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Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 07.11.2008
Aktenzeichen: 3 Sa 338/08
Rechtsgebiete: SGB IX, ArbGG, BGB, SGB VI, SGB III, KSchG


Vorschriften:

SGB IX § 5 Nr. 2
SGB IX § 33
SGB IX § 84
ArbGG § 64 Abs. 2 c
BGB § 314 Abs. 2
BGB § 323 Abs. 2 Ziff. 1
BGB § 626 Abs. 1
SGB VI § 20
SGB VI § 21
SGB III § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3
KSchG § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Sächsisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes URTEIL

Az.: 3 Sa 338/08

Verkündet am 07.11.2008

In dem Rechtsstreit

...

hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 3 - durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter ... und ... auf die mündliche Verhandlung vom 07.11.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 06.05.08 - 9 Ca 4011/07 - teilweise abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristlose Kündigung mit Schreiben der Beklagten vom 23.10.2007 aufgelöst worden ist.

2. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 55 %, die Beklagte zu 45 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Parteien je zur Hälfte.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in zweiter Instanz noch um die Frage, ob das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen durch die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung mit Schreiben der Beklagten vom 23.10.2007 beendet worden ist.

Die 1970 geborene Klägerin stand seit 03.04.1995 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten als Altenpflegerin. Dem Arbeitsverhältnis lag zuletzt der Arbeitsvertrag vom 12.11.2000 mit einer Wochenarbeitszeit von 36 Stunden und einer Monatsvergütung in Höhe von € 1.750,00 brutto zugrunde (Bl. 49 bis 53 d. A.). Gemäß § 3 dieses Arbeitsvertrages kann das Arbeitsverhältnis unter Beachtung der gesetzlichen Kündigungsfristen gekündigt werden.

Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Bis zum Frühjahr 2007 wurde die Klägerin im Nachtdienst, danach im Wechselschichtdienst beschäftigt.

In der Zeit vom 20.10.2006 bis 05.03.2007 war die Klägerin wegen eines Rückenleidens arbeitsunfähig erkrankt.

Mit Bescheid vom 03.08.2007 (Bl. 65 d. A.) bewilligte die ... der Klägerin eine berufliche Integrationsmaßnahme "kaufmännische Weiterbildung" und Zusatzqualifikation "Medistar" (hierbei handelt es sich um ein Informationssystem für die ärztliche Praxis) als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben für die Dauer von voraussichtlich sechs Monaten mit Zahlung von Übergangsgeld. Als Beginn war der 15.10.2007 vorgesehen.

Die Klägerin teilte der Beklagten mit Schreiben vom 24.08.07 (Bl. 62 bis 64 d. A.) über ihre Rechtsanwältin mit, sie werde ab 15.10.2007 "für längere Zeit vollschichtig an einer Maßnahme der Rehabilitation teilnehmen". Hierauf erwiderte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 29.08.2007 (Bl. 66 bis 68 d. A.), sie könne einen Freistellungsanspruch für eine Umschulung zur Arzthelferin nach den derzeit vorliegenden Informationen nicht erkennen.

Mit Schreiben vom 13.09.2007 (Bl. 69 d. A.) forderte die Beklagte die Klägerin nochmals auf darzulegen, auf welchen Rechtsanspruch sich das von der Klägerin vorgebrachte Freistellungsbegehren stütze. Die Beklagte bot der Klägerin eine Aufhebungsvereinbarung mit der Maßgabe an, die Klägerin nach Ablauf der Weiterbildung und für den Fall, dass diese nicht anderweitig eine Beschäftigung finde und körperlich nachweislich in der Lage sei, ihrer Arbeitsverpflichtung vollumfänglich nachzukommen, eine Wiedereinstellung zu garantieren.

Hierauf erwiderte die Klägerin über ihre Rechtsanwältin mit Schreiben vom 08.10.2007 (Bl. 70 d. A.), sie sei während der Zeit der Reha-Maßnahme von der Pflicht zur Arbeitsleistung freigestellt, dies auch ohne entsprechende Entscheidung der Beklagten. Die Klägerin fühle sich durchaus in der Lage, die von ihr ausgeführte Tätigkeit, sofern der Arbeitsplatz mit den erforderlichen Hilfsmitteln ausgestattet sei, weiter auszuführen.

Mit Bescheid vom 17.10.2007 bewilligte die ..., nachdem der Bescheid vom 03.08.2007 widerrufen worden war, erneut eine Reintegrationsmaßnahme als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben, diesmal für die voraussichtliche Dauer von neun Monaten mit Beginn 15.10.2007 und der Gewährung von Übergangsgeld (Bl. 71 d. A.).

