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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 28.05.2009
Aktenzeichen: 1 A 54/08
Rechtsgebiete: SGB VIII, BGB


Vorschriften:

SGB VIII § 27
SGB VIII § 33
SGB VIII § 39
BGB § 1630 Abs. 3
Auch Großeltern, denen durch Beschluss eines Vormundschaftsgerichts alle Angelegenheiten der elterlichen Sorge i. S. v. § 1630 Abs. 3 BGB übertragen wurden, können einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege haben, wenn sie den Bedarf des Kindes nicht (mehr) freiwillig unentgeltlich decken wollen und ihm mangels Leistungsfähigkeit nicht zum Unterhalt verpflichtet sind.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 1 A 54/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Schmidt-Rottmann und die Richterin am Verwaltungsgericht Berger aufgrund der mündlichen Verhandlung

am 28. Mai 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 30. Mai 2006 - 13 K 2102/05 - geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 30. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2005 verpflichtet, den Klägern ab dem 8. Juni 2004 für L........ und W.... D.... Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege bis zu deren Volljährigkeit zu bewilligen.

Der Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung die Verpflichtung des Beklagten zur Bewilligung von Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege für die in ihrem Haushalt lebenden Enkelkinder.

Die Kläger sind die Großeltern des am 3.1.1992 geborenen L........ D.... und des am 6.2.1993 geborenen W.... D..... Sie nahmen die Jungen 1996 in ihren Haushalt auf, wo sie seitdem leben. Mit Beschlüssen des Amtsgerichts Zittau vom 3.11.2000 wurden den Klägern mit ihrer Zustimmung auf Antrag der Kindesmutter alle Angelegenheiten der elterlichen Sorge für L........ (AZ.: VIII 0067/00) und W.... (AZ.: VIII 0068/00) D.... in ihrer Eigenschaft als Pflegepersonen übertragen. Sie erhielten insoweit die Rechte und Pflichten eines Pflegers. W.... D.... besucht seit dem 1.2.2008 die Sportschule Frankfurt/Oder mit Internatsunterbringung.

Mit am 8.6.2004 beim Beklagten eingegangenem Schreiben beantragte die Klägerin zu 2. beim Beklagten die Gewährung von Leistungen zum Unterhalt einschließlich der Kosten zur Erziehung für L........ und W.... D..... Mit an beide Kläger gerichteten Bescheid vom 30.6.2005 lehnte der Beklagte diesen Antrag mit der Begründung ab, dass sie bei der Erziehung der Jungen keine Hilfe benötigten. Den hiergegen mit Schreiben vom 12.7.2005 eingelegten Widerspruch wies das Landratsamt des Landkreises Zittau mit Widerspruchsbescheid vom 31.8.2005, den Klägern zugestellt am 6.9.2005, zurück. Es gebe keine Rechtsgrundlage für die beantragte finanzielle Unterstützung der Kläger. Die Kläger seien seit der Übertragung der Vormundschaft den leiblichen Eltern gleichgestellt und als solche auch berechtigt, Leistungen der Jugendhilfe in Anspruch zu nehmen. Für die Gewährung von Hilfe zur Erziehung fehle es aber an einem notwendigen erzieherischen Bedarf der Enkelkinder. Eine Absicherung des bloßen Unterhalt der Enkelkinder außerhalb der Hilfe zur Erziehung könne vom Jugendamt nicht geleistet werden.

