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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 28.04.2009
Aktenzeichen: 1 A 532/08
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB


Vorschriften:

VwGO § 43
BauGB § 123
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 1 A 532/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Feststellung der Nichtigkeit eines Erschließungsvertrages

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Schmidt-Rottmann und die Richterin am Verwaltungsgericht Berger

am 28. April 2009

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 17. Oktober 2007 - 4 K 184/05 - wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, insbesondere ist er fristgemäß gestellt. Der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers hat die Zulassung der Berufung innerhalb der Monatsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO beantragt. Denn das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 17.10.2007 ist dem Kläger erst am 11.8.2008 wirksam zugestellt worden (§ 67 Abs. 1 VwGO, § 116 Abs. 2 VwGO, § 56 VwGO i. V. m. § 174 ZPO). Die Zustellung des Urteils an den ehemaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 28.10.2007 war hingegen nicht wirksam. Zwar sind Zustellungen und damit auch ein gemäß § 116 Abs. 2 VwGO zuzustellendes Urteil an den Bevollmächtigten zu bewirken (§ 67 Abs. 6 Satz 5 VwGO). Hier war aber zu beachten, dass Rechtsanwalt Ort sein Mandat niedergelegt hatte und dieser das Verwaltungsgericht davon bereits vor der mündlichen Verhandlung mit Telefax vom 8.10.2007 in Kenntnis gesetzt hatte (vgl. in diesem Zusammenhang BVerwG, Beschl. v. 29.1.1980, NJW 1989, 2269 sowie Urt. v. 13.12.1982, NJW 1983, 2155). Der Kläger konnte sich ab diesem Zeitpunkt selbst vor dem Verwaltungsgericht vertreten (§ 67 Abs.1 VwGO). Zustellungen waren mithin nach der Niederlegung des Mandats durch Rechtsanwalt Ort an ihn zu bewirken. Des Weiteren ist nichts dafür ersichtlich, dass dem Kläger das Urteil bereits vor seiner Zustellung am 11.8.2008 tatsächlich zugegangen sein könnte (§ 189 ZPO). Ein Hinweis darauf ergibt sich aus dem Inhalt der vorliegenden Akten jedenfalls nicht. Es spricht auch nichts dafür, dass Rechtsanwalt Ort das Urteil dem Kläger nach der Zustellung zugeleitet hat. Vielmehr weist er das Gericht mit Schreiben vom 26.3.2008 nur nochmals auf die bereits erfolgte Mandatsniederlegung hin. Das bedeutet, dass die Frist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO erst durch die Zustellung an den Kläger am 11.8.2008 und nicht bereits durch die Zustellung an seinen früheren Prozessbevollmächtigten am 28.10.2007 in Gang gesetzt wurde (§ 57 Abs. 1 VwGO).

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat nicht entsprechend § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt, dass die von ihm geltend gemachten Zulassungsgründe vorliegen.

Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel in § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO dient der Gewährleistung der materiellen Richtigkeit der Entscheidung des jeweiligen Einzelfalls, sprich der Verwirklichung von Einzelfallgerechtigkeit. Er soll eine berufungsgerichtliche Nachprüfung des Urteils des Verwaltungsgerichts ermöglichen, wenn sich aus der Begründung des Zulassungsantrags ergibt, dass hierzu wegen des vom Verwaltungsgericht gefundenen Ergebnisses Veranlassung besteht. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne sind deshalb anzunehmen, wenn der Antragsteller des Zulassungsverfahrens tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage stellt, dass der Ausgang des Berufungsverfahrens als ungewiss erscheint (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 23.6.2000, DVBl. 2000, 1458). Da sich ernstliche Zweifel auf das Entscheidungsergebnis und nicht auf die dafür gegebene Begründung beziehen, scheidet eine Zulassung der Berufung aus, wenn sich die angefochtene Entscheidung aus anderen als den vom Verwaltungsgericht angeführten Gründen im Ergebnis als richtig darstellt (SächsOVG, Beschl. v. 22.7.2002 - 5 B 103/02 - m. w. N.; st. Rspr.).

