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Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 11.01.2006
Aktenzeichen: 2 Ta 340/05
Rechtsgebiete: KSchG, MuSchG


Vorschriften:

KSchG § 4 Satz 1
KSchG § 5 Abs. 1 Satz 2
KSchG § 5 Abs. 3 Satz 1
MuSchG § 9 Abs. 1
Es ist nicht zu beanstanden, dass seit Anfang 2004 auch mutterschutzrechtlicher Sonderkündigungsschutz nach Maßgabe der §§ 4 Satz 1, 5 KSchG fristwahrend geltend gemacht werden muss.
Sächsisches Landesarbeitsgericht BESCHLUSS

2 Ta 340/05

Chemnitz, 11.01.2006

In dem Beschwerdeverfahren

wegen Kündigung, Feststellung und Prozessbeschäftigung

hier: Zulassung verspäteter Klage/sofortige Beschwerde

hat die 2. Kammer des Sächsischen Landesarbeitsgerichts durch ihren Vorsitzenden, den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ..., ohne mündliche Verhandlung am 11.01.2006 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 12.10.2005 - 9 Ca 1758/05 - wird auf Kosten der Klägerin bei einem Wert von 6.000,00 € zurückgewiesen.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat aus zutreffenden Erwägungen in dem angefochtenen Beschluss, denen die Beschwerdekammer folgt, den Antrag der Klägerin auf Zulassung ihrer verspäteten Klage zurückgewiesen (als unzulässig verworfen).

Lediglich mit Blick auf die Beschwerdebegründung und deren Ergänzung sind die folgenden Ausführungen veranlasst:

Die Klägerin übersieht, dass die Kündigung nicht allein wegen der Versäumung der Frist für die Anrufung des Arbeitsgerichts nach § 4 Satz 1 KSchG aufgrund der Regelung in § 7 KSchG wirksam geworden ist. Auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift kommt es demgemäß auch nicht an.

Maßgebend ist vielmehr, dass die Klägerin aufgrund der Unkenntnis ihres prozessbevollmächtigten Rechtsanwalts - wie von diesem selbst dargelegt - nicht fristgemäß Antrag auf Zulassung ihrer verspäteten Klage gestellt hat. Denn eine derartige Zulassung war ihr aufgrund ausdrücklicher Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 2 KSchG für den Fall nachgelassen, dass sie von ihrer Schwangerschaft aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst nach Ablauf der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG Kenntnis erlangt haben sollte (§ 5 Abs. 1 Satz 2 KSchG).

Insoweit ist ein prozessualer Gleichklang zu den Regelungen über das Kündigungsverbot gegenüber einer Schwangeren nach § 9 Abs. 1 MuSchG hergestellt, wie sie durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor Jahrzehnten vorgegeben worden ist. Auch nach § 9 Abs. 1 MuSchG gilt eine Frist, und zwar die Mitteilungsfrist von zwei Wochen. Das Überschreiten dieser Frist ist unschädlich, wenn es auf einem von der Frau nicht zu vertretenden Grund beruht und die Mitteilung unverzüglich nachgeholt wird.

Diese Voraussetzungen waren bei der Klägerin, wenn man ihr gesamtes Vorbringen als zutreffend unterstellt, erfüllt. Denn danach hätte sie jedenfalls die Mitteilung i. S. der Regelung des § 9 Abs. 1 MuSchG unverzüglich nachgeholt. Konsequenz war, dass sie sich auf das Kündigungsverbot des § 9 Abs. 1 MuSchG gegenüber dem Beklagten zunächst einmal berufen konnte.

Damit war dem verfassungsrechtlichen und verfassungsgerichtlichen Auftrag genügt.

Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob das Kündigungsverbot gerichtlich geltend zu machen ist und wenn ja, in welcher Form und Frist.

