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Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 24.01.2007
Aktenzeichen: 4 Ta 269/06
Rechtsgebiete: RVG, KSchG, BetrVG
Vorschriften:
RVG § 8 Abs. 2 Satz 2 | |
RVG § 23 Abs. 3 | |
RVG § 23 Abs. 3 Satz 2 | |
RVG § 33 Abs. 2 Satz 2 | |
RVG § 33 Abs. 3 | |
KSchG § 15 Abs. 1 | |
BetrVG § 9 | |
BetrVG § 19 |
D. h. es ist der 1,5fache Ausgangswert für das 1. Betriebsratsmitglied und eine Erhöhung dieses 1,5fachen Ausgangswertes um jeweils 1.000,00 Euro für jedes weitere Betriebsratsmitglied anzusetzen.
Sächsisches Landesarbeitsgericht BESCHLUSS
4 Ta 269/06 (8)
Chemnitz, 24.01.2007
In dem Beschlussverfahren
hat die 4. Kammer des Sächsischen Landesarbeitsgerichts durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung am 24.01.2007 beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortigen Beschwerden des Beschwerdeführers zu 1./Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller zu 1. bis 4. und des Beschwerdeführers zu 2./Verfahrens-bevollmächtigten des Beteiligten zu 3./Antragsgegners wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Leipzig vom 02.10.2006 - 16 BV 47/06 - abgeändert:
1. Der Gegenstandswert wird auf 18.000,00 € festgesetzt.
2. Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Antragsteller zu 1. bis 4., die in der Zeit vom 08.05. bis 24.05.2006 und darüber hinaus ordentliche Arbeitnehmer der Beteiligten zu 6. waren, haben am 24.05.2006 die bei der Beteiligten zu 6. durchgeführte Betriebsratswahl angefochten. Zu wählen war ein Betriebsrat bestehend aus 13 Mitgliedern.
Sie haben die Ansicht vertreten, dass die Betriebsratswahl unwirksam bzw. sogar nichtig sei, da nicht für alle Mitarbeiter die Briefwahl hätte angeordnet werden dürfen. Das Fehlen des Wahlausschreibens und der Vorschlagslisten in den Briefwahlunterlagen sei fehlerhaft. Die Briefwahlunterlagen seien außerdem unterschiedlich verteilt worden. Darüber hinaus sei auch die Rückgabe der Briefwahlunterlagen uneinheitlich erfolgt. Fehlerhaft sei schließlich, dass der Wahlvorstand die Öffnung der Freiumschläge nicht unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe vorgenommen habe. Zur Unwirksamkeit führe letztendlich auch die fehlende Niederschrift über die Stimmabgabe.
Das Verfahren endete durch Beschluss vom 25.08.2006, in dem die Unwirksamkeit der Betriebsratswahl vom 24.05.2006 festgestellt wurde.
Gegen diesen Beschluss legte der Beteiligte zu 5. beim Sächsischen Landesarbeitsgericht Beschwerde ein. Dieses Verfahren wird unter dem Az. 2 TaBV 34/06 beim Sächsischen Landesarbeitsgericht geführt; eine diesbezügliche Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist noch nicht ergangen.
Das Arbeitsgericht hat nach Anhörung der Beteiligten den Gegenstandswert für das vorliegende Verfahren auf 12.000,00 € festgesetzt. Dabei ist das Arbeitsgericht von der Rechtsprechung des Sächsischen Landesarbeitsgerichts im Beschluss vom 13.12.2005 - 1 Ta 239/05 - ausgegangen und hat bei der Festsetzung des Gegenstandswerts unter Beachtung der Größe des Betriebs und der rechtlichen Schwierigkeit des Falles den Hilfswert von 4.000,00 € verdreifacht, mithin den Gegenstandswert insgesamt auf 12.000,00 € festgesetzt.
