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Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 07.04.2006
Aktenzeichen: 3 Sa 680/05
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 613 a Abs. 1 |
Sächsisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes URTEIL
Az.: 3 Sa 680/05
Verkündet am 07.04.2006
In dem Rechtsstreit
hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 3 - durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter ... und ... auf die mündliche Verhandlung vom 07.04.2006
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 07.06.2005 - 12 Ca 501/05 - teilweise abgeändert.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages mit der Fa. ... in ... weiterzubeschäftigen.
3. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
4. Von den Kosten 1. Instanz tragen der Kläger 4/11 und die Beklagte 7/11.
5. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
6. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Frage, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Fa. ... in ... gemäß § 613 a Abs. 1 BGB auf die Beklagte übergegangen ist.
Der Kläger stand seit 01.03.1993 (s. "Überleitungsvertrag vom 25.02.1993, Bl. 128 d. A.) in einem Arbeitsverhältnis zur Fa. ..., einer Einzelfirma, mit einer Tätigkeit als Fachkraft Zerlegung im Schlachthof ... Dieser Schlachthof steht im Eigentum der ... GmbH in ..., welche die Schlachtungs- und Zerlegungsarbeiten durch Subunternehmer wie bisher die Fa. ... durchführen ließ (vgl. Werkvertrag vom 18.09.1996, Anlage K 2 zur Klage; die dort als Auftraggeberin genannte ... GmbH ist die Rechtsvorgängerin der ... GmbH).
Die ... GmbH kündigte mit Schreiben vom 18.06.2004 den Werkvertrag mit der Fa. ... zum 31.12.2004 (Anlage K 3) und schloss mit der Beklagten für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.12.2006 zwei Werkrahmenverträge über die Schlachtungs- und Zerlegungstätigkeit im Schlachthof ... (Anlagen B 3 und B 4).
Die Beklagte ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung slowakischen Rechts und in das Handelsregister des Bezirksgerichts Trencin eingetragen (s. Anlage K 8).
Mit Schreiben vom 30.12.2004 teilte die Fa. ... der Beklagten ihre Ansicht mit, es handele sich um einen Betriebsübergang gemäß § 613 a BGB sowie der EWGRichtlinie 77/187/EWG vom 14.02.1977 (Anlage K 9). Die Beklagte informierte daraufhin die im Schlachthof ... tätigen Arbeitnehmer mit Schreiben vom 11.01.2005 (Anlage K 10), ihrer Ansicht nach läge kein Betriebsübergang vor. Es bestünde keine Möglichkeit für die Beklagte, die Arbeitnehmer zu beschäftigen.
Ab 01.01.2005 führt die Beklagte die Schlachtungs- und Zerlegungsarbeiten im Schlachthof ... für die ... GmbH mit eigenen Arbeitnehmern durch. Die Arbeiten werden in den Räumen mit den dort fest installierten Betriebsmitteln wie den Transporteinrichtungen (Rohrbahnen), der Schlachtanlage, dem Zerlegungsband und den Zerlegungstischen sowie auch mit den Sozialräumen mit Hygieneschleuse, in und mit welchen auch zuvor die Fa. ... tätig war, verrichtet. Die von der Fa. ... eingebrachten Betriebsmittel, insbesondere Messer, Messerkörbe, Wetzstäbe, Handschuhe, Arbeitskleidung und Arbeitsstiefel übernahm die Beklagte nicht. Diese Gegenstände stellen nunmehr die Arbeitnehmer der Beklagten selbst.
Mit am 28.01.2005 beim Arbeitsgericht eingegangener Klage hat der Kläger geltend gemacht, es läge ein Betriebsübergang gemäß § 613 a BGB vor, die Beklagte sei wie zuvor schon die Fa. ... auf das von der ... GmbH eingeräumte Nutzungsrecht an den Betriebsmitteln angewiesen, wegen der großen Ähnlichkeit der Tätigkeiten komme es auf die Details der Ausgestaltung der jeweiligen Vereinbarung nicht an, es handele sich deshalb nicht um eine bloße Funktionsnachfolge, der Sachverhalt entspräche dem der "Abler-Entscheidung" des EuGH vom 20.11.2003.
