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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 05.06.2007
Aktenzeichen: 1 B 106/07
Rechtsgebiete: GG, BauGB
Vorschriften:
GG Art. 14 | |
BauGB § 35 Abs. 2 | |
BauGB § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 |
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil
Az.: 1 B 106/07
In der Verwaltungsrechtssache
wegen Beseitigungsanordnung - Wintergartenanbau -
hier: Berufung
hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch die Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Dahlke-Piel, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Schmidt-Rottmann aufgrund der mündlichen Verhandlung
vom 5. Juni 2007
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 18. Oktober 2006 - 3 K 180/03 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beklagte wendet sich mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung gegen die Aufhebung einer Beseitigungsanordnung durch das Verwaltungsgericht, durch welche sie die Klägerin zur Beseitigung eines Wintergartenanbaus verpflichtete.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Flurstücks der Gemarkung T. in Oelsnitz. Das Flurstück befindet sich innerhalb der "Siedlung ". Diese Siedlung ist umgeben von landwirtschaftlichen Flächen. Sie besteht aus vereinzelten Wohnhäusern und einer Reihe von unterschiedlichen Wochenendhäusern.
Auf dem Grundstück der Klägerin errichtete ihr Voreigentümer in den Jahren 1958 bis 1962 ein eingeschossiges, als Landhaus bezeichnetes Gebäude mit einer Firsthöhe von rund 3,80 m und einer Grundfläche von rund 62 m². Hierzu erteilte der Rat des Kreises Oelsnitz am 11.12.1959 eine nachträgliche Zustimmung für den ersten Bauabschnitt sowie eine Baugenehmigung vom 21.8.1962 für den geänderten zweiten Bauabschnitt.
Im Mai 2000 stellte die Beklagte anlässlich einer Ortsbesichtigung fest, dass dem "Landhaus" ein Anbau angefügt worden war, ohne dass hierfür eine Baugenehmigung vorlag. Bei diesem Anbau handelt es sich um eine 2,75 m breite, gewölbte Acrylglas-/Holz-/Aluminiumkon- struktion, die sich L-förmig über eine Länge von 19,20 m an die Südseite und über eine Länge von 4,45 m an die Überdachung der Ostseite des Gebäudes anschließt. Der Anbau erreicht eine Höhe von 2,68 m und schließt unterhalb der Traufe des Gebäudes ab.
Mit Bescheid vom 16.3.2001 ordnete die Beklagte unter Androhung eines Zwangsgeldes die Beseitigung des Anbaus binnen zwei Monaten nach Unanfechtbarkeit des Bescheides an und drohte für den Fall nicht fristgerechter Erfüllung mit der Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 3.000,- DM. Zur Begründung führte sie aus, der Anbau stelle ein genehmigungspflichtiges, aber nicht genehmigungsfähiges Vorhaben dar. Er sei bauplanungsrechtlich unzulässig. Als im Außenbereich nicht privilegiertes Vorhaben beeinträchtige es dort öffentliche Belange. Der Anbau trage zur Verfestigung eines Siedlungssplitters bei und lasse aufgrund seiner Größe die Vorbereitung einer Wohnnutzung vermuten. Die Anordnung sei ermessensgerecht, da das öffentliche Interesse an einer Verhinderung der Verfestigung des Siedlungssplitters die Interessen der Klägerin überwiege.
Zur Begründung ihres Widerspruchs machte die Klägerin geltend, dass bereits das vorhandene Gebäude für Wohnzwecke errichtet worden sei. Als bestandsgeschütztes Wohngebäude dürfe es auch im Außenbereich erweitert werden. Der Bescheid lasse außer Acht, dass sie bereits über 70 Jahre alt sei und sich mit dem Wintergartenanbau einen Lebenstraum erfüllt habe. Der Anbau werde zudem auch nur zu 1/3 als Wintergarten und im Übrigen als Gewächshaus genutzt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.1.2003 wies das Regierungspräsidium Chemnitz den Widerspruch zurück. Die Errichtung des rund 80 m² großen Wintergartens sei auch für den Fall eines bestandsgeschützten Wohnhauses nicht mehr vom Bestandsschutz gedeckt. Von ihm gehe eine Zersiedlungswirkung aus. Durch ihn habe sich die bebaute Grundstücksfläche praktisch verdoppelt. Die Anordnung seiner Beseitigung sei zur Vermeidung eines Nachahmungseffektes erforderlich. Sie sei auch verhältnismäßig. Die hierdurch auf Seiten der Klägerin eintretende Einbuße überwiege nicht das öffentliche Interesse an einem gleichmäßigen Einschreiten und der Verhinderung einer negativen Vorbildwirkung.
