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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 27.08.2008
Aktenzeichen: 2 Sa 752/07
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 15 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Sächsisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes URTEIL

Az.: 2 Sa 752/07

Verkündet am 27. August 2008

In dem Rechtsstreit

hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 2 - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Herrn ... und Herrn ... auf die mündliche Verhandlung vom 27.08.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 26.10.2007 - 3 Ca 3245/07 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Revision ist nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten auf die Berufung der Klägerin unverändert darüber, ob das sie verbindende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher Arbeitgeberkündigung der Beklagten mit Schreiben vom 28.06.2007, der Klägerin zugegangen am 29.06.2007, zum 31.12.2007 aufgelöst worden ist.

Die zum Zeitpunkt der Kündigung 55-jährige Klägerin steht bei der Beklagten in einem seit dem 20.08.1979 rechnenden Arbeitsverhältnis, zuletzt als Techniker VEA im Bereich Administration/Controlling. Entsprechend ihrer Eingruppierung in die Tarifgruppe 10 betrug die durchschnittliche Bruttomonatsvergütung zuletzt 2.382,43 €.

Bei der Beklagten in ... waren bisher 274 Mitarbeiter beschäftigt. Bei der Beklagten wurden u. a. Abfälle zu neuen Rohstoffen (z. B. Methanol) verwertet bzw. entsorgt.

Die Beklagte ist an einen Haustarifvertrag mit der Gewerkschaft IGBCE gebunden, den sie auf alle Arbeitsverhältnisse anwendet. Der Haustarifvertrag beruht auf den Manteltarifvertrag für Arbeitnehmer der Lausitzer und Mitteldeutschen Braunkohleindustrie und wurde geringfügig modifiziert.

Die Beklagte hat nach ihren Bilanzen in den vergangenen zwei Jahren Verluste in Höhe von etwa 45 Millionen € erlitten. Vor diesem Hintergrund haben die Beklagte und der im Betrieb der Beklagten gebildete Betriebsrat am 05.06.2007 einen Interessenausgleich abgeschlossen. Die letzte Verhandlung über den Interessenausgleich fand am 30.05.2007 statt. An diesem Tag waren sich alle Beteiligten, der Betriebsrat unter Gremienvorbehalt, einig, dass damit die Verhandlungen abgeschlossen seien. Der Betriebsrat führte am Folgetag ab 09:00 Uhr die entscheidende Betriebsratssitzung durch. Etwa gegen 11:00 Uhr suchten der Vorsitzende des Betriebsrates und sein Stellvertreter die Personalleiterin der Beklagten auf. Beide Personen erklärten der Personalleiterin, alle Betriebsratsmitglieder seien bereit, den Vereinbarungen zuzustimmen. Allerdings weigerten sich derzeit noch jene Betriebsratsmitglieder, die künftig als "Werkschutzmann" zu arbeiten hätten. Diese Mitglieder wünschten zwar keine andere Tätigkeit auszuüben, hätten aber gerne, dass die von ihnen einzunehmenden Stellen als "Maschinist Anlagensicherheit" bezeichnet würden. Die Personalleiterin erklärte daraufhin, dass es solche Stellen nicht gebe. Darauf erwiderten die Betriebsratsmitglieder, dass es nicht um die Tätigkeit an sich, sondern um die Bezeichnung gehe, denn die Betriebsratsmitglieder fürchteten Nachteile, wenn sie sich bei anderen Unternehmen zu bewerben hätten und sich hierbei als Werkschutzleute bezeichnen müssten. Danach fertigte die Beklagte nach Diktat ihres späteren Prozessbevollmächtigten an die betreffenden Betriebsratsmitglieder, die künftig im Werkschutz arbeiten sollen, u. a. an Herrn ..., ein Schreiben u. a. folgenden Inhalts:

"...

bekanntlich werden Sie nach dem gegenwärtigen Stand des Interessenausgleiches und der Sozialplanverhandlungen künftig als Werkschutzmann eingesetzt.

Soweit wir wissen, sind Sie auch bereit, in dieser Funktion und zu den hierfür geltenden tariflichen Bedingungen zu arbeiten.

Es scheint allerdings so zu sein, dass Ihnen die Bezeichnung Werkschutzmann nicht zusagt. Wir sind deshalb bereit, Sie nach außen (also insbesondere in Zeugnissen) als 'Maschinist Anlagensicherheit' zu bezeichnen.

Dies sagen wir Ihnen hiermit unter der Voraussetzung zu, dass Sie Ihren Widerstand gegen den Interessenausgleich, den Sozialplan und die Betriebsvereinbarung aufgeben.

Bitte führen Sie sich die Konsequenz vor Augen, die ein Scheitern der Verhandlung, insbesondere für den Fortbestand der 85 zu erhaltenden Arbeitsplätze, hätte. Außerdem gäbe es dann keinerlei Transfermaßnahme.

Wir bitten Sie eindringlich, sich zu fragen, ob Ihre - verständlichen - Wünsche durch die in diesem Schreiben enthaltene Zusage nicht doch befriedigt sind und Sie deshalb Ihre individuellen Interessen angesichts der überwiegenden Interessen der von Ihnen repräsentierten Belegschaft zurückzutreten haben.