Gegen den am 06.10.2006 dem Prozessbevollmächtigten der Antragsteller zu 1. bis 4./Beteiligten zu 1. bis 4. und am 09.10.2006 dem Prozessbevollmächtigten des Beteiligten zu 5. zugestellten Beschluss haben diese am 19.10.2006 (Beschwerdeführer zu 1.) bzw. 20.10.2006 (Beschwerdeführer zu 2.), beim Arbeitsgericht Leipzig eingegangen am 19.10.2006 bzw. 23.10.2006, sofortige Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für den Antrag vom 07.06.2006 auf 32.000,00 € (so Beschwerdeführer zu 1.) bzw. 52.000,00 €, zumindest jedoch auf 28.000,00 € (so Beschwerdeführer zu 2.) festzusetzen.
Das Arbeitsgericht hat den sofortigen Beschwerden durch die Beschlüsse vom 01.11.2006 und 28.11.2006, auf deren Begründung im Einzelnen Bezug genommen wird (Bl. 169/170; 181 bis 183 d. A.), nicht abgeholfen und sie dem Sächsischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Ergänzend wird zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes auf den Akteninhalt, insbesondere die weiterhin wechselseitigen Schriftsätze Bezug genommen (vgl. Bl. 188 bis 193; 198; 206 bis 208 d. A.).
II.
Die Beschwerdeführer sind Antragsteller i. S. des § 33 Abs. 2 Satz 2 RVG. Die nach § 33 Abs. 3 RVG an sich statthaften und auch im Übrigen form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerden sind nur zum geringen Teil begründet.
Der Gegenstandswert ist gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG für das vorliegende Verfahren auf 18.000,00 € festzusetzen.
1. Es handelt sich vorliegend um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit, deren Gegenstandswert nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen ist. Bei nicht genügenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Schätzung ist der Gegenstandswert auf 4.000,00 €, nach Lage des Falles auch niedriger oder höher anzusetzen. Dabei ist insbesondere abzustellen auf die Bedeutung der Sache für die Beteiligten und auf Umfang und Schwierigkeit des Falles.
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Wert des Verfahrens vorliegend auf 18.000,00 € festzusetzen. Im Streit war die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl. Der Gegenstandswert einer solchen Streitigkeit wird maßgeblich durch die Größe des Betriebes und die Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder beeinflusst. Für die einzelnen Betriebsratsmitglieder ergibt sich die Bedeutung aus dem besonderen Kündigungsschutz nach § 15 Abs.1 KSchG. Für den Betrieb geht es um die Frage, ob eine Mitbestimmung in personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten gegeben ist. Für den Arbeitgeber bedeutet eine Neuwahl des Betriebsrats finanziellen Aufwand. Der finanzielle Aufwand steigt ebenfalls mit der Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder (vgl. nur §§ 37, 40 BetrVG).
In der Rechtsprechung besteht daher weitgehend Einigkeit, dass die Zahl der Betriebsratsmitglieder bei der Wertfestsetzung zu berücksichtigen ist. Dabei wird in der Regel vom einfachen oder 1,5-fachen Hilfswert des § 23 III 2 RVG für einen einköpfigen Betriebsrat ausgegangen und dieser Wert beim mehrköpfigen Betriebsrat je nach Zahl der Betriebsratsmitglieder erhöht, wobei das Ausmaß der Anhebung je Betriebsratsmitglied in der Rechtsprechung umstritten ist.
Insoweit werden unterschiedliche Auffassungen vertreten:
Das LAG Köln geht in seiner Entscheidung vom 20.10.1997 (- 12 Ta 263/97 -, NZA - RR 1998, 275) davon aus, dass sich der Regelstreitwert für jedes Betriebsratsmitglied um 1/4 erhöht. Danach ergebe sich hier ein Gegenstandswert für den Antrag vom 01.10.2005 i. H. v. 9.000,00 €.