Zur Begründung ihrer Klage machte die Klägerin geltend, seit Jahrzehnten ihren Wohnsitz und ihren Lebensmittelpunkt auf ihrem Flurstück im zu haben. Ihren weiteren Wohnsitz in P. habe sie in den 80er Jahren aufgegeben. Der Anbau sei im Wesentlichen über der bereits vorhandenen Terrasse errichtet worden.
Am 25.3.2003 beantragte die Klägerin die nachträgliche Erteilung einer Baugenehmigung. Den Anbau bezeichnete sie dabei als "Gewächshaus". Mit Bescheid vom 12.5.2003 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Das Vorhaben sei bauplanungsrechtlich unzulässig, da es die Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lasse. Der Anbau erwecke den Eindruck, der Vorbereitung einer Wohnnutzung zu dienen. Die Verdopplung der Grundfläche des Gebäudes sei städtebaulich nicht vertretbar. Dieser Antrag ist Gegenstand des vor dem Senat geführten Verfahrens 1 B 105/07.
Mit Urteil vom 18.10.2006 hob das Verwaltungsgericht die Beseitigungsanordnung der Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Chemnitz auf. Zwar sei der Wintergartenanbau formell rechtswidrig. Auf den Antrag der Klägerin vom 25.3.2003 könne ihr hingegen die erforderliche Baugenehmigung erteilt werden. Der Anbau sei - unabhängig davon, ob er als Gewächshaus oder Wintergarten genutzt werde - genehmigungsfähig. Zwar führe er zur Verfestigung eines Siedlungssplitters. Diese Verfestigung sei hingegen nicht i.S.v. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB "zu befürchten". Grundlage der bauplanungsrechtlichen Beurteilung bilde hier der Anbau als Erweiterung eines Wohn- und nicht eines Wochenendhauses. Eine Genehmigung des Bestandsgebäudes zu Wohnzwecken erschließe sich aus den Bauakten. Seine Größe gehe über das für ein Wochenendhaus übliche Maß hinaus. In dieser Größe sei es durch eine nachträgliche Zustimmung des Rates des Kreises Oelsnitz vom 11.12.1959 und dessen Baugenehmigung vom 21.8.1962 genehmigt worden. Sowohl der Umfang als auch die massive Ausführung des Gebäudes, erst recht aber seine Bezeichnung im Bauantrag als "Landhaus" ließen nicht auf ein Wochenendhaus schließen, welches der damalige Eigentümer zunächst in Holzmontagebauweise habe errichten wollen, von dem er aber mit der Bezeichnung "Landhaus" Abstand genommen habe. Die langjährige und bis heute fortbestehende Wohnnutzung der Klägerin habe sich im Augenscheinstermin bestätigt. Die Erweiterung des Wohnhauses sei zulässig, da sie keine öffentlichen Belange i.S.v. § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beeinträchtige. Sie lasse insbesondere nicht die Verfestigung des Siedlungssplitters in Gestalt der "Siedlung " befürchten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bedürfe es - anders als im Fall der Entstehung oder Erweiterung eines Siedlungssplitters - einer konkreten Begründung und konkreter Feststellungen im Einzelfall, weshalb die Verfestigung nach den Umständen des Einzelfalls konkrete siedlungsstrukturelle Nachteile befürchten lasse. Auch im Fall eines Wohnbauvorhabens sei die Verfestigung eines Siedlungssplitters nicht "zu befürchten", wenn es sich der vorhandenen Bebauung unterordne, sich - ohne zusätzliche Ansprüche oder Spannungen auszulösen - organisch in eine bestehende