..."

Noch am selben Tag fasste der Betriebsrat den Beschluss, dem Interessenausgleich zuzustimmen.

Im Interessenausgleich wurde, soweit hier von Bedeutung, u. a. vereinbart:

"...

3.1. Die Bereiche

- Feststoffvergasung mit 45 Stellen,

- Flugstromvergasung mit 22 Stellen,

- Aufbereitung feste Stoffe mit 40 Stellen,

- Gasreinigung/Methanol mit 23 Stellen

werden geschlossen ...

Alle Stellen in diesen Bereichen fallen ersatzlos weg.

Eine Übersicht zum voraussichtlichen Zeitplan der Außerbetriebnahme ist in der Anlage 3 und der sich daraus ergebene stufenweise Wegfall der Tätigkeiten auf den einzelnen Arbeitsplätzen in der Anlage 4 dargestellt.

Im dargestellten Zeitplan der Außerbetriebnahme ist zu erkennen, dass es bei der Außerbetriebnahme noch zu erledigende Aufgaben gibt (Anlage 5). Daraus ergibt sich ein gestaffelter Wegfall des Beschäftigungsbedarfs für Arbeitnehmer, die die wesentlichen Außerbetriebnahmetätigkeiten nach den Planungen bis zum 31.08.2007 zu erledigen haben. Der Zeitraum ab dem 01.09.2007 bis zum 30.09.2007 wird für erweiterte Spülungen, Entleerungen, Reinigungen und Konservierungen der passiven Anlagen bzw. temporär stillgelegten Anlagen benötigt. Das Personal wird im Rahmen der Übertragung einer anderen Tätigkeit für diese Tätigkeiten bis spätestens zum 30.09.2007 - gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt - eingesetzt.

3.2. Der bisherige Bereich Produktion wird um den Aufgabenbereich Anlagensicherheit erweitert.

Damit werden dem Leiter Produktion 11 neue Stellen zugeordnet. Davon sind 10 Stellen mit der Bezeichnung ,Werkschutzmann' im durchgehenden 3-Schichtsystem sowie 1 Stelle ,Werkschutzleiter' für die Kontrolle der außer Betrieb genommenen Anlagen erforderlich und werden neu geschaffen.

3.3. Der Bereich Abwasserreinigung/Aufbereitung flüssige Produkte wird aufgelöst. Dabei entfallen nach Außerbetriebnahme 22 Stellen. Die 3 verbleibenden Stellen ,Klärwerk' (Anlagen- und Maschinenwart VEA/Klärwerk) werden in den neu zu bildenden Bereich Ver- und Entsorgung überführt und dieser um 2 Stellen erweitert, da der Bereich zukünftig im durchgehenden 3-Schichtsystem zu besetzen ist.

Der neu gebildete Bereich ,Ver- und Entsorgung' wird durch eine Stelle Betriebsleiter und eine Stelle Fachingenieur VEA geführt. Neben den Stellen Anlagen- und Maschinenwart hat dieser Bereich dann weitere fünf neue Stellen (im Schichtdienst) mit der Bezeichnung ,Maschinist VEA/Verbund' (Rohrbrücke, Kontrolle Tanklager, Kühlwasserkreislauf, Heizwärmeversorgung) ...

Die 5 Stellen Betriebsüberwachung/Schichtleiter sowie die 5 Stellen Maschinist Außendienst/Rohrbrücke fallen ersatzlos weg ...

Der Bereich GuD-Kraftwerk wird mit insgesamt 24 Stellen weitergeführt. Diese sind eine Stelle Betriebsleiter, 1 Stelle Fachingenieur VEA, 1 Stelle Fachtechniker VEA, 5 Stellen Vorarbeiter Betriebsanlagen, 5 Stellen Leitstandsführer komb. Leitstand, 5 Stellen Maschinist VEA/GuD, 5 Stellen Maschinist VEA/REA und 1 Stelle Maschinist VEA/Tagschicht. Es fallen somit zwei Stellen weg (Werker VEA und Anlagen- und Maschinenwart VEA). Eine Stelle Maschinist VEA wird in eine Stelle Fachtechniker VEA umgewandelt.

...

3.5. Neben dem bereits oben dargestellten werden im unmittelbaren Verantwortungsbereich der Administration folgende Änderungen eingeführt:

Der Bereich Administration wird geschlossen.

Die Abteilung ,Controlling' wird geschlossen. Dabei entfallen sofort 3 Stellen (die Stelle kaufmännischer Planungssachbearbeiter, die Stelle Auswerter sowie die Stelle Techniker VEA). Eine Stelle kaufmännischer Planungssachbearbeiter wird der Geschäftsführung unmittelbar als Betriebscontroller unterstellt.

...

3.8. In der Abteilung ,Beschaffung/Verkauf Produkte' entfallen zwei Stellen ,Einkaufssachbearbeiter', da sich im Wesentlichen die Bestellanforderungen um bis zu 80 % reduzieren und somit der sehr hohe Schreibaufwand für die Arbeiten im SAP entfällt.