Der Kläger hat nach Rücknahme der Klage gegen den ursprünglich mitverklagten Geschäftsführer der Beklagten beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 01.03.1993 mit der Fa. ..., ... und der derzeitigen Vergütung von durchschnittlich 804,85 € netto wöchentlich ab dem 01.01.2005 zu beschäftigen,
2. hilfsweise festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klagepartei seit dem 01.01.2005 auf die Beklagte übergegangen ist und mit dieser zu unveränderten Arbeitsbedingungen fortbesteht,
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Vergütung für den Monat Januar in Höhe von 2.063,00 € brutto abzüglich netto geleisteter 863,10 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.02.2005 zu bezahlen,
4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere Vergütung für den Monat Februar in Höhe von 2.063,00 € brutto abzüglich netto geleisteter 863,10 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.03.2005 zu bezahlen,
5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere Vergütung für den Monat März in Höhe von 2.063,00 € brutto abzüglich netto geleisteter 863,10 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.04.2005 zu bezahlen,
6. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere Vergütung für den Monat April in Höhe von 2.063,00 € brutto abzüglich netto geleisteter 863,10 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.05.2005 zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat entgegnet, ein Betriebsübergang läge nicht vor, es handele sich um einen betriebsmittelarmen Betrieb, bei welchem vor allem die menschliche Arbeitskraft prägend sei, die Transporteinrichtung und die Zerlegetische erfüllten nur unterstützende Funktionen, wegen der Hygienevorschriften müssten die Arbeiten mit den Betriebsmitteln in den von der ... GmbH zur Verfügung gestellten Räumen durchgeführt werden, Kleinwerkzeuge und bewegliche Maschinen seien jedenfalls nicht zur eigenwirtschaftlichen Nutzung überlassen worden, Reinigung, Wartung, Instandsetzung und Instandhaltung seien Sache der ... GmbH. Hierin läge auch der Unterschied zu der "Abler-Entscheidung". Die Beklagte dürfe Betriebsmittel nicht für Aufträge Dritter nutzen. Sie könne nicht einmal über die Art und den Umfang einer Nutzung bestimmen, diese ergäben sich vielmehr zwingend aus dem Ordereingang der ... GmbH. Die Arbeitsabläufe seien auch anders gestaltet als bei der Fa. ...
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 07.06.2005 die Klage abgewiesen, dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt sowie den Streitwert auf 13.051,60 € festgesetzt. Es hat in den Entscheidungsgründen, auf welche im Übrigen Bezug genommen wird, u. a. ausgeführt, ein Betrieb oder Betriebsteil, in welchem der Kläger beschäftigt gewesen sei, sei nicht auf die Beklagte übergegangen. Wohl stelle der Bereich "Schlachtung und Zerlegung" einen Betriebsteil des von ... betriebenen Schlachthofes dar. Die Beklagte führe in diesem Betriebsteil auch Tätigkeiten weiter, welche sich - wenn überhaupt - nur geringfügig von den dort bisher verrichteten Tätigkeiten unterschieden. Die Beklagte sei auch darauf angewiesen, ihre Arbeitnehmer in den dortigen Räumen mit dort fest installierten Betriebsmitteln arbeiten zu lassen. Von ausschlaggebender Bedeutung sei jedoch die Art der angebotenen Leistungen und im Hinblick darauf die mit ... getroffenen Vereinbarungen. Die Beklagte ziehe nämlich keinen zusätzlichen wirtschaftlichen Vorteil und könne über Art und Umfang des Einsatzes der Einrichtungen nicht bestimmen. Die Betriebsmittel gehörten damit nicht zu denjenigen der Beklagten, sondern seien ... zuzurechnen. Eine eigenwirtschaftliche Nutzung fände nicht statt. Fremdnützig erfolge sogar im gewissen Sinne der Einsatz der Arbeitnehmer der Beklagten. Die Betriebstätigkeit der Beklagten unterscheide sich damit nicht wesentlich von der eines Arbeitnehmerüberlassungsunternehmens.
Gegen dieses ihm am 12.07.2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 09.08.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangene und am 12.09.2005 ausgeführte Berufung des Klägers.
