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Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 18.12.2006
Aktenzeichen: 4 Ta 232/06
Rechtsgebiete: RVG
Vorschriften:
RVG § 23 Abs. 3 S. 2 |
Sächsisches Landesarbeitsgericht BESCHLUSS
Az.: 4 Ta 232/06 (2)
Chemnitz, 18.12.2006
In dem Beschlussverfahren
hat die 4. Kammer des Sächsischen Landesarbeitsgerichts durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung am 18.12.2006 beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers/Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners/Beteiligten zu 2. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Leipzig vom 31.08.2006 i. d. F. vom 11.09.2006 - 17 BV 32/06 - abgeändert:
1. Der Gegenstandswert wird auf 12.000,00 € festgesetzt.
2. Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 1.003,40 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin/Beschwerdegegnerin hat die am 05.04.2006 von ihren Mitarbeitern in der Niederlassung ... durchgeführte Wahl eines Betriebsrats im vorliegenden Beschlussverfahren angefochten.
Sie hat die Ansicht vertreten, dass die Wahl unter Verkennung des Betriebsbegriffs zustande gekommen sei. Es sei ein siebenköpfiger Betriebsrat gewählt worden, obwohl nur drei Betriebsräte hätten gewählt werden dürfen.
Das Verfahren wurde durch Beschluss des Arbeitsgerichts Leipzig vom 19.07.2006 beendet, in dem festgestellt wurde, dass die Betriebsratswahl des Betriebsrats ... vom 05.04.2006 unwirksam ist, nachdem vorliegend nur ein fünfköpfiger Betriebsrat hätte gewählt werden dürfen und die Arbeitnehmer ..., ... und ... nicht in den Betriebsrat hätten gewählt werden dürfen.
Das Arbeitsgericht hat nach Anhörung der Beteiligten den Gegenstandswert für das vorliegende Verfahren auf 8.000,00 € festgesetzt. Dabei ist das Arbeitsgericht von dem Hilfswert von 4.000,00 € ausgegangen und hat diesen Wert wegen des hier vorliegenden Wahlanfechtungsverfahrens betreffend die Wahl eines neunköpfigen Betriebsrats um weitere 4.000,00 € erhöht.
Gegen den am 14.09.2006 dem Antragsgegner/Beteiligten zu 2. zugestellten Beschluss ließ dieser durch seinen Verfahrensbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 04.09.2006 sofortige Beschwerde einlegen mit dem Antrag, den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für den Antrag vom 19.04.2006 auf 28.000,00 € festzusetzen.
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 11.09.2006 teilweise abgeholfen, den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners nunmehr auf 8.000,00 € festgesetzt, ihr im Übrigen nicht abgeholfen und sie dem Sächsischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Auf die Begründung des Arbeitsgerichts in seinem Beschluss vom 11.09.2006 wird Bezug genommen (Bl. 156 bis 158 d. A.).
Ergänzend wird zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes auf den Akteninhalt, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze Bezug genommen (vgl. Bl 150/151; 152/153; 163/164 d. A.).
II.
1. Die seitens des Beschwerdeführers/Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners eingelegte sofortige Beschwerde ist statthaft, da sie eine Streitwertheraufsetzung zum Ziel hat. Die im Übrigen zulässige Beschwerde (§ 33 RVG) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Leipzig hat auch teilweise Erfolg. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts war hier gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG der Gegenstandswert auf 12.000,00 € festzusetzen.
Die mit Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 26.09.2006 eingelegte weitere sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 11.09.2006 war vorliegend nicht weiter Gegenstand des Beschwerdeverfahrens, da Streitgegenstand lediglich der vom Arbeitsgericht festgesetzte Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit im Beschluss vom 31.08.2006 - geändert durch Beschluss vom 11.09.2006 - ist.
2. a) Es handelt sich vorliegend um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit, deren Gegenstandswert nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen ist. Bei nicht genügenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Schätzung ist der Gegenstandswert auf 4.000,00 € - nach Lage des Falles auch niedriger oder höher - anzusetzen. Dabei ist insbesondere abzustellen auf die Bedeutung der Sache für die Beteiligten und auf Umfang und Schwierigkeit des Falles.
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Wert des Verfahrens auf 12.000,00 € festzusetzen. Im Streit war die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl. Der Gegenstandswert einer solchen Streitigkeit wird maßgeblich durch die Größe des Betriebes und die Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder beeinflusst. Für die einzelnen Betriebsratsmitglieder ergibt sich die Bedeutung aus dem besonderen Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 KSchG. Für den Betrieb geht es um die Frage, ob eine Mitbestimmung in personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten gegeben ist. Für den Arbeitgeber bedeutet eine Neuwahl des Betriebsrats finanziellen Aufwand. Der finanzielle Aufwand steigt ebenfalls mit der Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder (vgl. nur §§ 37, 40 BetrVG).