...

In diesem Bereich wird eine neue Stelle Sachbearbeiter/Auftragsbearbeitung erforderlich und neu geschaffen. Diese wird für die Bearbeitung der Aufträge im Rahmen der Verkaufs-, Beschaffungs- und Vertriebsaufträge zuständig sein.

...

4. Die Neuorganisation wird auf der Basis dieses Konzeptes zum 30.09.2007, ggf. auch zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt. Für das Unternehmen sind nach den derzeitigen Planungen ab dem 01.10.2007 85 Vollzeitstellen (inklusive der Stelle des Geschäftsführers) vorgesehen. Diese Zahl kann sich dann ändern, wenn sich die Umsetzung zeitlich weiter verschiebt.

5. Damit verlieren die in der Anlage 6, die Teil dieses Interessenausgleichs ist, aufgeführten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz und werden betriebsbedingt zum nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt. Bei der Zusammenstellung dieser Anlage haben sich die Parteien dieses Interessenausgleiches von den altersspezifischen Chancen der Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt leiten lassen.

Die Besetzung der Stellen ab dem 01.10.2007 erfolgt - nach dem derzeitigen Stand der Planungen - entsprechend dem diesen Interessenausgleich als Anlage 7 beigefügten Personalbesetzungsplan, in dem auch die Mitarbeiter aufgeführt sind, für die nach einer Versetzung oder ggf. einer Änderungskündigung eine Weiterbeschäftigung im Betrieb möglich ist.

..."

Dem Personalbesetzungsplan entsprechend werden u. a. folgende Arbeitnehmer unverändert weiterbeschäftigt:

- ... als Leiter des Bereiches Beschaffung/Verkauf Produkte, außertarifliche Vergütung,

- ... als Hauptsachbearbeiter Verkauf in der Tarifgruppe 17,

- ... als Fachingenieur VEA/Kohleverflüssigung in der Tarifgruppe 17,

- ... als Fachingenieur VEA/Produktionssteuerung in der Tarifgruppe 17,

- ..., ... und ... als Anlagen- und Maschinenwart VEA im Klärwerk unter Eingruppierung in die Vergütungsgruppe 4 und

- ..., ... und ... jeweils als Maschinist VEA/Verbund in der Vergütungsgruppe 5.

Herr ... ist 50 Jahre alt und seit 33 Jahren im Betrieb beschäftigt. Alle ansonsten genannten Mitarbeiter sind entweder nicht älter als 50 Jahre oder kürzer als 20 Jahre im Betrieb beschäftigt.

Auf der in der Abteilung "Beschaffung/Verkauf Produkte" neu geschaffenen Stelle als Sachbearbeiter/Auftragsbearbeitung wird künftig die Betriebsrätin ... beschäftigt. Diese Stelle wurde wegen des Sonderkündigungsschutzes der Frau ... erst geschaffen.

Im Gegensatz zur Klägerin waren alle genannten Anlagen- und Maschinenwarte auch bisher schon im Klärwerk tätig. Für das von der Beklagten unterhaltene mechanisch-biologische Klärwerk gilt die sog. Eigenkontrollverordnung des Freistaates Sachsen. Hieraus ergibt sich insbesondere, dass die Beklagte verpflichtet ist, Stichproben für die Untersuchung des Abwassers zu nehmen, zu analysieren und die erfassten Daten in ein Betriebstagebuch einzutragen. All dies ist Aufgabe der Anlagen- und Maschinenwarte im Klärwerk der Beklagten. Diese müssen in der Lage sein, die Eigenkontrolle selbständig durchzuführen, zum Teil eigene chemische Analysen vorzunehmen und die Untersuchungsergebnisse in das Betriebstagebuch (Betriebsprotokoll) aufzunehmen. Die Beklagte hat diese Aufgaben in einer Arbeitsplatzanweisung in der aktuellen Fassung vom 21.05.2007 konkretisiert. Über diese allgemeine Arbeitsplatzanweisung hinaus haben die Anlagen- und Maschinenwarte im Klärwerk zur Sicherstellung des ordnungsgemäßen Betriebes des Klärwerkes noch folgende Aufgaben zu erledigen:

- Beurteilung täglicher Analysedaten und Veränderung der Einstellung der Betriebsparameter (Luftzufuhr, Rezirkulation, Rücklaufschlamm),

- Durchführung von Eigenkontrollen und Analysen,

- Einstellung der Stufen zur Nitrifikation und Denitrifikation,

- Zugabe von Organik bei Anstieg des Nitritgehaltes und

- Bewertung des Gehalts an gelöstem Sauerstoff und Optimierung der Fahrweise.

Für die Ausführung dieser Aufgaben ist eine Ausbildung zum Klärwerker (neuere Bezeichnung hierfür: Ver- und Entsorger) notwendig oder zumindest eine intensive, mindestens siebenmonatige Schulung (Einweisung in die Grundlage des Klärwerkbetriebes, Vermittlung der notwendigen chemischen und biologischen Kenntnisse, Kennenlernen der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften), um die erforderliche Sachkunde für den Klärwerksbetrieb zu erlangen.