Die am 6.10.2005 erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Dresden mit Urteil vom 30.5.2006 - 13 K 2102/05 - ab. Die zulässige Klage sei unbegründet. Aus § 27 Abs. 1, § 33 und § 39 SGB VIII ergebe sich kein Anspruch der Kläger auf ausschließlich finanzielle Hilfe zur Unterhaltssicherung der Enkelkinder. Es sei ein Anliegen der Kläger, die Enkelkinder bei sich zu Hause zu erziehen, denen sie sich aufgrund des engen Verwandtschaftsverhältnisses persönlich verpflichtet fühlten. Sie könnten nach ihren Angaben zwar den Unterhalt der Kinder nicht mehr aufbringen, würden sie aber trotzdem bei sich behalten wollen. Eine weitergehende Unterstützung bei der Erziehung der Kinder benötigten sie nicht. Deshalb fehle es an dem notwendigen erzieherischen Bedarf, einer Voraussetzung für die Gewährung von Erziehungshilfe nach §§ 27, 33 SGB VIII. Im Übrigen bestehe ein Anspruch auf Leistungen nach § 39 SGB VIII ohnehin nur, wenn die Kläger die Betreuung der Enkel nicht in Erfüllung ihrer Unterhaltspflichten leisteten und zur unentgeltlichen Pflege nicht bereit seien. Die Kläger seien den Jungen als Großeltern zum Unterhalt verpflichtet, da deren Eltern nicht in der Lage seien, den Kindesunterhalt sicherzustellen. Sie leisteten diesen Unterhalt mit der Aufnahme und Betreuung der Enkel in ihren Haushalt in natura. Die Übernahme dieser Unterhaltspflicht durch das Jugendamt könnten sie nicht aus den §§ 27, 33 und 39 SGB VIII herleiten.

Auf den Antrag der Kläger vom 3.8.2006 hat der Senat mit Beschluss vom 21.1.2008 - 1 B 547/06 - die Berufung zugelassen.

Zur Begründung ihrer Berufung haben die Kläger Folgendes ausgeführt: Sie leisteten zwar als Großeltern die dem Wohle der Kinder entsprechende und für deren Entwicklung notwendige Erziehung selbst. Sie seien aber nicht verpflichtet, ihre Enkelkinder in Vollzeitpflege selbst zu erziehen und gleichzeitig alle damit verbundenen Kosten selbst zu tragen. Dies übersteige eine eventuelle Verpflichtung zur Zahlung von Barunterhalt bei Ausfall der leiblichen Eltern als Unterhaltschuldner bei weitem. Sie hätten die Enkel auch nicht in ihren Haushalt aufgenommen, um ihnen hierdurch Naturalunterhalt zu leisten. Die Aufnahme sei allein wegen der Erziehungsunfähigkeit der leiblichen Mutter erfolgt. Der erzieherische Bedarf der Kinder bestehe, seit diese nicht mehr bereit und in der Lage gewesen sei, diesen in der Herkunftsfamilie zu decken. Nur aus diesem Grund seien die Kinder in den Haushalt der Kläger gewechselt und ihnen am 3.11.2000 die Pflegschaft für alle Angelegenheiten der elterlichen Sorge für die Kinder übertragen worden. Zum Zeitpunkt der Antragstellung am 7.6.2004 habe sich ihre persönliche und wirtschaftliche Situation so verschlechtert, dass sie seitdem nicht mehr bereit seien, die Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege unentgeltlich zu leisten. Sie seien hierzu nicht mehr in der Lage. Ihr Selbstbehalt liege nach der Unterhaltsleitlinie des OLG Dresden, Pkt. 21.3.2 bei 1.300,- €, ab dem 1.1.2008 bei 1.400,- € pro Monat. Unterhalt von der leiblichen Mutter erhielten sie nicht. Lediglich L........ Vater zahle (unregelmäßig) einen Unterhaltsbeitrag, seit Februar 2006 i. H. v. 150,- €/Monat. Ihr monatliches Gesamteinkommen werde wegen andauernder Arbeitsunfähigkeit des Klägers zu 1. allein von der Klägerin zu 2. erwirtschaftet. Es liege einschließlich des staatlichen Kindergeldes (308,- €) und des Unterhaltes für L........ (150,- €) bei etwa 1.900,- € bis 2.000,- €. Hiervon blieben nach Abzug der Kredit-, Betriebs- und sonstigen laufenden Kosten etwa 1.000,- € für den Lebensunterhalt des vierköpfigen Haushaltes.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 30. Mai 2006 - 13 K 2102/05 - zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides des Landkreises Löbau-Zittau vom 30. Juni 2005 in Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 31. August 2005 zu verpflichten, den Klägern ab dem 8. Juni 2004 für L........ und W.... D.... Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege bis zu deren Volljährigkeit zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass die Kläger keinen Anspruch auf die Gewährung von Hilfe zur Erziehung ihrer Enkel in Vollzeitpflege haben. Es fehle an einem erzieherischen Bedarf. Mit der Übertragung des Sorgerechts auf die Kläger seien diese der leiblichen Mutter gleichgestellt und bildeten gleichsam die Herkunftsfamilie. Über eine finanzielle Unterstützung hinaus bestehe hier kein ungedeckter erzieherischer Bedarf. Soweit die Kläger aus finanziellen Gründen nicht mehr in der Lage seien, ihren Enkeln Unterhalt zu leisten, seien zunächst weitere Verwandte wie z. B. die Großeltern väterlicherseits in Anspruch zu nehmen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Dresden - 13 K 2102/05 - und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts - 1 B 547/06 - sowie 1 A 54/08 sowie des Amtsgerichts Zittau, Vormundschaftsgericht - VIII 0067/00 und VIII 0068/00 - sowie den vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Kläger haben gemäß § 39 Abs. 1 SGB VIII i. V. m. § 27 Abs. 1, § 33 SGB VIII seit dem 8. Juni 2004 im Rahmen der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege einen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen zum notwendigen Unterhalt für ihre Enkelkinder L........ und W.... D.....

Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ist auch der notwendige Unterhalt eines Kinder oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen, wenn Hilfe nach den §§ 32 bis 35 SGB VIII oder nach § 35a Abs. 2 Nr. 2 bis 4 SGB VIII gewährt wird. Der Anspruch umfasst nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII die Kosten für den Sachaufwand sowie für die Pflege und Erziehung des Kindes oder Jugendlichen. Das Pflegegeld und der Erziehungsbeitrag werden nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 dieser Norm gewährt.

Die Leistungen zum Unterhalt eines Kindes oder Jugendlichen in Vollzeitpflege nach § 39 Abs. 1 SGB VIII sind ein Annex-Anspruch zum Anspruch auf Hilfe zur Erziehung i. S. v. § 27 Abs. 1 SGB VIII, hier in der Form der Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII (vgl. Hauck/ Haines, SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, Kommentar, Stand April 2009, K § 27 Rn. 53). Nach § 27 Abs. 1 SGB VIII hat ein Personensorgeberechtigter bei der Erziehung eines Kindes oder Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. Die Hilfe zur Erziehung wird insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 SGB VIII gewährt. Art und Umfang der Hilfe richten sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall; dabei sollen das engere soziale Umfeld des Kindes oder Jugendlichen einbezogen werden (§ 27 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB VIII). Die Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege nach Maßgabe des § 33 SGB VIII soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder Jugendlichen und seinen persönlichen Bindungen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie Kindern und Jugendlichen in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten.

Inhaber des Rechtsanspruches auf Hilfe zur Erziehung und damit auch des Anspruches auf die Leistung zum notwendigen Unterhalt eines Kindes bzw. Jugendlichen nach § 39 Abs. 1 SGB VIII ist ausschließlich der Personensorgeberechtigte (vgl. SächsOVG, Urt. v. 2.7.2008 - 1 A 90/08 - m. w. N.; Hauck/Haines, a. a. O., K § 27 Rn. 14). Das sind seit dem 3.11.2000 die Kläger. Das Amtsgericht Zittau - Familiengericht - übertrug ihnen als Pflegepersonen mit Beschluss von diesem Tag (002 F 00227/00) alle Angelegenheiten der elterlichen Sorge für L........ und W.... und setzte sie insoweit als Pfleger für die Enkelkinder ein. Hieran hat sich seitdem nichts geändert.

