Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 26.06.2009
Aktenzeichen: 1 A 99/08
Rechtsgebiete: BAföG


Vorschriften:

BAföG § 7 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Sächsisches OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 1 A 99/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Ausbildungsförderung

hier: Berufung

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Schmidt-Rottmann und die Richterin am Verwaltungsgericht Berger aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. Juni 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 16. Januar 2007 - 13 K 1211/04 - wird geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt eine Vorabentscheidung über die Gewährung von Ausbildungsförderung.

Die Klägerin nahm mit dem Wintersemester 1997 an der Freien Universität ...... ein Studium der Betriebswirtschaftslehre auf. Zum Ende des ersten Semesters absolvierte sie vier Prüfungen, bestand aber nur eine davon. Danach suchte sie im Frühjahr 1998 ihre Hausärztin auf und berichtete erstmals "...über eine anhaltende Müdigkeit und Konzentrationsschwäche..." (vgl. ärztliches Attest von Frau vom 5.8.2008). Auch bei ihrer Frauenärztin wurde sie im März 1998 vorstellig wegen "...Beschwerden im Sinne von depressiven Zuständen, unmotivierter Erschöpfung, plötzlicher Unruhe..." (vgl. ärztliche Bescheinigung der Frau vom 15.8.2008). Das Vorliegen einer Krankheit wurde nicht festgestellt. Die Klägerin bemühte sich im Folgenden in Absprache mit den behandelnden Ärztinnen, den genannten Symptomen im Wesentlichen durch die Umstellung ihrer Lebensführung und Ernährung zu begegnen. Das Sommersemester 1998 beendete sie mit zwei von vier Prüfungen, die sie beide nicht bestand. Im Wintersemester 1998 fiel die Klägerin dann wiederholt wegen Schwindel, Kopfschmerzen und akuten Erschöpfungszuständen tage- oder auch wochenweise aus. In diesem Semester reduzierte sie erstmals auch das Ausbildungspensum auf etwa 50 %. Zum Ende dieses Semesters wollte sie zwei von vier Prüfungen ablegen, trat aber von diesen Prüfungen wegen starken Krankheitssymptomen kurzfristig zurück. Mit dem Ende des Sommersemesters 1999 brach die Klägerin das BWL-Studium an der FU ...... dann ab. Noch im September 1999 nahm sie eine Ausbildung zur Hotelfachfrau auf. In der Klinik für Neurologie der ........ ...... wurde im November 2000 festgestellt, dass die Klägerin unter orthostatischer Intoleranz bzw. einem posturalen Tachykardiesyndrom leidet. Im Januar 2002 beendete sie dennoch erfolgreich ihre Berufsausbildung.

Zum Wintersemester 2003 begann die Klägerin an der Fachhochschule ein Studium der Fachrichtung Touristik. Hierzu beantragte sie am 1.10.2003 beim Beklagten eine Entscheidung über die Gewährung von Ausbildungsförderung. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 30.10.2003 ab mit der Begründung, die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 BAföG seien nicht erfüllt. Die Klägerin habe einen Fachrichtungswechsel nach Abschluss des vierten Fachsemesters vollzogen, ohne dass hierfür ein für die erneute Gewährung einer Ausbildungsförderung erforderlicher unabweisbarer Grund vorgelegen hätte. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies das Sächsische Landesamt für Ausbildungsförderung mit Widerspruchsbescheid vom 2.4.2004 zurück. Die Klägerin habe das BWL-Studium nicht aus einem unabweisbaren Grund abgebrochen. Sie habe zwar nachweisen können, dass ihre Krankheit im April 1999 plötzlich aufgetreten sei und sie an der Fortsetzung ihres Studiums zumindest zeitweise gehindert habe. Es sei aber nicht nachvollziehbar, warum die Krankheit der Klägerin keine andere Wahl als den Abbruch des BWL-Studiums und den Wechsel zu einer Fachhochschule gelassen habe.