Die neu geschaffenen Stellen im Aufgabenbereich Anlagensicherheit werden nach dem Stellenbesetzungsplan mit Ausnahme des Herrn ... ausschließlich mit Arbeitnehmern besetzt, die besonderen Kündigungsschutz als Betriebsrat oder Schwerbehinderter haben. Herr ... ist 59 Jahre alt und seit 40 Jahren bei der Beklagten beschäftigt. Er war bisher im Bereich Flugstromvergasung tätig, wie kein anderer für den Bereich Werkschutz vorgesehener Arbeitnehmer mit Kündigungsschutz. Aufgabe der im Werkschutz beschäftigten Arbeitnehmer ist insbesondere die regelmäßige Sicherheitskontrolle der stillgelegten Anlagen.

Die Stellen als Maschinist/Verbund im neu gebildeten Bereich Ver-/Entsorgung werden nach dem Stellenbesetzungsplan ausschließlich mit solchen Arbeitnehmern besetzt, die zuvor im Bereich des Tanklagers bzw. als Maschinist im Bereich Entphenolung beschäftigt waren. Aus diesen Bereichen bleiben Aufgaben bei der Sicherung des Kühlkreislaufes, bei der Kontrolle eines Tanks zur Versorgung der Formaldehydanlage eines anderen Unternehmens und bei der Betreibung des Stickstoffpendelsystems zur Sicherung des Tanks gegen Explosionen bestehen. Insbesondere bezüglich des Stickstoffpendelsystems sind Detailkenntnisse erforderlich. Der ursprünglich damit auch beschäftigte Mitarbeiter Herr ... wurde im Jahr 2006 für diese Tätigkeit ein Jahr geschult. Eine solche Schulung wäre für jeden Arbeitnehmer notwendig, der nicht im Bereich Tanklager oder im verwandten Bereich Entphenolung eingesetzt war. Dies war der Grund dafür, warum die Beklagte und der Betriebsrat nur die in diesen Bereichen beschäftigten Arbeitnehmer bei der Sozialauswahl zur Besetzung dieser Stellen berücksichtigt haben. Die Klägerin war dort nie tätig.

Am 19.06.2007 übergab die Personalleiterin dem Betriebsratsvorsitzenden ein Schreiben zur Anhörung des Betriebsrates bezüglich einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung der Klägerin zum 31.12.2007. Auf das als Anlage zur Klageerwiderung der Beklagten eingereichte Anhörungsschreiben wird hinsichtlich des Inhaltes verwiesen. Der Betriebsrat hat in seiner Stellungnahme vom 21.06.2007 die Kündigung zur Kenntnis genommen. Zuvor hatte die Beklagte dem Betriebsrat am 24.05.2007 eine Liste der Arbeitnehmer mit ihren Sozialdaten übergeben. Auf dieser Liste waren Name und Vorname, ausgeübte Tätigkeit, Alter, Betriebszugehörigkeit, Freibeträge laut Lohnsteuerkarte und sonstige bekannte Unterhaltsverpflichtungen, etwaige Schwerbehinderung, Familienstand, Steuerklasse, Kündigungstermin, Kündigungsfrist, etwaiger Sonderkündigungsschutz und der Hinweis, ob es sich um ein befristetes Arbeitsverhältnis handelt, aufgeführt. In dieser Liste waren außerdem die Sozialauswahlpunkte für jeden einzelnen Arbeitnehmer berechnet und angegeben, wie sie sich aus einem von der Beklagten angegebenen Punkteschema ergaben. Nach Überprüfung dieser Liste und der darin enthaltenen Daten durch den Betriebsrat trafen sich am 25.05.2007 der Vorsitzende sowie der stellvertretende Vorsitzende des Betriebsrates mit der Personalleiterin und einer Rechtsanwältin, um zu besprechen, wer in die Sozialauswahl für die verbleibenden Stellen im Unternehmen einzubeziehen ist, welche Arbeitnehmer untereinander vergleichbar sind und welche nicht sowie welche altersspezifische Chancen, die die einzelnen in eine Sozialauswahl einbezogenen Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt haben werden. Dabei stimmten sie den als Anlage 7 dem Interessenausgleich beigefügten Personalbesetzungsplan ab.

Bereits am 23.05.2007 erstattete die Beklagte bei der zuständigen Agentur für Arbeit eine Massenentlassungsanzeige für alle Arbeitnehmer der Beklagten. Am 08.06.2007 beschränkte die Beklagte die Massenentlassungsanzeige auf 225 Mitarbeiter, von denen 48 Mitarbeiter eine Änderungskündigung und 177 Mitarbeiter eine Beendigungskündigung erhalten sollen. Die zuständige Agentur für Arbeit Bautzen teilte am 15.06.2007 der Beklagten ihre Entscheidung mit, die Entlassungssperre nach § 18 KSchG für 225 Arbeitnehmer vom 24.05.2007 bis 23.06.2007 festzusetzen.

