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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 12.06.2003
Aktenzeichen: 2 Sa 792/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 626
ZPO § 138
Der Gegner ist von seiner Obliegenheit, den Tatsachenvortrag der anderen Seite prozessordnungsgemäß zu bestreiten, nicht deshalb entbunden, weil der Vortrag auf einer durch verdeckte Videoüberwachung gewonnenen Information beruht. Ein etwaiges Beweisverwertungsverbot enthält kein "Vortragsverbot".
Sächsisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes URTEIL

Az.: 2 Sa 792/02

Verkündet am 12. Juni 2003

In dem Rechtsstreit

hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 2 - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Herrn ... und Herrn ... auf die mündliche Verhandlung vom 12.06.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 05. September 2002 - 5 Ca 5100/02 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Revisionszulassung: keine.

Tatbestand:

Die Parteien streiten auch im Zweiten Rechtszug weiter darüber, ob das sie verbindende Arbeitsverhältnis aufgrund außerordentlicher fristloser Arbeitgeberkündigung vom 16.02.2001, dem Kläger zugegangen am selben Tage, sein Ende gefunden hat. Hilfsweise ist die Kündigung auch ordentlich zum 30.06.2001 erklärt. Auch dagegen wendet sich der Kläger.

Der Kläger ist seit 15.12.1991 bei der Beklagten als Kommissionierer in deren Lager in ... beschäftigt. Von dort aus werden Filialen des Lebensmittel-Einzelhandels beliefert. Tätig sind ca. 400 Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat ist errichtet.

Der Kläger war in der Nachtschicht im Bereich OES (Obst-Einkaufs-Stelle) eingesetzt.

Es existiert ein Zeiterfassungssystem. Die Mitarbeiter verfügen über eine Stempelkarte, mit der bei Betätigen der Stempeluhr die Uhrzeit beim Kommen und Gehen registriert wird. Die Stempeluhr befindet sich im Eingangsbereich zu den Lagerräumen. In diesem Bereich befinden sich auch die Pausenräume. Die Duschen und Toiletten befinden sich außerhalb dieses Bereichs in einem ca. 300 m entfernten Gebäude. Neben der Stempeluhr befindet sich ein Hinweisschild, wonach die Zeiterfassung frühestens 14 Minuten vor Arbeitsbeginn erfolgen soll. In einer Arbeitsordnung vom 10.04.1997, die jedenfalls bis zum 21.11.2000 im Betrieb aushing, ist u. a. bestimmt, dass die Bedienung der Zeiterfassung für andere Mitarbeiter nicht gestattet und ein Verlassen des Arbeitsplatzes während der Arbeitszeit vom jeweiligen Vorgesetzten zu genehmigen ist. In einem Informationsblatt vom 17.11.1997, welches an einem schwarzen Brett am Eingang zu den Sozialräumen aushing, wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass jeder Mitarbeiter das ihm zugewiesene Zeiterfassungsgerät mit seiner persönlichen Karte bei Arbeitsbeginn und -ende sowie beim Verlassen des Betriebsgeländes während der Pausen zu bedienen hat und eine stellvertretende Zeiterfassung nicht gestattet ist.

Aufgrund eines Verdachts der Manipulation der Arbeitszeit, der an den Betriebsratsvorsitzenden ... herangetragen und von diesem dem Regionsleiter ... weitergemeldet worden war, überwachte die Beklagte in der Zeit vom 30./31.01. bis zum 14./15.02.2001 die Stechuhr und die daneben gelegene Tür des Wareneingangsbüros mit Hilfe von Videokameras. Es wurden Videobänder hergestellt und jeweils ausgewertet. Beginnend in der Nacht vom 11. auf den 12.02. bis 15. auf den 16.02.2001 wurden zudem die beiden Aufenthaltsräume (Raucher/Nichtraucher) überwacht. In der Nacht vom 15. auf den 16.02.2001 fand die Videoüberwachung im Beisein des Betriebsleiters und des Betriebsratsvorsitzenden statt.

Zufolge der Auswertung der Bänder durch die Beklagte kam es während der Überwachung in elf Nächten stets durch mehrere Mitarbeiter der Nachtschicht und wiederholt zu Anmeldungen ohne Zeiterfassung, zu Anmeldungen mit Zeiterfassung für andere, zu Abmeldungen ohne Zeiterfassung sowie zu Abmeldungen und Zeiterfassung für andere. Den Beteiligten ist - einschließlich des Schichtleiters - mittlerweile gekündigt worden. Die Kündigungssachen eines Beteiligten sowie des Nachtschichtleiters sind inzwischen zu deren Lasten rechtskräftig abgeschlossen.