Das Verwaltungsgericht gab der hiergegen am 12.5.2004 erhobenen Klage mit Urteil vom 16.1.2007 - 13 K 1211/04 - statt. Die Klägerin habe einen Anspruch auf die Gewährung von Ausbildungsförderung für das im Wintersemester 2003 an der Fachhochschule aufgenommene zweite Studium. Sie habe ihr erstes Studium an der Universität ...... nach dem vierten Fachsemester aus einem unabweisbaren Grund i. S. v. § 7 Abs. 3 BAföG abgebrochen. Wie sich aus den vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen ergebe, leide sie unter einem posturalen Tachykardiesyndrom, einhergehend mit Synkopen, Muskelschmerzen und Tagesmüdigkeit. Dadurch sei es ihr nicht möglich gewesen, das Studium an der Universität ...... fortzusetzen. Ihr könne nicht vorgehalten werden, das Studium nicht zeitiger abgebrochen zu haben. Sie habe bereits 1998 ärztliche Hilfe wegen Müdigkeit und Konzentrationsschwäche gesucht, aber erst 2000 sei das orthostatische Intoleranzsyndrom diagnostiziert und damit der Leistungsausfall im Studium rückwirkend nachvollziehbar gemacht worden. Sie habe das Studium der BWL auch nicht an einer kleineren Ausbildungseinrichtung fortsetzen können. Nachweislich sei BWL nur in größeren Studiengängen mit jeweils mehreren hundert Studenten angeboten worden.

Die mit Beschluss des Senats vom 1.2.2008 - 1 B 130/07 - gegen dieses Urteil zugelassene Berufung hat der Beklagte wie folgt begründet: Die Klägerin habe das BWL-Studium an der FU ...... nach dem vierten Fachsemester nicht wegen eines unabweisbaren Grundes abgebrochen. Sämtliche zum Beleg ihrer Erkrankung vorgelegten ärztlichen Atteste stammten aus den Jahren 2000 fortfolgend. Sie seien zum Nachweis einer Erkrankung der Klägerin schon während des BWL-Studiums nicht geeignet. Im Übrigen belegten sie nicht, dass es der Klägerin bei einem angenommenen Ausbruch der Krankheit schon während des Studiums unmöglich geworden wäre, das BWL-Studium, gegebenenfalls nach einer Unterbrechung, fortzusetzen. Darüber hinaus wäre es der Klägerin im Falle einer tatsächlich schon während ihres BWL-Studiums eingetretenen Erkrankung zuzumuten gewesen, sich alsbald Gewissheit über ihren Gesundheitszustand zu verschaffen und das Studium unverzüglich und nicht erst nach dem Abschluss des vierten Fachsemesters abzubrechen. Nicht auszuschließen sei, dass die Klägerin das BWL-Studium wegen mangelnder fachlicher Eignung und Neigung abgebrochen habe.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 16. Januar 2007 - 13 K 1211/04 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass sie einen Anspruch auf die Gewährung von Ausbildungsförderung für das 2003 aufgenommene Studium an der Fachhochschule hat. Sie habe das BWL-Studium, ein Wunschstudium, an der Universität ...... mit dem Ende des Sommersemesters 1999 aus einem unabweisbaren Grund abgebrochen. Ihre Krankheit habe dessen Fortsetzung auf Dauer unmöglich gemacht. Die Krankheit habe sich erstmals 1998 mit Müdigkeit, Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen bemerkbar gemacht. Hier sei für sie aber noch nicht absehbar gewesen, dass sie ihr Studium so nicht weiterführen könne. Sie habe schon zu dieser Zeit um ärztliche Hilfe nachgesucht und wiederholt bestätigt bekommen, gesund zu sein. Das habe sie in ihrer Vorstellung bestärkt, dass sich die Symptome zurückbilden würden und sie ihre Ausbildung unbeeinträchtigt würde fortführen können. Ihr Versagen in den Prüfungen habe sie für typische Anfängerschwierigkeiten gehalten. Ab April 1999 hätten sich die Beschwerden dann in einer Weise verschlimmert, die ihr die Fortsetzung des universitären Studiums unmöglich gemacht hätten. Dass die Diagnose erst 2000 gestellt worden sei, könne ihr nicht zum Nachteil gereichen. Das Studium an der Fachhochschule könne sie bewältigen. Die dortige Ausbildung sei geprägt durch Gruppenarbeit, Projektarbeit und ständige Ansprache, was ihrer Erkrankung entgegenwirke.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten einschließlich der von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Atteste wird auf die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Dresden (13 K 1211/04, 13 K 1212/04, 13 K 2260/06) und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (1 B 130/07, 1 A 99/08) sowie die vorgelegten Heftungen des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Ausbildungsförderung für das mit dem Wintersemester 2003 aufgenommene, nunmehr abgeschlossene Studium im Studiengang Tourismus an der Fachhochschule (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Sie hat ihr Erststudium an der Freien Universität ...... nach vier Fachsemestern nicht aus einem unabweisbaren Grund abgebrochen.

