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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 19.08.2009
Aktenzeichen: 1 B 247/09
Rechtsgebiete: BauGB, VwGO


Vorschriften:

BauGB § 35
VwGO § 80 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 1 B 247/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Anfechtung einer Baugenehmigung; Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Schmidt-Rottmann

am 19. August 2009

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 15. Januar 2009 - 4 L 724/08 - geändert. Die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung vom 26. August 2008 in der Fassung vom 7. Mai 2009 wird angeordnet. Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen der Antragsgegner zu 3/4 und die Beigeladene zu 1/4. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,- € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragsteller hat Erfolg. Die von ihnen gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - dargelegten Gründen geben Veranlassung zu einer Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses und zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches. Die angefochtene Baugenehmigung verletzt sie voraussichtlich in ihren Rechten, da die Einhaltung der mit ihr verfügten Immissionswerte nicht gewährleistet erscheint. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers als unzulässig und den der Antragstellerin als unbegründet abgelehnt. Der Antragsteller sei in Ermangelung einer dinglichen Berechtigung nicht Nachbar im Sinne des öffentlichen Baurechts und könne folglich auch nicht in eigenen Rechten verletzt sein. Baurechtlicher Nachbarschutz lasse sich aus einer obligatorischen Berechtigung nur ableiten, wenn Leben und Gesundheit geschützt werden sollten. Konkrete Gefahren für Leben und Gesundheit des Antragstellers wegen befürchteter Schall- und Staubimmissionen der mit dem angefochtenen Bescheid genehmigten Werkstatt für Natursteinzuschnitt seien nicht ersichtlich. Als Eigentümerin benachbarter Flurstücke sei die Antragstellerin antragsbefugt. Die Baugenehmigung verletzte sie hingegen nicht in ihren nachbarlichen Rechten. Zwar spreche vieles dafür, dass sich der Standort der geplanten Werkstatt im Außenbereich nach § 35 BauGB befinde und die Genehmigung deshalb wegen der Beeinträchtigung öffentlicher Belange rechtswidrig sei. Die Antragstellerin könne sich jedoch nur auf die Verletzung eigener Rechte berufen. Das hierzu zählende Gebot der Rücksichtnahme sei nicht verletzt. Die Antragstellerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass sie durch den Betrieb der Beigeladenen billigerweise nicht mehr zumutbaren Beeinträchtigungen ausgesetzt werde. Hinsichtlich der zu erwartenden Immissionen habe der Antragsgegner Nebenbestimmungen in die Baugenehmigung aufgenommen, um sicherzustellen, dass die gebietsbezogenen Immissionswerte der TA Lärm eingehalten würden. Zudem habe er den Beigeladenen beauflagt, lärmintensive Steinsägearbeiten nur bei geschlossenen Fenstern durchzuführen. Dass von der genehmigten Nutzung in jedem Fall höhere Lärmimmissionen ausgehen würden, als die in der TA Lärm für Dorf- und Mischgebiete als zulässig angesehenen Werte, habe die Antragstellerin nicht substanziiert dargelegt und liege auch angesichts der aufgenommenen Nebenbestimmungen nicht auf der Hand.

Die zur Begründung der Beschwerde angeführten Argumente geben Veranlassung zur Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.

Offen bleiben kann, ob der Antragsteller auf den benachbarten Flurstücken tatsächlich einen landwirtschaftlichen Betrieb unterhält und wegen dessen geltend gemachter Beeinträchtigung durch das Vorhaben der Beigeladenen antragsbefugt ist. Seine Antragsbefugnis folgt jedenfalls aus dem Umstand, dass er auf dem benachbarten Flurstück F1... - zusammen mit der Antragstellerin - wohnt und deshalb in seinem Anspruch auf gesunde Wohnverhältnisse beeinträchtigt sein kann. Insoweit steht ihm auch als lediglich obligatorisch Berechtigter ein baurechtlicher Abwehranspruch zu (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 26.3.2009, 1 B 230/09; BVerwG, Beschl. v. 28.11.1995, NVwZ 1996, 389). Soweit Gesundheitsbeeinträchtigungen geltend gemacht werden, besteht auch ohne dingliche Berechtigung öffentlich-rechtlicher Nachbarschutz (s. a. Dürr/Ebner, Baurecht Sachsen, 3. Aufl., Rn. 256 m. w. N.).

Die hiernach zulässigen Anträge sind begründet, da durch die angefochtene Baugenehmigung nicht sichergestellt ist, dass ungeachtet des Vorhabens der Beigeladenen auf dem Wohngrundstück der Antragsteller gesunde Wohnverhältnisse gewährleistet bleiben. Das wäre jedoch in Ansehung des immissionsträchtigen Vorhabens der Beigeladenen Voraussetzung für die Feststellung, dass sich das Vorhaben ihnen gegenüber nicht als rücksichtslos erweist.

