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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 12.05.2006
Aktenzeichen: 2 TaBV 16/05
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 9 Abs. 3 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Sächsisches Landesarbeitsgericht

BESCHLUSS

Chemnitz, 12.05.2006

2 TaBV 16/05

In dem Beschlussverfahren

hat die 2. Kammer des Sächsischen Landesarbeitsgerichts durch ihren Vorsitzenden, den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ..., sowie durch die ehrenamtlichen Richterinnen Frau ... und Frau ... auf die mündliche Anhörung der Beteiligten am 12.05.2006 beschlossen:

Tenor:

1. Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Betriebsrat ohne Zustimmung der Arbeitgeberin seinen angekündigten Antrag für erledigt erklärt hat, der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, aus dem Kommunalen Arbeitgeberverband Sachsen e. V. auszutreten.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 16.06.2005 - 11 BV 13/05 - zurückgewiesen.

3. Rechtsbeschwerde ist nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten auch in dem Beschwerdeverfahren weiter darüber, ob der antragstellende Betriebsrat im Falle des Austritts der Arbeitgeberin aus einer Vereinigung von Arbeitgebern (hier: dem Kommunalen Arbeitgeberverband Sachsen e. V.) zu beteiligen ist bzw. den Wiedereintritt verlangen kann.

Das vom Betriebsrat angegangene Arbeitsgericht Chemnitz hat diesen mit folgenden Anträgen insgesamt zurückgewiesen:

"1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es zu unterlassen, aus dem Kommunalen Arbeitgeberverband Sachsen e. V. auszutreten.

2. Hilfsweise: Es wird festgestellt, dass der Austritt der Antragsgegnerin aus dem Kommunalen Arbeitgeberverband Sachsen e. V. der Zustimmung des Antragstellers bedarf und ohne Zustimmung des Antragstellers unwirksam ist.

3. Hilfsweise für den Fall, dass die Antragsgegnerin bereits aus dem Kommunalen Arbeitgeberverband Sachsen e. V. ausgetreten ist, wird der Antragsgegnerin aufgegeben, unverzüglich wieder Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband Sachsen e. V. zu werden."

Der tragende Beschlussgrund besteht darin, dass sich die Arbeitgeberin aufgrund der Regelung in Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG nicht ihrer negativen Koalitionsfreiheit begeben könne. Eine derartige unzulässige Abrede hat das Arbeitsgericht erkennbar in § 3 Abs. 2 des Personalüberleitungsvertrages unter dem 17.01.1994 erkannt, auf den in der mittlerweile entfallenen Regelung in § 3 b Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages der Arbeitgeberin vom 10.11.1993 verwiesen wurde.

Der Betriebsrat hat gegen den ihm am 28.06.2005 zugestellten Beschluss am 26.07.2005 Beschwerde eingelegt und diese am 08.08.2005 ausgeführt.

Unter Abgabe einer Erledigungserklärung hinsichtlich des Antrages, der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, aus dem Kommunalen Arbeitgeberverband Sachsen e. V. auszutreten (da dies geschehen ist), beantragt der Betriebsrat, unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 16.06.2005 - 11 BV 13/05 -,

1. festzustellen, dass der Austritt der Arbeitgeberin aus dem Kommunalen Arbeitgeberverband Sachsen e. V. der Zustimmung des Betriebsrats bedarf und ohne Zustimmung des Betriebsrats unwirksam ist;

2. hilfsweise für den Fall, dass die Arbeitgeberin bereits aus dem Kommunalen Arbeitgeberverband Sachsen e. V. ausgetreten ist, dieser aufzugeben, unverzüglich wieder Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband Sachsen e. V. zu werden (wobei dieser Antrag jedenfalls der Sache nach und mit Blick auf den erfolgten Austritt nunmehr Hauptantrag sein dürfte).

Die Arbeitgeberin beantragt

die Zurückweisung der Beschwerde,

ohne sich der Erledigungserklärung des Betriebsrats anzuschließen.

Von der erneuten Darstellung des Sachverhalts wird aufgrund der Regelung in § 540 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 313 Abs. 1 Satz 1 ZPO (entsprechend) abgesehen und stattdessen auf die Beurkundung des Beteiligtenvorbringens unter Abschnitt I der Gründe des angefochtenen Beschlusses des Arbeitsgerichts Bezug genommen, nachdem lediglich um eine Rechtsfrage gestritten wird.

Neuigkeiten im tatsächlichen Bereich haben sich im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nicht ergeben. Deshalb wird wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.

II.

Das Verfahren ist einzustellen, soweit der Betriebsrat ohne Zustimmung der Arbeitgeberin seinen angekündigten Antrag für erledigt erklärt hat, der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, aus dem Kommunalen Arbeitgeberverband Sachsen e. V. auszutreten.

