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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 12.10.2001
Aktenzeichen: 3 TaBV 22/01
Rechtsgebiete: ArbGG, BetrVG


Vorschriften:

ArbGG § 98
BetrVG § 76 Abs. 2
1) Ist die Einigungsstelle, um deren Besetzung gem. § 76 Abs.23.2 und 3 BetrVG die Betriebsparteien streiten, nicht offensichtlich unzuständig, so ist für einen "Widerantrag", der die Besetzung für eine Einigungsstelle mit erweiterter Thematik anstrebt, kein Raum; das Verfahren nach § 98 ArbGG dient nicht der Frage, mit welchen Angelegenheiten sich die Einigungstelle sinnvollerweise noch befassen soll.

2) Vor Anrufung der Einigungsstelle muss eine gütliche Einigung versucht worden sein.

Es ist im Rahmen der Prüfung nach § 98 Abs. 1 Satz 1 ArbGG nicht zu beanstanden, wenn der Arbeitgeber den Einigungsversuch für gescheitert hält, weil der Betriebsrat den einen Änderungsvorschlag des Arbeitgebers abgelehnt hat und an der bisherigen Regelung festhalten will.


Sächsisches Landesarbeitsgericht BESCHLUSS

3 TaBV 22/01

Chemnitz, den 12.10.2001

hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - 3. Kammer - nach Anhörung der Beteiligten in der Sitzung am 12.10.2001 durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Howald als Vorsitzenden, die ehrenamtliche Richterin Frau Fritsch und den ehrenamtlichen Richter Herrn Schmiedgen beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners (Betriebsrat) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dresden vom 02.08.2001 - 12 BV 48/01 - sowie der Hilfsantrag des Antragsgegners werden zurückgewiesen.

Gründe:

1.

Die Antragstellerin beschäftigt 42 Arbeitnehmer und beabsichtigt, von einem durch Betriebsvereinbarung geregelten Drei-Schicht-Betrieb auf einen Zwei-Schicht-Betrieb überzugehen. Sie hat deshalb die bisherige Betriebsvereinbarung gekündigt und dem Antragsgegner, dem bei ihr gebildeten Betriebsrat, den Entwurf einer "Betriebsvereinbarung 03/2001" (Bl. 4/5 d. A.) am 01.06.2001 vorgelegt und erläutert. Der Antragsgegner, der bei der Antragstellerin gebildete Betriebsrat, hat diesen Entwurf abgelehnt und am 26.06.2001 erklärt, es solle nach der bisherigen - gekündigten - Betriebsvereinbarung weiter verfahren werden.

Mit Schreiben vom 10.07.2001 (Bl. 6 d. A.) vertrat die Antragstellerin die Ansicht, die innerbetrieblichen Verhandlungen seien endgültig gescheitert. Sie rief deshalb die Einigungsstelle an und schlug eine Besetzung mit je zwei Beisitzern sowie mit der Richterin am Arbeitsgericht, Frau, als Vorsitzende vor.

Der Antragsgegner erklärte sich mit Schreiben vom 16.07.2001 (Bl. 7 d. A.) mit der Bildung der Einigungsstelle zu dem von der Antragstellerin genannten Betreff "Betriebsvereinbarung Schichtenplanung und Freischichtenregelung" einverstanden, schlug jedoch für jede Seite drei Beisitzer und als Vorsitzenden Herrn Vorsitzender Richter am vor.

2.

Die Antragstellerin hat mit am 20.07.2001 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz die Auffassung vertreten, in Anbetracht der geringen Zahl der Belegschaftsmitglieder sei die Besetzung mit je zwei Beisitzern ausreichend und entspräche der Regelbesetzung, Frau sei als Vorsitzende benannt worden, da sie unparteiisch sei und bereits in einem Einigungsstellenverfahren tätig gewesen sei.

Die Antragstellerin hat beantragt,

1. die Richterin am Arbeitsgericht Senftenberg, Frau zur Vorsitzenden einer Einigungsstelle zu bestellen,

2. die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer auf zwei festzusetzen.

Der Antragsgegner hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen,

hilfsweise,

als Vorsitzenden der Einigungsstelle Herrn Vorsitzenden Richter am einzusetzen und die Zahl der Beisitzer auf je drei festzulegen.

Der Antragsgegner hat eingewandt, über die beabsichtigte Abschaffung der dritten Schicht hätte es keine Beratung zwischen den Beteiligten gegeben, diese stelle eine Betriebsänderung dar.

Zwar bestünden keine Bedenken gegen die von der Antragstellerin vorgeschlagene Vorsitzende. Jedoch habe die IG Metall Verwaltungsstelle, mit Herrn bisher gute Erfahrungen gemacht. Wegen der Komplexität der zu regelnden Materie sei auch die Anzahl der Beisitzer auf je drei festzulegen.

