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Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 22.04.2005
Aktenzeichen: 3 Sa 747/04
Rechtsgebiete: ArbZG, JazTV, ArbGG


Vorschriften:

ArbZG § 11 Abs. 3
ArbZG § 11 Abs. 3 Satz 2
ArbZG § 12 Nr. 2
JazTV § 2
JazTV § 4 Abs. 1
JazTV § 5 Abs. 2 Nr. 2 b
JazTV § 6
JazTV § 6 Abs. 3 Ziff. 4
JazTV § 6 Abs. 3 Nr. 4
ArbGG § 64 Abs. 2 b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Sächsisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes URTEIL

Az.: 3 Sa 747/04

Verkündet am 22.04.2005

In dem Rechtsstreit

hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 3 - durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzenden, die ehrenamtliche Richterin Frau ... und den ehrenamtlichen Richter Herrn ... auf die mündliche Verhandlung vom 22.04.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 26.03.2004 - 6 Ca 6956/03 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger für Arbeit an Wochenfeiertagen Ersatzruhetage zu gewähren.

Der am ...1944 geborene Kläger steht seit 13.09.1961 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern in einem Arbeitsverhältnis und wird als Triebfahrzeugführer im Wechseldienst beschäftigt.

Die Schichten verteilen sich auf alle Wochentage und sind unterschiedlich lang; sie bestehen in der Regel aus fünf Arbeitstagen, gelegentlich auch aus sechs Arbeitstagen in der Woche.

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Änderungsvertrag vom 11.02.1998 (Bl. 34/35 d. A.).

Der Kläger, Gewerkschaftsmitglied, erzielte zuletzt einen Stundenverdienst in Höhe von ca. € 20,00 brutto.

Für Arbeit an Feiertagen wurden dem Kläger jeweils 7,36 Stunden auf seinem Jahresarbeitszeitkonto gutgeschrieben. Erfolglos machte der Kläger bei der Beklagten geltend, ihm müssten Ersatzruhetage für Arbeit an Feiertagen in den Jahren 2001 bis 2003 in Form von Freizeit an Tagen gewährt werden, an denen er an sich zur Arbeit eingeteilt sei.

Mit vorliegender Klage verfolgt er derartige Ansprüche weiter. Er hat vorgetragen, an einem ohnehin dienstfreien Tag könne ihm kein Ersatzruhetag gegeben werden. Der Anspruch werde nur erfüllt durch Freistellung an Tagen, an denen der Kläger schichtplanmäßig Dienste zu leisten hätte. Der Anspruch ergäbe sich aus § 11 Abs. 3 ArbZG.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger fünf Ersatzruhetage für Wochenfeiertage, angefallen im Jahre 2001, sechs Ersatzruhetage für Wochenfeiertage, angefallen im Jahre 2002, zwei Ersatzruhetage, angefallen im Jahre 2003, im Jahr 2004 als Freizeit zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach Ansicht der Beklagten seien Ansprüche des Klägers längst erfüllt. Der Kläger sei jeweils zeitnah an einem Werktag, auch an einem Sonnabend, nicht zur Arbeit herangezogen worden. Das ArbZG gehe von einer Woche mit sechs Werktagen aus.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 26.03.2004 die Klage abgewiesen, dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt sowie den Streitwert auf € 1.913,70 festgesetzt.

Gegen dieses ihm am 27./30.08.2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 24.09.2004 beim Landesarbeitsgericht eingegangene und am 14.10.2004 ausgeführte Berufung des Klägers.

Dieser vertritt die Auffassung, die Praxis der Beklagten bedeute eine Ungleichbehandlung gegenüber "Normalarbeitnehmern", die an Feiertagen nicht arbeiten müssten. Es seien zur Sicherstellung der Gleichbehandlung gerade die "§§ 6 und 6 Abs. 3 Ziff. 4" des Tarifvertrages zur Regelung einer Jahresarbeitszeit für die Arbeitnehmer der ... AG (JazTV) geschaffen worden. Zwar lasse sich dem § 6 Abs. 3 Ziff. 4 JazTV nicht direkt entnehmen, an welchem Tag der Ersatzruhetag zu gewähren sei. Aus der Tarifhistorie ergäbe sich jedoch, dass es sich um einen Tag handeln müsse, an dem der Arbeitnehmer ansonsten hätte arbeiten müssen. Der JazTV sehe die Fünf-Tage-Woche vor. Deshalb könne der Sonnabend nicht als Ersatzruhetag genutzt werden.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig - 6 Ca 6956/03 - vom 26.03.2004 abzuändern,

