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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 29.10.2009
Aktenzeichen: 1 A 350/09
Rechtsgebiete: SächsBO


Vorschriften:

SächsBO § 58 Abs. 2
SächsBO § 80 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 1 A 350/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Duldungsanordnung

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und die Richterin am Verwaltungsgericht Berger

am 29. Oktober 2009

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 8. Mai 2009 - 7 K 2512/06 - wird abgelehnt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 12.000,- € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Beklagte hat nicht gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - dargelegt, dass ein Zulassungsgrund vorliegt. Das Darlegungserfordernis verlangt, dass ein Antragsteller im Zulassungsverfahren zum einen zumindest einen Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 VwGO bezeichnet und zum anderen herausarbeitet, aus welchen Gründen die Voraussetzungen des bezeichneten Zulassungsgrundes erfüllt sind. Das Oberverwaltungsgericht ist bei seiner Entscheidung über die Zulassung der Berufung darauf beschränkt, das Vorliegen der von dem Antragsteller bezeichneten Zulassungsgründe anhand der von ihm vorgetragenen Gesichtspunkte zu prüfen.

An der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung bestehen nicht die von der Beklagten allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Dieser Zulassungsgrund dient der Gewährleistung der materiellen Richtigkeit der Entscheidung des jeweiligen Einzelfalls, mithin der Verwirklichung von Einzelfallgerechtigkeit. Er soll eine berufungsgerichtliche Nachprüfung des Urteils des Verwaltungsgerichts ermöglichen, wenn sich aus der Begründung des Zulassungsantrages ergibt, dass hierzu wegen des vom Verwaltungsgericht gefundenen Ergebnisses Veranlassung besteht. Ernstliche Zweifel sind deshalb anzunehmen, wenn tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage gestellt werden, dass der Ausgang eines Berufungsverfahrens als ungewiss erscheint (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 23.6.2000, DVBl. 2000, 1458).

Das Verwaltungsgericht hat der auf die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 18.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Dresden vom 22.2.2007 gerichteten Klage stattgegeben. Die Duldungsverfügung sei rechtswidrig, weil die an den Eigentümer gerichtete Nutzungsuntersagung vom gleichen Tage, welche der Kläger zu dulden verpflichtet worden sei, selbst rechtswidrig sei. Das habe das Gericht in seinem Urteil vom 20.1.2009 (7 K 2511/06) ausgeführt.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass vorliegend die an den Eigentümer gerichtete Nutzungsuntersagung nach § 80 Satz 2 SächsBO allein aufgrund der formellen Rechtswidrigkeit habe angeordnet werden können. Sie liege im intendierten Ermessen. Ein atypischer Fall, der zu einer Steigerung der Anforderungen an die Begründung der Ermessensentscheidung führe, sei nicht gegeben.

Die Einwendungen sind nicht geeignet, die tragenden Rechtssätze oder erheblichen Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts derart in Zweifel zu ziehen, dass der Ausgang des Verfahrens als zumindest offen angesehen und die Berufung zugelassen werden muss.

Der Senat kann an dieser Stelle offen lassen, ob die Duldungsanordnung ihre Rechtsgrundlage in der allgemeinen Eingriffsbefugnis der Bauaufsichtsbehörde nach § 58 Abs. 2 SächsBO findet (so zum jeweils vergleichbaren Landesrecht: ThürOVG, Beschl. v. 11.3.1997, LKV 1997, 368 m. w. N.; OVG Berlin, Beschl. v. 26.4.2005, BauR 2006, 569) oder als ein Minus zur Nutzungsuntersagung in § 80 Satz 2 SächsBO (so zum bayrischen Landesrecht BayVGH, Beschl. v. 16.4.2007 - 14 CS 07.275). Die Duldungsanordnung ist jedenfalls ein statthaftes Mittel, um Hindernisse auszuräumen, die sich aus zivilrechtlichen Rechtspositionen Dritter für die Befolgung oder Durchsetzung bauaufsichtlich verfügter Handlungs- oder Unterlassungspflichten ergeben können (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13.7.1994, NVwZ 1995, 272). Wenn jedoch der Verwaltungsakt, dessen Befolgung oder Durchsetzung sie ermöglichen soll, rechtswidrig ist, ist die Duldungsanordnung ohne weiteres selbst auch rechtswidrig. Auf das Vorliegen der weiteren Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einer Duldungsanordnung kommt es in diesem Fall nicht mehr an.