In der Rechtsprechung besteht daher weitgehend Einigkeit, dass die Zahl der Betriebsratsmitglieder bei der Wertfestsetzung zu berücksichtigen ist. Dabei wird in der Regel vom einfachen oder 1,5-fachen Hilfswert des § 23 III 2 RVG für einen einköpfigen Betriebsrat ausgegangen und dieser Wert beim mehrköpfigen Betriebsrat je nach Zahl der Betriebsratsmitglieder erhöht, wobei das Ausmaß der Anhebung je Betriebsratsmitglied in der Rechtsprechung umstritten ist.
Insoweit werden unterschiedliche Auffassungen vertreten:
Während das Landesarbeitsgericht Köln in seiner Entscheidung vom 20.10.1997 (12 Ta 263/97, NZA-RR 1998, 275) davon ausgeht, dass sich der Regelstreitwert für jedes Betriebsratsmitglied um ein Viertel erhöht, vertritt das Landesarbeitsgericht Hamm (Beschluss vom 18.11.1993 - 8 TaBV 126/93 - BB 1994, 291) die Auffassung, es sei zunächst das 1,5-fache des Regelstreitwerts zugrunde zu legen, der sich für jedes Betriebsratsmitglied sodann um 1/4 erhöhe, ist nach der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 30.03.1992 - 9 Ta 40/92 - und vom 15.06.2005 - 11 Ta 40/05 - unter Hinweis auf LAG Berlin, Beschluss vom 17.12.1991 - 1 Ta 50/91 -), der die Beschwerdekammer (vgl. Beschluss vom 25.08.2006 - 4 Ta 110/06 -) folgt, bei einer Betriebsratswahlanfechtung, die von den Rechtsfolgen mit dem vorliegenden Streitgegenstand (Mandatsverlust) vergleichbar ist, bei einem Betriebsrat mit einem Mitglied regelmäßig einen Streitwert in Höhe des 1,5-fachen des Regelwerts gerechtfertigt. Dieser erhöht sich für jedes weitere Mitglied um 1/4 des Regelwerts.
Denn bei der Wertfestsetzung für betriebsverfassungsrechtliche Wahlanfechtungsverfahren ist mit dem LAG Berlin vom 17.12.1991 - 1 Ta 50/91 -; LAG Rheinland-Pfalz vom 30.03.1992 - 9 Ta 40/92 -; LAG Schleswig-Holstein vom 29.07.1992 - 6 Ta 62/92 - aus Gründen der Rechtssicherheit im Rahmen des § 23 III RVG von typisierenden Grundsätzen auszugehen (vgl. auch Meier, Streitwerte im Arbeitsrecht, Lexikon Rz. 356 ff.). Bei der Beurteilung der Bedeutung der Angelegenheit ist zu berücksichtigen, dass im Wahlanfechtungsverfahren nach § 19 BetrVG die Legitimation des ganzen Betriebsrats in Frage steht und bei erfolgreicher Anfechtung eine Wahlwiederholung notwendig ist (vgl. LAG Berlin vom 17.12.1991 - 1 Ta 50/91 -). Insoweit ist bei der Wertfestsetzung eines Wahlanfechtungsverfahrens auch die Betriebsgröße und die sich hieraus ergebende Betriebsratsgröße von Bedeutung. Anders ist es bei Ausschlussverfahren. Dort geht es nur um die betriebsverfassungsrechtliche Stellung eines Betriebsratsmitgliedes. Die organisatorische Abwicklung einer Betriebsratswahl, die Anzahl der Wahlberechtigten und Wählbaren birgt mehr Fehlerquellen und mehr Sachverhaltsaufklärungsaufwand in sich, je größer der Betrieb und damit das Betriebsratsgremium ist. Dementsprechend wachsen mit der Betriebs- und damit auch mit der Betriebsratsgröße die in einem Wahlanfechtungsverfahren zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalles und etwaiger ermittlungstechnischer Aufwand - abgesehen von ganz besonders einfach gelagerten Wahlanfechtungsverfahren -, z. B. bei offensichtlichen Mängeln. Auch die Bedeutung für den Arbeitgeber wird größer/vielfältiger. Er läuft Gefahr, im Falle der Nichtbeteiligung eines neu gewählten Betriebsratsgremiums, dessen Wahl angefochten ist, ggf. eine Vielzahl unwirksamer Maßnahmen zu vollziehen. Je größer der Betrieb ist, desto größer ist auch die Anzahl der Maßnahmen, an denen ein Betriebsrat zu beteiligen ist, die demzufolge unwirksam sein können.