Auch der Kläger wird von der Beklagten zum Kreis der Beteiligten gerechnet. In der Manipulation der Zeiterfassung durch ihn erkennt die Beklagte Betrug und Urkundenfälschung.

Von der erneuten Wiedergabe des Tatbestandes kann hier aufgrund der Regelung in § 69 Abs. 2 ArbGG n. F. im Wesentlichen abgesehen und stattdessen auf den Tatbestand des die Kündigungsschutzklage abweisenden Urteils des Arbeitsgerichts Bautzen Bezug genommen werden (§ 69 Abs. 3 ArbGG n. F.).

Denn dort ist das tatsächliche Vorbringen beider Parteien im Wesentlichen vollständig und richtig wiedergegeben. Tatbestandsrügen hat auch keine Seite erhoben. Lediglich ergänzend ist Folgendes zu beurkunden:

Mit Schriftsatz vom 15.05.2001 hat die Beklagte u. a. Folgendes vorgetragen:

"Die Auswertung der Videoaufzeichnung hat für den Kläger beim 'Gehen' folgendes ergeben:

31.01./01.02.01

In der Nacht vom 31.01.01 zum 01.02.01 ist der Kläger um 04.41 Uhr gegangen, ohne die Zeit zu erfassen.

Um 05.15 Uhr hat Herr ... die Zeit für den Kläger erfasst.

Beweis: Videoband 2

01./02.02.01

In der Nacht vom 01.02.01 zum 02.02.01 ist der Kläger um 04.43 Uhr gegangen, ohne die Zeit zu erfassen.

Um 05.15 Uhr hat Herr ... die Zeit für den Kläger erfasst.

Beweis: Videoband 3

05./06.02.01

In der Nacht vom 05.02.01 zum 06.02.01 ist der Kläger um 03.51 Uhr gegangen, ohne die Zeit zu erfassen.

Um 04.15 Uhr hat Herr... die Zeit für den Kläger erfasst.

Beweis: Videoband 5

06./07.02.01

In der Nacht vom 06.02.01 zum 07.02.01 ist der Kläger um 03.36 Uhr gegangen, ohne die Zeit zu erfassen.

Um 03.45 Uhr hat Herr ... die Zeit für den Kläger erfasst.

Beweis: Videoband 6

07./08.02.01

In der Nacht vom 07.02.01 zum 08.02.01 ist der Kläger um 04.16 Uhr gegangen, ohne die Zeit zu erfassen.

Um 04.45 Uhr hat Herr ... die Zeit für den Kläger erfasst.

Beweis: Videoband 7

08./09.02.01

In der Nacht vom 08.02.01 zum 09.02.01 ist der Kläger um 04.49 Uhr gegangen, ohne die Zeit zu erfassen.

Um 05.15 Uhr hat Herr ... die Zeit für den Kläger erfasst.

Beweis: Videoband 8

12./13.02.01

In der Nacht vom 12.02.01 zum 13.02.01 ist der Kläger um 02.52 Uhr gegangen, ohne die Zeit zu erfassen.

Um 03.15 Uhr hat Herr ... die Zeit für den Kläger erfasst.

Beweis: Videoband 11

13./14.02.01

In der Nacht vom 13.02.01 zum 14.02.01 ist der Kläger um 03.21 Uhr gegangen, ohne die Zeit zu erfassen.

Um 04.16 Uhr hat Herr... die Zeit für den Kläger erfasst.

Beweis: Videoband 12

14./15.02.01

In der Nacht vom 14.02.01 zum 15.02.01 ist der Kläger um 03.18 Uhr gegangen, ohne die Zeit zu erfassen.

Um 03.45 Uhr hat Herr... die Zeit für den Kläger erfasst.

Beweis: Videoband 13"

Hierzu hat sich der Kläger mit Schriftsatz vom 18.06.2001 u. a. wie folgt erklärt:

"Unbestritten ist aufgrund des Vertrages der Beklagtenseite auch, dass zu Beginn der Tätigkeit nicht einer für einen nicht anwesenden Mitarbeiter gestempelt hat.

Wenn es zu einer derartigen Aktion gekommen sein sollte, so erfolgte ein Stempel(sic.) nur für Mitarbeiter, die auch tatsächlich anwesend waren.

Keiner der vorbenannten Zeugen und Parteien hat zu irgendeinem Zeitpunkt für einen mitgestempelt, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwesend war."

