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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 26.03.2003
Aktenzeichen: 2 Sa 875/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 262
BGB § 263 Abs. 2
BGB § 630
Hat der Arbeitnehmer zunächst ein einfaches Zeugnis verlangt und erhalten, ist sein Zeugnisanspruch erloschen. Durch die Ausübung seines Wahlrechtes (§ 262 BGB) auf ein einfaches oder ein qualifiziertes Zeugnis nach § 630 BGB gilt nach § 263 Abs. 2 BGB (lediglich) das gewählte Zeugnis als die von Anfang an allein geschuldete Leistung.
Sächsisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes URTEIL

Az.: 2 Sa 875/02 (neu)

Verkündet am 26. März 2003

In dem Rechtsstreit

hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 2 - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Frau ... und Herrn ... auf die mündliche Verhandlung vom 26.03.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Zwickau vom 24. April 2001 - 5 Ca 2770/00 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Revisionszulassung: keine.

Die Parteien streiten auch im Zweiten Rechtszug weiter darüber, ob dem Kläger ein qualifiziertes Arbeitszeugnis (nach der diesbezüglichen Klarstellung in der Berufungsverhandlung also: ein solches Arbeitszeugnis, das sich auf Art und Dauer sowie Führung und Leistung in dem Arbeitsverhältnis erstreckt) zu erteilen ist.

Von der erneuten Wiedergabe des Tatbestandes kann aufgrund der Regelung in § 543 Abs. 1 ZPO a. F. abgesehen und stattdessen auf den Tatbestand des vom Kläger angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Zwickau verwiesen werden. Dort ist das tatsächliche Vorbringen der Parteien vollständig und richtig beurkundet. Tatbestandsrügen sind auch nicht erhoben worden.

Nachzutragen ist lediglich Folgendes:

Bei der Akte (Bl. 26) befindet sich ein vom Kläger im Ersten Rechtszug vorgelegtes nicht unterzeichnetes Schreiben, in dem der Kläger Herrn Rechtsanwalt ... bittet, dass ihm ein qualifiziertes Arbeitszeugnis für die Zeit seiner Tätigkeit in dessen Hause erteilt wird.

Auf Seite 2 der Klagerwiderung vom 12.10.2000 hat die Beklagte vorgetragen, es sei unzutreffend, wonach der Kläger "mehrfach, u. a. am 08.07.1998 ..." zur Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses aufgefordert habe. Richtig sei lediglich, dass der Kläger erst mit Schreiben vom 10.05.1999 um die Erteilung eines Arbeitszeugnisses nachgesucht habe.

Dieses Vorbringen hat den Kläger im Ersten Rechtszug mit Schriftsatz vom 30.08.2000 zur Vorlage des Schreibens vom 08.07.1998 zum Beweis dafür gebracht, dass er bereits durch dieses Schreiben ein qualifiziertes Arbeitszeugnis verlangt habe.

Das Arbeitsgericht hat die Behauptung des Klägers, er habe bereits mit Schreiben vom 08.07.1998 gegenüber der Beklagten ein qualifiziertes Arbeitszeugnis verlangt, lediglich als wahr unterstellt (Seite 5 des angefochtenen Urteils = Bl. 97 d. A.).

Unstreitig zugegangen ist der Beklagten jedoch Schreiben des Klägers vom 10.05.1999, in dem es auszugsweise heißt:

"... Nichts desto trotz habe ich es mir erlaubt, diesem Schreiben einen Entwurf eines qualifizierten Arbeitszeugnisses beizulegen. Sollte es Ihnen auch trotz eventuell bestehender Bedenken hinsichtlich der einen oder anderen Formulierung möglich sein, ein Zeugnis wie entworfen auszustellen, wäre ich Ihnen außerordentlich verbunden.

Sollte dies jedoch nicht möglich sein, bitte ich darum, lediglich ein einfaches Arbeitszeugnis zu erteilen.

..."

