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Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 22.07.2005
Aktenzeichen: 3 Sa 856/04
Rechtsgebiete: BAT-O, BRKG, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

BAT-O § 42
BAT-O § 42 Abs. 1 d
BAT-O § 42 Abs. 3
BAT-O § 70
BRKG § 1
BRKG § 2
BRKG § 2 Abs. 1
BRKG § 2 Abs. 3
BRKG § 3
BRKG § 3 Abs. 2
BRKG § 3 Abs. 5
BRKG § 4
BRKG § 5
ArbGG § 64 Abs. 2 a
ArbGG § 66
ZPO § 222
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Sächsisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes URTEIL

3 Sa 856/04

Verkündet am 22. Juli 2005

In dem Rechtsstreit

hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 3 - durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Herrn ... und Herrn ... auf die mündliche Verhandlung vom 22.07.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 16.09.2004 - 8 Ca 2013/04 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage, ob dem Kläger ein Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten anlässlich der Teilnahme an einer Weiterbildungsveranstaltung zusteht.

Der 1949 geborene Kläger ist aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 14.01.1995 (Bl. 6/7 d. A.) seit 16.01.1995 bei der Beklagten als Erzieher tätig. Ort seiner Arbeit ist regelmäßig der Sitz der Beklagten in der ... in ...

Gemäß § 2 des Arbeitsvertrages sind verschiedene Vorschriften des BAT-O, u. a. dessen § 42 Bestandteile des Arbeitsvertrages.

Mit der Organisationsanweisung Nr. 10 vom 07.07.1993 hat die Beklagte eine Dienstreiseordnung eingeführt (Bl. 11 bis 14 d. A.), in deren Ziffer 1 "für Dienstreisen und Dienstgänge" die entsprechende Anwendung des Bundesreisekostengesetzes (BRKG) in der jeweiligen Fassung geregelt ist "soweit die nachfolgenden Richtlinien keine abweichenden Regelungen gemäß § 42 Abs. 3 BAT-O vorsehen".

Am 08.12.2003 wurde dem Kläger angewiesen, am 12. und 13.12.2003 an einer "Veranstaltung zur Teamentwicklung" in ..., ... teilzunehmen. Diese Veranstaltung wurde näher als "Weiterbildungsmaßnahme zum Programm der Abteilung WF, um die Mitarbeiter, in neuer Zusammensetzung ihres Teams, optimal auf die bevorstehenden Arbeitsaufgaben vorzubereiten" bezeichnet (Bl. 8 d. A.). In dem vom Betriebsrat genehmigten Fortbildungsplan ist u. a. vermerkt "Arbeitsortverlagerung, keine Erstattung von Nebenkosten".

Der Kläger, dessen normaler Dienst um 14:00 Uhr beginnt, nahm - beginnend um 08:00 Uhr - an dieser Veranstaltung teil. Ihm war gestattet worden, vom Wohnsitz direkt zur Tagungsstätte zu fahren. Er benutzte die Straßenbahn, wodurch ihm Fahrtkosten in Höhe von 6,40 € entstanden. Diese machte er mit Schreiben vom 15.12.2003 (Bl. 9/10 d. A.) - vergeblich - geltend.

Mit am 13.04.2004 bei Gericht eingegangener Klage verfolgte der Kläger diesen Anspruch weiter. Er hat ausgeführt, es habe sich um eine vom Arbeitgeber angeordnete Ausbildungsreise gehandelt. Er sei Dienstreisender i. S. des § 3 BRKG gewesen. Der Weg zur Tagungsstätte sei um 4,1 km länger gewesen als derjenige zur Arbeitsstätte.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6,40 € nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit 16.01. 2004 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach Ansicht der Beklagten habe sich es weder um eine Dienstreise noch um einen Dienstgang gehandelt. Es hätte kein Dienstgeschäft, sondern eine Weiterbildungsmaßnahme vorgelegen. Im Übrigen sehe der Tarifvertrag für die Aus- und Fortbildung im gleichen Ort keine Erstattungsfähigkeit vor. Denn eine Erstattung könne nur für "Reisen" verlangt werden. Die Weiterbildungsstätte liege für den Kläger nur 800 m weiter entfernt als die Arbeitsstätte. Im Übrigen habe der Kläger willkürlich ein öffentliches Verkehrsmittel benutzt. Er hätte - wie sonst auch - das Fahrrad benutzen können.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 16.09.2004 der Klage stattgegeben, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, den Streitwert auf 6,40 € festgesetzt sowie die Berufung zugelassen.

