Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 06.03.2009
Aktenzeichen: 1 A 65/08
Rechtsgebiete: SGB VIII, SGB X


Vorschriften:

SGB VIII § 27 Abs. 1
SGB VIII § 33
SGB VIII § 39
SGB VIII § 86 Abs. 6 S. 1
SGB VIII § 86c S. 1
SGB VIII § 89c Abs. 1 S. 1
SGB X § 111 S 1
Der Anspruch auf Kostenerstattung nach § 89c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII unterliegt der Aus-schlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X. Er erlischt mit der Versäumung der Ausschlussfrist. Der Erstattungsanspruch kann auch konkludent geltend gemacht werden, erforderlich ist mindestens ein unbedingtes Einfordern der Leistung.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 1 A 65/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Kostenerstattung gemäß § 89c SGB VIII

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und die Richterin am Verwaltungsgericht Berger ohne mündliche Verhandlung

am 6. März 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 15. Dezember 2005 - 5 K 1820/03 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beklagte wendet sich mit der vom Senat zugelassenen Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz, mit der sie zur Kostenübernahme der Kosten für die vom Kläger geleistete Hilfe zur Erziehung für D.... V...... verpflichtet wurde.

D.... V...... wurde am 25.2.1992 geboren und lebt seitdem im Haushalt seiner Großmutter B..... V....... Diese war zunächst in W...... wohnhaft. Die Mutter, D.... V......, verließ das Kind kurz nach seiner Geburt. Die Großmutter wandte sich daraufhin hilfesuchend an das Kreisjugendamt Plauen, welches ihr mit Bescheid vom 15.9.1992 ab dem 1.7.1992 Hilfe zur Erziehung in Form von Pflegegeld gewährte. Mit Beschluss des Kreisgerichts Plauen vom 24.9.1992 wurde festgestellt, dass die elterliche Sorge der Mutter für D.... V...... aus tatsächlichen Gründen ruht. Für ihn wurde eine Vormundschaft angeordnet und Frau B..... V...... zum Vormund bestellt. Mit weiteren Bescheiden des Jugendamtes beim Landratsamt Plauen vom 10.8.1994 und 29.12.1995 sowie des Landratsamtes Vogtlandkreis vom 17.1.1997 wurde das Pflegegeld jeweils neu festgesetzt. Mit Bescheid vom 23.1.1997 gab der Kläger darüber hinaus dem Antrag von Frau B..... V...... auf Übernahme der Elternbeiträge für den Besuch des Kindergartens statt. Mit Bescheid vom 14.12.1998 setzte der Kläger das Pflegegeld auf nunmehr 1.066,- DM fest.

Im März 1999 informierte Frau B..... V...... den Kläger über den Umzug der Familie mit D.... V...... nach Plauen. Der Kläger zeigte der Beklagten daraufhin mit Schreiben vom 11.3.1999 und unter auszugsweiser Vorlage der wirtschaftlichen Jugendhilfeakte den Zuständigkeitswechsel nach § 86 Abs. 6 SGB VIII an mit der Bitte um Übernahme des Falles in die örtliche Zuständigkeit. Die Beklagte lehnte die Übernahme der Zuständigkeit mit Schreiben vom 31.5.1999 bis zur Vorlage eines Kostenanerkenntnisses durch das Jugendamt Daun ab. Hier hatte sich der Kläger seit August 1997 vergeblich um Kostenerstattung für die ab 1993 geleistete Jugendhilfe bemüht.

Das Amtsgericht Plauen übertrug Frau B..... V...... mit Beschluss vom 10.6.1999 die Personensorge für D.... V...... als Pflegeperson (AZ.: VII 105/92). Mit Bescheid vom 14.12.1999 setzte der Kläger das Pflegegeld mit Wirkung zum 1.1.2000 auf 1.056,- DM neu fest. Mit Bescheid vom 9.3.2001 lehnte er mit Wirkung vom 1.4.2001 die Fortsetzung der Hilfegewährung wegen Unzuständigkeit ab. Dem Widerspruch von Frau Beate Vogel vom 10.3.2001 half der Kläger mit Bescheid vom 23.5.2001 ab, hob den Bescheid vom 2.4.2001 (gemeint ist offensichtlich der 9.3.2001) auf und setzte die bewilligte Hilfe zur Erziehung fort. Am 31.5.2001 wurde das Pflegegeld auf nunmehr 1.079,- DM festgesetzt. Nachfolgende Bescheide betreffen Zeiträume ab dem 1.1.2002.

