellenplan Teil B, der als Anlage dem Haushaltsplan 2000 beigefügt ist, im Unterabschnitt 4640 - Kindertagesstätten - für die Zeit ab Oktober 2000 einen kw-Vermerk für 15 Stellen nach Vergütungsgruppe V c.

Eine Aufforderung der Stadt in ihrem Amtsblatt vom 27.01.2000 an Eltern, die ab August 2000 für ihr Kind einen Platz in einer städtischen Kindertagesstätte benötigten, blieb ohne Resonanz.

Dies nahm die Beklagte zum Anlaß, den Ausspruch einer Kündigung der Klägerin gegenüber in Erwägung zu ziehen.

Im Ergebnis einer die Beschäftigungszeit, das Lebensalter sowie bestehende Unterhaltsverpflichtungen berücksichtigenden Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten auf der Grundlage einer Dienstvereinbarung "Sozialauswahl" vom 07.02.2000 in der Fassung vom 29.02.2000 ermittelte die Beklagte den Kreis der danach aus ihrer Sicht kündbaren 15 Erzieherinnen, darunter in einer Reihenfolge der sozialen Stärke an zehnter Stelle die Klägerin. Diese hat aufgrund der Dienstvereinbarung "Sozialauswahl", die vollendete Beschäftigungsjahre mit je drei Punkten, vollendete Lebensjahre mit je einem Punkt und Unterhaltsverpflichtungen mit je acht Punkten bewertet, nach einer ergänzenden "Einzelfallprüfung Sozialauswahl" 128 Punkte erreicht.

Von der Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten ausgenommen hat die Beklagte u. a. die beiden Erzieherinnen ... und ...

Die am ... geborene ledige und für drei Personen zum Unterhalt verpflichtete Frau ... ist seit 01.01.1991 beschäftigt und ist mit 92 Punkten bewertet worden.

Die am ... geborene verheiratete Frau ..., bei der die Verpflichtung zum Unterhalt für zwei Personen besteht, ist seit 01.09.1988 beschäftigt und mit 83 Punkten bewertet. An der Punktzahl hat sich auch nach der Einzelprüfung, die die Arbeitslosigkeit und die Schwerbehinderung des Ehegatten in Rechnung stellte, nichts geändert.

Die Herausnahme von Frau ... aus der Sozialauswahl beruht auf einer Beschäftigungsgarantie bis September 2001, die Herausnahme der Frau ... auf einer Beschäftigungsgarantie bis März 2001. Mit diesen Beschäftigungsgarantien hat es folgende Bewandtnis:

Eine anwendbare "Dienstvereinbarung zur Gewährung einer Beschäftigungsgarantie bei langfristiger Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub" vom 10.11.1998 regelt auszugsweise folgendes:

"...

§ 1

Ziel und Zweck der Dienstvereinbarung

Ziele der Dienstvereinbarung sind zum einen die familiäre Erziehung von Kleinstkindern städtischer Mitarbeiter zu unterstützen und Planungssicherheit für Personalkonsolidierungsmaßnahmen zu erreichen.

§ 2

Gewährung einer Beschäftigungsgarantie bei langfristiger Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub

Angestellte und Arbeiter, die ununterbrochen Erziehungsurlaub bis mindestens zur Vollendung des zweiten Lebensjahres des eigenen Kindes in Anspruch nehmen, erhalten zwei Jahre Beschäftigungsgarantie ab dem Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Tätigkeit, wenn diese zu den im Arbeitsbereich zu diesem Zeitpunkt üblichen Bedingungen erfolgt.

§ 3

Ausnahmeregelung aus dringenden betrieblichen Gründen

Sollte aus dringenden betrieblichen Gründen der Erziehungsurlaub bis mindestens zur Vollendung des zweiten Lebensjahres nicht in Anspruch genommen werden, kann auch in diesen Fällen im Einvernehmen mit dem Personalrat eine Beschäftigungsgarantie von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Tätigkeit nach den im § 2 genannten Bedingungen ausgesprochen werden.

..."

Gemäß dieser Dienstvereinbarung wurde Frau ... durch Vereinbarung einer zwei Wochen zum Monatsschluß kündbaren Nebenabrede in § 7 eines schriftlichen Änderungsvertrages zwischen ihr und der Beklagten vom 06.07.1999 eine Beschäftigungsgarantie bis zum 29.09.2001 "gewährt". Wortidentisch ist eine entsprechende Nebenabrede in einem § 7 eines Änderungsvertrages vom 16.02.1999 zwischen der Beklagten und Frau ... mit dem einzigen Unterschied, daß hier eine Beschäftigungsgarantie bis zum 27.03.2001 gewährt wurde.

Der bei der Beklagten gebildete Personalrat erhielt mit Schreiben der Beklagten vom 01.02.2000 Vorinformationen zu der in den Kindertagesstätten ab Oktober 2000 geplanten Personalanpassung. Beigefügt war u. a. die mit einem Personalüberhang von bis zu 15 Erzieherinnen in Teilzeitbeschäftigung rechnende Bedarfsplanung vom 11.11.1999.

In einem weiteren Schreiben an den Personalrat vom 23.02.2000 wurde(n) die aus Sicht der Beklagten vergleichbaren und damit in die Sozialauswahl einzubeziehenden Mitarbeiter, die Einzelfallabwägung der Sozialdaten sowie die sich daraus nach Auffassung der Beklagten ergebende Reihenfolge der sozialen Starke mitgeteilt.