Später heißt es in dem nämlichen Schriftsatz:

"Die Ausführungen im Schriftsatz vom 13.06.2001 (sic.), die sich auf das Kommen beziehen, wurden bereits in diesem Schriftsatz abgehandelt. Die Ausführungen sind völlig unerheblich, die Beklagte beruft sich hier, wenn überhaupt, auf reinen Formalismus, den kein vernünftiger Mensch aus den bereits erbrachten Darlegungen der Klägerseite (s. o.) nachvollziehen kann ..."

Weiter hat der Kläger in dem vorgenannten Schriftsatz vorgetragen:

"Was auf den Videobändern zu sehen (sic.), weis (sic.) weder der Kläger noch seine Bevollmächtigten, ein entsprechenden (sic.) Ersuchen, sich die Videobänder anzusehen, wurde beklagtenseitig abgelehnt. Dies wurde dem Gericht bereits zur Kenntnis gebracht."

An anderer Stelle in dem Schriftsatz heißt es:

"Hieraus resultiert auch, dass es völlig egal ist, ob Mitarbeiter noch anwesend waren oder nicht, die Beklagtenseite hatte sie bis zum Ablauf der Arbeitszeit zu bezahlen, sie hatte dem Kläger nicht entsprechend genügend Arbeit zur Verfügung gestellt."

Schließlich heißt es:

"Was die Beklagtenseite auf dem Videoband (insoweit wird auf die weiteren Ausführungen auf Seite 9 des Schriftsatzes vom 14.05.2001 [sic.] Bezug genommen) sieht oder gesehen hat, weiß der Kläger nicht. Entsprechendes wird bestritten.

Art, Inhalt und Umfang der Darlegungen werden ebenso bestritten, die Ausführungen können nicht beachtet werden, weil, wenn überhaupt, sie aus unzulässigen Beweismitteln heraus resultieren."

Das Arbeitsgericht hat das auf die Nacht vom 12. auf den 13.02.2001 bezogene Video in Augenschein genommen. Die vorgeworfene Manipulation hat es danach für bewiesen erachtet und auch kein Beweisverwertungsverbot erkannt.

Es hat ausgeführt:

"Die Inaugenscheinnahme des in der Nacht vom 12.02.2001 auf den 13.02.2001 aufgezeichneten Videos, das die jeweilige Uhrzeit angezeigt hat, hat gezeigt, dass eine Person um 2:46 Uhr den Aufenthaltsraum verlassen hat und eine weitere Person um 2:52 Uhr durch die Tür, die sich neben dem Zeiterfassungsgerät befindet, hinausgegangen sind (sic.), ohne zuvor das Zeiterfassungsgerät betätigt zu haben. Um 3:15 Uhr war zu sehen, dass ein anderer Mitarbeiter dreimal das Zeiterfassungsgerät bedient hat und anschließend durch die daneben befindliche Tür hinausgegangen ist. Aus dem von der Beklagten vorgelegten IBIX-Auszug ist erkennbar, dass am 13.02.2001 um 3:15:20 Uhr die Stempelkarte des Klägers in das Zeiterfassungsgerät gesteckt worden ist, um 3:15:25 Uhr die des Herrn ... und um 5:15:32 Uhr die des Herrn ... Die Videoaufzeichnung in Verbindung mit dem IBIX-Auszug lässt den Schluss zu, dass zwei dieser Herren um 2:46 Uhr bzw. 2:52 Uhr gegangen sind, ohne zu stempeln und der andere um 3:15 Uhr innerhalb eines sehr kurzen Abstands für sich und die bereits abwesenden Kollegen gestempelt hat.

Da das Gericht davon ausgeht, dass es gleich schwer wiegt, ob man für einen nicht mehr anwesenden Kollegen mitstempelt oder von einem Kollegen, nachdem man den Arbeitsbereich verlassen hat, stempeln lässt, kann es dahinstehen, wer von den beiden Herren jeweils gegangen ist und wer gestempelt hat.

Selbst wenn man die Chipkarte auch zum Abfragen seines Urlaubsanspruches durch das Lesegerät ziehen muss und dieses beim ersten Stechen oft nicht funktioniert, ist der Kläger dadurch nicht entlastet. Denn die Inaugenscheinnahme der Videoaufzeichnungen hat gezeigt, dass verschiedene Karten in das Gerät gesteckt worden sind und nicht eine Karte mehrmals und keine andere.