Demgegenüber vertritt das LAG Hamm (Beschluss vom 18.11.1993 - 8 TaBV 126/93 - BB 1994, 291) die Auffassung, es sei zunächst das 1,5-fache des Regelstreitwerts zugrunde zu legen; der sich für jedes Betriebsratsmitglied sodann um 1/4 erhöhe. Daraus ergebe sich vorliegend ein Gegenstandswert von 11.000,00 €.
Nach der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 30.03.1992 - 9 Ta 40/92 -), der die Kammer folgt, ist bei einer Betriebsratswahlanfechtung, die von den Rechtsfolgen mit dem vorliegenden Streitgegenstand (Mandatsverlust) vergleichbar ist, bei einem Betriebsrat mit einem Mitglied regelmäßig ein Streitwert in Höhe des eineinhalbfachen des Regelstreitwertes gerechtfertigt. Dieser erhöht sich für jedes weitere Mitglied um 1/4 des Regelstreitwerts.
Denn bei der Wertfestsetzung für betriebsverfassungsrechtliche Wahlanfechtungsverfahren ist mit LAG Berlin vom 17.12.1991 - 1 Ta 50/91 -; LAG Rheinland-Pfalz vom 30.03.1992 - 9 Ta 40/92 -; LAG Schleswig-Holstein vom 29.07.1992 - 6 Ta 62/92 -) aus Gründen der Rechtssicherheit im Rahmen des § 23 III RVG von typisierenden Grundsätzen auszugehen (vgl. auch Meier Streitwerte im Arbeitsrecht, Lexikon Rz. 356 ff.). Bei der Beurteilung der Bedeutung der Angelegenheit ist zu berücksichtigen, dass im Wahlanfechtungsverfahren nach § 19 BetrVG die Legitimation des ganzen Betriebsrates in Frage steht und bei erfolgreicher Anfechtung eine Wahlwiederholung notwendig ist (vgl. LAG Berlin vom 17.12.1991 - 1 Ta 50/91 -). Insoweit ist bei der Wertfestsetzung eines Wahlanfechtungsverfahrens auch die Betriebsgröße und die sich hieraus ergebende Betriebsratsgröße von Bedeutung. Anders ist es bei Ausschlussverfahren. Dort geht es nur um die betriebsverfassungsrechtliche Stellung eines Betriebsratsmitgliedes. Die organisatorische Abwicklung einer Betriebsratswahl, die Anzahl der Wahlberechtigten und Wählbaren birgt mehr Fehlerquellen und mehr Sachverhaltsaufklärungsaufwand in sich, je größer der Betrieb und damit das Betriebsratsgremium ist. Dementsprechend wachsen mit der Betriebs- und damit auch mit der Betriebsratsgröße die in einem Wahlanfechtungsverfahren zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalles und etwaiger ermittlungstechnischer Aufwand, abgesehen von ganz besonders einfach gelagerten Wahlanfechtungsverfahren, z. B. bei offensichtlichen Mängeln. Auch die Bedeutung für den Arbeitgeber wird größer/vielfältiger. Er läuft Gefahr, im Falle der Nichtbeteiligung eines neu gewählten Betriebsratsgremiums, dessen Wahl angefochten ist, ggf. eine Vielzahl unwirksamer Maßnahmen zu vollziehen. Je größer der Betrieb ist, desto größer ist auch die Anzahl der Maßnahmen, an denen ein Betriebsrat zu beteiligen ist, die demzufolge unwirksam sein können.
Vor diesem Hintergrund ist daher im Interesse gleichförmiger Rechtsanwendung von der erforderlichen Typisierung nach der jeweiligen Betriebsratsgröße bei der Wertfestsetzung für betriebsverfassungsrechtliche Wahlanfechtungsverfahren auszugehen.