Mit Schreiben vom 24.02.2000 an den Personalrat wurden die Daten aus dem Schreiben vom 01.02.2000 insbesondere hinsichtlich der Bedarfsermittlung untersetzt.

Mit Schreiben vom 25.02.2000 wurde dem Personalrat eine Liste der vergleichbaren Mitarbeiterinnen in der Reihenfolge der sozialen Starke unter Angabe der Mitarbeiterinnen, die aufgrund gesetzlicher oder personenbezogener Schutzvorschriften in der Sozialauswahl nicht zu berücksichtigen seien, übergeben.

In seinen Sitzungen vom 14.02.2000 sowie vom 28.02.2000 hat der Personalrat über die ihm vorgelegten Unterlagen beraten.

Mit Schreiben vom 16.03.2000 erhielt der Personalrat u. a. die der Personalbedarfsermittlung sowie die der Sozialauswahl zugrunde liegenden Daten sowie das Ergebnis der Sozialauswahl. Am Ende des Schreibens ist mitgeteilt, daß u. a. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin zum 30.09.2000 vorgesehen sei; am 29.03.2000 entscheide der Stadtrat in der Sache; der Personalrat werde gebeten, seine Entscheidung im Rahmen seiner Mitwirkungsrechte erst am 30.03.2000 zu treffen.

Am 29.03.2000 traf der Stadtrat der Beklagten auf wortidentische Beschlußvorlage ihres Oberbürgermeisters hin einen Beschluß zur "Personalreduzierung in den städtischen Kindereinrichtungen zum 30.09.2000" auszugsweise folgenden Inhalts:

"...

Der Stadtrat beschließt den Personalabbau unter den pädagogisch tätigen Fachkräften im Unterabschnitt 4640 von tatsächlich 60,875 Vollbeschäftigteneinheiten (VbE) um 11,799 VbE auf 49,076 mit Wirkung zum 30.09.2000. In den Personalabbau sind nur Erzieherinnen ohne Leitungstätigkeit auf den Stellen in der Vergütungsgruppe V c mit der tatsächlichen Vergütung V c oder VI b einzubeziehen. Auf der Grundlage der durchgeführten Sozialauswahl und unter Anwendung der Dienstvereinbarung 'Sozialverträgliche Personalanpassung' vom 07.02.2000 sowie von Kündigungs- und Beschäftigungsschutzvorschriften sind im einzelnen folgende 15 Arbeitsverhältnisse zu beenden:

..."

Im folgenden werden 15 Arbeitnehmerinnen aufgeführt, darunter die Klägerin.

In einem Schreiben des Oberbürgermeisters der Beklagten vom 30.03.2000 an den Personalrat heißt es auszugsweise:

"...

Vorbehaltlich der Entscheidung in der in diesem Schreiben bezeichneten Sache am 30.03.2000 wird hiermit das mit Schreiben vom 16.03.2000 eingeleitete Mitwirkungsverfahren in der selben Sache zurückgewiesen.

..."

Am Ende des Schreibens wird die zustimmende Entscheidung des Stadtrates erwähnt.

Mit dem der Klägerin am 30.03.2000 zugegangenen Schreiben der Beklagten vom selben Tage kündigte diese das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30.09.2000.

Dagegen hat sich die Klägerin mit ihrer am 13.04.2000 bei dem Arbeitsgericht Bautzen eingegangenen Klage gewandt.

Die Klägerin hat hinsichtlich des Kündigungsgrundes die Richtigkeit der Prognoseentscheidung der Beklagten bezüglich der Entwicklung der Kinderzahlen in Abrede gestellt. In Sonderheit habe die Beklagte eine große Zahl aus Rußland ausgesiedelter kinderreicher Familien, deren Kinder in den Kindertageseinrichtungen der Beklagten proportional unterrepräsentiert seien, nicht besonders angesprochen. Außerdem gebe es bei der Beklagten Wartelisten für Kindertagesstättenplätze und seien bis Mitte Mai 2000 im Jahre 2000 auch keine Kinder neu aufgenommen worden. Daraus ergebe sich, daß ein Minderbedarf an Erzieherpersonal nicht oder jedenfalls nicht in dem behaupteten hohen Umfang vorliegen könne.

Die Klägerin hat auch gemeint, daß sich die Beklagte hinsichtlich des Personalbedarfs nicht an den gesetzlichen Personalschlüsseln zu orientieren habe. Diese gäben nur Mindestbedingungen vor. Selbst bei Anwendung dieser Schlüssel sei der Personalbedarf zu niedrig errechnet worden.