Am 05.06.2007 hat die Beklagte bei der Sonderabfallgesellschaft ... für die nächsten fünf Jahre beantragt, Abfälle bei der Firma ... entsorgen zu dürfen. Dies wurde am 13.07.2007 genehmigt.

Im Interessenausgleich war unter Anlage 3 vorgesehen, dass Abfälle für die Vergasung nur noch bis zum 30.06.2007 abgenommen werden. Am 25.06.2007 haben Mitarbeiter der Beklagten eine "Anforderung von Fremdleistungen und Material" erstellt. Diese Anforderung wurde am 27.06.2007 vom Geschäftsführer unterzeichnet. Danach sollte eine wöchentliche Menge von ca. 400 Tonnen und eine Gesamtmenge von etwa 2.400 Tonnen feste Abfallstoffe in Form von Pellets entgegengenommen werden. Allerdings wurden diese Mengen von der Beklagten direkt an andere Firmen weitergeleitet, ohne dass diese überhaupt auf das Betriebsgelände gelangten. Die Abnahme resultiert daraus, weil zwei der vormals 200 Verträge mit Abfallkunden noch nicht endgültig abgeschlossen wurden.

Die Anlage 6 des Interessenausgleiches mit den Namen der zu kündigenden Arbeitnehmer enthält auch den Namen der Klägerin.

Die Klägerin hat sich mit ihrer bei dem Arbeitsgericht Bautzen am 23.07.2007 eingegangenen und der Beklagten am 25.07.2007 zugestellten Klage gegen die ihr danach erklärte Kündigung gewandt.

Die Klägerin hat geäußert, die Kündigung sei mangels Kündigungsgrund sozial ungerechtfertigt. Der Interessenausgleich sei nicht freiwillig, sondern durch unzulässige Einflussnahme auf die Willensentschließung des Betriebsrates zustande gekommen. Die Beklagte habe den sechs Betriebsratsmitgliedern, die im Werkschutz tätig werden sollten, mit ihrem Schreiben vom 31.05.2007 persönliche Vorteile zugesagt. Diese Zusagen stünden in keinem Zusammenhang mit den Belangen der Belegschaft. Die Zustimmung zum Interessenausgleich sei durch sachfremde Motive bestimmt worden. Der so zustande gekommene Interessenausgleich verstoße damit gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB). Außerdem erweise sich die Zusage als Begünstigung des Betriebsrates und somit als Verstoß gegen § 78 Satz 2 BetrVG und strafbar gemäß § 119 Abs. 1 Ziffer 3 BetrVG. Deshalb sei der Interessenausgleich wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB nichtig.

Die Klägerin hat gemeint, die Vermutungswirkung des Interessenausgleiches sei durchbrochen, weil die Beklagte auch nach dem 30.06.2007 Abfälle entgegengenommen habe, so auch Klärschlamm mindestens bis zum Ablauf des September 2007. Der Sachverhalt habe sich insoweit nach Abschluss des Interessenausgleiches wesentlich geändert.

Die Vermutung betriebsbedingter Gründe werde außerdem durch den Antrag und die Genehmigung, Abfälle bei V. entsorgen zu dürfen, widerlegt.

Die Klägerin hat sich auf § 6 Abs. 9 c des geltenden Manteltarifvertrages berufen, wonach einem Arbeitnehmer, der das 50. Lebensjahr vollendet und einem Unternehmen mindestens 20 Jahre ununterbrochen angehört hat, aus betrieblichen Gründen nur ordentlich gekündigt werden darf, wenn ein angemessener Arbeitsplatz innerhalb des Unternehmens nicht angeboten werden kann. Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit sei danach unabhängig von der Vergleichbarkeit, d. h. auch in anderen Tarifgruppen, u. a. auch in höheren Tarifgruppen, zu prüfen. Die Regelung des Manteltarifvertrages gehe dem Interessenausgleich und der sich daraus ergebenden Vermutungswirkung vor. Ihre Weiterbeschäftigung sei deshalb auf den Stellen der Arbeitnehmer ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., .., ..., ... und ... möglich.

Die Klägerin hat die Anhörung des Betriebsrates für fehlerhaft gehalten, da aus dem Vortrag zur Betriebsratsanhörung nicht ersichtlich sei, inwieweit die Beklagte zu ihren Gunsten nach dem Manteltarifvertrag vorgegangen sei.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 28.06.2007, ihr zugegangen am 29.06.2007, zum 31.12.2007 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen. Sie hat die Kündigung für sozial gerechtfertigt gehalten.

Der Arbeitsplatz der Klägerin sei ersatzlos zum 30.09.2007 weggefallen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der beantragten Genehmigung, Abfälle künftig bei V. entsorgen zu dürfen. Die Sachlage habe sich zwischen Abschluss des Interessenausgleiches und Ausspruch der Kündigung auch nicht wesentlich geändert. Soweit es im Einzelfall Verzögerungen gibt, liegen diese in der Natur der Sache und können bei solch umfangreichen Betriebsänderungen nicht immer exakt im Voraus geplant werden. Ausweislich Ziffer 4 des Interessenausgleiches seien die Betriebsparteien davon auch ausgegangen.