Die Inaugenscheinnahme der Videoaufzeichnung in Verbindung mit dem IBIX-Auszug hat der Kammer eine hinreichende Gewissheit im Sinne des § 286 ZPO verschafft, dass der Kläger auch die weiteren in der Klageerwiderung dargestellten Verhaltensweisen in der Zeit vom 31.01.2001 bis 15.02.2001 an den Tag gelegt hat. Hierfür ist insbesondere entscheidend, dass der Kläger seiner ihm nach § 138 Abs. 1 ZPO obliegenden Pflicht zu wahrheitsgemäßen und vollständigen Angaben nicht genügt hat. Der Kläger hat sich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht substantiiert zu den konkreten Vorwürfen der Beklagten erklärt, sondern die Vorwürfe lediglich pauschal bestritten."

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass eine andere ebenso Erfolg versprechende Möglichkeit der Überwachung der Zeiterfassung nicht bestanden habe.

Eine sichtbare Videoüberwachung oder eine persönliche Kontrolle an dem Zeiterfassungsgerät hätte das Fehlverhalten höchstwahrscheinlich nur während dieser sichtbaren Kontrollen unterbunden, nicht jedoch aufgeklärt und langfristig verhindert.

Darauf, dass der Kläger auf dem in Augenschein genommenen Videoband offenbar selbst nicht zu sehen oder nicht erkennbar ist, kam es dem Arbeitsgericht nicht an. Denn durch Vergleich mit dem IBIX-Auszug und den auf dem Videoband allerdings erkennbaren Stempelvorgängen ergab sich für das Arbeitsgericht, dass der Kläger entweder selbst für einen Dritten mitgestempelt oder von einem Dritten für sich hat stempeln lassen (müssen).

In der Berufungsverhandlung hat die Kammer darauf hingewiesen, dass sie das Bestreiten der Tatvorwürfe durch den Kläger für unzureichend hält, in diesem Lichte eine Beweisaufnahme nicht erforderlich gewesen wäre und sich die vom Kläger aufgeworfenen Fragen nach einer Verwertbarkeit der Aufzeichnungen nicht stellten.

Die Beklagte hat deutlich gemacht, dass lediglich eine verdeckte Videoüberwachung wegen ihrer Nachhaltigkeit zielführend gewesen sei.

Der Kläger hat eingeräumt, dass seine Stechkarte durch den ebenfalls entlassenen Schichtleiter beschriftet worden sei. Dieser hat seine Kündigungssache deshalb verloren, weil erst er durch das nicht vorgesehene Beschriften der Stechkarten Beihilfe zu den Manipulationen (Möglichkeit der Zuordnung an Dritte zum Zwecke der Manipulation überlassene Karten zu ihrem Inhaber) geleistet hat.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die - ihrerseits zulässige - Klage ist unbegründet. Denn die streitgegenständliche außerordentliche fristlose Kündigung ist wirksam. Auf die hilfsweise auch ordentlich erklärte Kündigung und auf den dagegen gerichteten Klageantrag kommt es demgemäß nicht an.

Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Es ist erkennbar davon ausgegangen, dass der Kläger die Tatvorwürfe in Abrede gestellt hat. Denn anderenfalls wären eine Beweisaufnahme und eine Beweiswürdigung sowie Ausführungen zur Verwertbarkeit der Aufzeichnungen entbehrlich gewesen. Davon ausgehend ist das angefochtene Urteil in jeder Hinsicht richtig, weshalb eine erneute Darstellung der Entscheidungsgründe hier an sich entbehrlich ist (§ 69 Abs. 2 ArbGG n. F.). Insbesondere war hier die verdeckte Videoüberwachung nach Maßgabe des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 27.03.2003 (2 AZR 51/02) zulässig. Hier diente die Überwachung und der damit einhergehende Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dem Beweis vermuteter, von dem Kläger heimlich begangener strafbarer Handlungen zu Lasten der Beklagten. Aufgrund der vom Betriebsratsvorsitzenden gewonnenen und weitergeleiteten Informationen bestand der konkrete Verdacht der Manipulation der Zeiterfassung in großem Umfang und sogar unter Beteiligung des verantwortlichen Schichtleiters. Auf den Schichtleiter konnte sich die Beklagte zur Aufdeckung der Handlungen deshalb ersichtlich nicht verlassen. Sie hätte demgemäß bestenfalls Informanten (Spitzel) in die Nachtschicht einschleusen können. Gerade vor neuem Personal jedoch hätten sich die an den Manipulationen Beteiligten mit Sicherheit verschlossen bzw. nicht gerade in deren Gegenwart manipuliert. Demgemäß war die Beobachtung mittels Videokamera der einzig mögliche Zugang. Das Arbeitsgericht hat insoweit im Übrigen auch zu Recht darauf hingewiesen, dass im Falle einer offenen Überwachung die Manipulationen mit Sicherheit nicht vorgekommen, für die Zeit nach Abbruch der Überwachungen dafür aber auch nicht nachhaltig unterbunden worden wären. Soweit es um den Tatvorwurf geht, der die Kündigung trägt (Manipulation beim Gehen in der Nacht vom 12. auf den 13.02.2001) erscheint der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers zudem ohne nennenswertes Gewicht. Denn er ist auf der Aufzeichnung - wie er auch selber vorträgt - überhaupt nicht zu sehen. Lediglich aus der Kombination zwischen IBIX-Auszug und der daraus ersichtlichen Zeit der Erfassung sowie der Aufzeichnung ergibt sich, dass der Kläger im vorgeworfenen Sinne manipuliert haben muss. Insoweit macht es in der Tat keinen Unterschied, ob der Kläger für einen Dritten gestempelt hat oder durch einen Dritten für sich hat stempeln lassen. Da die Beklagte das angefochtene Urteil verteidigt, ist davon auszugehen, dass sie sich die Tatalternative auch zu Eigen gemacht hat.