Die Sozialauswahl hat die Klägerin aus mehreren Gründen für unwirksam gehalten. So hätten Frau ... und Frau ... aus der Sozialauswahl nicht aufgrund der Beschäftigungsgarantie nach der Dienstvereinbarung herausgenommen werden dürfen. Diese Dienstvereinbarung verstieße gegen Kündigungsschutz- und sächsisches Personalvertretungsrecht. Hinsichtlich des Kündigungsschutzgesetzes ergebe sich dies schon aus der Formulierung der Dienstvereinbarung. Danach solle Planungssicherheit für Personalkonsolidierungsmaßnahmen erreicht werden. Mit Blick auf die zum Zeitpunkt des Abschlusses der Dienstvereinbarung bereits laufende große Zahl von Erzieherkündigungen sei die Regelung gerade im Hinblick auf betriebsbedingte Kündigungen so erfolgt. Sie gewähre individuellen Kündigungsschutz gerade mit der Absicht, den betreffenden Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl auszunehmen. Personalvertretungsrechtlich hat die Klägerin eingewandt, daß eine Dienstvereinbarung des abgeschlossenen Inhalts unzulässig sei. Im Ergebnis jedenfalls müsse sich sie, die Klägerin, als die sozial Schwächere gegenüber Frau ... und Frau ... nicht die sich hier zu ihren Lasten auswirkenden Beschäftigungsgarantien entgegenhalten lassen.

Auch vier von der Beklagten aus der Sozialauswahl herausgenommene Erzieherinnen mit heilpädagogischer Zusatzqualifikation hätten aus der Sozialauswahl nicht ausgenommen werden dürfen. Umgekehrt hätten fünf Kräfte, die nicht zu dem nach dem SäKitaG definierten Fachpersonal gehörten, nicht in die Auswahlentscheidung einbezogen werden dürfen.

Zu Unrecht sei im übrigen ihr wehrdienstleistender Sohn nicht als Unterhaltsberechtigter berücksichtigt worden. Bei Berücksichtigung hätte sie statt 128 Punkte 136 Punkte erreicht. Insoweit hat die Klägerin den für die Sozialauswahl angewandten Stichtag gerügt. Für die Zeit nach Beendigung des Wehrdienstes sei Erwerbslosigkeit des Sohnes und damit Unterhaltsberechtigung vorauszusehen gewesen.

Die Personalratsanhörung hat die Klägerin - neben der Beanstandung der Information durch umfangreiche Anlagen - deshalb für unwirksam gehalten, weil die Anhörung zu Unrecht "auf Vorrat" erfolgt sei. Der Personalrat sei nämlich gebeten worden, mit seiner Entscheidung bis zum 30.03.2000 zuzuwarten. Dies sei ersichtlich mit Blick auf den noch zu treffenden Stadtratbeschluß vom 29.03.2000 geschehen. Daraus sowie aus dem mit Schreiben vom 30.03.2000 erklärten Rückzug des Mitwirkungsverfahrens nach Schreiben vom 16.03.2000 ergebe sich, daß zum Zeitpunkt der personalvertretungsrechtlichen Beteiligung der Kündigungsentschluß noch nicht gefaßt gewesen sei. Gerechnet ab 30.03.2000 sei die Kündigung vor Ablauf des Beteiligungsverfahrens ausgereicht worden.

Für den Fall des Obsiegens hat die Klägerin ihre Prozeßbeschäftigung verlangt.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ihr am 30.03.2000 zugegangene Kündigung der Beklagten vom selben Tag zum 30.09.2000 aufgelöst worden ist.

2. Für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 2. die Beklagte zu verurteilen, sie, die Klägerin, bis zum rechtskräftigen Abschluß dieser Kündigungssache zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Erzieherin mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat

Klageabweisung

beantragt.

Die Beklagte hat sich zur Begründung der Kündigung auf ihre Prognoseentscheidung hinsichtlich der Entwicklung der Kinderzahlen, den auf der Grundlage des Personalschlüssels errechneten Personalbedarf sowie auf die der maßgebenden Dienstvereinbarung folgende Sozialauswahl i. V. m. der ergänzenden Einzelfallprüfung bezogen. Ihr Vorbringen hat sich im wesentlichen mit denjenigen Tatsachen gedeckt, die in diesem Tatbestand vor dem Angriffsvorbringen der Klägerin dargestellt sind.

Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Denn die Kündigung sei bereits wegen fehlerhafter Sozialauswahl unwirksam. Die Erzieherinnen ... und ... hätten nicht von der Sozialauswahl ausgenommen werden dürfen. Die dies zulassende Dienstvereinbarung sei unwirksam. Dabei hat das Arbeitsgericht den Unwirksamkeitsgrund nicht in einem Verstoß gegen Kündigungsschutz- oder Personalvertretungsrecht gesehen. Vielmehr hat das Arbeitsgericht angenommen, die Dienstvereinbarung behandele jüngere im Vergleich zu älteren Erzieherinnen ohne sachlichen Grund zu Lasten der Älteren ungleich. Anders als bei gesetzlich unkündbaren Arbeitnehmern könnten die jüngeren Arbeitnehmerinnen die Bedingungen für den Eintritt des besonderen Kündigungsschutzes herbeiführen, was bei älteren Arbeitnehmerinnen, die bereits Kinder hätten, nicht zur Debatte stünde. Diese Ungleichbehandlung könne auch nicht mit einer Planungssicherheit gerechtfertigt werden. Zum einen bestehe kein innerer Zusammenhang zwischen der Planungssicherheit des Arbeitgebers einerseits und der Ungleichbehandlung vergleichbarer Arbeitnehmer bei der Sozialauswahl andererseits. Zum anderen sei die Planungssicherheit der Beklagten auch ohne die Dienstvereinbarung gewährleistet, weil jeder Mitarbeiter aufgrund der Regelung in § 16 Abs. 1 des Bundeserziehungsgeldgesetzes den beabsichtigten Zeitraum des zu beanspruchenden Erziehungsurlaubes vorher mitteilen müsse.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 08.08.2000 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts am 07.09.2000 Berufung eingelegt und diese am 06.10.2000 ausgeführt.