Mit am 25.11.2003 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben forderte der Kläger die Beklagte "nochmals" auf, die Jugendhilfeleistung in ihre Zuständigkeit zu übernehmen. Außerdem machte er einen Kostenerstattungsanspruch gemäß § 89c SGB VIII in Höhe der ab dem Zuständigkeitswechsel erbrachten Jugendhilfeleistungen geltend. Die Beklagte wies den Kostenerstattungsanspruch mit Schreiben vom 15.12.2003 zurück.

Am 23.12.2003 erhob der Kläger vor dem Verwaltungsgericht Chemnitz Klage auf Verpflichtung der Beklagten, ihm Kosten für die geleistete Hilfe zur Erziehung des D.... V...... für den Zeitraum vom 10.3.1999 bis schließlich zum 31.12.2001 (18.004,63 €) sowie Kosten für die Übernahme von Kindertagesstättengebühren für den Zeitraum 10.3.1999 bis 30.6.1999 (309,17 €) zu erstatten. Das Verwaltungsgericht gab der Klage mit Urteil vom 15.12.2005 - 5 K 1820/03 - statt. Der Kläger habe einen Anspruch auf Erstattung der erbrachten Hilfeleistung für D.... V...... gegen die Beklagte gemäß § 89c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII. Die Beklagte sei nach dem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit für die Hilfegewährung zuständig geworden. Zunächst sei der Kläger gemäß § 86 Abs. 6 SGB VIII für die Hilfegewährung örtlich zuständig gewesen. Mit dem Umzug von D.... und B..... V...... im März 1999 in das Stadtgebiet der Beklagten sei die örtliche Zuständigkeit auf den dortigen Träger der Jugendhilfe gewechselt. Die Hilfe zur Erziehung sei vom Kläger nicht rechtswidrig gewährt worden. Bereits 1992 habe J.... V...... (gemeint ist offensichtlich B..... V......) schon vor ihrer Bestellung zum Vormund für D...., mündlich einen Antrag auf Bewilligung von Jugendhilfemaßnahmen gestellt und dies am 31.5.2001 gegenüber der Behörde bestätigt. Einer Form bedürfe der Antrag nicht. Die Leistungen der Hilfe zur Erziehung seien auch nicht gegen den Willen der Kindesmutter gewährt worden. Diese habe zwar zunächst keine Kenntnis von der Hilfeleistung gehabt, sich in der Folgezeit aber nicht dagegen ausgesprochen. Die Voraussetzungen für die Hilfegewährung nach § 27 SGB VIII hätten vorgelegen. Frau B..... V...... sei auf die Unterstützung angewiesen gewesen. Sie habe deshalb die Hilfe zur Erziehung nicht unentgeltlich bzw. in Erfüllung einer Unterhaltspflicht geleistet.

Auf den Antrag der Beklagten vom 26.1.2006 hat der Senat die Berufung gegen das Urteil mit Beschluss vom 21.1.2008 - 1 B 102/06 - zugelassen.

