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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 22.07.2009
Aktenzeichen: 1 A 163/09
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 60
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 1 A 163/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Hilfe zur Erziehung; Antrag auf Zulassung der Berufung

hier: Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Hahn

am 22. Juli 2009

beschlossen:

Tenor:

Der Klägerin wird auf ihren Antrag gegenüber dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 24. Oktober 2008 - 1 K 1814/07 - Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung gewährt.

Gründe:

Dem Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 VwGO) ist stattzugeben. Sie hat dargelegt, dass die Frist zur Begründung des Antrages auf Zulassung der Berufung (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) ohne Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten versäumt wurde, welches ihr gemäß § 173 VwGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO als eigenes Verschulden zuzurechnen gewesen wäre. Zugleich hat sie die einmonatige Frist zur Beantragung der Wiedereinsetzung aus § 60 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 VwGO gewahrt und die zur Begründung dienenden Tatsachen glaubhaft gemacht (§ 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO).

Die Frist zur Begründung des Antrages auf Zulassung der Berufung gegen das mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene Urteil lief am 16.3.2009 ab. Die gemäß § 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO beim Oberverwaltungsgericht einzureichende Begründung wurde fehlerhaft an das Verwaltungsgericht gerichtet, ging dort am 16.3.2009 ein und wurde von diesem mit am 23.3.2009 eingehenden Schriftsatz an das Oberverwaltungsgericht weitergeleitet. Durch den Eingang der Begründung des Zulassungsantrages beim Verwaltungsgericht wurde die Frist nicht gewahrt (SächsOVG, Beschl. v. 29.11.2002, DÖV 2003, 301 m. w. N.).

In die hiernach versäumte Begründungsfrist ist der Klägerin gemäß § 60 Abs. 1 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ihren Prozessbevollmächtigten trifft an der Versäumung der Frist kein Verschulden.

Wenn ein Rechtsanwalt eine Prozessvertretung übernimmt, wird die Wahrung der prozessualen Fristen einer seiner wesentlichen Aufgaben, der er seine besondere Sorgfalt widmen muss. Diese besondere Sorgfaltspflicht macht es erforderlich, dass er die Wahrung der Fristen eigenverantwortlich überwacht. Dies schließt es allerdings nicht aus, dass er die Notierung, Berechnung und Kontrolle der üblichen Fristen in Rechtsmittelsachen, die in seiner Praxis häufig vorkommen und deren Berechnung keine rechtlichen Schwierigkeiten bereitet, gut ausgebildetem und sorgfältig überwachtem Büropersonal überlassen kann (BVerwG, Beschl. v. 7.3.1995, NJW 1995, 2122, Rn. 11 bei juris m. w. N.; SächsOVG, Beschl. v. 21.1.2009, 1 B 442/07; OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 26.8.2002, NVwZ-RR 2003, 73; OVG NRW, Beschl. v. 24.1.2008, NJW 2008, 1333, 1334; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 60 Rn. 21).

Allerdings ist der Rechtsanwalt selbst für die rechtlich korrekte Zuordnung eines fristgebundenen Schriftsatzes zu dem richtigen Gericht verantwortlich (BGH, Beschl. v. 23.3.1995, NJW 1995, 2105f.; SächsOVG, a. a. O.). Ihn trifft die Verantwortung für die sorgfältige Überprüfung der Bezeichnung des Gerichts, an den ein fristgebundener Schriftsatz geschickt werden soll. Dies gilt auch hinsichtlich der Überprüfung des Adressfeldes, soweit es nicht etwa nur um die richtige postalische Anschrift des vom Anwalt bestimmten Gerichts geht (BGH, a. a. O.; SächsOVG, a. a. O.; HessVGH, Beschl. v. 27.7.2006, NJW 2006, 3450).

Dieser Pflicht ist der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hier nachgekommen. Er hat den Begründungsschriftsatz überprüft und dabei die fehlerhafte Adressierung an das Verwaltungsgericht festgestellt. Er hat deshalb seine bisher beanstandungsfrei arbeitende Kanzlei-mitarbeiterin angewiesen, auf der Seite 1 des Schriftsatzes das Adressfeld zu ändern und das Sächsische Oberverwaltungsgericht als Adressat einzutragen. Sodann sollte sie den Schriftsatz an das Gericht faxen und zudem per Post versenden.

Dass die Kanzleiangestellte sodann weisungswidrig diese Aufgabe nicht selbst ausführte, sondern einer Auszubildenden die Übermittlung des Schriftsatzes übertrug, ohne zuvor selbst das Adressfeld zu ändern, führt nicht zu einem der Klägerin zuzurechnenden Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten. Hieran fehlt es, wenn der Rechtsanwalt einer bislang zuverlässigen Kanzleiangestellten eine konkrete Einzelanweisung erteilt hat die - wie hier - bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte. Ihm kann auch nicht als Verschulden vorgehalten werden, dass er den Begründungsschriftsatz bereits vor der von ihm für erforderlich gehaltenen Korrektur des Adressfeldes unterschrieben hatte. Ein Rechtsanwalt darf darauf vertrauen, dass eine bisher zuverlässig arbeitende Kanzleiangestellte eine konkrete Einzelweisung befolgt. Ihn trifft unter diesen Umständen nicht die Verpflichtung, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (BGH, Beschl. v. 30.10.2008, NJW 2009, 296, Rn. 10 bei juris, m. w. N.). Eine Kontrolle ist nur für den - hier nicht vorliegenden - Fall veranlasst, wenn die Rechtsmittelschrift mehrere für ihre Zulässigkeit relevante Fehler aufwies (BGH, Beschl. v. 30.10.2008, a. a. O.).

Ob dem Prozessbevollmächtigten hier ein Verschuldensvorwurf gemacht werden kann, weil er keine Vorkehrungen dagegen getroffen hat, dass seine Einzelweisung in Vergessenheit gerät (vgl. BGH, Beschl. v. 4.4.2007, NJW-RR 2007, 1430), bedarf hier keiner Entscheidung. Nachdem ihm die beauftragte Kanzleimitarbeiterin am Folgetag mitgeteilt hatte, dass ihr der Eingang des Faxes in dieser Sache vom Gericht bestätigt worden sei, fehlt es schon an einer Kausalität dieses etwaigen Fehlers für die Versäumung der Frist.

Die zur Begründung dienenden Tatsachen hat der Prozessbevollmächtigte durch die Vorlage von eidesstattlichen Versicherungen glaubhaft gemacht (§ 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Einer Nachholung der versäumten Verfahrenshandlung bedurfte es nicht, da die Begründung des Antrages auf Zulassung der Berufung vor Ablauf der Frist zur Beantragung der Wiedereinsetzung an das Oberverwaltungsgericht weitergeleitet wurde (vgl. § 60 Abs. 2 Satz 3) und die Begründung zudem im Antrag auf Wiedereinsetzung wiederholt wurde.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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