Die Beklagte bekämpft die Auffassung des Arbeitsgerichts, wonach die Dienstvereinbarung betreffend die Beschäftigungsgarantie unwirksam sei.

Hauptgrund für die Dienstvereinbarung sei es, die familiäre Erziehung von Kleinstkindern der städtischen Mitarbeiter zu unterstützen. So stehe es in § 1 der Dienstvereinbarung an erster Stelle und nur damit beschäftige sich auch der Inhalt der Vereinbarung. Die Partner der Dienstvereinbarung hätten den jüngeren Arbeitnehmern, die mit der Geburt und der Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs möglicherweise verbundene Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes am Ende des Erziehungsurlaubs und des damit auch verbundenen Rückstandes bezüglich der Entwicklung am Arbeitsplatz nehmen wollen. Ohne diese Dienstvereinbarung wäre den jüngeren Arbeitnehmern keine Sicherheit gegeben, durch Geburt und Erziehungsurlaub keine Nachteile zu erleiden.

Diese Ängste und Nachteile seien nicht nur theoretischer Natur, sondern höchst reale Praxis. Neben dem Verdienstausfall für die Zeit des Erziehungsurlaubs wären die betroffenen Arbeitnehmer bei erforderlichem Personalabbau in der Regel aufgrund ihrer schlechteren Sozialdaten (Beschäftigungszeit und Lebensalter) weniger schutzwürdig und stünden zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses zur Verfügung. In diesem Falle hätten sie auf dem Arbeitsmarkt ein zusätzliches Handikap, da sie für die Dauer des Erziehungsurlaubes nicht mehr im Beruf gestanden hätten und insoweit nicht über den letzten Stand des Wissens am Arbeitsplatz verfügten. Durch die Dienstvereinbarung werde neben einer Entscheidungshilfe für Nachwuchs auch eine gewisse soziale Sicherheit sowie eine Gleichheit dahin geschaffen, daß die "älteren Arbeitnehmer" im Gegensatz zu den "jüngeren Arbeitnehmern" in der Zeit des Erziehungsurlaubs weiterhin den vollen Verdienst hätten, den jeweils geltenden Wissensstand am Arbeitsplatz besäßen und darüber hinaus durch ihre Sozialdaten (Beschäftigungszeit, Lebensalter) einen weiteren Vorteil erwerben. Nur dies werde ausgeglichen.

Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bautzen vom 19.07.2000 - 7 Ca 7162/00 - abzuweisen.

Die Klägerin beantragt

die Zurückweisung der Berufung.

Die Klägerin beschäftigt sich in ihrer Berufungsbeantwortung unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im ersten Rechtszug ergänzend damit, daß die Dienstvereinbarung auch tarifwidrig sei. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sei der BAT-O anwendbar. In dessen Geltungsbereich sei der Kündigungsschutz nach § 53 Abs. 3 BAT (West) nicht übernommen worden. Auch der Tarifvertrag zur sozialen Absicherung enthalte keine Kündigungsverbote. Hieraus lasse sich der Wille der Tarifvertragsparteien entnehmen, im Geltungsbereich des BAT-O nur die gesetzlichen Kündigungsverbote gelten lassen zu wollen.

Wegen des Vorbringens beider Parteien und der von ihnen geäußerten Rechtsansichten wird ergänzend auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Erst in der Berufungsverhandlung hat sich aufklären lassen, daß die Erzieherinnen ... und ... ihre jeweiligen Beschäftigungsgarantien (jedenfalls auch) arbeitsvertraglich (s. o.) erhalten haben (Verträge als Anlagen zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung vom 10.10.2001).

Entscheidungsgründe:

A.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Denn die - ihrerseits zulässige - Kündigungsschutzklage ist begründet, weswegen die Klägerin auch weiterhin ihre Prozeßbeschäftigung verlangen kann. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Kündigung für rechtsunwirksam angesehen.

Zwar besteht ein Kündigungsgrund (I.) und ist das personalvertretungsrechtliche Beteiligungsverfahren ordnungsgemäß verlaufen (II.). Dennoch ist die Kündigung ungerechtfertigt, weil die Beklagte im Rechtssinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG (allein) durch die Herausnahme der Erzieherinnen ... und ... aus der Sozialauswahl soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt hat (III.).

I.

Die Kündigung ist allerdings an sich durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin bei der Beklagten entgegenstehen, bedingt (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG).

1.

a) Stelleneinsparungen in einem Haushaltsplan einer Körperschaft des öffentlichen Rechts - etwa im Zusammenhang mit der Schließung einer Einrichtung oder zum Zwecke der Haushaltskonsolidierung oder zum Zwecke der Anpassung an zurückgehenden Bedarf - können eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen.