Zur Begründung ihrer Berufung führt die Beklagte im Wesentlichen aus: Der Kläger habe erstmals mit Schreiben vom 20.11.2003 bei der Beklagten Kostenerstattung beantragt, weshalb der für den streitgegenständlichen Zeitraum geltend gemachte Anspruch gemäß § 111 SGB X ausgeschlossen sei. Das Schreiben vom 10.3.1999 sei lediglich eine Zuständigkeitswechselanzeige. Einen Anspruch auf Kostenerstattung habe der Kläger nicht zugleich gestellt. Sie habe den Fall schon deshalb nicht übernehmen können, weil ihr der Kläger die dazugehörige Verwaltungsakte nicht vorgelegt habe. Diese sei zur Übernahme der Sache aber dringend erforderlich. Sie habe die Übernahme außerdem von der Klärung des vom Kläger gegenüber dem Landkreis Daun geltend gemachten Erstattungsanspruches abhängig gemacht. Im Übrigen sei die Hilfe zur Erziehung rechtswidrig gewährt worden. Es sei weder belegt, dass die Großmutter nicht (mehr) bereit gewesen sei, ihrem Enkel diese Hilfe unentgeltlich angedeihen zu lassen, noch ob sie ihm im Rahmen ihrer Unterhaltsverpflichtungen die Hilfe zur Erziehung leistete.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 15. Dezember 2005 - 5 K 1820/03 - abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass die Berufung unbegründet ist. Der Anspruch sei nicht nach § 111 SGB X ausgeschlossen. Bereits mit Schreiben vom 11.3.1999 habe der Kläger die Beklagte über den Zuständigkeitswechsel informiert. Die Beklage sei nach § 86 Abs. 6 SGB VIII verpflichtet gewesen, den Fall zu übernehmen. Sie habe sich jedoch pflichtwidrig geweigert, den Fall zu übernehmen, bis das Jugendamt Daun eine bis dahin verweigerte Kostenübernahme erklärt habe. Ihr sei ab der Anzeige des Zuständigkeitswechsels bekannt gewesen, dass sie zur Erstattung der Kosten, die der Kläger im Rahmen des § 86c SGB VIII aufgebracht habe, verpflichtet sei. Aus der Forderung, den Fall zu übernehmen, ergebe sich kraft Gesetzes auch die Folge der Kostenerstattung. Eines ausdrücklichen Hinweises hierauf habe es nicht bedurft. Im Übrigen habe die Beklagte mit einem Schreiben vom 30.11.2005 den Kostenerstattungsanspruch für die Zeiträume vom 1.2.1999 bis zum 31.12.2004 vorerst anerkannt. Sie setze sich hierzu nunmehr in Widerspruch. Die Hilfe zur Erziehung sei auch nicht rechtswidrig gewährt worden. Frau B..... V......, der Vormund D....s, habe diese Hilfe bereits im Jahr 1992 beantragt. Dies habe sie am 31.5.2001 schriftlich bestätigt. Außerdem habe sie bei der Einstellung der Hilfeleistungen durch den Kläger klar zum Ausdruck gebracht, diese Hilfe in Anspruch nehmen zu wollen. Die finanzielle Situation der Familie habe auch die Gewährung finanzieller Hilfe erforderlich gemacht. Deshalb sei auch zu keinem Zeitpunkt davon auszugehen gewesen, dass die Großmutter D.... die Hilfe habe unentgeltlich leisten wollen. Frau Vogler sei ihrem Enkel mangels Leistungsfähigkeit auch nicht zum Unterhalt verpflichtet gewesen. Sie sei schon 1992 arbeitslos gewesen. Ihr Mann habe als Kraftfahrer gearbeitet. Die Situation habe sich bis 2003 nicht gebessert. Zu diesem Zeitpunkt seien beide Großeltern arbeitslos und auf Sozialhilfe angewiesen gewesen.

Die Beteiligten haben mit Erklärung vom 4. und 23.6.2008 auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte über das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht, die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Chemnitz (5 K 1820/03, 5 K 1250/03 und 5 K 1161/03) sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Klägers und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet aufgrund des übereinstimmenden Verzichts der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch aus § 89c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII gegenüber der Beklagten auf Kostenerstattung für die im Zeitraum vom 10.3.1999 bis 31.12.2001 gemäß §§ 27 Abs. 1, 33 und 39 SGB VIII in Form von Pflegegeld und der Übernahme von Kindergartengebühren geleistete Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege für D.... V....... Ein solcher Anspruch ist gemäß § 111 Satz 1 SGB X ausgeschlossen. Auf die Frage, ob der Kläger die Hilfe zur Erziehung rechtmäßig geleistet hat, kommt es deshalb nicht an.

Nach § 89c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86c aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, der nach dem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit zuständig geworden ist.

Der Kläger war für eine Hilfe zur Erziehung des D.... V...... i. S. v. §§ 27, 33, 39 SGB VII - das Vorliegen der sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen im Folgenden unterstellt - zunächst nach § 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII örtlich zuständig, weil die Großmutter D....s, die seine Pflege dauerhaft übernommen hatte, in seinem Zuständigkeitsbereich wohnhaft war. Wie sich aus den Unterlagen weiter ergibt und zwischen den Parteien unstreitig ist, mietete die Großmutter zum 1.2.1999 im Jugendamtsbereich der Beklagten eine Wohnung und verzog Anfang März mit ihrem Mann und D.... hierhin. Mit dem Umzug ging die örtliche Zuständigkeit für die Gewährung öffentlicher Jugendhilfe gemäß § 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII auf die Beklagte über (vgl. Grube in: Hauck, Sozialgesetzbuch SGB VIII, 2007, K § 86 Rn 37), was der Kläger der Beklagten mit Schreiben vom 10.3.1999 auch anzeigte.