Völlig losgelöst von dem Vorstehenden wäre es allerdings nach Auffassung der Berufungskammer auf eine Beweisaufnahme schon nicht angekommen, weshalb sich auch die vom Kläger aufgeworfenen Fragen nach einer Verwertbarkeit der Bänder im Rahmen einer Beweisaufnahme überhaupt nicht stellen. Denn die Beklagte hat dem Kläger ganz konkrete Taten vorgeworfen, die dieser auch bis zum Schluss der Berufungsverhandlung aus prozessrechtlichen Erwägungen heraus nicht wirksam in Abrede (bestritten) hat, worauf er in der Berufungsverhandlung auch noch einmal ausdrücklich hingewiesen worden ist. Demgemäß stellt sich nur die Frage, ob die Beklagte ihr Vorbringen auf eine durch verdeckte Videoüberwachung gewonnene Information stützen kann. Dies ist aber der Fall. Ist bereits die Beweisverwertung nach dem Vorstehenden zulässig, ist es der Beklagten unbenommen, auch die von ihr vorgetragenen Tatsachen als aufgrund einer Videoüberwachung erworbene Informationen kenntlich zu machen. Denn sie hätte die Tatsachen auch ohne Bezugnahme auf die Videoüberwachung vortragen und die Einlassung des Klägers abwarten können. Hätte er die Vorwürfe bestritten, hätte dann Beweis angetreten werden müssen. Ebenso gut hätte es in diesem Rahmen geschehen können, dass sie sich auf andere Beobachtungen, etwa durch Zeugen, gestützt hätte. Allein dadurch, dass die Beklagte die Art ihrer Informationsbeschaffung offenbart und dass es sich hierbei um eine verdeckte Videoüberwachung gehandelt hat, entbindet den Kläger nicht davon, sich zu den vorgetragenen Tatsachen zu erklären. Denn zum einen haben die Parteien nach § 138 Abs. 1 ZPO ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und zum anderen hat sich jede Partei nach § 138 Abs. 2 ZPO über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht. Dabei ist eine Erklärung mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind (§ 138 Abs. 3 und 4 ZPO). Gemessen daran hat der Kläger die Tatvorwürfe, die sich auf Handlungen und Wahrnehmungen durch ihn selbst beziehen, nicht ausreichend bestritten. Von dieser Obliegenheit ist er nicht deshalb entbunden, weil ihm die Beklagte unaufgefordert und offen und ehrlich die Tatsachengrundlagen genannt hat.

Soweit der Schriftsatz vom 18.06.2001 Bezug nimmt auf die Seite 9 eines Schriftsatzes vom 14.05.2001, ist zu bemerken, dass der Kündigungsvorwurf im Einzelnen mit Schriftsatz vom 15.05.2001 ausgeführt wird. Er befindet sich dort auch nicht auf Seite 9, sondern auf Seiten 7 und 8. Danach steht fest, dass sogar sämtliche oben im Tatbestand aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 15.05.2001 wiedergegebenen Manipulationen des Klägers beim "Gehen" vorgekommen sind, nicht nur der vom Arbeitsgericht für bewiesen gehaltene Vorfall.