Nach § 1 des Bundesgesetzes über die individuelle Förderung der Ausbildung - Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG - hat ein Auszubildender einen Rechtsanspruch auf individuelle Ausbildungsförderung für eine seiner Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung nach Maßgabe dieses Gesetzes, wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Der Grundgedanke des Ausbildungsförderungsrechts besteht darin, öffentliche Mittel (nur) für eine sinnvoll geplante und zielstrebig durchgeführte Ausbildung einzusetzen. Ausbildungsförderung für eine weitere Ausbildung nach Abbruch einer Ausbildung oder Wechsel der Fachrichtung wird deshalb gemäß § 7 Abs. 3 BAföG nur geleistet, wenn der Auszubildende die Ausbildung aus wichtigem Grund bis zum Beginn des vierten Fachsemesters, später nur dann, wenn er sie aus unabweisbarem Grund abgebrochen oder gewechselt hat.

Unabweisbar im Sinne des § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG ist ein Grund (nur) dann, wenn er eine Wahl zwischen der Fortsetzung der bisherigen Ausbildung und ihrem Abbruch oder dem Überwechseln in eine andere Fachrichtung nicht zulässt. Es müssen nachträglich außergewöhnliche Umstände eingetreten sein, die die Eignung des Auszubildenden für die Fortsetzung der bisherigen Ausbildung oder die Ausübung des bisher angestrebten Berufs bei objektiver oder subjektiver Betrachtung haben wegfallen lassen (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.2.2004, NVwZ 2004, 1005 = DÖV 2004, 798 = BVerwGE 120, 149 mit umfangreichen Nachweisen zur eigenen Rechtsprechung hierzu).

Die Klägerin brach mit der Beendigung ihres BWL-Studiums ihre Ausbildung i. S. v. § 7 Abs. 3 Satz 2 BAföG ab, da sie hierdurch den Besuch der Ausbildungsstätte der Ausbildungsstättenart einschließlich der im Zusammenhang hiermit geforderten Praktika nach vier Fachsemestern endgültig aufgab.