Wenn beispielsweise durch Haushaltssatzung bestimmte, nach sachlichen Merkmalen bezeichnete Stellen für Betriebe oder Verwaltungen des öffentlichen Rechts gestrichen oder im Zuge allgemeiner Einsparungsmaßnahmen - etwa wegen fehlender Finanzierbarkeit - organisatorische oder technische Veränderungen durchgeführt werden, die dazu führen, daß bestimmte Arbeitsplätze fortfallen, ist darin grundsätzlich ein betriebliches Erfordernis i. S. der Regelung des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu sehen (vgl. BAG [GS] vom 28.11.1996, - GS 3/56 -, AP Nr. 20 zu § 1 KSchG, seither ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. weiter: BAG vom 04.06.1957 - 3 AZR 49/55 -, vom 21.05.1957 - 3 AZR 49/55 -, vom 21.05.1957 - 3 AZR 79/55 -, AP Nrn. 27 und 31 zu § 1 KSchG; BAG vom 03.05.1978 - 4 AZR 698/76 -, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 8). Eine derartige Entscheidung ist von den Gerichten für Arbeitssachen - vorbehaltlich einer Mißbrauchskontrolle - grundsätzlich als gegeben hinzunehmen (vgl. BAG [GS] vom 28.11.1956, a. a. O., sowie BAG vom 03.05.1978, a. a. O.). Diese Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht erst jüngst bekräftigt (vom 18.11.1999 - 2 AZR 77/99 -, AP Nr. 55 zu § 2 KSchG 1969).

Daran zeigt sich der unterschied zu einer betriebsbedingten Kündigung eines privaten Arbeitgebers. Dieser kann sich nicht einfach auf eine Stellenstreichung oder -reduzierung berufen. Bei Gemeinden, Kreisen und Ländern, dem Bund oder sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts ist dies anders, wenn und weil das zuständige Parlament, auch ein Stadtrat wie hier, eine die Verwaltung bindende Vorgabe macht. Einer derartigen Vorgabe hat die Exekutive zu entsprechen. Dabei handelt es sich im Grunde genommen um ein enormes Privileg. Dieses ist allerdings durch die öffentliche Kontrolle, die politische und gesetzliche Verantwortlichkeit der Entscheidungsträger sowie durch das bundes- und landesverfassungsrechtlich vorgegebene Gewaltenteilungsprinzip gerechtfertigt. Dies bedeutet im Kern allerdings keine Kündigungserleichterung. Erleichtert, und zwar wesentlich, ist lediglich das Fuhren eines Kündigungsschutzprozesses. Die politischen Voraussetzungen für Stellenstreichungen oder -reduzierungen durften dagegen oftmals und in der Regel ungleich schwerer herbeizuführen sein als die Unternehmerentscheidung (en) eines Privaten. Und gerade diese erschwerten Umstände sind es, welche die Gerichte für Arbeitssachen sich auf eine Mißbrauchskontrolle beschränken lassen. Diese Beschränkung bedeutet insbesondere auch, daß nicht die Notwendigkeit einer Haushaltskonsolidierung oder die Richtigkeit des zum Zwecke der Konsolidierung beschrittenen Wegs oder etwa die Sinnhaftigkeit der Schließung einer kommunalen Einrichtung nachzuprüfen wäre. Dies blieb vielmehr im Prinzip der Einschatzungsprärogative der Entscheidungsträger der Beklagten, mithin hier ihrer Stadtrate, überlassen. Sie haben zu entscheiden, was sie meinen, kommunalpolitisch verantworten zu können oder verantworten zu müssen. Derartige Umstände sind den Motiven der Stadtratsbeschlusse, mithin der Willensbildung der Stadtrate, zuzurechnen.

b) Hier waren aufgrund des Beschlusses des Stadtrates der Beklagten vom 15.12.1999 im Unterabschnitt 4640 des dem Haushaltsplan 2000 beigefügten Stellenplanes in dessen Teil B im Bereich der Kindertagesstätten 15 Stellen nach Vergütungsgruppe V c mit einem kw-Vermerk ab Oktober 2000 versehen. Damit waren 15 Inhaberinnen einer entsprechenden Stelle kündbar, somit auch die Klägerin.

Eine mißbräuchliche Stellenkürzung läßt sich hier nicht feststellen. Derartiges ergibt sich in Sonderheit nicht aus der von der Beklagten angestellten Prognoseentscheidung oder der Anwendung des Personalschlüssels an sich oder seiner etwaigen falschen Anwendung. Denn dabei handelt es sich um die Grundlagen der Willensbildung des Stadtrates und nicht um den Kündigungsgrund oder Teile von ihm. Betroffen sind m. a. W. die Voraussetzungen des Kündigungsgrundes. Dieser selbst besteht jedoch in den Stellenstreichungen. Dazu darf sich der Stadtrat sowohl der Bedarfsprognosen der Stadtverwaltung bedienen als auch - wie diese - den Personalschlüssel als Maßstab anlegen. Es bleibt dem Stadtrat auch unbenommen, der Art und Weise der Anwendung des Personalschlüssels durch die Verwaltung zu folgen. Es kann dahinstehen, ob der Stadtrat selbst hätte Alternativen prüfen müssen. Denn jedenfalls ist der Stadtratsbeschluß selbst weder aus kommunalrechtlichen Gründen nichtig noch verwaltungsgerichtlich wirksam angefochten worden und somit bindend.

c) Richtig ist allerdings, daß eine Stellenplanreduzierung im öffentlichen Dienst aufgrund einer haushaltsrechtlich festgelegten Zahl von konkret datierten "kw-Vermerken", wonach diese Stellen "künftig wegfallen" sollen, eines auf den Stellenbedarf der jeweiligen Dienststelle zugeschnittenen Konzepts der zuständigen Verwaltung bedarf (vgl. BAG vom 18.11.1999, a. a. O.).

