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Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 15.02.2006
Aktenzeichen: 3 Ta 291/05
Rechtsgebiete: ArbGG, GVG, ZPO, PGH-VO
Vorschriften:
ArbGG § 2 | |
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 a | |
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 4 a | |
ArbGG § 2 Abs. 3 | |
ArbGG § 48 Abs. 1 | |
ArbGG § 78 Satz 1 | |
ArbGG § 78 Satz 3 | |
GVG § 17 a Abs. 4 Satz 3 | |
ZPO § 263 | |
ZPO § 569 Abs. 1 | |
PGH-VO § 5 Abs. 2 Satz 2 |
Sächsisches Landesarbeitsgericht BESCHLUSS
In dem Rechtsstreit
hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - 3. Kammer - durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzenden ohne mündliche Verhandlung am 15.02.2006 beschlossen:
Tenor:
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bautzen - Außenkammern Görlitz - vom 18.08.2005 - 9 Ca 9174/05 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten richtet sich gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 18.08.2005, mit welchem der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erklärt worden ist.
Die Beklagte ist aus der PGH ... entstanden. In dieser PGH war die Klägerin Mitglied. Seit Umwandlung in eine GmbH (Beurkundung des Gesellschaftsvertrages am 25.03.1991) ist die Klägerin bei dieser, der Beklagten, im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses tätig und übt die Funktion einer ersten Sekretärin des Geschäftsführers aus. Gesellschafterin der Beklagten wurde die Klägerin nicht. In einer an die Klägerin gerichteten "Mitteilung über die Höhe ihres Darlehensanteils" vom 03.06.1992 führte die Beklagte aus, die "PGH-Mitglieder" hätten in der Mitgliederversammlung vom 30.10.1990 "bestätigt", dass sie ihren Anteil am unteilbaren Fonds der zu gründenden PGH als Darlehen zur Verfügung stellen, unabhängig davon, ob sie Gesellschafter oder Arbeitnehmer werden. Dieses Darlehen sei mit jährlich 4 % zu verzinsen. Die Darlehenssumme wurde mit DM 2.642,82 angegeben (Bl. 19 d. A.).
Mit Schreiben vom 28.06.2004 (Bl. 5 d. A.) betonte die Klägerin, diese Mitteilung sei falsch, ein Darlehensvertrag sei nicht zustande gekommen. Mit Erklärung der Klägerin, nicht in die neue Gesellschafterform einzutreten, sei ein Anspruch auf Auszahlung des Anteils entstanden. Jedoch habe die Klägerin die Verwendung des Geldes durch die Beklagte mit Verzinsung bis auf Widerruf geduldet. Die Klägerin bat um Auszahlung bis 20.08.2004.
Nachdem es nicht zur Auszahlung gekommen war, erhob die Klägerin mit am 04.05.2004 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Klage auf Zahlung des Anteils nebst rückständigen Zinsen.
Mit am 30.06.2005 eingegangenem Schriftsatz erweiterte die Klägerin die Klage um einen gegen eine zur Personalakte genommene Abmahnung gerichteten Antrag.
Die Beklagte hat die Unzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen gerügt.
2. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 18.08.2005 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erklärt und in den Gründen ausgeführt, die Rechtswegzuständigkeit ergäbe sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG. Der Streit um den Anteil am unteilbaren Fonds der umgewandelten PGH stünde mit dem Arbeitsverhältnis in einem rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang, denn die Überlassung des Geldbetrages zur Verwahrung (so die rechtliche Würdigung der Klägerin) oder die Gewährung des Betrages als Darlehen (so die Würdigung durch die Beklagte) wäre nicht erfolgt, wenn die Parteien ein Arbeitsverhältnis nicht begründet hätten. Ein Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis bestünde auch deshalb, weil in der Mitteilung vom 03.06.1992 die Fälligkeit zur Auszahlung mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestimmt wurde.
3. Gegen diesen der Beklagten am 31.08.2005 zugestellten Beschluss richtet sich die am 14.09.2005 beim Arbeitsgericht eingegangene sofortige Beschwerde der Beklagten, die nunmehr ausführt, die im Zusammenhang mit der Umwandlung der PGH getroffenen Regelungen über die Auszahlung der Anteile seien Ausfluss der ehemaligen Mitgliedschaft in der PGH.
Die Klägerin tritt der Beschwerde entgegen.
4. Die Beschwerde ist gemäß den §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der Beschwerdefrist gemäß den §§ 78 Satz 1 ArbGG, 569 Abs. 1 ZPO eingelegt.
5. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
Die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen ergibt sich für den Streit um den Anteil der Klägerin am unteilbaren Fonds der umgewandelten PGH sowohl aus § 2 Abs. 1 Nr. 4 a ArbGG (das Arbeitsgericht nennt hier wohl versehentlich die Nr. 3 a).
a) Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 a ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen auch zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.
Vorliegend streiten die Parteien um einen Zahlungsanspruch der Klägerin, der sich vordergründig zunächst als Anspruch auf Auszahlung des Anteils am unteilbaren Fonds einer umgewandelten PGH (§ 5 Abs. 2 Satz 2 PGH-VO) zeigt. Für einen derartigen Anspruch wäre der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht aus § 2 ArbGG herzuleiten.