Sie war zur Überzeugung des Senats infolge ihre Erkrankung gezwungen, ihr Studium abzubrechen. Die Klägerin leidet, wie sowohl aus der "Epikrise" der ........ vom 19.2.2001 als auch der ärztlichen Stellungnahme der ........ vom 21.11.2005 und der ärztlichen Bescheinigung des behandelnden Neurologen vom 26.1.2004 hervorgeht, an einem orthostatischen Intoleranzsyndrom, auch genannt posturales Tachykardiesyndrom. Diese Krankheit ist eng verwandt oder zumindest oft gekoppelt mit dem so genannten chronischen Erschöpfungssyndrom. Im Falle der Klägerin bedeutet dies plötzliches Herzrasen, anhaltende Tagesmüdigkeit, Schlafstörungen, zunehmende Belastungsinsuffizienz, Konzentrationsstörungen, Kopf- und Muskelschmerzen sowie (seit der Verschlimmerung der Krankheit) häufige kurzzeitige Bewusstlosigkeiten, die vor allem in monotonen Situationen auftreten, in denen sie keine direkte Ansprache erfährt und nicht unmittelbar reagieren muss. Die Ursachen der Erkrankung sind bislang nicht bekannt, wirksame Behandlungsmöglichkeiten stehen nicht zur Verfügung. Die Klägerin kann ihrer Erkrankung nur begegnen durch eine konsequente Einhaltung von Verhaltensregeln, der Vermeidung monotoner Tätigkeiten und eine symptomatische medikamentöse Behandlung (vgl. Stellungnahme der ........ vom 21.11.2005).

Die Symptome dieser Krankheit traten nach den überzeugenden und widerspruchsfreien Schilderungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erstmals gegen Ende des ersten Semesters des BWL-Studiums im Winter 1997/1998 bei ihr auf. Die ärztlichen Atteste von Frau vom 5.8.2005 und Frau vom 15.8.2008 belegen, dass die Klägerin im Frühjahr 1998 wegen "...anhaltender Müdigkeit und Konzentrationsschwäche..." bzw. "...depressiven Zuständen, unmotivierter Erschöpfung, plötzlicher Unruhe..." vorstellig wurde. Die Symptome haben sich im Verlaufe der folgenden Semester gesteigert, bis die Klägerin ab dem dritten Fachsemester dann immer wieder krankheitsbedingt ausgefallen ist.

Zur Überzeugung des Senats wurde es der Klägerin wegen ihrer Krankheit unmöglich, die Ausbildung an der Universität erfolgreich zu beenden. Die Unmöglichkeit bezieht sich nicht auf den Studiengang Betriebswirtschaftslehre, sondern - fachrichtungsunabhängig - auf den Ausbildungsvorgang an einer Universität, dem die Klägerin infolge ihrer Erkrankung nicht mehr gewachsen war. Wie sich aus den ärztlichen Stellungnahmen des die Klägerin behandelnden Neurologen Herrn sowie der ........ und der ........ Buch übereinstimmend ergibt, war und ist die Klägerin nicht mehr in der Lage, in dem vergleichsweise unstrukturierten Rahmen einer universitären Ausbildung erfolgreich zu studieren. Da die Symptome des orthostatischen Intoleranzsyndroms, insbesondere die Synkopen, die in der Regel in Ruhephasen auftreten, ist die Klägerin auf eine Ausbildung in einem kleineren, strukturierten Rahmen wie an einer Fachhochschule mit einer geringeren Studentenzahl, häufigem Kontakt und direkter Ansprache zwischen Ausbilder und Student angewiesen.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Fachrichtung Betriebswirtschaftslehre 1999 nicht an einer Fachhochschule angeboten worden ist. Die Klägerin hatte deshalb auch keine Möglichkeit, ihr BWL-Studium an einer Fachhochschule fortzusetzen. Die Fachhochschule ist die gleiche Ausbildungsstätte wie eine Universität oder Hochschule, weshalb die Klägerin in diesem Fall nur die konkrete Ausbildungsstätte, nicht aber die Fachrichtung gewechselt hätte i. S. v. § 7 Abs. 3 BAföG (vgl. Rothe/Blanke, Bundesausbildungsförderungsgesetz, 5. Auflage, Stand Januar 2008, § 7 Rn. 45.1).