Die Kläger leisten L........ und W.... in einer Verwandtenpflegestelle notwendig gewordene Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege i. S. v. § 27 Abs. 1, § 33 SGB VIII. Die Kinder leben seit Dezember 1996 dauerhaft im Haushalt der Kläger. Die leibliche Mutter, die allein mit ihren Söhnen die Herkunftsfamilie beider Jungen darstellt, war zur Wahrnehmung ihrer elterlichen Betreuungs- und Erziehungsaufgaben weder bereit noch in der Lage und überließ deshalb den Klägern seit 1996 alle Betreuungs- und Erziehungsaufgaben. Die Väter der Jungen erzogen und erziehen die Kinder nicht. Nach einer Stellungnahme des Jugendamtes des Landkreises Löbau - Zittau vom 16.10.2000 war die Mutter auch nach der Übergabe der Jungen in die Obhut der Kläger nicht (mehr) bereit, die Betreuung und Erziehung von L........ und W.... (wieder) zu übernehmen. Hieran hat sich im Verlaufe der folgenden Jahre nichts geändert. Die Kläger standen und stehen weiterhin anstelle der Mutter in Verantwortung für die Pflege und Erziehung der Jungen.

Ein Anspruch auf Hilfe zur Erziehung entfällt nach § 27 Abs. 2 a SGB VIII nicht deshalb, weil eine andere unterhaltspflichtige Person bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen, wenn eine Erziehung des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses erforderlich ist. Die Gewährung von Hilfe zur Erziehung setzt in diesem Fall lediglich voraus, dass diese Person bereit und geeignet ist, den Hilfebedarf in Zusammenarbeit mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach Maßgabe der §§ 36 und 37 zu decken. Diese Voraussetzungen erfüllten und erfüllen die Kläger unstreitig. L........ und W.... D.... erfahren bei ihren Großeltern eine angemessene Pflege und Erziehung. Die Kläger sehen zwar keinen Bedarf an einer Begleitung ihrer erzieherischen Tätigkeit, verweigerten diese nach den insoweit übereinstimmenden Aussagen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung aber auch nicht.

Die Pflegefamilie wird auch in solchen Fällen der Verwandtenpflege, wenn die Pflegenden z. B. die Großeltern sind und/oder sie das Sorgerecht für die Kinder übertragen bekommen haben, nicht zu einer "neuen" oder "alternativen" Herkunftsfamilie (vgl. BVerwG, Urt. v. 4.9.1997, NWVBl 1998, 228 zum Fall eines zum Vormund bestellten Großvaters; BVerwG, Urt. v. 15.12.1995, NJW 1996, 2385 zum personensorgeberechtigten Vormund). Die Kläger übernahmen vielmehr an Stelle der Mutter im Umfang der Übertragung der Angelegenheiten der elterlichen Sorge die Rechte und Pflichten von Pflegern (§ 1630 Abs. 3 BGB). Der Umstand, dass die Kläger ihren Enkeln an Stelle der leiblichen Eltern die notwendige Erziehung und Betreuung angedeihen lassen, lässt den Bedarf an Hilfe zur Erziehung, der in der Herkunftsfamilie der Kinder bestand und besteht, deshalb nicht entfallen. Es ist mithin nicht erforderlich, dass auch in der nunmehrigen Pflegefamilie ein erzieherisches Defizit vorliegt, dem mit Mitteln der Hilfe zur Erziehung begegnet werden müsste (so auch OVG Bremen, Urt. v. 16.11.2005, NordÖR 2006, 218). Ein solches Defizit würde eher dazu führen, die erzieherische Eignung der Pflegefamilie in Frage zu stellen.

Zu beachten ist allerdings insbesondere bei der Verwandtenpflege, dass allein der Umstand, dass die Eltern dem Anspruch des Kindes auf Pflege und Erziehung in eigener Person nicht gerecht werden, für sich genommen noch nicht notwendig bewirkt, dass der erzieherische Bedarf ohne Hilfe zur Erziehung nicht gedeckt ist. Die erforderliche Betreuung und Erziehung minderjähriger Kinder durch einen Vormund oder einen Verwandten kann nämlich auch ohne öffentliche Jugendhilfe geleistet werden. Wenn und solange dieser Verwandte im Einvernehmen mit dem Personensorgeberechtigten oder gar als eingesetzter Personensorgeberechtigter den erzieherischen Bedarf des Kindes freiwillig unentgeltlich deckt, ist öffentliche Hilfe zur Erziehung nicht notwendig i. S. v. § 27 Abs. 1 SGB VIII und besteht damit auch kein Anspruch auf die Leistung von Unterhalt gemäß § 39 SGB VIII (BVerwG, Urt. v. 12.9.1996, NJW 1997, 2831).