Es hat in den Entscheidungsgründen, auf welche im Übrigen Bezug genommen wird (Bl. 42 bis 44 d. A.), u. a. ausgeführt, der Erstattungsanspruch ergäbe sich aus § 42 Abs. 3 BAT-O sowie aus der Organisationsanweisung Nr. 10 i. V. m. dem BRKG. Die Weiterbildung habe ausschließlich im dienstlichen Interesse gelegen. Eine etwaige Betriebsvereinbarung hätte nicht zu Lasten des Arbeitnehmers eingreifen können.

Gegen dieses ihr am 04.10.2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 04.11.2004 beim Landesarbeitsgericht eingegangene und am 06.12.2004 ausgeführte Berufung der Beklagten.

Diese trägt nun vor, das Arbeitsgericht habe offen gelassen, ob es eine "Dienstreise" oder einen "Dienstgang" annähme. Die Teilnahme an einer Weiterbildung sei keine Erledigung eines Dienstgeschäfts. Sonst hätten die Tarifvertragsparteien in § 42 Abs. 1 d BAT-O keine separate Anspruchsgrundlage für Auslagen wegen Aus- und Fortbildungsreisen geschaffen. Dort sei auch nur von "Reisen", d. h. außerhalb des Dienstortes die Rede. Dienstort sei jedoch .... Die Weiterbildung hätte auch in der Betriebsstätte stattfinden können, hätte jedoch aus dem normalen Dienstbetrieb herausgenommen werden sollen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Dresden vom 16.09.2004 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger entgegnet, eine Fortbildungsmaßnahme sei dann ein "Dienstgeschäft", wenn sie allein im Interesse des Arbeitgebers läge und von ihm angeordnet worden sei. Hier habe die Fortbildung allein dem Interesse des Arbeitgebers gedient, wie er selbst in der Dienstanweisung vom 08.12.2003 dargelegt habe. Im Übrigen läge eine dienstliche Anordnung vor. Somit habe es sich um einen "Dienstgang" gehandelt. Die Fahrtkostenerstattung folge deshalb aus den §§ 1, 2, 4, 5 BRKG.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze bei den Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist, da vom Arbeitsgericht zugelassen, gemäß § 64 Abs. 2 a ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Der letzte Tag der Begründungsfrist, der 04.12.2004, fiel auf einen Sonnabend, so dass die am darauf folgenden Montag eingegangene Begründungsschrift die Frist des § 66 ArbGG gemäß § 222 ZPO wahrte.

II.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass dem Kläger ein Anspruch auf Fahrtkostenerstattung in der begehrten Höhe zusteht.

Der Anspruch folgt aus § 3 BRKG i. V. m. §§ 2 des Arbeitsvertrages vom 14.01.1995, 42 Abs. 3 BAT-O.

1. Über § 2 des Arbeitsvertrages findet § 42 BAT-O Anwendung. Dessen Abs. 3 verweist für Betriebe in privater Rechtsform, um einen solchen handelt es sich hier bei der Beklagten, auf "eigene Grundsätze". Solche sind vorliegend in der Dienstreiseordnung der Beklagten enthalten.

2. Ziffer 1 der Dienstreiseordnung (Organisationsanweisung Nr. 10 vom 07.07. 1993) verweist für Dienstreisen und -gänge auf das BRKG.

3. § 3 BRKG gewährt einen Anspruch auf Reisekostenvergütung für "Dienstreisende".