Die Klägerin hat ihre Ausbildung aber nicht unverzüglich abgebrochen. Ein wichtiger Grund i. S. v. § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BAföG und erst Recht ein unabweisbarer Grund i. S. v. § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG können nur anerkannt werden, wenn der Auszubildende, sobald er Gewissheit über den Grund für einen Fachrichtungswechsel oder Ausbildungsabbruch erlangt hat, unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, die erforderlichen Konsequenzen zieht. Es handelt sich hier um ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, entwickelt aus der Rechtsprechung zum wichtigen Grund, an den mit zunehmender Semesterzahl zunehmend hohe Anforderungen zu stellen sind (vgl. Rothe/Blanke, a. a. O., § 7 Rn. 37). Dem Auszubildenden, der in der Pflicht steht, seine Ausbildung umsichtig zu planen und zügig durchzuführen, wird entsprechend seinem Ausbildungsstand und Erkenntnisvermögen zugemutet, den Gründen, die einer Fortsetzung der bisherigen Ausbildung entgegenstehen, rechtzeitig zu begegnen (BVerwG, Urt. v. 21.6.1990, NVwZ 1990, 1168 unter Bezugnahme auf seine ständige Rechtsprechung hierzu). So hat ein Auszubildender bei bereits im ersten Semester aufkommenden Zweifeln an seiner Eignung für das gewählte Studium diese alsbald auszuräumen (SächsOVG, Beschl. v. 12.12.2008 - 1 D 87/08; Urt. v. 15.12.1992 - 2 S 521/92). Sobald der Auszubildende Gewissheit über den Grund für den Fachrichtungswechsel bzw. Abbruch erlangt hat, muss er unverzüglich die erforderlichen Konsequenzen ziehen und die bisherige Ausbildung abbrechen (SächsOVG, Beschl. v. 3.6.2008 - 1 B 119/08). Ob der Auszubildende seiner Verpflichtung zu unverzüglichem Handeln nachgekommen ist, beurteilt sich nicht allein nach objektiven Umständen. Vielmehr ist auch in subjektiver Hinsicht zu prüfen, ob ein etwaiges Unterlassen notwendiger Maßnahmen dem Auszubildenden vorwerfbar ist und ihn damit ein Verschulden trifft, oder ob ein solches Unterlassen durch ausbildungsbezogene Umstände gerechtfertigt ist (BVerwG, Urt. v. 21.6.1990, a. a. O.).

Unzweifelhaft konnte die Klägerin bis einschließlich 1999 nicht erkennen, dass sie am orthostatischen Intoleranzsyndrom erkrankt war. Schließlich hat sie sowohl ihre Haus- als auch ihre Frauenärztin wiederholt konsultiert und von dort signalisiert bekommen, gesund zu sein. Erkennen konnte und musste sie bei realistischer Betrachtung des Studienablaufes spätestens bis zum Abschluss des dritten Fachsemesters aber, dass sie - aus welchen Gründen auch immer - den Anforderungen ihres Studiums nicht gewachsen war. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte sie die erforderliche Konsequenz ziehen und die Ausbildung abbrechen müssen. Bereits im ersten Semester hat die Klägerin drei von vier abgelegten Prüfungen nicht bestanden, im zweiten Semester versagte sie wiederum in beiden Prüfungen, zu denen sie angetreten war. Zwei weitere Prüfungen hat sie gar nicht erst in Angriff genommen. Im dritten Fachsemester reduzierte die Klägerin dann sogar ihr Vorlesungspensum, um die Ausbildung trotz ihrer (zunehmenden) Schwäche überhaupt bewältigen zu können. Prüfungen legte die Klägerin hier schließlich entgegen der eigenen Planung überhaupt keine mehr ab. Nach ihrer Darstellung hatte sie sich zu - lediglich - 2 Prüfungen angemeldet. Von diesen Anmeldungen ist sie dann aber vor Prüfungsbeginn jeweils zurückgetreten. Wiederholungsprüfungen hat sie eigenen Angaben zufolge niemals in Angriff genommen. Nach den drei Fachsemestern hatte sich die Klägerin im Ergebnis zu acht von zwölf möglichen Prüfungen angemeldet, nur sechs dieser acht Prüfungen absolviert und lediglich eine davon bestanden. Zugleich hatte sie trotz aller von ihr unternommenen Anstrengungen ein massives Ausbildungsdefizit aufgebaut. Diese sich allmählich zuspitzende Situation hat die Klägerin von Anfang an erkannt. Sie hat sich schon nach dem Abschluss des ersten Fachsemesters um eine Erklärung für ihre Fehlleistungen bemüht und ihrer mangelnden Leistungsfähigkeit in der Folgezeit mit allen ihr zur Verfügung stehen Mitteln zu begegnen versucht. Gleichwohl hat sie trotz aller ihrer Bemühungen keinerlei Erfolge erzielen können. Nach dem Abschluss des dritten Fachsemesters konnte die Klägerin bei einer Gesamtschau der objektiven und subjektiven Umstände keine begründete Hoffnung mehr hegen, die Ausbildung ab dem vierten Fachsemester doch noch erfolgreich gestalten zu können. Anlass, eine Besserung der Situation zu erwarten, bestand nicht.