Die Klägerin trat diese Maßnahme ab 15.10.2007 an und blieb seitdem der Arbeit bei der Beklagten fern.

Mit Schreiben vom 23.10.2007 (Bl. 7 d. A.), der Klägerin am selben Tage zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin wegen unentschuldigten Fehlens seit 15.10.2007 außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin.

Hiergegen richtet sich die am 01.11.2007 beim Arbeitsgericht eingegangene Klage der Klägerin, die u. a. ausgeführt hat, die Beklagte habe die Freistellung rechtswidrig verweigert, hierzu sei sie aus § 84 SGB IX verpflichtet, die Kündigung sei auch mangels Abmahnung unwirksam.

Die Klägerin, die zudem noch Urlaubs- und Weihnachtsgeldansprüche eingeklagt hatte, hat folgende Anträge gestellt:

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die von der Beklagten ausgesprochene fristlose Kündigung vom 23.10.2007 noch durch die zeitgleich ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 23.10.2007, der Klägerin zugegangen am 23.10.2007, aufgelöst worden ist bzw. werden wird.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin das zusätzlich gewährte besondere Urlaubs- und Weihnachtsgeld 2006 in Höhe von insgesamt 100,00 € netto sowie das gesamte Urlaubsgeld für 2007 in Höhe von 50,00 € netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 150,00 € hieraus seit dem 01.09.2007 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat entgegnet, die Kündigung sei wegen unentschuldigten Fehlens der Klägerin, welches zu Störungen im Dienstplan und zur Notwendigkeit für andere Mitarbeiter geführt hätte, die Schicht der Klägerin unter Ableistung von Überstunden zu übernehmen, gerechtfertigt. Eine Abmahnung sei entbehrlich gewesen.

Gegenstand des Verfahrens erster Instanz war auch eine Widerklage der Beklagten auf Rückzahlung überzahlter Vergütung für den Monat Oktober 2007 mit folgendem Antrag:

Die Klägerin wird verurteilt, an die Beklagte € 571,57 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten oberhalb des jeweiligen Basiszinssatzes seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 06.05.2008 die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben, ferner die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt und den Streitwert auf € 5.400,00 festgesetzt.

Das Arbeitsgericht hat in den Entscheidungsgründen, auf welche im Übrigen Bezug genommen wird (Bl. 117 bis 120 d. A.), u. a. ausgeführt, das Arbeitsverhältnis sei aus wichtigem Grunde mit Zugang der Kündigung am 23.10.2007 beendet worden, der wichtige Grund läge in dem Fernbleiben der Klägerin am 15.10.2007 ohne Genehmigung der Beklagten, die Rechtsprechung des BAG zur Selbstbeurlaubung sei auch hier anwendbar, ein gesetzlicher Freistellungsanspruch stünde der Klägerin nicht zur Seite, eine Abmahnung sei in Anbetracht der Ernsthaftigkeit des Verhaltens der Klägerin entbehrlich gewesen, denn die Abmahnung hätte zu keiner Änderung des Verhaltens der Klägerin geführt.

Gegen dieses ihr am 22.05.2008 zugestellte Urteil richtet sich die am 13.06.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangene und am 22.07.2008 ausgeführte Berufung der Klägerin, bezogen auf die Abweisung der Kündigungsschutzklage. Die Klägerin bringt u. a. vor, es habe keine konkreten betrieblichen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Fernbleibens der Klägerin gegeben, die Beklagte habe die Klägerin bereits als abwesend geführt und ohnehin einen Personalüberhang gehabt, die Beklagte habe selbst die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgeschlagen, im Übrigen wäre vor Kündigung eine Abmahnung notwendig gewesen, welche die Klägerin zum Einlenken bewegt hätte. Zu berücksichtigen sei das langjährige unbelastete Arbeitsverhältnis und die Fürsorgepflicht der Beklagten, der Klägerin eine Teilnahme an der Rehabilitationsmaßnahme zu ermöglichen. Bei der Interessenabwägung sei die soziale Lage der Klägerin zu berücksichtigen. Auch eine ordentliche Kündigung käme nicht in Betracht.