Dieser schildert die Vorgänge bei der Schlachtung und der Zerlegung der Tiere im Schlachthof ... Danach werden die Tiere in die sog. Tötungsbox getrieben und dort betäubt. Im Rahmen des sog. Betäubungskreislaufs wird ein Lauf des Rinds in eine Kette eingehängt und das Rind dann über ein Förderband zum sog. Tötungsstich transportiert. Nach dem Tötungsschnitt/-stich wird das Rind mittels des Förderbandes zum Ende des Betäubungskreislaufs transportiert, wo es mittels eines Schlachthakens fixiert wird. Dieser Haken wird in das nächste Förderband eingehängt, welches über eine Hebeeinrichtung verfügt. Hiermit wird das Rind in den Schlachtkreislauf eingebracht. Die für die Schlachtung zuständigen Mitarbeiter befinden sich auf fest montierten Podesten mit wechselnden Arbeitshöhen, teilweise in der Höhe variabel. Der Weitertransport des Rindes erfolgt computergesteuert durch die Rohrbahn im Minutentakt. Das freigelegte Fell wird mit Ketten an Rollen fixiert. Das Fell wird durch eine Fellabzugsmaschine aufgewickelt. In den Folgeschritten wird das Innere entnommen, eine Darmwanne befüllt und maschinell weiterbefördert. Weitere Entnahmen werden an das sog. Geschlingeband angehängt. Der nächste Arbeitsplatz besteht aus einem der Höhe nach variablen Podest, an welchen der zuständige Mitarbeiter mittels einer im Band integrierten Säge das Rind zerteilt. Danach wird das Rückenmark mit einer sog. Saugfräse ausgesaugt. Diese Fräse hängt an einer Vakuumpumpe. Sodann erfolgt das automatische Wiegen des Rinds und die sog. Klassifizierung, schließlich der automatische Weitertransport ins Kühlhaus.
Für die Zerlegung werden benötigt Sozialräume mit Hygieneschleuse, Zerlegeraum, Zerlegetische, fest installiertes Zerlegeband, fest installierte Transporteinrichtungen (Rohrbahnen).
Wesentliche Betriebsmittel seien somit die hydraulischen Einrichtungen und Transportanlagen; es handele sich um eine betriebsmittelintensive Tätigkeit. Nach der Entscheidung des EuGH vom 20.11.2003 (Abler) komme es nicht mehr auf die eigenwirtschaftliche Nutzung als entscheidendes Abgrenzungskriterium an. § 613 a BGB und die Richtlinie 77/187 sollten nicht den Werkvertragsgeber, sondern den Arbeitnehmer schützen. Im Übrigen sei die Rindfleischzerlegung nach der Entscheidung des BAG vom 09.02.1994 keine betriebsmittelarme Tätigkeit. Die Beklagte nutze die Betriebsmittel im Übrigen auch eigenwirtschaftlich, was schon aus dem Charakter des Werkvertrages hervorgehe (Stückzahlenvertrag); so gingen Produktionsausfälle allein zu Lasten der Beklagten. Ein neuer Betriebszweck werde nicht verfolgt.
Schließlich sei auf die Entscheidung des EuGH vom 15.12.2005 - C 232/04 - u. a. zu verweisen.
Der Kläger beantragt,
1. auf die Berufung, das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz - 12 Ca 501/05 - aufzuheben,
2. die Berufungsbeklagte zu verurteilen, die Klagepartei zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 01.03.1993 mit der Fa. ..., ... und der derzeitigen Vergütung von durchschnittlich 804,85 € netto wöchentlich ab dem 01.01.2005 zu beschäftigen,
3. hilfsweise festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klagepartei seit dem 01.01.2005 auf die Beklagte übergegangen ist und mit dieser zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.
Die Beklage beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach Ansicht der Beklagten halte das BAG in Kenntnis der Entscheidung des EuGH vom 20.11.2003 am Erfordernis der eigenwirtschaftlichen Nutzung gegebenenfalls übergegangener Betriebsmittel fest. Der Sachverhalt in der Abler-Entscheidung des EuGH unterscheide sich von dem vorliegenden Sachverhalt: Der dortige Betreiber hätte nämlich auch an Dritte geliefert.
Die hier verwendeten Betriebsmittel seien keine wesentlichen Betriebsmittel, sondern nur Hilfsmittel für den Transport. Die Beklagte könne über diese auch nicht anderweitig verfügen.