Der Interessenausgleich sei auch wirksam zustande gekommen. Es könne keine Rede davon sein, Betriebsratsmitglieder seien unter Druck gesetzt oder ihnen seien Vorteile versprochen worden. Den Betriebsratsmitgliedern sei es lediglich um das "Etikett" und nicht etwa um Inhalte gegangen. Die andere Tätigkeitsbezeichnung im Zeugnis sei schon deshalb kein Vorteil, weil die Arbeitsaufgabe im Zeugnis nicht nur mit dieser Tätigkeitsbezeichnung, sondern im Einzelnen anhand der konkret ausgeführten Arbeiten beschrieben werde.

Die Regelung des § 6 Abs. 9 c des Manteltarifvertrages gewähre keinen besonderen Kündigungsschutz. In dieser Vorschrift sei lediglich das geregelt, was sich bereits aus § 1 KSchG ergebe. Danach müsse sie der Klägerin keine Arbeitsplätze anbieten, die mit dem bisherigen Arbeitsplatz der Klägerin nicht vergleichbar seien. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Beförderung. Die Klägerin sei auch nicht in der Lage, die Tätigkeit eines Anlagen- und Maschinenwartes im Klärwerk zu übernehmen, ohne zuvor eine mindest siebenmonatige Einarbeitungs- und Schulungszeit zu absolvieren.

Anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten ergäben sich nicht. Die neu geschaffenen Stellen im Werkschutz seien anderweitig vorrangig zu vergeben. Für die Tätigkeit als Maschinist/Verbund sei die Klägerin wegen fehlender Grundkenntnisse ebenfalls nicht geeignet. Für die Stelle als Sachbearbeiterin Auftragsbearbeitung sei Frau ... als Betriebsrätin weiterzubeschäftigen.

Das vom Kläger angegangene Arbeitsgericht Bautzen hat die Klage abgewiesen. Die streitgegenständliche Kündigung sei durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin entgegenstehen, bedingt. Die Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten sei ordnungsgemäß erfolgt. Die Kündigungseinschränkung nach dem Manteltarifvertrag stehe der Kündigung nicht entgegen. Der Betriebsrat sei vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß angehört worden.

Insbesondere hat das Arbeitsgericht einen wirksamen Interessenausgleich angenommen. Eine Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern hat das Arbeitsgericht nicht erkannt.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 14.11.2007 zugestellte Urteil am 13.12.2007 Berufung eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung bis 14.02.2008 am selben Tag ausgeführt.

Die Klägerin macht weiter die Nichtigkeit des Interessenausgleichs geltend, weil neben dem Betriebsrat ... auch die Betriebsratsmitglieder ..., ..., ..., ... sowie ... begünstigt worden seien (nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung: die Mehrzahl der Mitglieder des Betriebsratsgremiums).

Die sechs für Arbeitsplätze als Werkschutzmann vorgesehenen Betriebsratsmitglieder sollten nach den Planungen nicht in einer andere Betriebsabteilung, sondern in eine neu geschaffene Abteilung auf dort freien Stellen beschäftigt werden. Dies stelle keine "Übernahme" im Rechtssinne dar, weswegen jene Arbeitnehmer auch nicht den Sonderkündigungsschutz als Betriebsratsmitglieder genössen. In Konkurrenz um die freien Stellen hätte unter Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte sie, die Klägerin, vorrangig vor drei der Betriebsratsmitglieder bei der Vergabe der Stellen berücksichtigt werden müssen, und zwar dies auch im Lichte der Regelung in § 6 Abs. 9 c des Manteltarifvertrages.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bautzen vom 26.10.2007 - 3 Ca 3245/07 - festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 28.06.2007, ihr zugegangen am 29.06.2007, zum 31.12.2007 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt

die Zurückweisung der Berufung.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Die Beklagte wiederholt ihr Vorbringen dazu, dass eine Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern nicht vorgekommen sei. Bei der in Aussicht gestellten Bezeichnung handele es sich lediglich um eine "Umetikettierung". Auch seien die Betriebsräte aufgrund der Wahrung der Amtskontinuität des Betriebsrats auf den Werkschutzstellen fortzubeschäftigen gewesen.

Wegen der Einzelheiten des tatsächlichen Vorbringens beider Parteien und ihrer umfassenden Rechtsausführungen wird auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Denn die - ihrerseits zulässige - Kündigungsschutzklage ist gleichfalls unbegründet. Das Arbeitsgericht hat sie aus zutreffenden Erwägungen, denen die Berufungskammer in jeder Hinsicht und Punkt für Punkt folgt (§ 69 Abs. 2 ArbGG), abgewiesen.

Allerdings ist es nach Auffassung der Berufungskammer zu einer Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern gekommen. Insoweit wird den Entscheidungsgründen des arbeitsgerichtlichen Urteils in der Begründung nicht gefolgt. Dies ändert jedoch nichts am Ergebnis.