Lücke einfüge und keine Vorbildwirkung habe. Dies sei hier der Fall. Im Vergleich zu der im " " vorzufindenden Bebauung ordne sich der Anbau trotz seiner Fläche von rund 64 m² unter. Wegen seiner besonderen Bauweise werde er nicht als Gebäude oder Gebäudeteil wahrgenommen. Er stehe deshalb in seiner Wirkung der übrigen Bebauung im " " deutlich nach. Er vermittele angesichts seiner abgerundeten Form und seiner Acrylglaskonstruktion nicht das typische Bild eines Anbaus. Er schmiege sich unauffällig an das Gebäude an, wirke transparent und erzeuge so den Eindruck eines Provisoriums, der einen Übergang von innen nach außen darstelle. Ihm komme keine negative Vorbildwirkung zu. Dies folge einerseits aus seiner einzigartigen Bauweise, welche durch die Verwendung von Acrylglas dominiert werde und nicht massiver Natur sei. Er könne deshalb keinen Berufungsfall für Erweiterungswünsche anderer Grundstückseigentümer in Holz- oder sonstiger Massivbauweise darstellen. Der Anbau habe einen sehr individuellen Charakter. Eine Sicht auf ihn von außen sei wegen seiner Lage auf dem Grundstück nicht möglich. Zudem handele es sich um die Erweiterung eines seit mehr als 40 Jahren genutzten Wohnhauses. Er könne deshalb auch keinen Berufungsfall für die umgebenden Wochenendhäuser darstellen. Allenfalls für die beiden weiteren Wohnhäuser im " " könne er einen Berufungsfall darstellen. Dies stelle aber keine unübersehbare Vorbildwirkung dar. Wegen der Einzigartigkeit des Anbaus könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die beiden anderen Wohneigentümer ähnliche Vorhaben wie die Klägerin beabsichtigen könnten.
Zwar sei die Beklagte im " " konsequent verfahren und habe nicht nur keine neuen Vorhaben zugelassen, sondern auch Erweiterungen des Bestandes untersagt. Nach Auffassung des Gerichts habe jedoch nicht jede Veränderung des Bestandes zur Folge, dass die Verfestigung eines Siedlungssplitters zu befürchten sei. Ein "Einfrieren" des Bestandes ohne Prüfung im Einzelfall erscheine ihm nicht von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB gedeckt. Wegen seiner dargelegten Sonderstellung komme dem Anbau der Klägerin keine Vorbildwirkung zu.
Auf den Antrag der Beklagten hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom 19.2.2007 - 1 B 771/06 - zugelassen. Die Beklagte habe ernstliche Zweifel an der entscheidungstragenden Begründung des Verwaltungsgerichts dargelegt, dass der von der Klägerin errichtete Wintergarten lediglich zu einer Verfestigung eines Siedlungssplitters führen würde, welche hier nicht i.S.v. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB "zu befürchten" wäre.
Zur Begründung ihrer Berufung führt die Beklagte aus: Die auf § 77 Satz 1 Sächsische Bauordnung in der bis zum 30.9.2004 geltenden Fassung - SächsBO a. F. - gestützte Beseitigungsanordnung sei rechtmäßig. Der Anbau sei formell rechtswidrig und materiell nicht genehmigungsfähig. Bei ihm handele es sich um einen Anbau an ein innerhalb eines Siedlungssplitters im Außenbereich gelegenen Gebäudes. Als sonstigem Vorhaben i.S.v. § 35 Abs. 2 BauGB stünden seiner Genehmigungsfähigkeit gleich mehrere öffentliche Belange i.S.v. § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegen.