Vor diesem Hintergrund ist daher im Interesse gleichförmiger Rechtsanwendung von der erforderlichen Typisierung nach der jeweiligen Betriebsratsgröße bei der Wertfestsetzung für betriebsverfassungsrechtliche Wahlanfechtungsverfahren auszugehen.
Nach alledem liegt der Hauptschwerpunkt bei der Bewertung einer Betriebsratswahlanfechtung bei der Frage der Existenz des Gremiums an sich, beginnend gemäß § 9 BetrVG mit einem Betriebsratsmitglied. Für die Bewertung dieses grundlegenden Gegenstands ist maßgeblich der Wert gemäß § 23 III 2 RVG in Höhe von 4.000,00 €. Für über ein Betriebsratsmitglied hinaus gehende Betriebsratsgremien legt das Beschwerdegericht mit dem LAG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 05.06.2005 - 11 Ta 40/05 -) eine Erhöhung des Gegenstandswertes um 1.000,00 €, mithin um ein Viertel des Auffangwertes nach § 8 II 2 RVG für jedes weitere Betriebsratsmitglied mit LAG Berlin vom 17.12.1991 (1 Ta 50/91) und LAG Rheinland-Pfalz vom 30.03.1992 (9 Ta 40/92) sowie LAG Schleswig-Holstein vom 03.06.1992 (6 Ta 62/92) zugrunde.
Sodann sind Umfang und Schwierigkeit des konkreten Falles in die Wertbemessung einzubeziehen, die zu einer Abweichung vom vorstehend ermittelten Wertansatz führen können. Der Streitfall wies keine besonderen Schwierigkeiten auf. Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe waren zwar bestritten. Dies ist aber der Regelfall.
Auch unter Berücksichtigung des dem Arbeitsgericht zustehenden Ermessens konnte es nicht bei dem von ihm festgesetzten Wert von 8.000,00 € bleiben, weil die Festsetzung nicht frei von Ermessensfehlern war. Im Nichtabhilfebeschluss hat das Arbeitsgericht zwar auf die Betriebsratsgröße abgestellt, jedoch die Zahl der zu wählenden Arbeitnehmer nicht weiter berücksichtigt, obwohl in der Rechtsprechung mittlerweile Einigkeit darüber besteht, dass bei der Wertfestsetzung eine Staffelung entsprechend § 9 BetrVG nach Anzahl der Betriebsratsmitglieder zu erfolgen hat (Bertelsmann, Gegenstandswerte im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, 2000, S. 37 f.; Schäder, Streitwertlexikon, S. 75 f.; Meier, Streitwert im Arbeitsrecht, Rdnr. 356 ff., jeweils m. w. Hinw. auf die Rechtsprechung sowie die oben zitierten Fundstellen der Landesarbeitsgerichte Köln, Berlin, Schleswig-Holstein, Hamm und Rheinland-Pfalz).
In Anbetracht der Bedeutung einer Betriebsratswahl für den Betrieb und für die Arbeitnehmer ist der vom Arbeitsgericht angesetzte Betrag von 8.000,00 € jedoch als zu niedrig gegriffen. Der Kammer erschien daher ein Betrag von 1.000,00 € für jedes weitere Betriebsratsmitglied sachgerecht und angemessen.
Ausgehend von dem 1,5-fachen Grundbetrag in Höhe von 6.000,00 € für das erste Betriebsratsmitglied sowie einer Erhöhung dieses Betrages um 6 x 1.000,00 € für die weiteren sechs Betriebsratsmitglieder war daher der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers/Antragsgegners auf 12.000,00 € festzusetzen.
Mithin ergibt sich somit insgesamt ein Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers für das Verfahren in Höhe von 12.000,00 €. In dieser Höhe war der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers/Antragsgegners festzusetzen. Der angefochtene Beschluss des Arbeitsgerichts war daher entsprechend abzuändern.
Diese Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch die Vorsitzende allein ergehen (§ 568 Abs. 1 ZPO i. V. m. §§ 64 Abs. 7, 53 Abs. 1 Satz 1 ArbGG).
Eine Kostenentscheidung war nicht erforderlich, da es sich bei dem Gebührentatbestand der Nr. 8613 GKG KV 8700 um eine Festgebühr handelt.
Der Beschwerdewert ist die Gebührendifferenz für zwei Rechtsanwaltsgebühren nebst Mehrwertsteuer zwischen dem festgesetzten und dem erstrebten Verfahrenswert.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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