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Feststellungsklage sei unzulässig. Es fehle das Feststellungsinteresse. Das Interesse des Klägers an der Feststellung der Nichtigkeit des Erschließungsvertrages, das darauf gerichtet sei, für ihn günstigere Regelungen vereinbaren zu können, erscheine nicht hinreichend gewichtig, um seine Vertragsposition zu verbessern. Vielmehr würde ihm mit der Feststellung der Nichtigkeit des Erschließungsvertrages die Möglichkeit genommen, eine Übergabe der Erschließungsanlagen an die Beklagte zu erreichen. Soweit er Amtshaftungsansprüche anstrebe, könne er eine solche Klage unmittelbar beim Zivilgericht anstrengen.

Der Kläger wendet ein, dass ein Feststellungsinteresse bestehe. Er habe ein erhebliches wirtschaftliches Interesse daran, dass die von ihm erstellten Erschließungsanlagen entgeltlich auf die Beklagte übertragen würden. Die Anlagen hätten einen Wert von umgerechnet 270.000 €. Die Beklagte berufe sich jedoch auf die in § 9 des Erschließungsvertrages vereinbarte unentgeltliche Übertragung. Eine entgeltliche Übertragung und damit letztlich die Bezahlung der 270.000 € sei nur möglich, wenn die Nichtigkeit des Vertrages festgestellt werde. In diesem Falle stehe ihm ein Anspruch aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung bzw. aus einen verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis zu. Bei Nichtigkeit des Vertrages habe er als Privater eine gemäß § 123 Abs. 1 BauGB hoheitlich zugeordnete Aufgabe übernommen. Sein wirtschaftliches Interesse im Hinblick auf die Bezahlung der von ihm aufgewandten 270.000 € begründe das Feststellungsinteresse. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum berechtigten Interesse nach § 43 Abs. 1 VwGO seien fehlerhaft. Sein wirtschaftliches Interesse genüge. Er könne nicht unmittelbar Klage beim Zivilgericht erheben. Es handele sich bei seinem Anspruch um keinen Schadensersatzanspruch aus Deliktsrecht, sondern um einen aus einem öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis.

Diese Einwände begründen keine ernstlichen Zweifel an der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass ein besonderes Feststellungsinteresse fehlt. Dabei hat das Verwaltungsgericht die rechtlichen Maßstäbe, die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anzulegen sind, beachtet. Denn es hat darauf abgestellt, dass als Feststellungsinteresse im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO "jedes anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Art anzusehen ist, das hinreichend gewichtig ist, um die Position des Betroffenen zu verbessern" (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.6.1997, NJW 1997, 3257, vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 21.10.2004 - 3 B 76/04 -). Dabei ist mit dem Verwaltungsgericht bereits nichts dafür ersichtlich, dass sich durch die Feststellung der Nichtigkeit des Erschließungsvertrages die Rechtsposition des Klägers verbessert werden könnte. Dies gilt auch unter Berücksichtigung seines Vortrags, dass die Feststellung der Nichtigkeit nicht primär der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses diene, er vielmehr die Bezahlung der von ihm errichteten Erschließungsanlagen aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag erstreiten wolle und er sich deshalb auf wirtschaftliche Interessen berufen könne. Ein solcher Aufwendungsersatzanspruch ist nämlich offensichtlich nicht gegeben. Der Hinweis des Klägers auf § 123 BauGB, wonach die Erschließung Aufgabe der Gemeinden ist, führt dabei nicht weiter, da sich aus dieser Vorschrift ein unmittelbarer Anspruch nicht ergibt. Auch für einen Aufwendungsersatzanspruch nach § 683 BGB besteht kein Anhaltspunkt, da ein solcher nur dann in Betracht kommt, wenn ein Geschäft für einen anderen besorgt wurde (§ 677 BGB). Dies ist unter Berücksichtigung von § 123 BauGB nur der Fall, wenn eine konkrete Erschließungspflicht der Gemeinde besteht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13.2.1992, NVwZ 1992, 672; Ernst/Griiwotz in: Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Stand Oktober 2008, § 123 Rn. 11b). Eine solche Erschließungspflicht setzt grundsätzlich das Vorhandensein eines rechtswirksamen Bebauungsplans voraus. Anhaltspunkte für eine solche konkrete Erschließungspflicht sind nach dem Vorbringen des Klägers aber bereits nicht ersichtlich. Vielmehr ergibt sich aus § 1 des Erschließungsvertrages, dass nach der Investitionsplanung der Gemeinde die Herstellung der Erschließungsanlagen durch die Gemeinde in absehbarer Zeit nicht realisiert werden könne. Der Erschließungsvertrag war vielmehr nur eine Möglichkeit für den Kläger, auf diesem Wege die Bebaubarkeit des Grundstücks zu erreichen, ohne dass er hierbei ein Geschäft der Beklagten geführt hätte, da diese seinerzeit ausdrücklich die Anlagen nicht herstellen wollte. Ferner ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass auch das Anstreben eines Amtshaftungsverfahrens nicht ausreiche, um das hier höhere Anforderungen verlangende berechtigte Interesse im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO zu erfüllen, zutreffend, sie steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.6.1997 a. a. O.).