Der Anbau lasse die Verfestigung eines Siedlungssplitters i.S.v. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB befürchten. Er sei an dem Wochenendhaus der Klägerin errichtet worden, welches eine Grundfläche von 62 m² aufweise. Seine Grundfläche betrage 80 m². Insoweit komme es nicht auf die wohl vom Verwaltungsgericht berücksichtigte Innenfläche von 64 m², sondern auf die durch den Anbau versiegelte Bodenfläche an. Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, dass die in Anspruch genommene Fläche bereits zuvor mit Bodenplatten versiegelt gewesen sei. Auch diese Versieglung sei nachträglich und ohne Genehmigung erfolgt. Wegen der durch diesen Anbau ausgelösten negativen Vorbildwirkung sei zu berücksichtigen, dass sich das Grundstück der Klägerin innerhalb der "Siedlung " befinde, dessen Gebäude teilweise der illegalen Wohnnutzung dienten. Zudem bestehe eine "Interessengemeinschaft Siedlung " die es sich erklärtermaßen zum Ziel gesetzt habe, die Zulassung aller vorhandenen und künftiger, kleinerer Baumaßnahmen zu erreichen. Dies ergebe sich aus einer von ihr am 12.4.2003 an den Sächsischen Landtag gerichteten Petition. In diesem Umfeld stelle jede weitere Bebauung eine zu missbilligende Verfestigung der Splittersiedlung dar, weil sie den unerwünschten Wandel zu einer Wohnnutzung einleite. Die Eigentümer der rund 50 weiteren Gebäude im " " könnten sich durch den Anbau der Klägerin ebenfalls zu Erweiterungsbauten veranlasst sehen. So habe ein anderer Eigentümer in der Vergangenheit ein Blockbohlenhaus errichtet und dieses nach erfolgloser Klage vor dem Verwaltungsgericht beseitigen müssen. Ein weiterer Eigentümer habe einen illegalen Anbau errichtet und diesen nach Klagrücknahme vor dem Verwaltungsgericht ebenfalls beseitigen müssen.
Bei dem Anbau handele es sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht um die Erweiterung eines Wohnhauses. Tatsächlich stelle er die Erweiterung eines Wochenendhauses oder dessen Umnutzung zu einem Wohnhaus dar. Der frühere Grundstückseigentümer habe am 1.1.1958 eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Einfamilienhauses beantragt, welche ihm versagt worden sei. Am 2.10.1958 habe der Bauherr die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Typenholzhauses als Wochenendhaus beantragt. Die ohne Genehmigung begonnenen Bauarbeiten seien mit Bescheid vom 10.11.1958 untersagt worden. Am 11.12.1959 sei eine nachträgliche Baugenehmigung beschränkt auf den 1. Bauabschnitt erteilt worden, so dass lediglich die Genehmigung eines Wochenendhauses vorliege. Die gleichwohl stattfindende Wohnnutzung sei von keiner Baugenehmigung gedeckt. Der einer Wohnnutzung dienende Anbau lasse die Verfestigung des Siedlungssplitters "befürchten", da er sich der vorhandenen Bebauung nicht unterordne. Ein derartig großer Anbau sei in der Siedlung ohne Beispiel. Ausgehend von der maßgeblichen bodenrechtlichen Relevanz komme eine Unterordnung nicht in Betracht. Es komme bodenrechtlich auch nicht darauf an, ob der Anbau eine "einzigartige Bauweise" und "sehr individuellen Charakter" habe und "nicht ... massiv oder aus Holz gebaut" sei. Es komme auf das Maß der überbauten Grundstücksfläche und nicht darauf an, ob der Anbau unauffällig sei oder nicht. Im Übrigen widerspreche der Anbau dem am 31.3.2006 veröffentlichten Flächennutzungsplan und einer Verordnung vom 28.10.1940, nach der die Splittersiedlung im "Landschaftsschutzgebiet Talsperre P. " liege.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 18. Oktober 2006 - 3 K 180/03 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und
die Zuziehung des Bevollmächtigten der Klägerin für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Sie führt aus, dass es sich bei dem vorhandenen Gebäude um ein Wohnhaus handele. Es habe keine baurechtlichen Bedenken zur Errichtung von Wohnhäusern in der "Siedlung " von Seiten der Baubehörden der DDR gegeben. Sofern eine Genehmigung zur Errichtung des Gebäudes als Wohnhaus versagt wurde, habe dies nur formelle Gründe in Gestalt von Materialknappheit gehabt. Seit den 60er Jahren und bis heute werde das Gebäude von ihr als Wohnhaus genutzt. Sie habe auch ihren Wohnsitz dorthin ummelden wollen, was ihr aber von der Beklagten - ebenso wie die Erteilung einer Hausnummer - versagt worden sei. Die in Anspruch genommene Fläche sei bereits seit den 60er Jahren mit Bodenplatten versiegelt, so dass lediglich eine bereits der Natur entzogene Fläche überbaut worden sei. Ihr Gebäude stehe auf einem fast 7.000 m² großen und von Wald und Gebüsch umgebenen Grundstück, so dass es keine Wirkung nach außen entfalte.