Allerdings haben die Parteien eine Vereinbarung dahin getroffen, dass der Anteil nicht etwa mit Umwandlung der PGH, wie erforderlich, auszuzahlen wäre, sondern der in die Beklagte umgewandelten PGH zunächst verbleibt. Dass die Parteien diese Vereinbarung unterschiedlich rechtlich werten, ist hier für die Rechtswegfrage ohne Belang. Denn in jedem Falle ist ein neues Rechtsverhältnis entstanden, aus welchem der Zahlungsanspruch nunmehr resultiert und welches mit dem Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 a ArbGG steht.
Ursprünglich stand der Klägerin ein Zahlungsanspruch gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 PGH-VO zu. Denn die Klägerin war zur Zeit der Umwandlung PGH-Mitglied, hatte aber zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht als Gesellschafterin in die neue GmbH eintreten wolle (vgl. auch OLG Dresden, Urteil vom 14.04.1993 - 5 U 69/93 - in NJ 93, 560 ff). Auch von einer Fälligkeit war auszugehen, wiewohl diese von der Tilgung der in der Abschlussbilanz ausgewiesenen Verbindlichkeiten abhängt.
Nachdem nun die Parteien, ob im Wege eines Darlehensvertrages oder etwa eines Vertrages sui generis (§§ 241 Abs. 1, 311 Abs. 1 BGB; ein Verwahrungsvertrag nach den §§ 688 ff BGB dürfte nicht in Betracht kommen), vereinbart hatten, dass der Anteil der Klägerin zunächst im Unternehmen verbleibe, beruht der Zahlungsanspruch der Klägerin auf dieser neuen Vereinbarung, mittels derer die Klägerin über ihren Anteil verfügt hatte. Nicht in Betracht kommt dagegen eine bloße Verlängerung des Fälligkeitszeitpunkts, zumal ein solcher nicht bestimmt war.
Dieser so bestimmte Zahlungsanspruch steht mit dem Arbeitsverhältnis in unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang. Ein solcher liegt vor, wenn ein Anspruch zwar nicht aus dem Arbeitsverhältnis resultiert, aber doch nur im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis bestehen kann. Der Zusammenhang muss der Art sein, dass das Rechtsverhältnis, aus dem die Streitigkeit folgt, ohne das Arbeitsverhältnis nicht zustande gekommen wäre (vgl. auch Schwab/Weth/Walker, ArbGG, § 2 Rz. 131 m. w. N.). Typischerweise gehören hierzu Streitigkeiten über ein Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerdarlehen. Es ist hier davon auszugehen, dass die Klägerin ihren Anteil am unteilbaren Fonds nur im Hinblick auf ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten dieser zeitweise überlassen hat.
b) Wollte man eine Rechtswegzuständigkeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 a ArbGG ablehnen, könnte vorliegend die Zuständigkeit nach § 2 Abs. 3 ArbGG gegeben sein.
Diese Vorschrift erstreckt die Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte auf Streitigkeiten, die nicht in den Katalog der Absätze 1 und 2 fallen, für welche somit an sich die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gegeben wäre. Diese können dann vor das Arbeitsgericht gebracht werden, wenn sie mit einer anhängigen Streitigkeit im Sinne der Absätze 1 oder 2 in einem rechtlichen oder unmittelbar wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, und wenn sie nicht in eine andere ausschließliche Rechtswegzuständigkeit fallen. Die Rechtswegzuständigkeit für die Zusammenhangsklage wird auch dann (nachträglich) begründet, wenn die Hauptklage später anhängig gemacht wird; der ursprüngliche Mangel der Unzuständigkeit wird dadurch geheilt (vgl. LAG Düsseldorf, Beschluss vom 28.11.1991 - 7 Ta 321/91 - in LAGE Nr. 10 zu § 2 ArbGG 1979; Germelmann/Matthes, ArbGG, 5. Auflage, § 2 Rz. 122; Schwab/Weth/Walker, ArbGG, § 2 Rz. 184). Zwar steht diese Ansicht dem Wortlaut des § 2 Abs. 3 ArbGG entgegen. Es wird jedoch allgemein davon ausgegangen, dass es sachwidrig wäre, wenn in den genannten Fällen der Kläger erst die Zusammenhangsklage zurücknehmen müsste, sie anschließend aber sofort wieder - mit der Folge des Zusammenhangs - erheben könnte.
Die Hauptklage bestünde hier in dem gegen die Abmahnung vom 17.05.2005 gerichteten Antrag.
Die nachträgliche Klageerweiterung, wie vorliegend, stellt allerdings eine Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO dar. Die dort beschriebenen Voraussetzungen einer Klageänderung werden durch § 2 Abs. 3 ArbGG nicht ersetzt. Da die Beklagte in die Klageänderung nicht eingewilligt hat, müsste Sachdienlichkeit vorliegen. Die Lösung dieser Frage kann hier jedoch offen bleiben.
6. Die Entscheidung ergeht gemäß § 78 Satz 3 ArbGG ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
8. Diese Entscheidung ist unanfechtbar. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand keine Veranlassung.
Ende der Entscheidung
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