Erklärt der Antragsteller eines Beschlussverfahrens das Verfahren für erledigt und widersprechen Beteiligte der Erledigungserklärung, so hat das Gericht lediglich zu prüfen, ob ein erledigendes Ereignis eingetreten ist. Ein erledigendes Ereignis liegt vor, wenn nach Rechtshängigkeit des Antrags tatsächliche Umstände eingetreten sind, aufgrund derer der Antrag jedenfalls jetzt als unzulässig oder unbegründet zurückgewiesen (in der Terminologie des Bundesarbeitsgerichts fälschlich "abgewiesen") werden müsste. Darauf, ob der Antrag ursprünglich zulässig und begründet war, kommt es nicht an. Ist ein erledigendes Ereignis eingetreten, so ist das Verfahren entsprechend § 83 a Abs. 2 ArbGG einzustellen (BAG vom 26.04.1990 - 1 ABR 79/89 - AP Nr. 3 zu § 83 a ArbGG 1979).

Diese Voraussetzungen liegen hier hinsichtlich des angekündigten Antrages, es der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, aus dem Kommunalen Arbeitgeberverband Sachsen e. V. auszutreten, vor. Denn der antragstellende Betriebsrat dieses Beschlussverfahrens hat mit der erklärten Erledigung des angekündigten Antrags der Sache nach insoweit das Beschlussverfahren für erledigt erklärt. Dem hat die Arbeitgeberin hier dadurch widersprochen, dass sie - ohne ihrerseits eine Erledigungserklärung abzugeben - (insgesamt) die Zurückweisung der Beschwerde beantragt hat.

Ein erledigendes Ereignis i. S. der angezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts liegt vor. Denn der für erledigt erklärte Antrag müsste jedenfalls jetzt als unbegründet zurückgewiesen werden. Denn es kann der Arbeitgeberin ein Unterlassen des Austritts aus dem Arbeitgeberverband nicht mehr aufgegeben werden, nachdem sie aus dem Verband ausgetreten ist.

III.

Im Übrigen ist die - zulässige - Beschwerde zurückzuweisen. Denn sie ist nicht begründet.

1. Allerdings sind die im Beschwerdeverfahren nach teilweiser Verfahrenseinstellung verbliebenen Anträge zulässig.

Insbesondere ist der Antrag, festzustellen, dass der Austritt der Arbeitgeberin aus dem Kommunalen Arbeitgeberverband Sachsen e. V. der Zustimmung des Betriebsrats bedarf und ohne dessen Zustimmung unwirksam ist, als Zwischenfeststellungsantrag entsprechend § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Denn von der Frage nach der Zustimmungsbedürftigkeit hängt es auch ab, ob der Betriebsrat den (Wieder-)Eintritt in den Arbeitgeberverband mit dem verbliebenen Antrag zu 2. beanspruchen kann.

2. Beide verbliebenen Anträge erweisen sich jedoch als unbegründet.

a) Dabei kann dahinstehen, ob der (wie gesagt: der Sache nach) als Hauptantrag zu verstehende Antrag auf Aufgabe des (Wieder-)Eintritts durch die Abrede in § 3 Abs. 2 des Personalüberleitungsvertrages gedeckt ist. Denn danach bedarf zwar ein Austritt aus dem Kommunalen Arbeitgeberverband Sachsen e. V. der Zustimmung des Betriebsrats; ungeregelt ist jedoch, ob der Betriebsrat den Eintritt oder Wiedereintritt der Arbeitgeberin in einen bestimmten Arbeitgeberverband verlangen könnte.

Handlungspflichten des Arbeitgebers, die auch ohne das Vorliegen der Voraussetzungen des § 23 BetrVG im Falle grober Verletzung gesetzlicher Pflichten bestehen, hat die Rechtsprechung bislang lediglich nur partiell und nur im Zusammenhang mit (wiederum) gesetzlichen Beteiligungsrechten angenommen, um welche Pflichten bzw. Beteiligungsrechte es hier aber nicht geht.

b) Mit beiden Anträgen könnte der Betriebsrat nur dann Erfolg haben, wenn seine Beteiligung Wirksamkeitsvoraussetzung für den Austritt aus dem Arbeitgeberverband ist und er wegen der Verletzung des Beteiligungsrechts die Rückkehr in den Arbeitgeberverband beanspruchen könnte. Dies ist jedoch aus mehreren Gründen nicht der Fall.

(1) Ein sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz ergebendes Beteiligungsrecht besteht ersichtlich nicht und wird vom Betriebsrat auch nicht in Anspruch genommen.

(2) Unabhängig von der Frage, ob Betriebsrat und Arbeitgeber Beteiligungsrechte des Betriebsrats über den gesetzlich vorgesehenen Rahmen hinaus erweitern könnten, ist es hier zwischen den Beteiligten weder zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung noch zu einer Regelungsabrede entsprechenden Inhalts gekommen.

(3) Die Regelung in dem Personalüberleitungsvertrag berechtigt und verpflichtet lediglich die Vertragspartner, mithin die Stadt ... und die Arbeitgeberin.