3.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 01.08.2001 nach den Anträgen der Antragstellerin erkannt und zur Begründung u. a. ausgeführt, es gäbe keinen Anlass, vom Vorschlag der Antragstellerin abzuweichen, da keine Ansatzpunkte dafür vorhanden seien, dass die vorgeschlagene Person den Vorsitz nicht ebenso sachgerecht ausüben könne wie der vom Antragsgegner vorgeschlagene Richter. Für die Regelbesetzung mit je zwei Beisitzern sprächen im Übrigen bessere Gründe. Eine derart besetzte Einigungsstelle arbeite im Regelfall rascher, effizienter und kostengünstiger. Auch der Schwierigkeitsgrad der zu regelnden Materie rechtfertige nicht eine Abweichung von der Regelbesetzung.

Gegen diesen ihm am 06.08.2001 zugestellten Beschluss richtet sich die am 10.08.2001 beim Landesarbeitsgericht eingereichte Beschwerde des Antragsgegners (welcher sich in der Beschwerdeschrift allerdings als "Antragsteller" bezeichnet). Dieser führt aus, der Arbeitgeber sei, da ein Übergang auf den Zwei-Schicht-Betrieb nachteilige Folgen für die Arbeitnehmer habe, verpflichtet, im Rahmen der §§ 80, 92 BetrVG die Auswirkungen auf das Personal darzustellen. Diese Informationspflichten könne der Arbeitgeber nicht dadurch umgehen, dass er die Verhandlungen für gescheitert erkläre und die Einsetzung einer Einigungsstelle beantrage. Eine offensichtliche Zuständigkeit der Einigungssstelle liege deshalb nicht vor.

Der Antragsgegner beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Dresden vom "02.08.01, zugestellt am 06.08.01" aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 17.09.2001 stellt der Antragsgegner den Hilfsantrag,

Herrn Richter, zum Vorsitzenden der Einigungsstelle - Änderung der Schichtpläne - Entschädigung der Arbeitnehmer für soziale Nachteile zu berufen und die Anzahl der Beisitzer auf drei festzulegen.

Die Antragstellerin beantragt,

Beschwerde und Hilfsantrag zurückzuweisen.

Nach Ansicht der Antragstellerin genügt die Beschwerde nicht den Anforderungen an eine Beschwerdebegründung. Der Beschluss des Arbeitsgerichts sei im Übrigen zutreffend. In einer weiteren Auseinandersetzung habe der Antragsgegner gerade Frau als Vorsitzende einer Einigungsstelle vorgeschlagen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten im zweiten Rechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze bei den Akten Bezug genommen.

4.

Die gemäß § 98 Abs. 2 Satz 1 ArbGG statthafte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 98 Abs. 2 Satz 2 ArbGG).

Allerdings enthält die Beschwerde ein unrichtiges Datum der Verkündung des angefochtenen Beschlusses. Dieser Fehler ist hier jedoch unschädlich, da insbesondere im Hinblick auf die (zutreffende) Angabe des Aktenzeichens keine unbehebbaren Identitätszweifel auftreten.

Gleiches gilt für die Vertauschung der Parteirollen im Rubrum der Beschwerdeschrift. Aus der Beschwerdebegründung geht nämlich die zutreffende Parteirolle hervor.

Die Beschwerde ist auch (formal) ordnungsgemäß begründet. Sie genügt den Anforderungen der §§ 98 Abs. 2 Satz 3, 89 Abs. 2 Satz 2 ArbGG. Neue Tatsachen müssen nicht vorgebracht werden. Es genügt, dass sich die Beschwerde mit den rechtlichen Erwägungen der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzt. Das ist hier (noch) geschehen: Der Antragsgegner betont seinen Standpunkt, die Einigungsstelle sei unzuständig, da der Arbeitgeber seinen Informationspflichten nicht nachgekommen sei.

5.

Der Hilfsantrag des Antragsgegners ist unzulässig.

Mit dem Hilfsantrag erstrebt der Antragsgegner nicht nur die andersartige Besetzung der Einigungsstelle, sondern darüber hinaus eine Einigungsstelle für einen erweiterten, und damit abweichenden, Regelungsbereich.

Der Gegenstand der Einigungsstelle ergibt sich aus dem Begehren der Antragstellerin. Diesem ist mit dem angefochtenen Beschluss entsprochen worden. Die Einigungsstelle ist durch diesen Beschluss genügend konkretisiert, ohne dass es der Angabe des Themas der Einigungsstelle im Tenor bedurfte. Denn die Thematik der Einigungsstelle, über welche das Arbeitsgericht entschieden hat, ergibt sich aus den Beschlussgründen.

Der Hilfsantrag des Antragsgegners erstrebt eine andersartige Einigungsstelle. Er ist deshalb als hilfsweise gestellter "Widerantrag" aufzufassen. Zulässig wäre ein solcher Antrag nur, wenn er gemäß den §§ 98 Abs. 2, 87 Abs. 2, 64 Abs. 6 ArbGG, 530 Abs. 1 ZPO als sachdienlich aufgefasst werden könnte.

Der Hilfsantrag ist nicht sachdienlich. Das (vereinfachte) Bestellungs- und Besetzungsverfahren gemäß § 98 ArbGG dient nicht der Frage, welche Angelegenheiten sinnvollerweise noch vor die Einigungsstelle gebracht werden sollten. Vielmehr legt der Antragsteller fest, für welche Einigungsstellenmaterie er hinsichtlich der Zusammensetzung der Einigungsstelle die Hilfe des Gerichts benötigt. Inhaltlich findet lediglich im Rahmen des § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG eine grobe Prüfung statt.

Im Übrigen ist der Hilfsantrag des Antragsgegners auch deshalb nicht sachdienlich, da über die vom Antragsgegner erstrebte Erweiterung der Thematik "Entschädigung der Arbeitnehmer für soziale Nachteile" (der Antragsgegner nannte in dem Anhörungstermin auch den Begriff des Sozialplanes) ersichtlich bisher keinerlei Verhandlungen stattgefunden hatten. Mangels einer Neuregelung zur Schichtarbeit ist auch noch nicht ersichtlich, inwieweit es überhaupt zu einer Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG kommt. Eine lediglich geringere Schichtzahl ist nicht ohne weiteres gleichbedeutend mit einer Betriebseinschränkung (vgl. auch Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 20. Auflage, § 111 Rz. 68).

6.

Die Beschwerde ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden. Es ist nicht erkennbar, dass die Einigungsstelle, für welche die Antragstellerin die Besetzung begehrt, offensichtlich unzuständig ist (§ 98 Abs. 1 Satz 1 ArbGG).

Die Zuständigkeit der Einigungsstelle wegen einer geplanten Rückführung des Drei-Schicht-Betriebes auf einen Zwei-Schicht-Betrieb folgt ganz offensichtlich aus § 87 Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG. Allerdings muss vor Anrufung der Einigungsstelle eine gütliche Einigung versucht werden. Haben ernsthafte Verhandlungen stattgefunden, dann steht es jeder Seite frei, das Scheitern des Einigungsversuches festzustellen und die Einigungsstelle anzurufen zu einem Zeitpunkt, welcher ihr genehm erscheint. Das ist im Rahmen des § 98 ArbGG nur kursorisch zu überprüfen.

Hier hat die Antragstellerin nach Ablehnung ihres Entwurfs einer neuen Betriebsvereinbarung durch den Antragsgegner und dessen Erklärung, es solle nach der alten (gekündigten) Betriebsvereinbarung weiter verfahren werden, mit Schreiben vom 10.07.2001 den Einigungsversuch für gescheitert erklärt. Das kann im Rahmen des § 98 ArbGG nicht beanstandet werden. Im Übrigen ist der Antragsgegner dem gemäß seinem Schreiben vom 16.07.2001 zunächst auch nicht entgegengetreten.

7.

Die mit Hilfsantrag des Antragsgegners angestrebte Besetzung richtet sich, dem Wortlaut des Antrags folgend, auf eine Einigungsstelle mit erweiterter Zuständigkeit. Sollte der Antragsgegner dagegen aber auch hilfsweise auf die Besetzung der von der Antragstellerin thematisierten Einigungstelle abheben, so gilt Folgendes:

Es fehlt an einer näheren Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Gründen der angefochtenen Entscheidung. Das Arbeitsgericht hat die zugrunde liegenden Vorschriften beachtet und die notwendigen Abwegungen vorgenommen. Bei dem Einigungsstellenvorsitzenden muss es sich um eine Person handeln, die die Voraussetzungen der §§ 98 Abs. 1 Satz 4 ArbGG (Inkompatibilität), 76 Abs. 2 Satz 1 BetrVG (Unparteilichkeit) erfüllt. Als weitere ungeschriebene Voraussetzungen müssen die notwendige Sach- und Rechtskunde hinzukommen. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen im Falle der vom Arbeitsgericht bestimmten Person hat der Antragsgegner nicht bestritten.

Der Antragsgegner hat auch nicht plausibel gemacht, weshalb ausnahmsweise von der Regelbesetzung mit je zwei Beisitzern abzuweichen wäre. Es reicht, und dies hat das Arbeitsgericht zutreffend begründet, aus, auch in vorliegendem Falle die Einigungsstelle mit je zwei Beisitzern auszustatten. Jede Seite hat somit die Möglichkeit, neben einem Betriebsangehörigen noch einen Außenstehenden mit externen Fachkenntnissen heranzuziehen. Es sind genügend rechtskundige Personen auch auf Arbeitnehmerseite vorhanden, die sich sowohl im materiellen Arbeitszeitrecht wie in dem (dazugehörigen) Bereich auskennen, welchen der Antragsgegner mit "formalrechtliche Gestaltung von Verträgen" bezeichnet. Im Übrigen sollte jeder Jurist in der Lage sein, materiell-rechtliche Anforderungen in einen Vertragstext (gemeint ist hier wohl die Betriebsvereinbarung) umzusetzen. Es sind auch genügend hauptamtliche Gewerkschaftsmitarbeiter vorhanden, die über diese Fähigkeiten verfügen.

8.

Die Entscheidung ergeht gemäß § 12 Abs. 5 ArbGG gerichtskostenfrei. Für eine Kostenentscheidung ist kein Raum.

9.

Gegen diese Entscheidung gibt es kein Rechtsmittel (§ 98 Abs. 2 Satz 4 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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