Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 08.09.2009
Aktenzeichen: 1 A 742/08
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 34 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Sächsisches OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 1 A 742/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Bauvorbescheid für Neubau eines Lebensmittelmarktes, einer Kleingartenanlage sowie 2 Einfamilienhäuser,

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und die Richterin am Verwaltungsgericht Berger

am 8. September 2009

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 23. Juli 2008 - 4 K 58/07 - wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 120.000,- € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der Senat lässt dabei offen, ob der Klägerin wegen der Versäumung der Frist zur Begründung ihres Antrages auf Zulassung der Berufung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewesen wäre. Die Klägerin hat jedenfalls nicht entsprechend § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt, dass die von ihr geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeit der Sache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) oder des Vorliegens eines Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) vorliegen.

Das Darlegungserfordernis verlangt, dass ein Antragsteller im Zulassungsverfahren zum einen zumindest einen Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 VwGO bezeichnet und zum anderen herausarbeitet, aus welchen Gründen die Voraussetzungen des bezeichneten Zulassungsgrundes erfüllt sind. Das Oberverwaltungsgericht ist bei seiner Entscheidung über die Zulassung der Berufung darauf beschränkt, das Vorliegen der vom Antragsteller bezeichneten Zulassungsgründe anhand der von ihm vorgetragenen Gesichtspunkte zu prüfen.

Die von der Klägerin genannten Zulassungsgründe liegen sämtlich nicht vor.

1. An der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Dieser Zulassungsgrund dient der Gewährleistung der materiellen Richtigkeit der Entscheidung des jeweiligen Einzelfalls, mithin der Verwirklichung von Einzelfallgerechtigkeit. Er soll eine berufungsgerichtliche Nachprüfung des Urteils des Verwaltungsgerichts ermöglichen, wenn sich aus der Begründung des Zulassungsantrages ergibt, dass hierzu wegen des vom Verwaltungsgericht gefundenen Ergebnisses Veranlassung besteht. Ernstliche Zweifel sind deshalb anzunehmen, wenn tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage gestellt werden, dass der Ausgang eines Berufungsverfahrens als ungewiss erscheint (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 23.6.2000, DVBl. 2000, 1458).

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Erteilung eines Vorbescheids nach §§ 72, 75 SächsBO zur planungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens Neubau eines Lebensmittelmarktes (<800m² Nettoverkaufsfläche, <1.200m² bruttobebaute Fläche), einer Kleingartenanlage (Grünfläche, Freizeit und Erholung) sowie zwei Einfamilienhäusern auf dem Flurstück Nr. F1.. der Gemarkung .............. Das einheitliche Gesamtvorhaben sei planungsrechtlich unzulässig. Das Flurstück befinde sich im unbeplanten Innenbereich. Die nähere Umgebung stelle, wie die Augenscheinseinnahme ergeben habe, ein nicht mehr reines und noch nicht allgemeines Wohngebiet dar. Das Vorhaben füge sich nach der Art der baulichen Nutzung nicht in die Eigenart dieser näheren Umgebung ein. Es überschreite den Rahmen der Umgebungsbebauung und verursache bodenrechtlich beachtliche Spannungen. Durch das Vorhaben werde ein hohes Verkehrsaufkommen in das Gebiet getragen. Darüber hinaus löse es eine negative Vorbildwirkung aus. In der näheren Umgebung gäbe es weitere Flurstücke, die mit einem ähnlichen Bauvorhaben bebaut werden könnten.

Die hiergegen erhobenen Einwände der Klägerin geben keine Veranlassung zu der Annahme, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung in einem Berufungsverfahren abzuändern sein könnte. Nach Auffassung der Klägerin stellt die weiter gefasste nähere Umgebung des Vorhabenstandortes ein Mischgebiet dar. Hier füge sich das Vorhaben sowohl nach der Art als auch dem Maß der baulichen Nutzung ein. Es überschreite nicht den Rahmen der Umgebungsbebauung und löse keine bodenrechtlichen Spannungen aus.

Diese Ausführungen begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Die Klägerin hat weder die vom Verwaltungsgericht zutreffend angewandten Maßstäbe für die Bestimmung der näheren Umgebung des Vorhabenstandortes und für die Beurteilung des Gebietscharakters dieser näheren Umgebung noch die vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zu den tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten in der Sache angegriffen. Sie stellt lediglich die Bewertung der durch das Verwaltungsgericht festgestellten Tatsachen in Frage und setzt dieser eine eigene Wertung entgegen. Indem die Klägerin das Gebiet der näheren Umgebung weiter fasst, schließt sie einen ......-Markt, eine ....-Kaufhalle sowie Autohäuser in die Bestimmung der Art der baulichen Nutzung der näheren Umgebung mit ein und bewertet das größere Gebiet als ein Mischgebiet, in welchem ihr Bauvorhaben im Rahmen der Umgebungsbebauung liegen würde. Für die Begründung von ernstlichen Zweifeln jedoch reicht es nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 15.9.2004 - 1 B 728/03 -; Beschl. v. 3.11.2008 - 1 A 233/08) nicht aus, dass der Senat eine vom Verwaltungsgericht nach zutreffenden Maßstäben gewürdigte Sachlage nach einer eigenen Beweisaufnahme möglicherweise anders beurteilen könnte als das Verwaltungsgericht. Ansonsten wäre die Berufung gegen Urteile, die aufgrund einer Beweisaufnahme ergangen sind, im Regelfall nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, was mit Sinn und Zweck der Zulassungsbeschränkung nicht vereinbar wäre (SächsOVG, Beschl v. 26.1.1999, SächsVBl. 1999, 134; Beschl. v. 13.6.2001, NVwZ-RR 2002, 20, 22). Bei der Betrachtung des dem Senat vorliegenden Kartenmaterials, insbesondere auch der Luftaufnahme des Gebietes mit dem Vorhabenstandort, erscheint die nähere Umgebung des Bauvorhabens durch die Klägerin auch zu weit gefasst.