Dienstreisende sind gemäß § 2 Abs. 1 BRKG Personen, die eine Dienstreise oder einen Dienstgang ausführen. Ein Dienstgang liegt gemäß § 2 Abs. 3 BRKG vor, wenn es sich um Bewegungen ("Gänge oder Fahrten") am Dienst- oder Wohnort zur Erledigung von Dienstgeschäften außerhalb der Dienststätte handelt, sofern sie angeordnet oder genehmigt waren.

Gemäß § 3 BRKG werden dienstlich veranlasste Mehraufwendungen abgegolten. Diese müssen "zur Erledigung des Dienstgeschäfts notwendig" gewesen sein. Im Einzelnen umfasst die Reisekostenvergütung sodann gemäß § 4 BRKG u. a. eine Fahrtkostenerstattung, deren Einzelheiten in § 5 BRKG geregelt sind.

4. Vorliegend handelte es sich um einen Dienstgang. Denn es lag ein Dienstgeschäft i. S. des § 2 Abs. 3 BRKG vor. Dienstgeschäfte sind dienstliche Veranstaltungen auf Weisung des Arbeitgebers, die ausschließlich in dessen Interesse liegen. Dazu gehören auch Arbeitseinweisungen und in diesem Sinne auch Vorbereitungen für eine bestimmte Tätigkeit.

Die von der Beklagten als "Weiterbildungsmaßnahme" bezeichnete Veranstaltung am 12. und 13.12.2003 erfüllte diese Voraussetzungen, wie sich aus dem Inhalt der Anweisung vom 08.12.2003 ergibt. Die Beklagte bezeichnet dort die Veranstaltung als Teil des "Programms der Abteilung WF" und als Vorbereitung auf die bevorstehenden Arbeitsaufgaben. Die Veranstaltung liegt deshalb im ausschließlichen Interesse der Beklagten. Es ist ohne Bedeutung, dass daneben der Arbeitnehmer - wie regelmäßig bei jeder Arbeitseinweisung und Arbeitsvorbereitung - eine Zunahme eigenen Wissens und Könnens erfährt. Entscheidend ist, dass die "Weiterbildungsmaßnahme" notwendiger Teil der Einarbeitung bzw. Vorbereitung auf eine dienstliche Tätigkeit ist.

5. Die Veranstaltung fand auch "außerhalb der Dienststätte" statt. "Dienststätte" ist die kleinste organisatorisch abgrenzbare Verwaltungseinheit innerhalb einer Dienststelle, bei der der Dienstreisende regelmäßig seine Arbeit zu leisten hat. Der Ort der Veranstaltung am 12. und 13.12.2003 befand sich außerhalb der "Dienststätte" in der ..., in welcher der Kläger regelmäßig seine Arbeit zu leisten hatte.

6. Dem Kläger sind die Straßenbahnkosten zu erstatten. Hierbei handelt es sich um notwendige Aufwendungen i. S. des § 3 Abs. 2 BRKG. § 5 BRKG geht von den Kosten öffentlicher Verkehrsmittel aus. Der Arbeitnehmer ist keineswegs darauf verwiesen, für den Arbeitgeber kostenfrei mit dem Fahrrad zu fahren, auch wenn er dieses Verkehrsmittel ansonsten für die Anfahrten zu seiner Arbeitsstelle benutzt. Im Übrigen genügt ein Blick auf den Straßenplan der Stadt ..., dass sich die Stätte der Veranstaltung am 12. und 13.12.2003 nicht lediglich 800 m weit von der Arbeitsstätte entfernt (Straßenentfernung, nicht Luftlinie!) befindet. Hierauf käme es aber auch nicht an.

7. Die Ausschlussfrist des § 70 BAT-O ist ebenso eingehalten wie diejenige des § 3 Abs. 5 BRKG.

III.

Da die Berufung erfolglos blieb, trägt die Beklagte als Berufungsführerin die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).

IV.

Gegen diese Entscheidung gibt es kein Rechtsmittel. Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst. Grundsätzliche Rechtsfragen waren nicht zu klären.

Ende der Entscheidung

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