2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 13 Ersatzruhetage als bezahlte Freizeit an nicht dienstfreien Tagen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach Ansicht der Beklagten gäbe es die Vorschrift des § 6 Abs. 3 Nr. 4 JazTV ebenso wie diejenige des § 11 Abs. 3 Satz 2 ArbZG aus Arbeitsschutzgründen, nicht aus Gründen der Gleichbehandlung von Arbeitnehmern im Schichtdienst und im Normaldienst bei der Anrechnung von Arbeitszeit. Eine unzulässige Ungleichbehandung läge nicht vor.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze bei den Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b ArbGG nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung ist unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu.

1. Der Klageantrag wäre in seiner ursprünglichen Fassung bei enger Auslegung mangels Bestimmtheit unzulässig gewesen. Streitpunkt zwischen den Parteien ist auch und gerade, welchen Charakter und Inhalt der "Ersatzruhetag" hat, ob es sich hierbei nur um Tage handeln könnte, an welchem dem Kläger schichtplanmäßig Arbeit zugewiesen wäre oder ob als "Ersatzruhetage" auch an sich arbeitsfreie Tage in Frage kämen.

Der Mangel wurde in der Berufungsverhandlung durch Klarstellung und Präzisierung bereinigt, wobei der Kläger auf Vortrag bereits aus erster Instanz Bezug nehmen konnte. Es handelt sich deshalb auch nicht um eine Klageänderung.

2. In Frage kommt (lediglich) ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung der Pflicht des Arbeitgebers zur Gewährung von Ersatzruhetagen. Dieser kann sich im Hinblick auf den Grundsatz der Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) wiederum auf die Gewährung von Ersatzruhetagen richten. Gemäß § 11 Abs. 3 AZG hat der Arbeitnehmer, der an einem auf einen Werktag fallenden Feiertag beschäftigt wird, Anspruch auf einen Ersatzruhetag, welcher innerhalb eines den Beschäftigungstag einschließenden Zeitraums von acht Wochen zu gewähren ist.

Darüber hinaus bestimmt § 6 Abs. 3 Nr. 4 des auf das Arbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Tarifbindung anwendbaren Tarifvertrages zur Regelung einer Jahresarbeitszeit für die Arbeitnehmer der ... AG (JazTV) Folgendes:

"Der Arbeitnehmer, der an einem auf einen Werktag fallenden gesetzlichen Feiertag (Wochenfeiertag) zur Arbeitsleistung herangezogen wird, erhält grundsätzlich innerhalb des Jahresabrechnungszeitraums (§ 2) einen Ersatzruhetag, für Arbeit an einem in das letzte Quartal eines Jahresabrechnungszeitraums (§ 2) fallenden Wochenfeiertag ist der Ersatzruhetag spätestens innerhalb der diesem Zeitraum folgenden drei Kalendermonate zu gewähren."

Diese Tarifvorschrift nutzt die Öffnungsklausel des § 12 Nr. 2 ArbZG zur Verlängerung des in § 11 Abs. 3 ArbZG bestimmten Ausgleichszeitraums. Soweit der tariflich verlängerte Ausgleichszeitraum, der Jahresabrechnungszeitraum des § 2 JazTV, nur "grundsätzlich" einzuhalten ist, bezieht sich dies auf etwaige tarifliche Ausnahmen. Weitere Abweichungen von § 11 Abs. 3 ArbZG enthält der Tarifvertrag nicht.

Der Ausgleichszeitraum für die vom Kläger im Rahmen des Streitgegenstandes aufgelisteten Feiertagsarbeitstage in den Jahren 2002 und 2003 ist längst verstrichen. Somit kann es nicht mehr um einen Erfüllungsanspruch gehen.

3. Auch ein auf (bezahlte) Freizeit im Umfang der vom Kläger behaupteten ausgefallenen bezahlten Ersatzruhetage gerichteter Schadensersatzanspruch besteht nicht. Denn dem Kläger stand kein (Erfüllungs-)Anspruch auf weitergehende (bezahlte) Ersatzruhetage zu.