Aus den sonstigen Ausführungen der Klägerin lassen sich ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils ebenfalls nicht herleiten. Mit ihrem umfänglichen Vortrag zum Maß der baulichen Nutzung der Umgebungsbebauung greift sie weder tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des beanstandeten Urteils an. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung ausdrücklich nur gestützt darauf, dass sich das Vorhaben der Klägerin nach der Art der baulichen Nutzung nicht in die nähere Umgebung einfügt. Auch der Einwand, durch das Bauvorhaben werde eine bodenrechtliche Spannung selbst bei Annahme eines Wohngebietes nicht erzeugt, vermag keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit des - insoweit tatsächlich recht kurz gefassten - verwaltungsgerichtlichen Urteils zu begründen. Die Klägerin beschränkt sich mit ihrer Behauptung, das Verkehrsaufkommen im Gebiet werde sich nicht erhöhen, im Wesentlichen auf die schlichte Behauptung des Gegenteils. Ein Lebensmittelmarkt mit dazugehörigen 79 Stellplätzen ist auf einen schnellen Wechsel möglichst vieler Kunden ausgelegt, die mit Sicherheit das Verkehrsaufkommen im Gebiet erhöhen würden. Auch die vom Verwaltungsgericht bei der Beurteilung der Frage, ob das Vorhaben bodenrechtliche Spannungen erzeuge, weiter festgestellte negative Vorbildwirkung vermag die Klägerin nicht in Frage zu stellen. Sie verweist insoweit darauf, dass es entlang der Dieskauer Straße mehrere Einzelhandelsflächen in ähnlichem Umfang gebe. Die Dieskauer Straße als solche stellt aber nicht die zu betrachtende nähere Umgebung des Vorhabenstandortes i. S. v. § 34 Abs. 1 BauGB dar. Soweit sich die Klägerin auf Planungen der Beklagten zur Verbesserung der Infrastruktur im fraglichen Gebiet beruft, denen sie entspreche, so vermag sie damit doch nicht die Anforderungen an das Einfügen eines Vorhabens in seine nähere Umgebung außer Kraft zu setzen. Gleiches gilt für die (behauptete) Zustimmung von Anwohnern zum Bauvorhaben.

2. Die Berufung ist nicht wegen besonderer tatsächlicher Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Besondere tatsächliche Schwierigkeiten in diesem Sinne weist eine Rechtssache auf, wenn sie voraussichtlich in tatsächlicher Hinsicht größere, d. h. überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht. Diese Voraussetzungen sind von der Klägerin, die das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nur behauptet, aber nicht begründet, nicht dargelegt worden.

3. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache liegt vor, wenn eine grundsätzliche, höchstrichterlich oder vom Sächsischen Oberverwaltungsgericht nicht beantwortete Frage aufgeworfen wird, die sich in dem angestrebten Berufungsverfahren stellen würde und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortbildung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf (vgl. Beschl. des Senats v. 31.3.2004 - 1 B 255/04 - und 2.2.2006 - 1 B 968/04 -). Die Darlegung dieser Voraussetzungen erfordert wenigstens die Bezeichnung einer konkreten Frage, die sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, als auch für das Berufungsverfahren erheblich sein würde, und muss im Einzelnen aufzeigen, inwiefern das Verwaltungsgericht die Frage nach Auffassung der Kläger nicht zutreffend beantwortet hat. Der klägerische Vortrag genügt diesen Anforderungen nicht. Die Klägerin stellte schon keine Frage, welcher nach ihrer Auffassung eine grundsätzliche Bedeutung zukommen soll.

4. Schließlich beruht das verwaltungsgerichtliche Urteil nicht auf einem Verfahrensmangel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO. Die Klägerin rügt - ohne dabei diesen Zulassungsgrund in den Blick zu nehmen - eine Verletzung rechtlichen Gehörs durch die zeitgleiche Zustellung des Urteils und des Protokolls über die Augenscheinseinnahme. An dieser Augenscheinseinnahme hat sie ausweislich des hierüber gefertigten Protokolls teilgenommen. Fehler des Protokolls und deren Auswirkungen auf die gerichtliche Entscheidung legte die Klägerin nicht dar.

Bei der Streitwertfestsetzung gemäß § 47 Abs. 1 GKG in Verbindung mit § 52 Abs. 1 GKG und Ziffer 9.1.1 und 9.1.4 des Streitwertkatalog 2004 (DVBl. 2004, 1525 = NVwZ 2004, 1327 = VBlBW 2004, 467) folgt der Senat der Festsetzung durch das Verwaltungsgericht, gegen die die Beteiligten nichts vorgetragen haben.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

Zurück