Die Klägerin beantragt,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Dresden vom 06.05.2008 - 9 Ca 4011/07 - festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die von der Beklagten ausgesprochene fristlose Kündigung vom 23.10.2007 noch durch die zeitgleich ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 23.10.2007 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte entgegnet, das Fernbleiben der Klägerin habe zu betrieblichen Störungen geführt wie bereits in erster Instanz vorgetragen, eine Abmahnung sei nicht notwendig gewesen, denn die Klägerin habe deutlich gemacht, dass sie sechs Monate lang fehlen werde, mit Nichtwissen werde bestritten, dass die Klägerin im Falle einer Abmahnung ihre Arbeit nachgekommen wäre, derartiges hätte auch in Widerspruch zu ihrem Schreiben vom 08.10.2007 gestanden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze bei den Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die gemäß § 64 Abs. 2 c ArbGG statthafte Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung ist nur zum Teil begründet. Die Kündigungsschutzklage ist ihrerseits insoweit begründet, als auf Feststellung angetragen wurde, das Arbeitsverhältnis sei nicht durch die außerordentliche Kündigung mit Schreiben der Beklagten vom 23.10.2007 aufgelöst worden.

Im Übrigen ist die Berufung jedoch unbegründet. Denn die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung ist rechtswirksam und vermochte das Arbeitsverhältnis mit der hier maßgeblichen Kündigungsfrist (gemäß § 3 des Arbeitsvertrages vom 02.11.2000 i. V. m. § 622 Abs. 2 BGB handelt es sich, da das Arbeitsverhältnis länger als zwölf Jahre bestanden hat, um eine Kündigungsfrist von fünf Monaten zum Ende des Kalendermonats, somit zum 31. März 2008) rechtswirksam zu beenden.

1. Die außerordentliche Kündigung mit Schreiben der Beklagten vom 23.10.2007 ist rechtsunwirksam.

a) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Zu prüfen ist danach, ob der der Kündigung zugrunde gelegte Sachverhalt an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund darzustellen und ob die Abwägung der konkret berührten Interessen sodann die Kündigung rechtfertigt. Die Interessenabwägung wird bei verhaltensbedingten Gründen wesentlich auch vom Grad des Verschuldens beeinflusst.

b) Auf der ersten Stufe der Prüfung nach § 626 Abs. 1 BGB (vgl. zur Prüfungssystematik KR-Fischermeier, 8. Auflage, § 626 BGB Rzn. 83 ff. d. A.) ist dem Arbeitsgericht darin zu folgen, dass ein an sich wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vorlag. Die Klägerin hat sich ab dem 15.10.2007 ihrer aufgrund des Arbeitsvertrages eingegangenen Pflicht zur Arbeitsleistung bei der Beklagten entzogen und angekündigt, diesen Zustand für die Dauer der beruflichen Integrationsmaßnahme (gemäß Bescheid vom 17.10.2007, somit für neun Monate) beizubehalten.

Vorwerfbar ist zunächst die eigenmächtige "Selbstfreistellung" der Klägerin gegen den erklärten Willen der Beklagten. Ein solches Verhalten wäre nur dann zu billigen, wenn die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Grundsätze der Selbsthilfe (§§ 229, 230 BGB) vorlägen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Weder stand der Klägerin ein Freistellungsanspruch zu noch wäre ein sofortiges Handeln der Klägerin ohne Inanspruchnahme auch nur des einstweiligen Rechtsschutzes durch die Gerichte notwendig gewesen.

Allerdings könnte es sich bereits auf das Vorliegen eines an sich wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB auswirken, wenn der Klägerin ein Freistellungsanspruch zur Seite gestanden hätte, sie es lediglich versäumt hätte, diesen mit Hilfe der Gerichte durchzusetzen (vgl. zum Fall der Selbstbeurlaubung, wenn der Arbeitgeber zu Unrecht einen Urlaubsantrag des Arbeitnehmers abgelehnt hat, BAG, Urteil vom 20.01.1994 - 2 AZR 521/93 -, in NZA 94, 548).

Die Klägerin hatte jedoch keinen Anspruch auf (unbezahlte) Freistellung. Aus dem Vortrag der Klägerin nebst den beigefügten Unterlagen geht lediglich hervor, dass die Klägerin ab 15.10.2007 nicht zur Arbeit erschienen ist, weil sie an einer beruflichen Integrationsmaßnahme als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben, gewährt von einem Träger der Rentenversicherung, teilnahm. Es handelt sich damit um eine Leistung nach den §§ 5 Nr. 2, 33 SGB IX i. V. m. den §§ 20, 21 SGB VI. Ein gesetzlicher Freistellungsanspruch existiert hierfür nicht (ein Beispiel für einen arbeitsrechtlichen Freistellungsanspruch im Rahmen sozialrechtlicher Vorschriften findet sich z. B. in § 45 Abs. 3 SGB V). Im Einzelfall könnte sich zwar aus der Sollvorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III ein Anspruch auf unbezahlte Freistellung, hier zur Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen, ergeben. Diese gesetzliche Vorschrift spricht jedoch einen gänzlich anderen Tatbestand an (erforderliche Qualifizierungsmaßnahmen der Arbeitsagenturen zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit, nachdem das Arbeitsverhältnis, etwa durch Kündigung, bereits zum Ablaufen gebracht ist).