Dem Senat liegen die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vor. Hierauf sowie auf die Gerichtsakte zum Verfahren auf Zulassung der Berufung wie auch auf das Protokoll zum durchgeführten Augenschein wird für die näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist zu ändern. Die Beseitigungsanordnung der Beklagten ist rechtmäßig, da der Wintergartenanbau der Klägerin formell rechtswidrig und auch nicht genehmigungsfähig ist. Ermessensfehler beim Erlass der Beseitigungsanordnung sind nicht ersichtlich.
Nach § 77 Satz 1 Sächsische Bauordnung - SächsBO - in der hier maßgeblichen Fassung vom 18.3.1999 (SächsGVBl. S. 86) - SächsBO a. F. - (vgl. § 90 Abs. 1 Satz 1 SächsBO) kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung baulicher Anlagen anordnen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.
1. Der Anwendung dieser Vorschrift steht nicht entgegen, dass sich die Klägerin wegen ihrer jahrzehntelangen Wohnnutzung auf dem Flurstück für den Wintergartenanbau auf Bestandsschutz aus Art. 14 Grundgesetz - GG -, Art. 31 Verfassung des Freistaates Sachsen - SächsVerf - berufen könnte und deshalb ein Verstoß gegen die aktuellen Vorschriften des Baurechts ungeprüft bleiben müsste. Der Bestandsschutz aus Art. 14 GG, Art. 31 SächsVerf greift nur für den vorhandenen Bestand ein. Darüber hinaus ist die Baufreiheit, die vom Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 GG, Art. 31 SächsVerf umfasst wird, nur nach Maßgabe des einfachen Rechts gewährleistet. Verfassungsrechtlicher Schutz kommt einer Eigentumsposition im Bereich des Baurechts nur im Rahmen der mit ihr zulässigerweise verbundenen, gesetzlich definierten Befugnisse zu. Insoweit fungiert Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 31 SächsVerf ausschließlich als verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, an dem das einfache Recht zu messen ist, nicht aber als eigenständige Anspruchsgrundlage, die sich als Mittel dafür nutzen ließe, die Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Gesetzgebers fachgerichtlich anzureichern (vgl. BVerwG, Urt. v. 12. 3.1998, BVerwGE 106, 228 = NVwZ 1998, 842 = NuR 1998, 424 - zitiert nach juris, dort RdNr. 24 ff.). Demgegenüber kann zugunsten der Klägerin nicht auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 17.1.1986, BVerwGE 72, 362) zurückgegriffen werden, dernach der Bestandsschutz für ein ursprünglich im Einklang mit dem materiellen Baurecht errichtetes Gebäude auch dazu berechtige, die zur Erhaltung und zeitgemäßen Nutzung notwendigen Maßnahmen durchzuführen. Diese Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht mit seiner vorgenannten Entscheidung vom 12.3.1998 ausdrücklich aufgegeben. So genannten übergreifenden Bestandsschutz, der zu Veränderungen des aus Art. 14 GG, Art. 31 SächsVerf vor einem bauaufsichtlichen Eingreifen geschützten Bestandes berechtigt, gibt es deshalb nur nach Maßgabe des einfachen Rechts. In bauplanungsrechtlicher Hinsicht ergibt er sich jedenfalls vornehmlich aus § 35 Abs. 4 BauGB. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen wird von der Klägerin zu Recht nicht behauptet. In bauordnungsrechtlicher Hinsicht kommt allenfalls die Regelung des § 63a Abs. 4 SächsBO a. F. bzw. § 61 Abs. 4 SächsBO n. F. in Betracht. Hiernach sind Instandsetzungs- und Instandhaltungsarbeiten verfahrensfrei und nach allgemeiner Auffassung auch vom materiellen Bestandsschutz umfasst. Hierzu ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass von einer solchen Maßnahme nicht mehr gesprochen werden kann, wenn die Identität der ursprünglichen Anlage - insbesondere durch Änderung ihrer Konstruktion - geändert wird (Beschl. v. 29.12.2005 - 1 B 39/04 - m.w.N.). Hiervon ist bei nicht ganz geringfügigen Anbauten ohne weiteres auszugehen. 2. Der Wintergartenanbau ist formell rechtswidrig. Er ist nicht nach § 63a SächsBO a. F. genehmigungsfrei, so dass seine Errichtung gemäß §§ 62, 62a SächsBO a. F. der vorherigen Erteilung einer Baugenehmigung bedurft hätte.