Entsprechendes gilt für die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts zur Frage nach einem Kündigungsverbot aus § 6 Abs. 9 c des Manteltarifvertrages. Insoweit spielt die Auslegung der Regelung keine Rolle. Denn auch bei jeder für die Klägerin günstigsten (und für die Beklagte ungünstigsten) Auslegung besteht kein Kündigungsverbot. Freie Arbeitsplätze, die die Beklagte anbieten könnte, gibt es nicht. Auf besetzte höherwertige Arbeitsplätze hat sich die Klägerin nicht bezogen. Besetzte geringerwertige Arbeitsplätze kann die Beklagte der Klägerin nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Arbeitsgerichts nicht anbieten, weil die Klägerin deren Voraussetzungen nicht erfüllt. Im Übrigen teilt die Berufungskammer die Auffassung des Arbeitsgerichts, wonach die tarifliche Regelung an vorhandene Arbeitsplätze anknüpft und es der Beklagten weder zur Aufgabe macht, Arbeitsplätze freizukündigen, noch neue Arbeitsplätze zu schaffen oder der Klägerin Stellen anzubieten, für die vorrangig die einem gesetzlichen Sonderkündigungsschutz unterliegenden Mitarbeiter zu berücksichtigen sind.

Lediglich aus den vorstehenden Gründen und mit Blick auf die Berufungsangriffe sieht sich die Berufungskammer zu folgenden ergänzenden bzw. weiteren Ausführungen veranlasst:

1. Der Interessenausgleich ist nicht wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB oder wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.

Im Ausgangspunkt zutreffend ist, dass die Mitglieder des Betriebsrats nach § 78 Abs. 2 Halbsatz 1 BetrVG wegen ihrer Tätigkeit u. a. nicht begünstigt werden durften. Eine Begünstigung stellt es auch dar, wenn einem Arbeitnehmer - wie hier - eine Tätigkeitsbezeichnung zugesichert wird, die sich für ihn aus seiner Sicht vorteilhaft erweisen kann. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob dadurch andere Beschäftigte benachteiligt werden oder anderen Beschäftigten kein entsprechender Vorzug gewährt werden könnte, weil sie schon keine vergleichbare Tätigkeit verrichten können. "Günstig" wollten sich die Arbeitnehmer hier bereits dadurch stellen lassen, dass sie im Falle eines Ausscheidens Dritten gegenüber eine Tätigkeitsbezeichnung von (aus ihrer Sicht) höherem "sozialen Prestige" hätten verwenden können. Eben dies ist ihnen zugesagt worden. Zugesagt worden ist ihnen dies auch mit Blick gerade auf ihre Tätigkeit als Betriebsratsmitglieder. Denn mit der Zusage wurde ihre (nach den Mehrheitsverhältnissen auch relevante) Zustimmung zum Beschluss betreffend den dann auch abgeschlossenen Interessenausgleich bewirkt.

Dieser Vorgang hat aber nicht die Nichtigkeit des Interessenausgleichs als solchen zur Folge.

a) Richtig ist, dass es sich bei § 78 Satz 2 BetrVG um ein gesetzliches Verbot i. S. von § 134 BGB handelt (unstrittig, vgl. GK-BetrVG/Kreutz § 78 Rdnr. 21 m. z. N. d. Literatur; für § 8 BPersVG vgl. BAG vom 31.10.1985 - 6 AZR 129/83 - AP Nr. 5 zu § 46 BPersVG; zu § 20 Abs. 1 BetrVG 1972 vgl. BAG vom 13.10.1977 - 2 AZR 387/76 - AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung).

Es gilt für Verträge (auch Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen) und einseitige Rechtsgeschäfte (z. B. Kündigungen, Versetzungen oder sonstige Anordnungen des Arbeitgebers im Direktionsbereich), vgl. Kreutz a. a. O.

Rechtsfolge der verbotenen Begünstigung ist aber nur, dass das begünstigende Rechtsgeschäft als solches nichtig ist. Dieses Rechtsgeschäft war hier die zwischen Betriebsratsmitgliedern und der Beklagten abgemachte Tätigkeitsbezeichnung. Nicht erstreckt sich die Nichtigkeitsfolge auf die Beschlussfassung des Betriebsrats oder gar auf den in der Folge der Beschlussfassung dann vereinbarten Interessenausgleich. Die weitergehenden Sanktionen wegen Verletzung gesetzlicher Pflichten nach dem BetrVG ergeben sich aus dem sog. Bestrafungsverfahren nach § 23 BetrVG bzw. nach der Strafvorschrift in § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG, welche Letztere sich auch nur gegen den Begünstigenden richtet. Beide Vorschriften lassen die Wirksamkeit von Rechtshandlungen unberührt, die aus einer Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten resultieren, mithin auch einen möglicherweise durch eine Begünstigung herbeigeführten Betriebsratsbeschluss und die dann in Ausführung dieses Beschlusses getroffene Vereinbarung mit dem Arbeitgeber.

b) Dahinstehen kann, ob § 78 Satz 2 Halbsatz 1 BetrVG darüber hinaus auch ein Schutzgesetz i. S. des § 823 Abs. 2 BGB darstellt. Für das Benachteiligungsverbot wird dies allgemein bejaht (BAG vom 12.02.1975 - 5 AZR 79/74 - AP Nr. 1 zu § 78 BetrVG 1972). Das Begünstigungsverbot ist dagegen kein Schutzgesetz für Arbeitnehmer, die von der Begünstigung ausgeschlossen worden sind (einhellige Ansicht; vgl. Kreutz a. a. O. Rdnr. 24 m. z. N.).