Schließlich liegt auch der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht vor. Zur Darlegung der Divergenz gehört der Vortrag, welchen entscheidungstragenden abstrakten Rechtssatz das erstinstanzliche Gericht aufgestellt hat und von welchem ebenfalls tragenden abstrakten Rechtssatz der höchstrichterlichen oder obergerichtlichen Entscheidung damit abgewichen wird. Darüber hinaus ist darzulegen, worin die geltend gemachte Abweichung liegt und warum die angegriffene Entscheidung auf dieser Abweichung beruht. Daran fehlt es hier, denn der Kläger hat lediglich eine Divergenz behauptet, ohne im Einzelnen darzulegen, worin die Abweichung bestehen noch warum die angegriffene Entscheidung auf dieser Abweichung beruhen soll.

Die Berufung ist ferner nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen. Soweit der Kläger rügt, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht das Fehlen eines Feststellungsinteresses verneint habe und deshalb fälschlich nicht in der Sache entschieden habe, lässt sich daraus kein Verfahrensfehler herleiten. Zwar ist dem Kläger darin zuzustimmen, dass er sich gegenüber dem Verwaltungsgericht auch auf den Ersatz seiner Aufwendungen berufen hat (vgl. S. 3 der Gerichtsakte i. V. m. S. 269 R der Gerichtsakte). Die Entscheidung beruht aber nicht auf diesem Verfahrensfehler, da bereits nicht die Möglichkeit besteht, dass das Verwaltungsgericht, wenn es die Möglichkeit eines Aufwendungsersatzanspruchs (§ 683 BGB) in Betracht gezogen hätte, zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre. Ein solcher Aufwendungsersatzanspruch aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag ist nämlich - wie zuvor ausgeführt - offensichtlich nicht gegeben. Auch aus der vom Kläger genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschl. v. 24.10.2006, NVwZ 2007, 227) ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass das Feststellungsinteresse hier zu bejahen und damit die Begründetheit der Klage zu prüfen und mithin in der Sache zu entscheiden gewesen wäre. Dabei liegt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bereits eine völlig andere Fallkonstellation zugrunde, nämlich die Frage der Rechtswidrigkeit einer Versetzungsentscheidung im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage (vgl. BVerwG, Beschl. v. 24.10.2006, NVwZ 2007, 619). Die Maßstäbe, die grundsätzlich bei der Prüfung des Feststellungsinteresses zu beachten sind, hat das Verwaltungsgericht in Übereinstimmung mit dieser Entscheidung beachtet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung, hinsichtlich dessen Höhe der Senat der Festsetzung des Verwaltungsgerichts folgt, auf § 47 Abs. 1 GKG i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG. Bei der Streitwertfestsetzung ist zu berücksichtigen, dass der Kläger, die von ihm begehrten Aufwendungen bereits nicht im Einzelnen benannt und belegt, insbesondere keinen konkret bezifferten Leistungsantrag gestellt hat.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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