Zu Protokoll der Berufungsverhandlung vom 20.03.2002, zu der der Kläger nicht erschienen ist, hat das Gericht folgenden Hinweis erteilt:

"Vorbehaltlich einer mündlichen Erörterung der Sach- und Rechtslage erscheint das angefochtene Urteil in den Entscheidungsgründen zutreffend zu sein. Es könnte sein, daß der Anspruch zwar nicht unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung, jedoch möglicherweise unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung/des widersprüchlichen Verhaltens mittlerweile erloschen sei. Jedenfalls wird darauf hingewiesen, daß in dem Schreiben durch den Wechsel von dem Anspruch auf ein nur auf Verlangen zu erteilendes qualifiziertes Zeugnis auf ein einfaches Zeugnis nunmehr besondere Umstände vorgetragen werden müßten, warum (nun wieder) nun doch ein qualifiziertes Arbeitszeugnis verlangt werde."

Hierzu hat der Kläger mit Schriftsatz vom 10.01.2003 u. a. vorgetragen, zum Zeitpunkt des in Rede stehenden Schreibens vom 10.05.1999 wegen eines Druckes, den die Beklagte mit ihm abgenötigten strafbewehrten Unterlassungserklärungen und angekündigten Strafanzeigen bzw. Unterlassungsklagen auf ihn ausgeübt habe, außerstande gewesen zu sein, sein Begehren um die Ausstellung eines Zeugnisses in anderer Weise als mit Schreiben vom 10.05.1999 geschehen zum Ausdruck zu bringen.

In der Berufungsverhandlung vom 26.03.2002 wurden die Parteien darauf hingewiesen, dass der Kläger durch das Schreiben vom 10.05.1999 ein Wahlrecht auf ein einfaches Zeugnis ausgeübt haben könnte. Es ist darauf hingewiesen worden, dass es für diesen Fall Sache des Klägers sei, Gründe für die Beseitigung seiner Gestaltungserklärung (z. B. Anfechtung) zu benennen oder Umstände vorzutragen, die auf eine Neubegründung eines Anspruches auf die Erteilung des qualifizierten Zeugnisses schließen ließen.

Hier hat sich der Kläger auf eine am Freitag auf den 09.06.2000 der Sache nach gegenüber Herrn ... erklärte Anfechtung bezogen und die bereits geschilderte Drucksituation wiederholt.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Denn die - ihrerseits zulässige - Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch mehr auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses, das sich nicht nur auf Art und Dauer, sondern auch auf Führung und Leistung im Arbeitsverhältnis erstreckt.

1.

Zunächst ist der Entscheidung des arbeitsgerichtlichen Urteils zu folgen. Dessen Entscheidungsgründe tragen die Abweisung der Klage zu Recht. Sie macht sich die Berufungskammer in vollem Umfang zu Eigen und sieht insoweit von einer erneuten Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 543 Abs. 1 ZPO a. F.).

2.

Unabhängig von den Entscheidungsgründen in dem angefochtenen Urteil besteht der Anspruch, und zwar selbständig tragend, auch aus anderen Gründen nicht.

a) Aufgrund der Regelung in § 630 Satz 1 BGB kann der Arbeitnehmer bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von dem Arbeitgeber ein schriftliches Zeugnis über das Arbeitsverhältnis und dessen Dauer fordern.

Lediglich auf Verlangen ist aufgrund § 630 Satz 2 BGB das Zeugnis auf die Leistungen und die Führung in dem Arbeitsverhältnis zu erstrecken.

Hat der Arbeitnehmer zunächst ein einfaches Zeugnis verlangt und erhalten, ist sein Zeugnisanspruch erloschen. Durch die Ausübung seines Wahlrechts (§ 262 BGB) gilt nach § 263 Abs. 2 BGB (lediglich) die gewählte Leistung als die von Anfang an allein geschuldete.

Der Zugang eines Schreibens vom 08.07.1998 ist strittig. Der Beweis seines Zugangs ist nicht durch seine bloße Vorlage im Prozess erbracht. Daraus ergibt sich schon nicht, dass das Schreiben auch abgegangen ist.