Auch daran fehlt es nicht. Erziehungsleistungen sind im gewissen Sinne Dienstleistungen, die zum Teil ohne die Zuhilfenahme sachlicher Mittel erbracht werden (können). Maßgebend ist das Vorhandensein von erziehungsbedürftigen Kindern. Sinkt deren Zahl, stellt es ein schlüssiges Konzept dar, wenn auch die Zahl der Erziehenden verringert wird.

2.

Die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung besteht nicht. Jedenfalls hat die Klägerin eine solche Möglichkeit nicht aufgezeigt.

II.

1.

Die Wirksamkeit der Personalratsbeteiligung scheitert nicht daran, daß die Beklagte zum Zeitpunkt der Beteiligung des Personalrats keinen Kündigungsentschluß gefaßt hätte.

Richtig ist zwar, daß betriebsverfassungsrechtlich Kündigungsanhörungen "auf Vorrat" für unwirksam gehalten werden (vgl. KR-Etzel, § 102 BetrVG Rdnr. 54 m. N.). Personalvertretungsrechtlich gilt nichts anderes.

Hier fehlte es bei der Personalratsbeteiligung aber am Kündigungsentschluß nicht deshalb, weil der Stadtrat mit den Kündigungen, auch der Kündigung der Klägerin, am 29.03.2000 noch einmal befaßt wurde. Der Beschluß geht zurück auf die Vorlage des Oberbürgermeisters der Beklagten. Die Beschlußvorlage entspricht dem Beschlossenen, d. h. der Personalreduzierung und dem Ausspruch von Kündigungen. Daraus ergibt sich, daß der kündigungsberechtigte Bürgermeister zur Kündigung entschlossen war. Er ist nicht in die Stadtratssitzung mit einer Beschlußvorlage des Inhalts gegangen, die von der Verwaltung vorgeschlagenen und den zuvor beschlossenen Stellenplan ausführenden Kündigungen nicht auszusprechen. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben vom 30.03.2000, das an der Kündigung der Klägerin sogar festhält.

Auch mußte der Personalrat mit der Angelegenheit nicht etwa nach dem 29.03.2000 nochmals in dem Sinne befaßt werden, daß ihm die Entscheidung des Stadtrates mitzuteilen gewesen wäre. Denn hätte sich der Bürgermeister vom Stadtrat von den Kündigungen abbringen lassen, hätte es ohnehin keiner weiteren Personalratsbeteiligung mehr bedurft. Eine Bestätigung durch den Stadtrat hingegen - wie erfolgt - hat an dem Beteiligungssubstrat nicht eine einzige Änderung bewirkt.

2.

Das Beteiligungsverfahren ist durch das Schreiben vom 30.03.2000 auch nicht abgebrochen und neu eingeleitet worden mit der Konsequenz einer vorfristigen Kündigung. Denn dieses Schreiben macht einen "Rückzieher" der Sache nach nur für den Fall einer gegenläufigen Entscheidung des Stadtrates, zu der es aber nicht gekommen ist, und die - wie gesagt: ohne Änderung des Beteiligungssubstrats - lediglich nachgetragen wird.

3.

Im übrigen ist der Personalrat zu sämtlichen die Kündigung tragen sollenden Umständen angehört worden. Daß sich diese aus umfangreichen Anlagen ergeben, schadet nicht.

III.

Damit steht und fällt die Wirksamkeit der Kündigung mit der Antwort auf die Frage, ob die Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten gesetzmäßig erfolgt ist. Dem ist nicht so:

1.

Nicht unwirksam ist die Sozialauswahl allerdings deshalb, weil die Beklagte vier Erzieherinnen mit heilpädagogischer Zusatzausbildung ausgenommen hat.

Aufgrund der Regelung in § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG gilt die Grundregel über die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht, wenn betriebstechnische, wirtschaftliche oder sonstige berechtigte betriebliche Bedürfnisse die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer bestimmter Arbeitnehmer bedingen und damit der Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten entgegenstehen.

Derartige Voraussetzungen liegen bei den vier Erzieherinnen vor. Denn sie verfügen aufgrund ihrer heilpädagogischen Zusatzausbildung jedenfalls über ein breiteres Einsatzfeld als die Klägerin. Es ist der Beklagten auch nicht verwehrt, diese Erzieherinnen selbst bei derzeit möglicherweise nicht bestehender vollständiger Auslastung nicht "vorzuhalten". Denn jede Anmeldung eines neuen Kindes kann den Einsatz einer Erzieherin mit der entsprechenden Ausbildung sofort erforderlich machen. Für diese Situation muß geeignetes Personal zur Verfügung stehen. Die Beklagte kann nicht darauf verwiesen werden, dem nicht über die Zusatzausbildung verfügenden Personal dieselbe erst bei Bedarf zu verschaffen oder geeignetes Personal erst einzustellen. Denn die Ausbildung nimmt Zeit in Anspruch. Auch ist der Ausbildungserfolg nicht zwingend garantiert. Und eine Neueinstellung würde eine freie Stelle voraussetzen, woran es aber ersichtlich fehlt.

2.

Die Berücksichtigung von Kräften, die nicht zu dem nach dem SäKitaG definierten Fachpersonal gehören, schadet nicht. Denn es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, daß sich diese nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen von der Klägerin unterschieden.

3.