Der Wechsel der örtlichen Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers ist über den Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts (hier) der Pflegeperson hinaus nicht an weitere Voraussetzungen gebunden. Mit dem Einwand, der Beklagte habe ihr nicht die vollständigen Verwaltungsvorgänge zur Verfügung gestellt, vermochte die Beklagte die Begründung ihrer örtlichen Zuständigkeit deshalb nicht zu verhindern. Der Zuständigkeitswechsel wäre auch eingetreten, wenn die Beklagte vom Umzug überhaupt nicht in Kenntnis gesetzt worden wäre (vgl. z. B.: BVerwG, Urt. v. 14.11.2002 - 5 C 52/01, Buchholz 436.511 § 89c KJHG/SGB VIII Nr. 2). Auch die zwischen dem Kläger und dem Landkreis Daun streitig gebliebene Frage nach einer Kostenerstattungspflicht des Jugendamtes Daun blieb für den Wechsel der örtlichen Zuständigkeit ohne Bedeutung. Ein solcher Anspruch auf Kostenerstattung gegen den Landkreis Daun ginge nach § 89a Abs. 1 Satz 2, 1. Alternative SGB VIII schlicht mit der Begründung der neuen örtlichen Zuständigkeit vom Kläger auf die Beklagte über.

Da die Beklagte mit Schreiben vom 31.5.1999 die Übernahme der Zuständigkeit ablehnte, blieb der Kläger gemäß § 86c Satz 1 SGB VIII trotz des Zuständigkeitswechsels fortdauernd zur Leistung verpflichtet. Unstreitig hat der Kläger im streitigen Zeitraum 10.3.1999 bis 31.12.2001 auf der Grundlage seiner Bescheide vom 14.12.1998, 14.12.1999, 9.3.2001 und 23.5.2001 Hilfe zur Erziehung für D.... geleistet. Das Pflegegeld wurde Frau B..... V...... jeweils für den laufenden Monat auf ihr Konto überwiesen bzw. für den Zeitraum vom 9.3.2001 bis 23.5.2001 auf der Grundlage des Bescheides vom 23.5.2001 unverzüglich nachgezahlt.

Der Kläger ist jedoch mit seinem Anspruch auf Erstattung der von ihm zwischen dem 10.3.1999 und 31.12.2001 aufgewendeten Kosten nach § 111 Satz 1 SGB X ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Bei laufenden Leistungen ist auf den Zeitraum abzustellen, für den bzw. in dem die einzelne Leistung jeweils erbracht worden ist. Die Einschränkung des Satzes 2 dieser Vorschrift, wonach der Lauf der Frist frühestens mit dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt, ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Sie hat in der Jugendhilfe überhaupt keine Auswirkungen (vgl. Stähr in: Hauck, SGB VIII, a. a. O., K 89 Rn. 9 m. w. N; Klattenhoff in: Hauck/Noftz, SGB X, K § 111 Rn. 10 m. w. N.). Die Regelung betrifft lediglich Fälle, in denen ein Sozialleistungsträger nachträglich Sozialleistungen in Unkenntnis des Umstandes bewilligt, dass ein anderer Sozialleistungsträger bereits Sozialleistungen gewährt hatte (so auch: BayVGH, Beschl. v. 22.8.2001 unter Berufung auf die Begründung der Bundesregierung zu § 111 Satz 2 SGB X - 12 B 99.889 - Rn. 15 f. bei juris; NdsOVG, Urt.v. 10.4.2002 - 4 LB 3480/01, NdsRpfl 2002, 374 ff; BSG, Urt. v. 10.5.2005 - B 1 KR 20/04 R - zitiert nach juris).

Die zwölfmonatige Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X hat der Kläger versäumt. Er hat erstmals mit Schreiben vom 20.11.2003 Kostenerstattung für die im streitigen Zeitraum 10.3.1999 bis 31.12.2001 gemäß § 86c SGB VIII erbrachten Leistungen verlangt.