(4) Die den Betriebsrat vermeintlich begünstigende Satzungsbestimmung ist außer Kraft und wäre jedenfalls lediglich von gesellschaftsrechtlicher und nicht betriebsverfassungsrechtlicher Wirkung.

Dahinstehen kann, ob der Gesellschaftsvertrag insofern, als er auf den Personalüberleitungsvertrag verweist, überhaupt der nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GmbHG vorgeschriebenen notariellen Form genügt hat.

(5) Unabhängig von dem Vorstehenden und selbständig tragend wird der Betriebsrat zivilrechtlich aus dem Personalüberleitungsvertrag oder/und dem Gesellschaftsvertrag auch deshalb nicht berechtigt, weil er nach einhelliger Ansicht als solcher schon nicht rechtsfähig ist und allenfalls im Rahmen der ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgaben berechtigt und verpflichtet werden kann, nicht aber als Rechtssubjekt außerhalb seines gesetzlichen Wirkungskreises privatrechtlich Geschäfte zu tätigen in der Lage ist mit der Folge, selbst Gläubiger im Rahmen einer schuldrechtlichen Beziehung zu werden (vgl. mit zahlreichen Nachweisen etwa BAG vom 24.04.1986 - 6 AZR 607/83 - AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Sozialeinrichtung; allgemein zur Rechtsstellung des Betriebsrats Spilger, AR-Blattei 530.7 Betriebsverfassung VII Rechtsstellung und Haftung des Betriebsrats).

Daran ändert sich auch nichts wegen des in der Beschwerdeverhandlung gehörten Arguments, bei dem Antragsteller handele es sich um eine qua Satzung vorgesehene besondere Vertretung, der Rechtsfähigkeit zukomme. Denn zum einen ist nicht ersichtlich, dass im Betrieb der Arbeitgeberin andere Arbeitnehmer-Vertretungsstrukturen bzw. zusätzliche betriebsverfassungsrechtliche Gremien nach Maßgabe des § 3 BetrVG bestimmt worden wären und dies durch Tarifvertrag bzw. Betriebsvereinbarung (§ 3 Abs. 2 BetrVG) geschehen wäre. Zum anderen ist der an diesem Beschlussverfahren als Betriebsrat beteiligte Antragsteller und Beschwerdeführer jedenfalls lediglich als Betriebsrat nach Maßgabe des Betriebsverfassungsgesetzes gewählt bzw. errichtet.

(6) Wiederum unabhängig von dem Vorstehenden und selbständig tragend könnte der Betriebsrat weder aus der Regelung des Personalüberleitungsvertrages noch aus der Satzung der Arbeitgeberin i. V. m. dem Personalüberleitungsvertrag das eingeforderte Beteiligungsrecht herleiten.

Denn die in dem Personalüberleitungsvertrag getroffene Abrede ist aus den zutreffenden Erwägungen in dem angefochtenen Beschluss wegen Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG nichtig, weil es sich jedenfalls um eine Abrede i. S. dieser Vorschrift handelt, welche das Recht der Arbeitgeberin einschränkt, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, welches Recht auch den Verbandsaustritt umfasst sowie das Recht, einem Verband fernzubleiben.

Die beschränkende Wirkung wird hier noch dadurch verstärkt, dass ein Verbandsaustritt einem ungebundenen und damit nicht nachprüfbaren Zustimmungserfordernis unterworfen ist.

Auch könnte die inkriminierte Regelung die Arbeitgeberin - etwa im Falle eines Gesellschafterwechsels - daran hindern, sich einem anderen Verband anzuschließen, so in der Folge eine Mitgliedschaft in dem Kommunalen Arbeitgeberverband Sachsen e. V. nach dessen Satzung überhaupt nicht mehr möglich sein sollte. Denn dann würde von der Arbeitgeberin rechtlich Unmögliches verlangt.

c) Die in der Beschwerdeverhandlung beantragte Schriftsatzfrist (§§ 283, 139 Abs. 5 ZPO) war nicht nachzulassen. Der letzte Schriftsatz der Arbeitgeberin hat das Ergebnis in dieser Sache nicht zuungunsten des Betriebsrats beeinflusst, wie sich aus den vorstehenden Beschlussgründen ergibt. Der gerichtliche Hinweis auf die fehlende allgemeine Rechtsfähigkeit des Betriebsrats betrifft lediglich eine seit Jahrzehnten geklärte Rechtsfrage, deren gegenteilige Beurteilung hier aus dem selbständig tragenden Beschlussgrund zu b) (6) zu keinem anderen Ergebnis geführt hätte.

IV.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, weil in Beschlussverfahren weder Gerichtskosten erhoben werden noch eine prozessuale Kostentragungspflicht besteht.

Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben. Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil es an Gründen hierfür fehlt.



Ende der Entscheidung

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