Die Beklagte mußte auch nicht den wehrdienstleistenden Sohn der Klägerin mit acht zusätzlichen Punkten in Ansatz bringen. Denn zum maßgeblichen Zeitpunkt der Kündigung bestand nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin eine Unterhaltspflicht nicht. Demgemäß wirkt es sich auch nicht aus, daß die Beklagte schon für einen wesentlich früheren Zeitpunkt von einer insoweit fehlenden Unterhaltsverpflichtung ausgegangen ist, was aber im übrigen auch richtig war.

4.

Allerdings durfte die Beklagte nicht ohne Verstoß gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG die Erzieherinnen ... und ... aus der Sozialauswahl ausnehmen, zu welchem Verstoß es aber aufgrund der gegebenen Beschäftigungsgarantien gekommen ist. Hierauf kann sich auch die - gegenüber ... und ... mit Abstand schutzwürdigere - Klägerin berufen. Nach derzeitiger Rechtslage bedarf es keiner Prüfung, ob die unberechtigte Herausnahme sozial stärkerer Arbeitnehmer kausal für die Kündigung des sozial schwächeren Arbeitnehmers war (vgl. BAG vom 18.10.1984 - 2 AZR 543/83 -, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 34; str., vgl. KR-Etzel, § 1 KSchG Rdnr. 632 m. w. N.).

Die Frage des Verhältnisses von Beschäftigungsgarantien einerseits zur Verpflichtung des Arbeitgebers zur Beachtung der Auswahl nach sozialen Kriterien nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG andererseits ist umstritten und im übrigen auch höchstrichterlich noch nicht geklärt. Der Sache nach bedeutet die Beschäftigungsgarantie hier die Einräumung der ordentlichen Unkündbarkeit für einen bestimmten Zeitraum. Einigkeit besteht in Rechtsprechung und Literatur ersichtlich nur insoweit, daß nach dem Gesetz nicht kündbare Arbeitnehmer aus einer Sozialauswahl herausgenommen werden können, ja herauszunehmen sind. Im übrigen ist die Anerkennung von "Unkündbarkeitsregeln" im Rahmen einer Sozialauswahl strittig. Zum Teil wird die Berücksichtigungsfähigkeit solcher Regelungen generell bejaht, zum Teil generell verneint. Teilweise wird ein Unterschied danach getroffen, welcher Rechtsnatur die Unkündbarkeitsregelung ist bzw. auf welcher Rechtsquelle sie beruht. In diesem Zusammenhang wird etwa tarifvertraglichen Unkündbarkeitsregelungen der Vorzug vor einzelvertraglichen Abmachungen gegeben. Entsprechende Regelungen in Betriebs- oder Dienstvereinbarungen - wie auch hier - sind noch nicht näher beleuchtet worden (vgl. zum ganzen mit Nachweis des Streitstandes KR-Etzel, § 1 KSchG Rdnrn. 638, 640).

a) Die Dienstvereinbarung "Beschäftigungsgarantie" dürfte ihrem Wortlaut nach normativ schon keine Beschäftigungsgarantie, sondern nur einen Anspruch auf Erteilung einer solchen Garantie enthalten. Sowohl § 2 (Überschrift) als auch § 3 (Text) der Dienstvereinbarung reden von "Gewährung", welcher in beiden Fällen ersichtlich eine Prüfung der Voraussetzungen vorauszugehen hat. Jedenfalls sprechen die den Erzieherinnen ... und ... gegebenen Garantien im Rahmen eines Änderungsvertrages für eine Personalpraxis des Inhalts, daß die Garantie in Ausführung der Dienstvereinbarung besonderer individueller Abrede bedarf. Jedenfalls in dieser Auslegung könnte die Dienstvereinbarung selbst die Ausnahme von Arbeitnehmerinnen aus der Sozialauswahl nicht begründen, ohne daß es dann noch auf die Frage nach der Wirksamkeit der Dienstvereinbarung ankommt.

b) Letztlich muß der Frage, ob sich aus der Dienstvereinbarung selbst die Unkündbarkeit ergibt, ebensowenig nachgegangen werden wie der Frage, ob die Dienstvereinbarung gegen höherrangiges Personalvertretungs- und/oder Tarifrecht verstößt. Denn ergäbe sich die Garantie aus der Vereinbarung nicht oder/und wäre diese wegen Verstoßes gegen Personalvertretungs- oder Tarifrecht unwirksam, kämen die den Erzieherinnen ... und ... gegebenen Individualzusagen zum Tragen, die aber nicht gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG verstoßen dürfen. Ergäbe sich hingegen die Beschäftigungsgarantie bereits aus der Dienstvereinbarung selbst und wäre diese nicht wegen Verstoßes gegen Personalvertretungs- und/oder Tarifrecht unwirksam, müßte auch sie im Einklang mit § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG stehen.

Beides ist jedoch nicht der Fall, d. h. sowohl die Beschäftigungsgarantie nach der Dienstvereinbarung als auch die individualvertraglich gegebenen Beschäftigungsgarantien verstoßen gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG. Es kann dahinstehen, ob sie im Verhältnis zu den Erzieherinnen ... und ... (relativ, vgl. § 137 Satz 2 BGB) zu erfüllen sind. Jedenfalls können die Regelungen im Rahmen einer Sozialauswahl nicht mit Wirkung zu Lasten der Klägerin verwendet werden.