Die Frage muss hier nicht entschieden werden. Sollte es sich auch bei dem Begünstigungsverbot um ein Schutzgesetz handeln und sollte gegen das Begünstigungsverbot verstoßen worden sein, wäre Rechtsfolge nach § 823 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 BGB lediglich ein Schadensersatzanspruch, um den es hier aber nicht geht. Auch würde ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte die Wirksamkeit des Interessenausgleichs unberührt lassen.

c) Der Interessenausgleich ist auch nicht per se sittenwidrig und deshalb nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Sein Inhalt hat sich jedenfalls infolge der Begünstigung unstreitig nicht geändert.

Eine andere Frage stellt es demgegenüber dar, ob sich die Begünstigung ihrerseits auch als sittenwidrig und nichtig nach § 138 Abs. 1 BGB erweist und ob dies auf den Interessenausgleich übergreift (ihn gewissermaßen "infiziert").

Dies ist aber nicht der Fall, weil der Interessenausgleich nicht zwischen den Parteien der Begünstigung (Betriebsratsmitglieder und Beklagte), sondern zwischen dem Betriebsrat und der Beklagten geschlossen wurde (vgl. zu dieser Voraussetzung zum Übergreifen der Nichtigkeit eines sittenwidrigen Vertrages auf einen anderen Vertrag BGH vom 10.01.1990 - VIII ZR 337/88 - NJW-RR 1990, 442).

Die Nichtigkeit eines sittenwidrigen Vertrages kann der vorstehenden Entscheidung zufolge (BGH vom 10.01.1990 a. a. O.) nur dann auf einen anderen, nicht zwischen denselben Parteien geschlossenen Vertrag übergreifen, wenn er den Inhalt des anderen Vertrags zu Ungunsten des Geschäftsherrn beeinflusst oder wenn beide an sich selbständigen Verträge ein einheitliches Vertragswerk bilden, dessen Vereinbarungen nach den Vorstellungen der Vertragschließenden miteinander stehen und fallen sollen, wobei die Einheitlichkeit zur Zeit des Vertragsschlusses von mindestens einer Vertragspartei erkennbar gewollt und von allen übrigen Parteien hingenommen worden sein muss.

Daran fehlt es. Denn der Inhalt des Interessenausgleichs wurde durch die Begünstigung (wie bereits gesagt) nicht beeinflusst. Auch ging es nicht um die Einheitlichkeit des Vertragswerks. Denn der Betriebsrat hat den Interessenausgleich vorbehaltlos abgeschlossen und die Beklagte wollte den Interessenausgleich so oder so (in jedem Fall).

2. Die Beklagte hat auch nicht zu Lasten der Klägerin die Betriebsratsmitglieder rechtswidrig vorgezogen.

Denn nach § 15 Abs. 5 KSchG trifft den Arbeitgeber gegenüber einem Mitglied der Betriebsvertretung nach § 15 Abs. 5 KSchG die Pflicht, "mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln für dessen angemessene Weiterbeschäftigung zu sorgen". Sowohl aus dem Wortlaut des § 15 Abs. 2 KSchG als auch dem Sinn und Zweck der Norm des § 15 KSchG folgt, dass dem Mandatsträger gegenüber anderen Arbeitnehmern grundsätzlich ein Vorrang für eine Weiterbeschäftigung eingeräumt werden sollte (BAG vom 02.03.2006 - 2 AZR 83/05 - AP Nr. 61 zu § 15 KSchG 1969).

In dieser Auslegung der Regelung des § 15 KSchG, der die Kammer folgt, hat sich die Beklagte gesetzeskonform verhalten, wenn sie - wie geschehen - jedwede Fortbeschäftigungsmöglichkeit zugunsten der Betriebsratsmitglieder und damit zu Lasten der Klägerin ausschöpfte.

Eine freie Stelle im Werkschutz gab es damit nicht. Und im Rahmen der Bildung des auswahlrelevanten Personenkreises für eine zu treffende Sozialauswahl waren die vor Kündigung gesetzlich geschützten Betriebsratsmitglieder zu Lasten der Klägerin auszunehmen.

3. Anderes ergibt sich auch nicht aus § 6 Abs. 9 c des Manteltarifvertrages. Dies folgt schon daraus, dass durch Tarifvertrag der Sonderkündigungsschutz von Betriebsratsmitgliedern nach § 15 KSchG jedenfalls nicht zu deren Lasten modifiziert werden könnte, worauf die Auslegung der Tarifbestimmung durch die Klägerin allerdings hinausläuft.

II.

Die Klägerin hat aufgrund der Regelung in § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer ohne Erfolg gebliebenen Berufung zu tragen.

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil es an Gründen hierfür fehlt.

Ende der Entscheidung

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