Entgegen der Auffassung des Klägers kann in seinem Schreiben zum Wechsel der örtlichen Zuständigkeit vom 11.3.1999 ein Antrag auf Kostenerstattung nicht gesehen werden. Mit diesem genügte er lediglich seiner in § 86c Satz 2 SGB VIII begründeten Mitteilungspflicht gegenüber der Beklagten. Der Kläger wollte erreichen, dass ihm der Vorgang zeitnah zum Zuständigkeitswechsel von der Beklagten übergenommen wird. Dass das Schreiben nicht zugleich auch eine Erklärung enthält, Kostenerstattung i. S. v. § 89c SGB VIII von der Beklagten zu verlangen, ergibt sich aus dem Inhalt des Schreibens selbst. Dieses erschöpft sich in der Bitte um Übernahme des Falles unter Bezugnahme auf einen eingetretenen Zuständigkeitswechsel. Zur Geltendmachung des Erstattungsanspruches bedarf es einer unmissverständlichen Erklärung, dass Kostenerstattung begehrt wird. Ausreichend ist insoweit jede Mitteilung, aus der deutlich wird, dass ein Erstattungsanspruch erhoben ist. Auch eine konkludente Geltendmachung genügt (vgl. BVerwG, Urt. v. 4.3.1993 - 5 C 6.91, BVerwGE 92, 167 ff). Der Rechtssicherungswille muss allerdings deutlich erkennbar sein (vgl.: BVerwG, Urt. v. 10.4.2003 - 5 C 18/02, FEVS 54, 495 ff; BSG, Urt. v. 22.8.2000 - B 2 U 24/99 R, SozR 3-1300 § 111 Nr. 9; NdsOVG, Urt. v. 10.4.2002 - 4 LB 3480/01 -, a. a. O.; Klattenhoff, a. a. O., SGB X, K § 111 Rn. 5). Erforderlich ist zumindest die Angabe der anspruchsbegründenden Tatsachen, insbesondere über Art und Umfang der gewährten Jugendhilfe einschließlich des Zeitraumes, in dem die Leistungen erbracht wurden. Eine genaue Bezifferung der Kosten ist im Zeitpunkt ihrer Geltendmachung dagegen noch nicht erforderlich (vgl. NdsOVG, Urt. v. 10.4.2002, a. a. O.; Stähr, a. a. O., K § 89 Rn. 9). Im Übrigen verlangt die Geltendmachung eines Erstattungsanspruches gemäß § 111 SGB X im Hinblick auf die bezeichneten Mindestanforderungen notwendig ein unbedingtes Einfordern der Leistung. Ein (hier nicht einmal erfolgtes) bloß vorsorgliches Anmelden eines möglicher Weise noch entstehenden Anspruches kann ihnen nicht genügen (vgl. BSG, Urt. v. 22.8.2000 - B 2 U 24/99 R, a. a. O., mit Ausführungen zu den (hier nicht vorliegenden) Voraussetzungen einer Geltendmachung des Erstattungsanspruches vor seiner Entstehung; BayVGH, Beschl. v. 22.8.2001 - 12 B 99.889, a. a. O.). Die Anzeige des Zuständigkeitswechsels vom 10.3.1999 genügt diesen Mindestanforderungen nicht. Ein Rechtssicherungswille in Bezug auf mögliche Erstattungsansprüche ist nicht erkennbar. Die Beklagte als Empfängerin der Willenserklärung hat einen solchen Willen des Klägers im Schreiben vom 11.3.1999 folgerichtig auch nicht erkannt. Zum anderen ergibt sich aus dem Zeitmoment, dass der Kläger nicht auch Kostenerstattung verlangt haben kann. Die Kosten, deren Erstattung der Kläger nunmehr fordert, waren am 11.3.1999 noch nicht entstanden. Es war für den Kläger nach den vorliegenden Umständen nicht vorhersehbar, dass und in welchem Umfang sie entstehen würden. Der Kläger musste nicht bereits bei der Anzeige des Zuständigkeitswechsels damit rechnen, dass die Beklagte den Fall (fehlerhaft) nicht in ihre örtliche Zuständigkeit übernehmen würde. Hätte die Beklagte auf die Anzeige des Zuständigkeitswechsels - wie vom Kläger mit eben diesem Schriftsatz erbeten - den Jugendhilfevorgang in ihre örtliche Zuständigkeit übernommen, wäre der Kläger zur fortgesetzten Leistung nach § 86c SGB VIII nicht verpflichtet gewesen und wären die nunmehr streitigen Kosten nicht entstanden. Der Einwand des Klägers, dass der Erstattungsanspruch gesetzlich normiert sei, weshalb es einer ausdrücklichen Geltendmachung desselben über die Zuständigkeitswechselanzeige hinaus nicht bedürfe, überzeugt nicht. In diesem Fall bedürfte es der Normierung der Ausschlussfrist in § 111 SGB X nämlich überhaupt nicht mehr. Eine solche Annahme liefe auch Sinn und Zweck der Vorschrift zuwider, nämlich zwischen den Beteiligten möglichst rasch klare Verhältnisse darüber zu schaffen, ob eine Erstattungspflicht besteht.

Mit der Versäumung der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X erlischt der Erstattungsanspruch kraft Gesetzes (vgl. BVerwG, Urt. v. 4.3.1993 - 5 C 6/91, BVerwGE 92, 167 ff). Der Kläger kann sich zur Durchsetzung seines geltend gemachten Anspruches deshalb nicht erfolgreich auf ein Schreiben der Klägerin vom 30.11.2005 berufen, in welchem die Beklagte nach Angaben des Klägers einen "... dortigen Anspruch vorerst anerkannt [hat] für die Zeiträume 1.2.1999 - 31.12.1999 und 1.1.2000 - 31.12.2001 ...". Ohnehin wäre diese Erklärung eine nur vorläufige gewesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 18.313,80 € festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück