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Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 08.05.2006
Aktenzeichen: 4 Ta 147/05
Rechtsgebiete: RVG, BGB, ZPO


Vorschriften:

RVG § 11
BGB § 247
BGB § 779
ZPO § 567 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Sächsisches Landesarbeitsgericht BESCHLUSS

Az.: 4 Ta 147/05

Chemnitz, 08.05.2006

In dem Vergütungsfestsetzungsverfahren gemäß § 11 RVG

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 26.04.2005 -...- wird auf Kosten der Beteiligten zu 1. zurückgewiesen.

2. Der Beschwerdewert wird auf 227,36 € festgesetzt.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26.04.2005 hat die Rechtspflegerin des Arbeitsgerichts Chemnitz die von der Klägerin an ihren Prozessbevollmächtigten erster Instanz aufgrund des Kostenfestsetzungsantrages des Klägervertreters vom 09.02.2005 (Bl. 26/27 d. A.) zu erstattenden Kosten auf insgesamt 227,36 € nebst Zinsen In Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB ab 17.02.2005 festgesetzt.

Gegen diesen der Klägerin/Beteiligten zu 1. am 29.04.2005 zugestellten Beschluss ließ diese durch ihren für das Vergütungsfestsetzungsverfahren bestellten Prozessbevollmächtigten beim Arbeitsgericht Chemnitz eingegangenen Schriftsatz vom 13.05.2005 sofortige Beschwerde mit der Begründung einlegen, dass vorliegend eine Einigungsgebühr gemäß Nr. 1003 VV/RVG nicht entstanden sei, da die Klägerin mit ihrem gesamten Klagebegehren vorliegend erfolgreich gewesen sei, so dass ein Nachgeben des Beklagten hier nicht gesehen werden könne. Im Kern handele es sich vielmehr um ein Anerkenntnis der gesamten Klageforderung, das lediglich nicht in Gestalt eines Anerkenntnisurteils erfolgt sei, sondern zu Protokoll gegeben worden sei. Es wird auf die weitere Begründung auf Bl. 46/47 d. A. Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 20.05.2005 hat die Rechtspflegerin der sofortigen Beschwerde der Klägerin/Beteiligten zu 1. nicht abgeholfen und sie dem Sächsischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Der Beschwerdegegner/Beteiligte zu 3. ist der sofortigen Beschwerde mit Schriftsatz vom 17.062005, auf dessen Begründung im Einzelnen Bezug genommen wird (Bl. 58/59 d. A.), entgegengetreten.

Die Klägerin wird seit dem 29.06.2005 anstelle von Herrn Rechtsanwalt ... von Frau Rechtsanwältin ... vertreten (Bl. 64 d. A.).

II.

Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist statthaft (§§ 11 Abs. 1, 21 Ziffer 2 RPflG, 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i. V. m. § 78 Satz 1 ArbGG). Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 569 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO). Es fehlt vor allem auch nicht an der erforderlichen Beschwer des § 567 Abs. 2 ZPO von 200,00 €, da sich die Beschwerdeführerin/Beteiligte zu 1. durch die Beschwerde gegen die festgesetzten und an ihren Prozessbevollmächtigten zu erstattenden Kosten in Höhe von 227,36 € wehrt.

2. Die sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die sog. Einigungsgebühr gegeben sind.

Nach der Vorbemerkung 1 zu VV 1000 Nr. 1 Satz 1 zum RVG entsteht eine Einigungsgebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages in Höhe von 1,5 durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht.

Nach der gesetzgeberischen Intention (vgl. BT-Drucksache 15/1971, S. 171) soll die Einigungsgebühr die geltende Vergleichsgebühr ersetzen und diese gleichzeitig inhaltlich erweitern. Während die Vergleichsgebühr (§ 23 BRAGO) durch Verweisung auf § 779 BGB ein gegenseitiges Nachgeben voraussetzt, soll die Einigungsgebühr jegliche vertragliche Beilegung eines Streits honorieren. Durch den Wegfall der Voraussetzung des gegenseitigen Nachgebens soll der Streit darüber vermieden werden, welche Abreden als Nachgeben zu bewerten sind. Einzige Ausnahme soll sein, dass in dem Vertrag ausschließlich ein Anspruch vollständig anerkannt oder auf einen Anspruch vollständig verzichtet wird. Diese Einschränkung soll einem Missbrauch entgegenwirken. Dem Gesetzgeber war auch daran gelegen, die bisher häufige kostenrechtliche Auseinandersetzung über die Frage, ob ein Vergleich gemäß § 779 BGB vorliegt, zu verneinen. Der Begriff der "Einigung" verlangt nur einen Vertrag mit Beseitigung eines Streite oder der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis. Für eine Einigung ist dagegen nicht nötig das Merkmal der Gegenseitigkeit i. S. eines synallagmatischen Verhältnisses.

Die Einigungsgebühr entsteht bereits für die Mitwirkung des Rechtsanwalts beim Abschluss eines Vertrages. Alle Rechtsfrieden stiftenden Verträge sind als Einigung anzusehen. Als Grenze sind lediglich Anerkenntnis oder Verzicht normiert, da jedwede Erfüllungshandlung sonst als Einigung gebührenrechtlich gesehen werden könnte. Wird ein Anerkenntnis abgegeben, damit die andere Seite keinen Titel erwirkt, so liegt zwar kein Vergleich vor (BGHZ 39, 60), wohl aber eine Einigung.

Die Beseitigung eines Streits oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis durch einen formfreien Vertrag genügt. Lediglich bei Formbedürftigkeit des Grundgeschäfts (gewillkürte oder gesetzliche) wird der Einigungsvertrag die nötige Form ebenfalls aufweisen müssen.

Von einem weiteren Anwendungsbereich der Einigungsgebühr gehen verschiedene Landesarbeitsgerichte aus (LAG Niedersachsen, Beschluss vom 18.02.2005 - 10 Ta 129/05 - LAGE § 11 RVG Nr. 1; LAG Berlin, Beschluss vom 08.06.2005 - 17 Ta 6023/05; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 15.02.2006 - 1 Ta 252/05 -).

Die herangezogene Entscheidungen des Amtsgerichts Oschatz vom 07.01.2005 (2 C 0556/04) und vom Amtsgericht Stuttgart vom 01.06.2005 (13 C 3691/05) sind nicht einschlägig. In den dortigen Fällen hat der Arbeitgeber nur die Kündigung zurückgenommen. Im vorliegenden Fall kommt eine Einigung der Parteien über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses hinzu. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Krefeld vom 25.01.2005 ist nicht vorgelegt worden und nicht in JURIS zu finden, so dass eine Stellungnahme darauf nicht möglich ist.

Die anwaltliche Einigungsgebühr ist vorliegend entstanden.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin liegt hier kein Verzicht bzw. Anerkenntnis vor.

Vorliegend haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 11.11.2004 nach Rücknahme der Kündigung seitens des Arbeitgebers/Beklagten/Beteiligten zu 4. die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses durch Vertrag geschlossen (Beklagter erklärt: "... ich biete der Klägerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Arbeitsbedingungen an." Der Klägervertreter erklärt: "Ich nehme das Angebot namens und im Auftrag meiner Mandantin an und nehme die Klage zurück."). Insoweit liegt ein Vertrag i. S. der Vorbemerkung 1: VV 1000 Nr. 1 Satz 1 zum RVG vor. Der Vertrag kann ausdrücklich oder konkludent zustande kommen. Auch die Bezeichnung als Vertrag ist nicht entscheidend. Vielmehr ist von Bedeutung, ob die Handlungen oder Erklärungen der Partei zu einem Vertragsschluss führen. Davon ist in der Sache auszugehen. Der Beklagte/Beteiligte zu 4. hat nicht lediglich die Kündigungsschutzklage anerkannt, sondern die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses angeboten. Die Parteien haben durch die Annahme der Klägerin mehr geregelt, als bei einem Anerkenntnis durch den Beklagten. In diesem Fall wäre nur die Kündigung geregelt worden. Mit der Vereinbarung haben die Parteien die Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses beseitigt (so auch LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 15.02.2006 - 1 Ta 2521/05 -). Die einvernehmliche Regelung ermöglicht darüber hinaus eine unbelastete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Der Beklagte hat nicht lediglich den geltend gemachten Anspruch erfüllt (vgl. auch LAG Niedersachsen, Beschluss vom 18.02.2005 -10 Ta 129/05-).

Die Klägerin ist dem Beklagten entgegengekommen, indem sie diesem zum Angebot der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses veranlasst hat. Zwar bedarf es zu einer Einigung keines beiderseitigen Nachgebens mehr; das ändert jedoch nichts daran, dass in vielen Fällen eine Einigung auf einem beiderseitigen Entgegenkommen beruhen wird. Schon ein geringes Entgegenkommen reicht jedenfalls aus, um das negative Tatbestandsmerkmal der Beschränkung des Vertrages auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht zu beseitigen.

Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg einwenden, sie habe mit dem genannten Vertrag ihr Klageziel vollständig erreicht. Für das Entstehen der Einigungsgebühr ist nicht erforderlich, dass die Parteien einen Vergleich i. S. des § 779 BGB abgeschlossen haben, solange sich der Vertrag nicht auf ein Anerkenntnis beschränkt. Ein Anerkenntnis hat der Beklagte nicht abgegeben.

Nach alledem war die Beschwerde der Beteiligten zu 1. gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts vom 26.04.2005 zurückzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, wobei die Beteiligte zu 1 als unterlegene Partei die Kosten des Beschwerdeverfahrens in vollem Umfang zu tragen hat.

4. Der Wert des Beschwerdegegenstandes richtet sich nach dem Umfang der Anfechtung. Mit der sofortigen Beschwerde verfolgt die Beteiligte zu 1. die Aufhebung der im Beschluss des Arbeitsgerichts Chemnitz festgesetzten Kosten gegen sie in Höhe von 227,36 €.

5. Diese Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch die Vorsitzende allein ergehen (§§ 567 I Nr. 1, 568 Satz 1, 104 III 1 ZPO, 11 I RPflG, 64 Abs. 7, 53 Abs. 1 Satz 1 ArbGG).

6. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen.

7. Die Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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