Nach alledem liegt der Hauptschwerpunkt bei der Bewertung einer Betriebsratswahlanfechtung bei der Frage der Existenz des Gremiums an sich, beginnend gemäß § 9 BetrVG mit einem Betriebsratsmitglied. Für die Bewertung dieses grundlegenden Gegenstandes ist maßgeblich der Wert gemäß § 23 III 2 RVG in Höhe von 4.000,00 €. Für über ein Betriebsratsmitglied hinausgehende Betriebsratsgremien legt das Beschwerdegericht mit dem LAG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 05.06.2005 - 11 Ta 40/05 -) eine Erhöhung des Gegenstandswertes um 1.000,00 €, mithin um 1/4 des Auffangwertes nach § 8 II 2 RVG für jedes weitere Betriebsratsmitglied mit LAG Berlin vom 17.12.1991 (1 Ta 50/91) und LAG Rheinland-Pfalz vom 30.03.1992 (9 Ta 40/92) sowie LAG Schleswig-Holstein vom 03.06.1992 (6 Ta 62/92) zugrunde.
Sodann sind Umfang und Schwierigkeit des konkreten Falles in die Wertbemessung einzubeziehen, die zu einer Abweichung vom vorstehend ermittelten Wertansatz führen können. Der vorliegende Streitfall wies jedoch keine besonderen Schwierigkeiten auf. Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe waren zwar bestritten. Dies ist aber der Regelfall.
Auch unter Berücksichtigung des dem Arbeitsgericht zustehenden Ermessens konnte es nicht bei dem von ihm festgesetzten Wert von 12.000,00 € bleiben, weil die Festsetzung nicht frei von Ermessensfehlern war.
In dem Nichtabhilfebeschluss hat das Arbeitsgericht zwar auf die Betriebsratsgröße abgestellt und den Hilfswert im Anschluss an die Entscheidung des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 15.12.2005 - 1 Ta 239/05 - verdreifacht.
Gleichwohl ist hier entgegen der Ansicht der 1. Kammer des Sächsischen Landesarbeitsgerichts eine Staffelung des 1,5-fachen Ausgangswerts von 4.000,00 € bei einem mehrköpfigen Betriebsrat gemäß § 9 BetrVG vorzunehmen. Insoweit folgt die nunmehr für Gegenstandswertbeschwerden allein zuständige 4. Kammer des Sächsischen Landesarbeitsgerichts nicht der Entscheidung der 1. Kammer desselben Gerichts und geht vorliegend bei der Wertfestsetzung für betriebsverfassungsrechtliche Wahlanfechtungsverfahren mit dem LAG Berlin vom 17.12.1991 - 1 Ta 50/91 -; dem LAG Rheinland-Pfalz vom 30.03.1992 - 9 Ta 40/92 - und dem LAG Schleswig-Holstein vom 29.07.1992 - 6 Ta 62/92 - aus Gründen der Rechtssicherheit im Rahmen des § 23 Abs. 3 RVG von typisierenden Grundsätzen aus und nimmt mit dem LAG Rheinland-Pfalz sowie dem LAG Berlin neben dem 1,5-fachen Ausgangswert für das erste Betriebsratsmitglied eine Erhöhung des 1,5-fachen Ausgangswerts um jeweils 1.000,00 € für jedes weitere Betriebsratsmitglied an.
Ausgehend von dem 1,5-fachen Grundbetrag in Höhe von 6.000,00 € für das erste Betriebsratsmitglied sowie eine Erhöhung dieses Betrages um 12 x 1.000,00 € für die weiteren 12 Betriebsratsmitglieder war daher der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers/Antragsgegners auf 18.000,00 € festzusetzen.
Nach alledem war daher auf die sofortigen Beschwerden der Beschwerdeführer zu 1. und 2. der Beschluss des Arbeitsgerichts Leipzig vom 02.10.2006 entsprechend abzuändern und die weitergehende sofortige Beschwerde im Übrigen zurückzuweisen.
Diese Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch die Vorsitzende allein ergehen (§ 568 Abs. 1 ZPO i. V. m. §§ 64 Abs. 7, 53 Abs. 1 Satz 1 ArbGG).
Eine Kostenentscheidung war nicht erforderlich, da es sich bei dem Gebührentatbestand der Nr. 8613 GKG KV 8700 um eine Festgebühr handelt.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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