Die Klägerin war durch ihre Krankheit am Schluss des dritten Semesters nicht gehindert, die Entscheidung zu treffen, ihr bis dahin weitestgehend erfolgloses Studium abzubrechen. Ihre Erkrankung hat ihr zwar das Studium an der Universität unmöglich gemacht, sie hat aber nicht ihre geistigen Fähigkeiten beeinträchtigt (vgl. insoweit auch die ärztliche Bescheinigung des behandelnden Neurologen vom 25.9.2003, welche die Klägerin ihrem Antrag vom 1.10.2003 beifügte). Das Verhalten der Klägerin während des BWL-Studiums zeichnet sich im Gegenteil schon seit Beginn des zweiten Fachsemesters aus durch den zielgerichteten Versuch, der zunehmenden, unerklärlichen Belastungsunfähigkeit auf den Grund zu gehen und ihr durch die konsequente Umsetzung konkreter Maßnahmen wie der Umstellung von Ess- und Lebensgewohnheiten, einer Medikamentenumstellung, der bewussten Reduzierung von Ausbildungspensum und Prüfungsumfang zu begegnen. Mit dem Ende des dritten Fachsemesters musste der Klägerin bewusst geworden sein, dass sie trotz ihres - beachtlichen - Kampfes um eine erfolgreiche Fortsetzung ihres Studiums keinerlei Studienfortschritte erreichen konnte. Am Ende des vierten Fachsemesters hat die Klägerin die Entscheidung, das Studium abzubrechen, dann auch getroffen. Sie hat sich trotz ihrer fortschreitenden Erkrankung zugleich schnell und effizient um einen Ausbildungsplatz bemüht und die Ausbildung auch sofort angetreten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss

Der Gegenstandswert des gerichtskostenfreien Verfahrens wird unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Dresden vom 12. Februar 2007 - 13 K 1211/04 - für beide Instanzen auf jeweils 5.592,- € festgesetzt.

Gründe

Die Klägerin hat die Gegenstandswertfestsetzung in der mündlichen Verhandlung beantragt (§ 33 Abs. 2 Satz 2 RVG). Streitgegenständlich ist die von der Klägerin mit Schreiben vom 1.10.2003 beantragte Vorabentscheidung über die Gewährung von Bundesausbildungsförderung für ihr mit dem Wintersemester 2003 aufgenommenes zweites Studium. Der Gegenstandswert bemisst sich in Anlehnung an Ziffer 7.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 7./8.7.2004 (NVwZ 2004, 1327) nach dem gesetzlichen Bedarfssatz im ersten Bewilligungszeitraum. Der gesetzliche Bedarfssatz liegt gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG in der seit 2003 geltenden Fassung für Auszubildende in Fachhochschulen bei monatlich 333 €. Da die Klägerin nicht bei ihren Eltern wohnte, erhöhte sich der Bedarf gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG a. F. um monatlich 133 €. Der Bewilligungszeitraum beträgt zwölf Monate.

Dieser Beschluss ist gemäß § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

Zurück