§ 11 Abs. 3 ArbZG dient in erster Linie dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer aus öffentlichem Interesse. Die Vorschrift stellte sicher, dass innerhalb der relevanten Ausgleichszeiträume die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit des ArbZG auf 48 Stunden begrenzt ist. Der Arbeitnehmer soll mindestens einen Ruhetag pro Sieben-Tages-Zeitraum haben. Somit kann, da das ArbZG von der Sechs-Tage-Woche ausgeht, als Ersatzruhetag jeder Werktag, also auch ein ohnehin arbeitsfreier Sonnabend, als Ersatzruhetag in Betracht kommen; eine bezahlte Freistellung an einem Beschäftigungstag kann dann nicht verlangt werden (vgl. auch BAG, Urteil vom 12.12.2001 - 5 AZR 294/00 - in NZA 02, 505 ff = DB 02, 1111; Neumann/Biebl, AZG, 14. Auflage, § 11 Rz. 8; Baeck/Deutsch, AZG, 2. Auflage, § 11 Rz. 18).

Ausgehend von diesem Hauptzweck des § 11 Abs. 3 ArbZG, nämlich die Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen, kann deshalb auch nicht gesagt werden, das Gesetz bewerte die Feiertagsarbeit generell als "doppelt wertvoll", sodass gleichsam eine doppelte Verrechnung notwendig wäre. Das Gesetz will vielmehr auch für den Schichtarbeiter, der an Wochenfeiertagen arbeitet, das gesetzliche Minimum an arbeitsfreien Tagen sicherstellen. Auf die betriebsüblichen freien Arbeitstage pro Woche (bei einer Fünf-Tage-Woche) käme es somit nicht an. Überdies ist trotz der hier tariflich vorgesehenen regelmäßigen Fünf-Tage-Woche bei Schichtarbeitnehmern ein Arbeitsrhythmus von sechs Arbeitstagen in der Woche möglich und wird auch durchgeführt.

4. Dem kann nicht mit dem Hinweis auf den Gleichbehandlungsgrundsatz (dem auch § 11 Abs. 3 ArbZG nachrangig dient) begegnet werden. Das arbeitsschutzrechtliche Gleichbehandlungsgebot wird auch dann erfüllt, wenn der Ersatzruhetag auf einen an sich arbeitsfreien Sonnabend gelegt wird. Denn § 11 Abs. 3 ArbZG will den an Wochenfeiertagen arbeitenden Arbeitnehmern - wie ausgeführt - lediglich die nach dem ArbZG allein zulässige SechsTage-Arbeitswoche sichern, wie sie auch anderen Arbeitnehmern zukommt. Darüber hinaus ist der Ausgangssachverhalt jeweils unterschiedlich. Aufgrund des ArbZG und des JazTV bestehen nämlich unterschiedliche Freizeit- und Vergütungsregelungen, die mit den jeweiligen Sachverhalten sachgerecht verknüpft sind. Der Arbeitnehmer, der an einem Feiertag nicht arbeitet, erhält die gesetzliche Feiertagsvergütung (§ 2 EFZG). Der Arbeitnehmer der Beklagten jedoch, der Feiertagsarbeit erbringt, hat Anspruch auf Lohn, Anspruch auf einen Ersatzruhetag, Anspruch auf einen Zuschlag für Feiertagsarbeit und schließlich, gemäß den §§ 4 Abs. 1 und 5 Abs. 2 Nr. 2 b JazTV, Anspruch auf eine doppelte Anrechnung auf die Jahresarbeitszeit-Sollstunden (zu einem Vergleich der unterschiedlichen Sachverhalte siehe auch LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.12.2001 - 9 Sa 1037/01 -). Für die an Wochenfeiertagen arbeitenden Schichtarbeitnehmer ist somit ein mehr als genügender Ausgleich geschaffen (der Ansatz von Ulber, AIB 99, S. 181 ff. ist deshalb unrichtig; eine allein auf das Arbeitszeitrecht bezogene Gleichstellung ist vom Gesetz nicht verlangt).

III.

Da die Berufung erfolglos blieb, trägt der Kläger als Berufungsführer die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens, § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Die Kammer hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision für den unterlegenen Kläger zugelassen. Auf die nachfolgende Rechtsmittelbelehrung wird Bezug genommen.

Ende der Entscheidung

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