Die Bedienung des zum Betäuben der Rinder eingesetzten Bolzenschussgerätes bedürfe hoher Sachkunde. Auch bei den weiteren Tätigkeiten wie dem Entblutungsstich, der Eröffnung der Haut, dem Bruststich sowie der Schlachtung bedürfe es für die sach- und fachgerechte Durchführung besonderer Kenntnisse. Der zu bearbeitende Schlachtkörper befinde sich am laufenden Schlachtband in ständiger Bewegung. Dies und die dezidierten Vorgaben der 4. DVO zu Art, Ort und Umfang der Abtrennung der zu entfernenden Teile/Organe stellten höchste Anforderungen an die handwerklichen Fähigkeiten der Schlachter. Die zu verrichtenden Tätigkeiten bei der Schlachtung - nämlich das Abtrennen und Entfernen der einzelnen Teile - ließen nur äußerst geringen Raum für mechanische Hilfsmittel. Diese Arbeiten könnten nicht durch den Einsatz von Maschinen oder maschinellen Hilfsmitteln erledigt werden. Es sei ein eingespieltes, mit erheblichem know how ausgestattetes Schlachtteam erforderlich. Gearbeitet werde im Wesentlichen mit dem Messer. Dies gelte auch für die Zerlegung. Die übergegangenen Betriebsmittel gehörten nicht zu den identitätsstiftenden Merkmalen des übergangsfähigen Betriebes. Vorliegend handele es sich um eine bloße Auftragsnachfolge unter Ausnutzung arbeitgeberseitig zur Verfügung gestellter Räume und darin installierter Betriebsmittel.
Im Übrigen handele es sich bei den Bereichen Schlachtung und Zerlegung, die räumlich und organisatorisch getrennt seien, um verschiedene Teilbetriebe, die sich in den Arbeitsabläufen erheblich unterschieden. Gerade in dem Teilbetrieb Zerlegung komme es wesentlich auf die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Mitarbeiter an.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze bei den Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die gemäß § 64 ArbGG statthafte Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
II.
Die Berufung ist im Wesentlichen begründet. Denn die Klage ist mit dem Hauptantrag im Wesentlichen begründet. Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Fa. ... ist auf die Beklagte gemäß § 613 a Abs. 1 BGB übergegangen. Demgemäß hat der Kläger Anspruch auf (Weiter)Beschäftigung durch die Beklagte zu den Bedingungen des mit dem Betriebsvorgänger abgeschlossenen Arbeitsvertrages.
1. Vorliegend handelt es sich um einen Betriebsübergang im Sinne des § 613 a Abs. 1 BGB auf die Beklagte.
Ein Betriebsübergang liegt vor, wenn infolge eines Übergangs des Betriebes oder Betriebsteils durch Rechtsgeschäft die Person des Betriebsinhabers wechselt. Somit ist von einem Betriebsübergang im Sinne des § 613 a BGB dann zu sprechen, wenn ein neuer Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit und Wahrung ihrer Identität fortführt (vgl. BAG, Urteil vom 25.05.2000 - 8 AZR 416/99 - in EzA Nr. 190 zu § 613 a BGB = AP Nr. 209 zu § 613 a BGB). Wesentliches Kriterium für den Übergang ist die tatsächliche Weiterführung oder Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit beim Wechsel der (natürlichen oder juristischen) Person, die für den Betrieb verantwortlich ist. Auf die Eigentumslage kommt es dabei nicht an. Da § 613 a BGB nur den Übergang durch Rechtsgeschäft verlangt, bedarf es keiner unmittelbaren rechtsgeschäftlichen Vereinbarung zwischen dem bisherigen und dem neuen Betriebsinhaber. So bedarf es bei Auftragsübernahmen für einen rechtsgeschäftlichen Übergang keines Vertrages zwischen dem ehemaligen Auftragnehmer (hier der Fa. ...) und dem neuen Auftragnehmer (hier: der Beklagten; vgl. BAG, Urteil vom 11.12.1997 - 8 AZR 729/96 - in EzA Nr. 159 zu § 613 a BGB = AP Nr. 172 zu § 613 a BGB).
2. Übergehen muss ein "Betrieb" bzw. "Betriebsteil". In der Abgrenzung des Betriebsbegriffs im Sinne des § 613 a BGB zeigt sich insbesondere der europarechtliche Einfluss, hier durch die Richtlinie 77/187/EWG, die durch die Richtlinien 98/50/EG vom 29.06.1998 und 2001/23/EG vom 22.02.2001 geändert und fortgeschrieben wurde. Dem Zweck dieser Richtlinien ist durch eine eurparechtskonforme Auslegung des § 613 a BGB Geltung zu verschaffen (vgl. BAG, Beschluss vom 27.06.1995 - 1 ABR 62/94 - in EzA Nr. 31 zu § 111 BetrVG 1972 = AP Nr. 7 zu § 4 BetrVG 1972).