Zwar kann auch die arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht des Arbeitgebers in Ausnahmefällen zu einem Freistellungsanspruch führen. Neben der persönlichen Situation des Arbeitnehmers sind hier aber insbesondere auch die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers zu berücksichtigen (vgl. BAG, Urteil vom 07.09.83 - 7 AZR 433/82 - in AP Nr. 7 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung). Ein Freistellungsanspruch kann sich jedenfalls dann nicht ergeben, wenn, wie hier, die Freistellung dazu dienen soll, dem Arbeitnehmer eine Fortbildung zukommen zu lassen, die nichts mit der arbeitsvertraglich auszuübenden Tätigkeit des Arbeitnehmers zu tun hat und auf eine Tätigkeit hinführt (hier: kaufmännische Weiterbildung mit Zusatzqualifikation "Medistar"), die mutmaßlich nicht einer Beschäftigung bei dem Arbeitgeber dient, sondern eine Tätigkeit in einer ärztlichen Praxis ermöglicht.

c) Im Rahmen der zweiten Prüfungsstufe, nämlich bei Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, erweist sich die außerordentliche Kündigung jedoch als rechtsunwirksam.

Nicht entscheidend ist hierbei das Fehlen einer vorherigen Abmahnung. Zwar ist § 314 Abs. 2 BGB auch auf § 626 Abs. 1 BGB anwendbar. Jedoch ist, wie sich aus dem Verweis auf § 323 Abs. 2 Ziff. 1 BGB ergibt, eine Abmahnung dann entbehrlich, wenn der Arbeitnehmer die "Leistung ernsthaft und endgültig verweigert" hat. Dies war hier der Fall. Insbesondere mit dem Anwaltsschreiben vom 08.10.2007 hat die Klägerin zu erkennen gegeben, dass sie auf jeden Fall und unabhängig von einer Entscheidung der Beklagten der Arbeit fernbleiben wird (anderenfalls wäre sie auch auf das durchaus sinnvolle Angebot der Beklagten eines Aufhebungsvertrages mit Wiedereinstellungsgarantie eingegangen).

Jedoch erweist sich der Grad des Verschuldens bei der Vertragsverletzung der Klägerin nicht derart hoch, dass eine außerordentliche Kündigung auch unter Berücksichtigung weiterer Umstände erforderlich gewesen wäre. Der Beklagten wäre es vielmehr zumutbar gewesen, die Kündigungsfrist abzuwarten.

Die Klägerin war anwaltlich beraten. Sie hatte ein nachvollziehbares hohes Interesse an der Teilnahme an der Integrationsmaßnahme. Andererseits verursachte das nachhaltige Fehlen der Klägerin zwar eine nicht unerhebliche betriebliche Störung. Trotz des nur pauschalen Einwands der Klägerin, es hätte ein "Personalüberhang" bestanden, ist davon auszugehen, dass die Klägerin einen festen Arbeitsplatz bei der Beklagten innehatte und jeweils in den Arbeitsplan eingeteilt war. Mit in die Erwägungen einzubeziehen ist jedoch die Tatsache, dass ein Hinnehmen der Kündigungsfrist nicht dazu geführt hätte, dass die Beklagte ohne Gegenleistung mit Lohnansprüchen konfrontiert gewesen wäre.

Letztlich wird auch eine umfassende Interessenabwägung zur Unwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung führen können. Denn hierbei wäre das langjährige unbeanstandete Arbeitsverhältnis mit der Klägerin in Erwägung zu ziehen.

2. Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung ist jedoch rechtswirksam, da sie sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 KSchG ist.

Das unberechtigte Fehlen der Klägerin mit der Ankündigung, dieses über neun Monate hinweg fortzusetzen, führte zu einer schweren Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses. Hinzu kommt, dass die Beklagte auch davon ausgehen musste, die Klägerin werde nach Beendigung der Integrationsmaßnahme nicht wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, sondern sich einer Tätigkeit zuwenden, für welche sie im Rahmen der Integrationsmaßnahme fortgebildet worden ist. Die Beklagte hätte also ein Arbeitsverhältnis aufrechterhalten und einen Arbeitsplatz vorhalten sollen, ohne dass dies ihr von Nutzen gewesen wäre. Auch die Interessenabwägung kann schon deshalb nicht zugunsten der Klägerin ausfallen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.

IV. Gegen diese Entscheidung gibt es kein Rechtsmittel. Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG wird jedoch hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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