Damit bleibt das Schreiben vom 10.05.1999, in dem der Kläger unter bestimmten Voraussetzungen darum bittet, lediglich ein einfaches Arbeitszeugnis zu erteilen. Durch die Formulierung hat sich der Kläger seines Wahlrechts begeben, dass ihm aufgrund § 262 BGB nur "im Zweifel" zusteht. Er hat es vielmehr in die Hand der Beklagten gelegt, welche Art von Zeugnis sie nunmehr erteilen solle. Die Beklagte hat sich für die Erteilung lediglich eines einfachen Zeugnisses entschieden. Damit hat sie den Zeugnisanspruch aufgrund der Regelung in § 263 Abs. 2 BGB erfüllt.

b) Etwas anderes ergibt sich auch dann nicht, wenn auch nach dem Schreiben vom 10.05.1999 das Wahlrecht beim Kläger verblieben wäre. Denn der Kläger hat letztlich "lediglich" die Erteilung eines einfachen Arbeitszeugnisses erbeten.

Diese Gestaltungserklärung, mit der der Kläger sein Gestaltungsrecht ausgeübt hat, ist nicht weggefallen. Nach den diesbezüglichen Hinweisen der Kammer in der Berufungsverhandlung vom 26.03.2003 hat sich der Kläger erstmals auf eine Anfechtungserklärung gegenüber Herrn ... bezogen. In diesem Zusammenhang hat er die Drucksituation geltend gemacht. Danach wäre seine Gestaltungserklärung nach § 123 Abs. 1 BGB anfechtbar, wenn er zu ihr widerrechtlich durch Druck bestimmt worden wäre, sich etwa in einer Zwangslage befunden hätte.

Dieser Frage muss nicht näher nachgegangen werden. Denn auch die Anfechtung einer nach § 123 BGB anfechtbaren Willenserklärung kann nach § 124 Abs. 1 BGB nur binnen Jahresfrist erfolgen. Diese Frist beginnt nach Abs. 2 dieser Vorschrift im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Zu diesem Zeitpunkt hat sich der Kläger nicht erklärt. Damit bleibt es bei der Anfechtbarkeit binnen Jahresfrist. Zwischen dem Schreiben vom 10.05.1999 und der behaupteten Anfechtung gegenüber Herrn ... lag jedoch mehr als ein Jahr, weswegen die Anfechtungsfrist verstrichen ist.

c) In der Literatur (Nachweise Erfurter Kommentar/Müller-Glöge, § 630 BGB Rdnr. 19 m. w. N.) wird vertreten, dass ein Arbeitnehmer, der zunächst ein einfaches Zeugnis verlangt und erhalten und damit seinen Zeugnisanspruch zum Erlöschen gebracht hat, später ein qualifiziertes Arbeitszeugnis fordern könne.

Dies wird aus einer nachwirkenden Vertragspflicht des Arbeitgebers zur Ausstellung eines qualifizierten Zeugnisses für den Fall hergeleitet, dass der Arbeitnehmer ein solches Zeugnis benötigt und er ein berechtigtes Interesse daran hat.

Weder für das eine noch für das andere ist etwas ersichtlich. Die vom Kläger geschilderte Drucksituation mag die Anfechtbarkeit seiner Wahlerklärung begründen (was allerdings hier wegen Ablaufs der Anfechtungsfrist keine Auswirkung hat). Ein spezifisches Interesse an einer Zeugniserteilung ergibt sich daraus nicht. Weder vorgetragen noch ersichtlich ist im Übrigen auch, dass und wozu der nunmehr selbständig als Rechtsanwalt tätige Kläger ein qualifiziertes Zeugnis benötigt, etwa aufgrund einer Bewerbungsabsicht o. Ä.

Der Kläger hat aufgrund der Regelung in § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Die Revision ist nicht zuzulassen. Es wird darauf hingewiesen, dass die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht ihrerseits durch Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde) angefochten werden kann. Möglich ist dies unter den in § 72 a ArbGG genannten Voraussetzungen.

Ende der Entscheidung

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