Der EuGH hatte stets darauf abgestellt, ob eine organisatorische wirtschaftliche Einheit unter Aufrechterhaltung ihrer Identität übergegangen sei. Für den Übergang eines Betriebes oder Betriebsteils hatte das BAG zunächst den Übergang sächlicher und immaterieller Betriebsmittel als allein maßgeblich angesehen und hierbei den Betriebsbegriff des BetrVG zugrunde gelegt.
Später sah das BAG in betriebsmittelarmen Unternehmen wie dem Reinigungs- oder Bewachungsgewerbe auch die Belegschaft als solche als für den Betriebsübergang maßgeblich an.
Unter dem Einfluss der weiteren EuGH-Rechtsprechung nahm das BAG dann an, für einen Betrieb im Sinne des § 613 a BGB sei erforderlich, dass eine "organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung" vorliege (vgl. u. a. BAG, Urteil vom 22.01.1998 - 8 AZR 775/96 - in EzA Nr. 162 zu § 613 a BGB = AP Nr. 174 zu § 613 a BGB). Die wirtschaftliche Einheit stellt dabei eine voll funktionsfähige arbeitstechnische Organisationseinheit dar, die im Falle des Betriebsübergangs im Wesentlichen unverändert fortzuführen ist.
3. Die bloße Fortführung der Tätigkeit ohne Betriebsmittel - oder Belegschaftsübernahme wird als Funktionsnachfolge bezeichnet und stellt keinen Betriebsübergang dar.
Dies gilt an sich auch für die reine Auftragsnachfolge. Jedoch wurde auch bei der Auftragsnachfolge ein Betriebsübergang dann angenommen, wenn sie mit der Übernahme der wesentlichen sächlichen Betriebsmittel oder der Hauptbelegschaft zur eigenwirtschaftlichen Nutzung verbunden war. Nach dieser Rechtsprechung war zu entscheiden, dass die überlassenen Betriebsmittel dem Übernehmer als Aktiva seines Betriebes zurechenbar sind. Dies kommt nur dann in Frage, wenn die Betriebsmittel zur eigenwirtschaftlichen Nutzung überlassen sind. Nur dann kann er aus ihrer Verwendung einen zusätzlichen wirtschaftlichen Vorteil ziehen (vgl. BAG, Urteil vom 11.12.1997 - 8 AZR 426/94 - in EzA Nr. 160 zu § 613 a BGB = AP Nr. 171 zu § 613 a BGB = NZA 98, 532).
Diese Auffassung kann jedoch nach der Entscheidung des EuGH vom 15.12.2005 (C 232, 233/04, in NZA 2006, 29 ff.) nicht mehr aufrechterhalten werden. Nach dieser Entscheidung kommt es auf eine eigenwirtschaftliche Nutzung nicht an. Denn dieses Merkmal wäre jederzeit durch entsprechende Gestaltung der vertraglichen Beziehungen beeinflussbar. Bei der Prüfung eines Betriebsübergangs ist eine Gesamtbewertung anzustellen. Der Übergang von Betriebsmitteln stellt nur einen Teilaspekt dieser Gesamtumstände dar. Die Bewertung hat die Art des betroffenen Unternehmens oder Betriebes zu berücksichtigen. Je nach der ausgeübten Tätigkeit und nach den Produktions- oder Betriebsmethoden, die in dem betreffenden Betrieb angewendet werden, kommt den maßgeblichen Kriterien unterschiedliches Gewicht zu.
4. Bezogen auf den vorliegenden Fall wären somit folgende für die Beurteilung eines Betriebsübergangs maßgeblichen Tatsachen zu berücksichtigen: Die Art des betreffenden Betriebes, der etwaige Übergang materieller Betriebsmittel und deren Bedeutung für die Fortführung des Betriebes, der Wert immaterieller Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, eine etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der Übergang der Kundschaft, der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten, die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeiten (vgl. auch EuGH, Urteil vom 20.11.2003 - C 340/01 - sog. Abler-Entscheidung).