Wie der Senat in seinem Beschluss vom 9.10.2009 (1 A 225/09) ausführte, war die Nutzungsverfügung vom 18.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.2.2007, deren Duldung mit dem hier streitbefangenen Bescheid vom gleichen Tage erzwungen werden sollte, wegen fehlerhafter Ermessensausübung rechtswidrig und deshalb vom Verwaltungsgericht zu Recht aufgehoben worden. Der Senat macht sich die im Folgenden zitierten Ausführungen auch in diesem Verfahren zu Eigen mit der Folge, dass die hier verfahrensgegenständliche Duldungsanordnung ebenfalls rechtswidrig und deshalb vom Verwaltungsgericht zu Recht aufgehoben wurde.

"Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtig ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsaktes rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 114 Satz 1 VwGO). Maßgeblich kommt es auch bei der Überprüfung der Ermessenserwägungen auf die Ausführungen des Widerspruchsbescheides an (SächsOVG, Urt. v. 18.4.2001 - 1 B 543/00 m. w. N.).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist beim Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Nutzungsuntersagung nach § 80 Satz 2 SächsBO - der Nutzung baulicher Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften - das behördliche Einschreiten als "Normalfall" intendiert (vgl. Urt. v. 3.3.1999 - 1 S 317/97; Beschl. v. 25.6.2001 - 1 B 67/01). Einer vertieften Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen bedarf es nur, wenn diese sich in einer für die Ermessensbetätigung erheblichen Weise vom Regelfall unterscheiden. Solche besonderen Umstände liegen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, hier vor. Dem Kläger wurden vom Landkreis Sächsische Schweiz mit Bescheinigung vom 26.11.1998 die abschließende Fertigstellung der baulichen Anlage bescheinigt und die Genehmigung zur Nutzung erteilt. Genehmigt wurde die Nutzung als Tennis- und Badmintonhalle und für den Publikumsverkehr durch eine nur unwesentliche Personenzahl (vgl. Befreiung vom 22.7.1997 durch das Bauordnungsamt des Landkreises Sächsische Schweiz). Die beigefügten Auflagen betreffen sämtlich nicht den Brandschutz. Die Nutzung der Halle blieb in der Folgezeit, soweit sie der genehmigten Nutzung entsprach, unbeanstandet. Die fast achtjährige Duldung der genehmigten Nutzung unterscheidet den vorliegenden Sachverhalt vom "Normalfall" (vgl. hierzu May in: Hasske/May/Hillesheim/Linow, Sächsische Bauordnung für Praktiker, 2006, § 80 Rn. 9). Das Verhalten des Landkreises Sächsische Schweiz muss sich die Beklagte als dessen Rechtsnachfolgerin zurechnen lassen. In seine Ermessenserwägungen hätte die Beklagte im vorliegenden Fall auch einstellen müssen, dass von Seiten des Bauaufsichtsamtes ......... keine brandschutztechnischen Bedenken gegen die genehmigte Nutzung der Halle als Tennis- und Badmintonanlage für nicht mehr als 16 Personen erhoben wurden. Dieser Umstand erfordert ausdrücklich eine besondere Begründung der Entscheidung, die Nutzung der Halle in Gänze zu untersagen."

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG i. V. m. Ziffer 9.4 Streitwertkatalog 2004. Der Senat folgt in seiner Streitwertentscheidung insoweit den von den Beteiligten unbeanstandeten Ausführungen des Verwaltungsgerichts.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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