Zu diesen detaillierten Vorwürfen äußert sich der Kläger nur pauschal. Soweit er sich überhaupt äußert, ist sein Vorbringen mit den Tatsachen, auf die sich die Vorwürfe gründen, nicht kongruent. In seinem erwidernden Schriftsatz macht er stets geltend, dass "zu Beginn" bzw. beim "Kommen" nicht manipuliert worden sei. Dies ist nicht das Vorbringen der Beklagten. Diese bezieht sich ausdrücklich auf Manipulationen im Zusammenhang mit dem "Gehen".

Kein wirksames Bestreiten liegt auch darin, dass der Kläger "bestreitet", was die Beklagte auf dem Videoband "sieht oder gesehen hat bzw. er, der Kläger, nicht wisse, was auf Bändern zu sehen sei". Darauf kann es prozessual überhaupt nur ankommen, wenn die Bänder bei wirksamem Bestreiten in einer Beweisstation zulässigerweise verwertet werden und die Beweiskraft in Rede steht. Eine antizipierte Beweiswürdigung des Ergebnisses eines möglicherweise noch auszuführenden Beweisantritts (Inaugenscheinnahme von Aufzeichnungen) stellt für sich kein Bestreiten des Vorbringens der Beklagten dar.

Mit Blick auf die nach Datum, Stunde und Minute vorgetragenen Tatvorwürfe ist es auch unzureichend, wenn der Kläger vorträgt, dann anwesend gewesen zu sein, wenn seine Zeiterfassungskarte auch eine Anwesenheit dokumentierte und wenn er dies in das Zeugnis von 17 Zeugen stellt bzw. in eine nicht näher konkretisierte Parteivernehmung stellt. Insoweit fehlt eine vollständige Erklärung über die von der Beklagten vorgetragenen Tatsachen, zumal sich nicht ergibt, dass der Kläger "stets" anwesend gewesen sein will, wenn dies seine Zeiterfassungskarte ausgewiesen hat.

Bereits das Arbeitsgericht hat in dem angefochtenen Urteil den Kläger darauf hingewiesen, dass sein Bestreiten pauschal sei. Dabei ist es - wie bereits eingangs erwähnt - bis zum Schluss der Berufungsverhandlung geblieben. Die Kammer hat dem Kläger noch einmal Gelegenheit gegeben, sich ausdrücklich und vollständig zu erklären sowie darauf hingewiesen, dass sein Tatsachenvortrag kein wirksames Bestreiten darstellen dürfte. Die Kammer hat auch noch einmal darauf hingewiesen, dass sie in den Manipulationen Straftaten erkennt, zu denen der Kläger nicht durch wahrheitswidriges Bestreiten auch noch einen Prozessbetrug kommen lassen möge. Dennoch hat sich der Kläger zu den Einzelvorwürfen nicht erklärt, sondern lediglich wieder die sich seines Erachtens ergebende Unzulässigkeit der Beweisaufnahme im ersten Rechtszug gerügt. Aus diesem in den rechtlichen Zusammenhang eingebetteten Verhalten des Klägers ist davon auszugehen, dass er die Tatvorwürfe wissentlich und willentlich nicht bestreitet, weil er sich durch die Überwachung entdeckt sieht. Damit sind die Tatvorwürfe als zugestanden anzusehen, ohne dass für dieses Ergebnis prozessual auf die Aufzeichnungen zurückgegriffen werden muss. Jedenfalls perpetuiert das Vorbringen der Beklagten keine unzulässige Tatsachengewinnung, weil sie sämtliche für die Überwachung notwendigen Voraussetzungen unter Einschluss der Beteiligung des Betriebsrates geschaffen hatte. Hierzu ist bereits in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils alles richtig gesagt, weswegen auch insoweit auf dieses Urteil verwiesen werden kann.

Der Kläger hat aufgrund der Regelung in § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner ohne Erfolg gebliebenen Berufung zu tragen.

Für die vom Kläger beantragte Vorlage der Sache an das Bundesverfassungsgericht fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage.

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Die Revision ist nicht zuzulassen, nachdem die Zulässigkeit einer verdeckten Videoüberwachung durch das Bundesarbeitsgericht zwischenzeitlich höchstrichterlich und wiederholt geklärt ist. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht ihrerseits durch Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde) angefochten werden kann. Möglich ist dies unter den in § 72 a ArbGG genannten Voraussetzungen.

Ende der Entscheidung

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