Allerdings erscheinen Unkündbarkeitsregelungen nicht generell als "anfechtbar". Es spricht nichts dagegen, Arbeitnehmern als Ausgleich für eine bestimmte Gegenleistung im Arbeitsverhältnis einen besonderen Schutz vor ordentlichen Kündigungen, die nicht mit seinem Verhalten oder in seiner Person begründet sind, zu gewähren. Eine solche Gegenleistung kann etwa gerade bei älteren und langjährig beschäftigten Arbeitnehmern in der Betriebstreue liegen.

Weder durch Dienstvereinbarung noch durch Individualzusage allerdings und übrigens auch nicht durch Tarifvertrag darf eine Beschäftigungsgarantie den Zweck verfolgen, etwa im Rahmen anstehender Kündigungswellen, wie im Falle der Beklagten der Fall, die Sozialauswahl bereits für künftige Entlassungen zu steuern. Das Ziel der Beklagten ist ohne Zweifel sozialpolitisch anerkennenswert. Allerdings erbringt sie mit den Beschäftigungsgarantien Leistungen, denen keine Gegenleistungen der Arbeitnehmer gegenüberstehen. Im Grunde verlängert sie über die Bestimmungen des Bundeserziehungsgeldgesetzes hinaus aus Erwägungen, die außerhalb der Arbeitsverhältnisse mit den Geschützten liegen, das Kündigungsverbot während des Erziehungsurlaubes (jetzt Elternzeit) nach § 18 Abs. 1 Satz 1 BErzGG. Dem Gesetzgeber ist bekannt, daß ein derartiges Kündigungsverbot zur Herausnahme des Begünstigten aus einer Sozialauswahl führt. Mit der Dauer des Verbots hat er einen allein seiner sozialpolitischen Einschätzungsprärogative unterliegenden Ausgleich zwischen der kündigungsschutzrechtlichen Stellung des Begünstigten und Dritten vorgenommen. Dienstvereinbarung und/oder Individualzusage verschieben hier diesen Ausgleich einseitig zu Lasten von Arbeitnehmerinnen - und hierauf hat das Arbeitsgericht völlig zu Recht hingewiesen - die einen dem § 18 Abs. 1 Satz 1 BErzGG vergleichbaren Schutz möglicherweise schon aus biologischen Gründen wegen ihres Alters nicht mehr erwerben können. Damit geraten die Beschäftigungsgarantien aber just in Konflikt mit eben den Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes, die unter sozialen Aspekten gerade dem Schutz der älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu dienen bestimmt sind. Dabei ist das Ziel der Beklagten "charmant": Ein Mehr an Kindern wirkt sich letztlich wieder zugunsten der Auslastung der Kindertageseinrichtungen aus und wirkt beschäftigungsfördernd für sämtliche Erzieherinnen. Allein der Weg ist nicht gangbar. Denn er verfolgt im Kern die Absicht, künftig erforderlich werdende Auswahlen nach sozialen Gesichtspunkten schon jetzt zugunsten von Personen zu steuern, die dort aufgrund ihrer besseren Sozialdaten kündbar werden könnten. Damit läuft eine Berücksichtigung der in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG vorgesehenen Kriterien aber bei künftigen Kündigungen von vornherein leer, soweit es (u. a.) auch um die von der Beklagten zugrunde gelegten Kriterien wie Beschäftigungszeit und Lebensalter geht.

Die Beschäftigungsgarantien dürften auch nicht wirksam sein, wenn ihr (das von der Beklagten übrigens auch nicht geltend gemachte) Ziel eine Planungssicherheit in dem Sinne wäre, für den Fall künftiger Entlassungswellen schon jetzt eine ausgewogene Altersstruktur zu erhalten. Auch ein derartiges Ziel müßte im Rahmen einer Sozialauswahl bei anstehenden Kündigungen situationsbezogen (und nicht vorgesteuert) verfolgt werden.

Im übrigen teilt die Berufungskammer die Erwägungen des Arbeitsgerichts dazu, daß die Beklagte keine Planungsunsicherheit erleidet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, daß der beabsichtigte Zeitraum für den Erziehungsurlaub vom Arbeitnehmer bekanntzugeben ist. Fehlt einem Ziel (hier: Gewinnung von Planungssicherheit) aber schon die Eignung, rechtfertigt dies keinen Eingriff in die nach Art. 12 Abs. 1 GG garantierte Berufsfreiheit der Klägerin, der allerdings stattfände, wenn ihre gegen die streitgegenständliche Kündigung ausgesprochene Kündigungsschutzklage abgewiesen würde.

B.

Aufgrund der Regelung in § 97 Abs. 1 ZPO fallen der Beklagten die Kosten ihrer ohne Erfolg eingelegten Berufung zur Last.

Die Kammer hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen. Jedenfalls nach dem Ergebnis des Berufungsverfahrens kommt es nach der Rechtsauffassung der Kammer entscheidend auf die Frage an, ob Beschäftigungsgarantien, jedenfalls der hier zu beurteilenden Art, gemessen an der Regelung in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG rechtswirksam sind. Außerdem stellt die Kammer in Rechnung, daß die Rechtsfrage von großer Bedeutung für die Personalpolitik der Beklagten und betroffen von Rechtsfrage und Personalpolitik nicht allein die Klägerin ist.

Ende der Entscheidung

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