3. Der bereits realisierte Anbau ist auch nicht genehmigungsfähig. Er beeinträchtigt öffentliche Belange, da er die Verfestigung eines Siedlungssplitters i.S.v. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB befürchten lässt.
a) Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass sich der von der Klägerin realisierte Wintergartenanbau innerhalb eines im Außenbereich nach § 35 BauGB befindlichen Siedlungssplitters befindet. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts verwiesen werden, die sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen zu Eigen macht. Die Feststellungen des Verwaltungsgerichts haben sich bei dem vom Senat durchgeführten Augenscheinstermin bestätigt. Hierzu wird ergänzend auf das zum Augenscheinstermin gefertigte Protokoll verwiesen.
b) Als im Außenbereich gelegenes sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB lässt der Wintergartenanbau die Verfestigung des Siedlungssplitters i.S.v. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB befürchten.
Es kann dahinstehen, ob dem Rechtsvorgänger der Klägerin, mit der nachträglichen Zustimmung des Rates des Kreises Oelsnitz vom 11.12.1959 in Verbindung mit der Baugenehmigung des Rates des Kreises Oelsnitz vom 21.8.1962 eine Baugenehmigung für die Nutzung seines "Landhauses" zu Wohnzwecken erteilt wurde. Denn auch für diesen Fall lässt der Wintergartenanbau die Verfestigung des Sieldungssplitters " " befürchten.
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Verfestigung nicht "zu befürchten" ist, wenn sich das hinzutretende Vorhaben der vorhandenen Bebauung unterordnet, sich organisch in eine bestehende Lücke einordnet und keine Vorbildwirkung hat. Von einer "Lückeneinordnung" kann hier angesichts der Grundstücksgröße von rund 7.000 m² ebenso wenig die Rede sein wie von einer Unterordnung des Anbaus unter das bestehende Gebäude. Die mit dem Wintergartenanbau einhergehende Verdoppelung der Wohnfläche auf rund 120 m² hat in der näheren Umgebung des "Landhauses" kein Vorbild. In diesem Zusammenhang weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass es bauplanungsrechtlich allein auf die bodenrechtliche Relevanz des Vorhabens ankommt. Bauästhetische Gesichtspunkte und insbesondere auch das genutzte Material sind ohne Belang. Insoweit gilt hier nichts anders als bei der Prüfung eines "Einfügens" nach § 34 Abs. 1 BauGB, wo nur solche Kriterien beachtlich sind, die städtebaulich relevant sind und insbesondere nach den Regelungen der Baunutzungsverordnung - BauNVO - für die Zulässigkeit des Vorhabens bedeutsam sein können. Hierbei handelt es sich um Art und Maß der baulichen Nutzung, Bauweise und überbaubare Grundstücksfläche. Der Begriff der Bauweise bestimmt sich dabei nach § 22 Baunutzungsverordnung - BauNVO - und meint die offene oder die geschlossene Bauweise. Daraus ergibt sich, dass die verwendeten Materialien ebenso wie die Konstruktionsweise bauplanungsrechtlich ohne Belang sind (Dürr in: Brügelmann, BauGB, Stand September 2006, § 34 RdNr. 48). Form, Maßstab, Werkstoff, Farbgebung sowie das Verhältnis der Bauteile zueinander sind bauordnungsrechtliche Gestaltungsfragen, die bodenrechtlich regelmäßig keine Rolle spielen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.1.1992, NVwZ 1993, 84). Deshalb kommt es im Rahmen des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB nicht darauf an, dass der Anbau hier aus einer Metall/Acrylglas-Konstruktion und nicht aus Holz oder Stein besteht. Entscheidend ist vielmehr, dass sich hier die nutzbare Grundfläche des Gebäudes verdoppelt. Dies gilt selbst für den Fall, dass man lediglich die hinzutretende Nutzfläche in Betracht zieht. Bei einer bisher vorhandenen Nutzfläche von rund 62 m² führt diese zu einer neuen Nutzungsqualität und ändert das "Landhaus" in ein vollwertiges Einfamilienhaus. Dies ist i.S.v. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB "zu befürchten", da dem Anbau der Klägerin eine negative Vorbildwirkung zukommt. Es kommt nicht darauf an, ob in der Nachbarschaft konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, ob dort ebenso der Wunsch nach Errichtung eines Metall-Acrylglas-Anbaus besteht. Maßgeblich ist allein, ob durch den Wintergartenanbau Wünsche nach Erweiterung der Nutzfläche in vergleichbarer Weise ausgelöst werden. Dies ist hier angesichts der von der Beklagten angeführten Bauwünsche und der bereits illegal realisierten Bauvorhaben - gegen die repressiv eingeschritten wurde - offensichtlich. Nicht zuletzt die beim Senat anhängigen Parallelverfahren zeigen, dass es vielfältige Erweiterungswünsche im " " gibt, für welche der Wintergartenanbau der Klägerin einen willkommenen Referenzfall darstellen würde, falls die Beklagte diesem Anbau gegenüber untätig bliebe. Ihm käme negative Vorbildwirkung jedenfalls im Hinblick auf die weiteren Wohnhäuser in der "Siedlung " zu. Er würde es der Beklagten zudem wesentlich erschweren, die Wünsche von Wochenendnutzern nach kleineren Erweiterungen ihrer Gebäude überzeugend abzulehnen, da ihre Argumente zur Verhinderung einer weiteren Inanspruchnahme des Außenbereichs innerhalb einer Splittersiedlung an Überzeugungskraft verlieren würden.
Ohne dass es im Ergebnis darauf ankäme, ist im Übrigen auch nicht ersichtlich, dass der Anbau der Klägerin einen "sehr individuellen Charakter" aufweise, der wegen seiner "einzigartigen Bauweise" keine Nachahmungswünsche erzeugen könne. Bei dem Anbau der Klägerin handelt es sich um ein industriell gefertigtes Produkt, das in serieller Bauweise gefertigt wird und modulartig zusammengefügt werden kann.
Auf die Frage sonstiger entgegenstehender öffentlicher Belange kommt es demnach nicht mehr an.
c) Die Beseitigungsanordnung ist ermessensfehlerfrei ergangen (§ 40 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG -). In der maßgeblichen Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) setzt sich die Anordnung mit den maßgeblichen widerstreitenden Interessen auseinander und legt die Gründe dar, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist (§ 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG). Zutreffend weist der Widerspruchsbescheid darauf hin, dass die Beseitigungsverfügung hier zur Verhinderung einer Nachahmung geboten ist und das Interesse der Klägerin an einer Bewahrung des rechtswidrigen Zustandes dahinter zurückstehen muss. Der Widerspruchsbescheid legt zudem dar, dass die Beklagte im " " eine Bestandsaufnahme durchgeführt hat und gleichmäßig gegenüber rechtswidrigen Anlagen in diesem Gebiet einschreitet.
d) Die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 2 des Bescheides ist rechtmäßig. Die zweimonatige Beseitigungsfrist - an welche die Androhung des Zwangsgeldes anknüpft - beginnt erst mit der Unanfechtbarkeit des Bescheides, so dass die Zwangsvollstreckung in Gestalt der Androhung wie von § 2 Nr. 1 Sächsisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz - SächsVwVG - gefordert, erst mit der Unanfechtbarkeit des Bescheides beginnt.
Die Androhung der Festsetzung eines Zwangsgeldes i.H.v. 3.000,- DM ist verhältnismäßig. Die Baukosten für den Wintergarten hat die Klägerin vor dem Verwaltungsgericht mit 38.000,- DM angegeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. In Ermangelung eines Kostenerstattungsanspruches der Klägerin ist über ihren Antrag, die Zuziehung ihres Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären, nicht gesondert zu entscheiden.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.000,- € festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz - GKG - in Verbindung mit Ziffer 9.5 und 1.6.2 Streitwertkatalog 2004. Den hiernach maßgeblichen Zeitwert der zu beseitigenden Substanz zuzüglich der Beseitigungskosten schätzt der Senat auf den festgesetzten Betrag.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Ende der Entscheidung
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