Mit dem Verwaltungsgericht geht der Senat in Ansehung der eingereichten Lagepläne davon aus, dass sich das Vorhaben der Beigeladenen im Außenbereich nach § 35 BauGB befindet. So hat es auch die Gemeinde bei der Erteilung ihres Einvernehmens gesehen. Ob der Beklagte das Vorhaben ungeachtet seiner Außenbereichslage als genehmigungsfähig angesehen hat, weil es im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB wegen seiner nachteiligen Auswirkungen auf die Umgebung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, lassen weder die Baugenehmigung noch die vorgelegten Verwaltungsvorgänge erkennen. Jedenfalls spricht Überwiegendes dafür, dass es sich bei der genehmigten Werkstatt für Natursteinschnitt mit zwei Steinsägen um einen Betrieb handelt, der geeignet erscheint, erhebliche Geräuschimmissionen zu verursachen. In einem solchen Fall ist dem Schutzanspruch der in benachbarten Wohngebäuden lebenden Nachbarn nur Genüge getan, wenn die Einhaltung der maßgeblichen Immissionswerte durch das Vorhaben sichergestellt ist (SächsOVG, Beschl. v. 6.5.2009, 1 A 87/08). Daran fehlt es hier. Es fehlt an einer ersichtlichen Tatsachengrundlage für die Annahme des Antragsgegners, dass ungeachtet des Steinsägebetriebes auf dem von den Antragstellern bewohnten Nachbargrundstück die vom ihm in der Baugenehmigung festgesetzten Immissionswerte eingehalten werden können. Der Baubeschreibung lässt sich nicht entnehmen, welche Emissionswerte von den beiden Steinsägen ausgehen werden. Es fehlt bereits an einer näheren Spezifikation der beiden Steinsägen, des beabsichtigten Arbeitsablaufes und des beabsichtigten Materialdurchsatzes auf den beiden Sägen. Eine gutachterliche Immissionsprognose ist ebenfalls nicht vorhanden. Für eine eigenständige Berechnung der zu erwartenden Emissionen durch den Antragsgegner geben weder die Verwaltungsvorgänge noch sein Vorbringen im vorliegenden Verfahren einen Anhaltspunkt. Hierfür dürfte es auch an der erforderlichen Tatsachengrundlage gefehlt haben. Die weitere Nebenbestimmung, bei lärmintensiven Steinsägearbeiten die Fenster des Betriebsgebäudes geschlossen zu halten, führt auch nicht weiter. Auch hierzu fehlt es an Anhaltspunkten für die Annahme, dass diese Maßnahme tatsächlich geeignet ist, die zulässigen Immissionswerte einzuhalten. Unklar bleibt zudem, ob für diesen Fall etwa bei hochsommerlichen Temperaturen eine hinreichende Belüftung und Temperierung der Betriebsgebäude vorhanden ist, so dass eine Befolgung dieser Nebenbestimmung auch erwartet werden kann.

Fehlt es damit an einer nachvollziehbaren Grundlage für die Annahme, die der Baugenehmigung beigefügten Immissionswerte könnten bei den beabsichtigten Betriebsbedingungen - die, wie bereits oben erwähnt, aus den Baugenehmigungsunterlagen nicht ersichtlich sind - eingehalten werden, genügt die schlichte Aufnahme von Immissionswerten in die Baugenehmigung nicht dem Anspruch der Nachbarschaft auf gesunde Wohnverhältnisse. In einem solchen Fall ist es auch nicht Aufgabe der rechtsschutzsuchenden Antragsteller, den substanziierten Nachweis zu führen, dass ein immissionsträchtiger Betrieb die gleichsam ins Blaue hinein verfügten Grenzwerte offenkundig nicht einzuhalten vermag. Diese Darlegungslast trifft ihn nur, wenn die Baugenehmigungsbehörde ihrerseits belastbare Anhaltspunkte für ihre Annahme hat, dass durch das genehmigte Vorhaben die von ihr verfügten Grenzwerte einzuhalten sind. Ohne Kenntnis der zu erwartenden Emissionen ist dies bei offenkundig immissionsträchtigen Betrieben nicht möglich.

Es kann deshalb im Weiteren dahinstehen, ob der Antragsgegner überhaupt für das Wohngrundstück der Antragsteller auf der einzuhaltende Immissionswerte verfügt hat. Ausdrücklich hat er die Einhaltung dieser Werte in seiner Baugenehmigung lediglich für die Grundstücke verfügt.

Ob der Antragsgegner das Vorhaben zu Recht bauplanungsrechtlich als genehmigungsfähig angesehen hat oder diesem als Außenbereichsvorhaben öffentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB, insbesondere nach dessen Nr. 3, 5 und 7, entgegenstehen, kann nach den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts durch die Antragsteller nicht gerügt und deshalb durch den Senat nicht geprüft werden. Diese Prüfung kann lediglich durch den Antragsgegner oder die Rechtsaufsichtsbehörde anlässlich des bei ihr noch anhängigen Widerspruchs der Antragsteller erfolgen und gegebenenfalls Veranlassung für eine Aufhebung der Baugenehmigung sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 VwGO. Die Beigeladene ist an den Kosten des Verfahrens mit 1/4 zu beteiligen, da sie im Beschwerdeverfahren einen Antrag gestellt hat.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG, § 5 ZPO analog i. V. m. Ziffer 9.7.1 und 1.5 Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (DVBl. 2004, 1525 = NVwZ 2004, 1327 = VBlBW 2004, 467). Hiernach ist der Streitwert für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes jeweils für das Begehren der Antragsteller auf den hälftigen Betrag des für eine Nachbarklage in der Art eines Auffangstreitwertes vorgesehenen Betrag von 7.500,- € festzusetzen. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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