Bei der Frage nach dem "ob" ergibt sich allein aus dem Umstand, dass der Beklagte auf der Wirksamkeit der Kündigung besteht, dass die Klägerin gerichtliche Hilfe, und zwar diejenige der Gerichte für Arbeitssachen in Anspruch zu nehmen hatte. Über die Notwendigkeit hierfür ist bislang nicht ernsthaft diskutiert worden. Sie folgt daraus, dass die Rechtsunwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts - hier: der Kündigung - und der daraus resultierende Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses einschließlich der weiteren sich daraus ergebenden Folge (wie Prozessbeschäftigung) überhaupt nur durch Gerichte geklärt werden kann, wenn Bürger - wie hier - darüber im Streit liegen.

Klar ist auch der Klägerin, dass als Form des Geltendmachens der Unwirksamkeit der Kündigung nur eine Feststellungsklage in Betracht kam. Anderenfalls hätte sie sie auch nicht erheben lassen.

Nicht zu beanstanden ist, dass eine derartige Klage seit Anfang 2004 auch dann an Fristen gebunden ist, wenn ein Arbeitnehmer Sonderkündigungsschutz, den er entsprechend dem verfassungsrechtlichen und verfassungsgerichtlichen Auftrag nach dem Gesetz erworben hat, gerichtlich geltend machen möchte. Dies gilt hinsichtlich einer dem Kündigungsverbot des Mutterschutzgesetzes unterliegenden Kündigung jedenfalls dann, wenn die Klagefrist aufgrund der Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 2 KSchG im Ergebnis flexibel ausgestaltet ist und selbst eine verspätete Klage danach zugelassen werden kann.

Nicht zu beanstanden ist auch, dass für die nachträgliche Zulassung die Ausschlussfrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG gilt, gegen deren Versäumung es keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gibt (weswegen es auf die Rechtskenntnisse des beauftragten Rechtsanwalts und die Frage einer Zurechnung dessen Verhaltens auch nicht ankommt). Diese - hier eben versäumte - Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG lässt sich nicht mit der Begründung auf unbestimmte Zeit mit der Argumentation ausdehnen, die Klägerin habe alles Erforderliche "erledigt". Denn der (in § 9 Abs. 1 MuSchG lediglich nachgezeichnete) verfassungsrechtliche und verfassungsgerichtliche Auftrag ging und geht lediglich dahin, auch einer unverzüglich nachgeholten Mitteilung von der Schwangerschaft Beachtung zu schenken. Dieses Postulat wird durch die Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG jedoch nicht eingeschränkt, wie die vorliegend zur Entscheidung stehende Sache deutlich zeigt. Denn danach war das Kündigungsverbot materiell-rechtlich eingetreten und hätte ungeachtet des Ablaufs der Klagefrist von drei Wochen prozessual zunächst auch noch geltend gemacht werden können. Verstreichen lassen hat die Klägerin lediglich die hierfür vorgesehene Frist von zwei weiteren Wochen. Diese stellt sich aber nicht als Einschränkung der sich aus § 9 Abs. 1 MuSchG ergebenden Mitteilungsfristen dar, weil sie der Klägerin ungemindert zur Verfügung standen und sie sie auch ausschöpfen konnte und ausgeschöpft hat.

Die Klägerin hat aufgrund der Regelung in § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer ohne Erfolg gebliebenen sofortigen Beschwerde zu tragen.

Als Wert ergibt sich für die Kündigungsschutzklage und den allgemeinen Feststellungsantrag ein Jahresbezug (§ 42 Abs. 4 Satz 1 GKG). Bei einer Bruttomonatsvergütung der Klägerin von 1.500,00 € sind dies 4.500,00 €. Hinzukommt gemäß § 3 ZPO eine weitere Monatsvergütung für den Beschäftigungsantrag. Eines Abschlages für den Wert des Beschwerdeverfahrens bedarf es nicht. Denn die endgültig wirksam gewordene Verwerfung des Antrages auf nachträgliche Zulassung der Klage bedeutet, dass in der Hauptsache nunmehr eine abweisungsreife Klage vorliegt.

Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben.

Ende der Entscheidung

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