Den Klägern als den personensorgeberechtigten Großeltern von L........ und W.... steht seit dem 8.6.2004 ein Anspruch auf die Leistung von Unterhalt für die ihren Enkeln gewährte Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege zur Seite, weil sie die Betreuung der Enkelkinder nicht in Erfüllung einer Unterhaltspflicht leisten und seit dem 8.6.2004 zur unentgeltlichen Pflege nicht mehr bereit sind.

Zum Unterhalt waren die Kläger L........ und W.... jedenfalls seit Juni 2004 mangels Leistungsfähigkeit nicht verpflichtet. Wie die von den Klägern vorgelegten Einkommenssteuerbescheide der Jahre 2003 bis einschließlich 2006 und die betriebswirtschaftliche Auswertung mit Abschlusswerten der von der Klägerin zu 2. betriebenen "P....D....." für das Jahr 2007 ergeben, waren die Kläger ihren Enkeln nach Ziffer 21.3.2. der Unterhaltsleitlinien des Oberlandesgerichts Dresden mangels Leistungsfähigkeit in dieser Zeit nicht unterhaltspflichtig. Die finanzielle eingeschränkte Situation der Kläger wurde nicht zuletzt durch die dauerhafte Berufsunfähigkeit des Klägers zu 1. hervorgerufen, an ihr wird sich auch in naher Zukunft nichts ändern. Die durch die Kläger geleistete Erziehung ihrer Enkelkinder kann deshalb nicht als Erfüllung einer sie treffenden Unterhaltspflicht in natura betrachtet werden.

Die Kläger waren spätestens seit Juni 2004 zu einer unentgeltlichen Pflege ihrer Enkelkinder auch nicht mehr bereit. Das haben sie durch ihren Antrag auf Hilfe zur Erziehung deutlich gemacht (vgl. BVerwG, Urt. v. 4.9.1997, a. a. O.; OVG NRW, Urt. v. 6.9.2004 - 12 A 3625/03 - zitiert nach juris). Können Großeltern nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen den nach jugendhilferechtlichem Maßstab bemessenen notwendigen Unterhalt eines zur Pflege in ihren Haushalt aufgenommenen Enkelkindes nicht sicherstellen, ist zu vermuten, dass sie zu dessen unentgeltlicher Pflege nicht bereit sind. Die Bereitschaft und der Wunsch der Kläger, L........ und W.... in ihrer Pflegefamilie behalten wollen, impliziert nicht die fortdauernde Bereitschaft, dies auch unentgeltlich zu tun. Auf die Beantwortung der Frage, ob es die Kläger in Kauf genommen hätten, dass L........ und W.... aus ihrer Pflegefamilie herausgenommen worden wären, kommt es bei der Beurteilung, ob sie weiter zur unentgeltlichen Pflege der Enkel bereit waren, deshalb entscheidungserheblich nicht an.

Die Verpflichtung zur Bewilligung von Hilfe zur Erziehung ist auf den Eintritt der Volljährigkeit der Enkelkinder als derzeit absehbarem Zeitraum für ein Fortbestehen des Hilfebedarfs zu befristen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss

Der Gegenstandswert des gerichtskostenfreien Verfahrens wird auf 25.000,- € festgesetzt.

Gründe

Die Kläger und ihre Prozessbevollmächtigte haben die Gegenstandswertfestsetzung in der mündlichen Verhandlung beantragt (§ 33 Abs. 2 Satz 2 RVG). Die Beteiligten gehen übereinstimmend von einem Gegenstandswert in der festgesetzten Höhe aus. Diese Einschätzung der Höhe des wirtschaftlichen Interesses wird vom Senat geteilt.

Dieser Beschluss ist gemäß § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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