Wesentlich ist im vorliegenden Fall, dass die Beklagte sich vertraglich verpflichtet hat, die in einem Schlachthof anfallenden Tätigkeiten im Schlachthof ... zu verrichten und damit die Fleischversorgung im Raum ... zu sichern. Ein Schlachthof ist heute ein durch eine Fülle von (u. a. Hygiene-)Vorschriften und insbesondere durch moderne technische Einrichtungen geprägter Betrieb. Jedes ausgebildete Personal kann nach Einweisung in die jeweiligen technischen Gegebenheiten Schlachthofleistungen vollbringen. Es kommt somit nicht wesentlich auf die menschliche Arbeitskraft und ein spezielles Know how, sondern auf das umfangreiche Inventar an. Nicht die Messer sind für den Ablauf des Betriebes entscheidend, sondern die Räumlichkeiten und die umfangreichen Transport-, Hebe- und Aufbewahrungseinrichtungen sowie die Vorrichtungen für die Standplätze der Arbeitnehmer. Ein moderner Schlachthof ist somit ein betriebsmittelintensiver Betrieb. Die Beklagte führt die Produktion im Schlachthof ... nahtlos in der Weise weiter, wie sie von der Fa. ... betrieben wurde. Die Tätigkeiten sind vergleichbar. Der arbeitstechnische Zweck wird weiter verfolgt (vgl. auch BAG, Urteil vom 09.02.1994 - 2 AZR 666/93 - in EzA Nr. 116 zu § 613 a BGB).
Auch wird die Organisation und Durchführung der übernommenen Tätigkeiten durch die Aufgabe selbst und die übernommenen Einrichtungen geprägt. Räumlichkeiten und insbesondere die technischen Einrichtungen, die die Betriebsmittel darstellen, geben die Organisation vor. Damit haben die hier übernommenen Einrichtungen einen identitätsstiftenden Charakter für den "Betrieb" des Auftragnehmers. Es kommt somit nicht darauf an, dass Personal nicht übernommen wurde.
Dies gilt auch dann, wenn man den Bereich Zerlegung des Schlachthofs ... als einen selbständigen Betriebsteil im Sinne des § 613 a Abs. 1 BGB betrachtet (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 09.02.1994, a. a. O.). Denn auch für diesen Bereich besteht das wesentliche Betriebssubstrat aus den Räumlichkeiten, den installierten Maschinen und Anlagen, den Sozial- und Hygieneräumen. Ein spezielles, gerade auf diesen Betrieb bezogenes Know how ist - wie bereits ausgeführt - nicht notwendig (vgl. auch BAG vom 09.02.1994, a. a. O.). Die von der Beklagten geschilderten Anforderungen und EU-einheitlichen Vorgaben sind Bestandteile der Fachkenntnisse einer Fachkraft Zerlegung, nicht jedoch Spezialkenntnisse, die gerade der Betrieb des Schlachthofs .. erfordere.
Die wesentlichen sächlichen Betriebsmittel, die auch zur Anlage des Schlachthofs ... gehören, sind das Kühlhaus, die fest montierte Bandsäge, die Transportanlagen, Schneidetische, Edelstahlband, Edelstahltische (Zerlegetische) mit Einsetzen aufgrund hygienerechtlicher Vorschriften, ein maschinellbetriebenes Kistenband mit Lichtschranke, Versandkühlhaus, computergestützte Waage.
Einem Betriebsübergang steht nicht entgegen, dass die Beklagte zusätzlich einzelne Gerätschaften (insbesondere Messer und Arbeitskleidung) sowie Maschinen eingebracht hat.
5. Da das Arbeitsverhältnis des Klägers somit auf die Beklagte übergegangen ist, steht dem Kläger ein Beschäftigungsanspruch gegen die Beklagte zu. Auf das bisherige durchschnittliche Nettowocheneinkommen war jedoch nicht abzustellen, da dieses maßgeblich mit beeinflusst wird durch die sich ändernden Faktoren der Lohnsteuer- und der Sozialversicherungsbeiträge. In diesem (geringen) Punkt war der Berufungsantrag zu reduzieren und die Berufung insoweit zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung für die erste Instanz beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, diejenige für die 2. Instanz auf § 92 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO.
IV.
Die Kammer hat die Revision für die Beklagte zugelassen, da die entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat (§ 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG). Auf die nachfolgende Rechtsmittelbelehrung wird Bezug genommen.
Ende der Entscheidung
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