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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 09.06.2009
Aktenzeichen: 1 B 251/09
Rechtsgebiete: SächsBO, BauGB


Vorschriften:

SächsBO § 6
SächsBO § 64
BauGB § 30
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 1 B 251/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Baugenehmigung, ".......Hotel"

hier: Beschwerde

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Schmidt-Rottmann und die Richterin am Verwaltungsgericht Berger

am 9. Juni 2009

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 4. Februar 2009 - 7 L 1921/08 - werden zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750 € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässigen Beschwerden sind nicht begründet. Aus den von der Antragsgegnerin und der Beigeladenen vorgetragenen Gründen - auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) - ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht auf den Widerspruch der Antragstellerin entgegen § 212 a Abs. 1 BauGB die aufschiebende Wirkung gegen die der Beigeladenen am 7.10.2008 erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Hotel mit 76 Betten und 2 Ladengeschäften in der in ........ angeordnet hat. Der Senat ist dabei der Auffassung, dass der Widerspruch der Antragstellerin aller Voraussicht nach erfolgreich sein dürfte.

Bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung spricht Überwiegendes dafür, dass die fragliche Baugenehmigung die Antragstellerin in ihren Baunachbarrechten verletzt. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gemäß § 80 Abs. 5 VwGO stattgegeben (§ 212 a Abs. 1 BauGB i. V. m § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der Antrag sei zulässig. Die Antragstellerin habe ein Rechtschutzbedürfnis für ihren Antrag. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie dem Vorhaben der Beigeladenen zugestimmt habe. Die in diesem Zusammenhang genannte Erklärung vom 9.8.2007 gebe für das Vorliegen einer Zustimmungserklärung nichts her. Es fehle bereits an einem Bezug zur streitgegenständlichen Baugenehmigung. Das genannte Schreiben und der diesem beigefügte Plan wiesen lediglich auf einen "Arbeitsstand vom 19.4.2007" hin. Auch habe die ......... GmbH mit dem Schreiben keine Zustimmung zum Vorhaben erteilt, sondern nur ihre Bereitschaft zur Übernahme der Abstandsflächen erklärt. Zu einer solchen Übernahme sei es aber unstreitig nicht gekommen. Eine Übernahme scheitere zudem daran, dass sich die Gebäudeabstände gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 SächsBO überdecken würden und es an der für Abstandsflächen auf anderen Grundstücken notwendigen Sicherung nach § 6 Abs. 2 Satz 3 SächsBO, § 2 Abs. 11 SächsBO fehle. Auch der Umstand, dass die Antragstellerin ihr Grundstück geteilt und den von der Abstandsflächenverletzung hier betroffenen Grundstücksteil verkauft habe, mache ihr Begehren noch nicht unzulässig. Soweit erkennbar sei die angestrebte Grundstücksteilung bisher nicht erfolgt. Die Käuferin verfüge nur über eine Auflassungsvormerkung. Die Antragstellerin sei noch als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Der Antrag sei auch begründet. Es sei davon ausgegangen, dass die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung in Widerspruch zu nachbarschützenden Vorschriften stehe. Das Vorhaben verletze die bei einen Sonderbau zu prüfenden Abstandsvorschriften (§ 64 Satz 1 Nr. 2 SächsBO). Nach § 6 Abs. 1 und 2 SächsBO seien Abstandsflächen einzuhalten, die auf dem Baugrundstück liegen müssten. Nach den Planunterlagen sollten die Außenwände des Vorhabens hier aber zum Teil unmittelbar auf der Grenze des Baugrundstücks errichtet werden, ohne dass die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 2 SächsBO vorlägen. Das Vorhaben könne auch nicht nach § 33 BauGB beurteilt werden. Dem in Bezug genommenen Bebauungsplanentwurf fehle die Planreife. Ein dem Entwurf folgender Bebauungsplan widerspräche zu Lasten der Antragstellerin dem Abwägungsgebot aus § 1 Abs. 7 BauGB. Ob der Bebauungsplan seine Rechtfertigung in der Rekonstruktion kulturhistorisch wertvoller Bauten finden könne, bedürfe keiner abschließenden Klärung, da jedenfalls der vorgetragene denkmalpflegerische Ansatz nicht nachvollziehbar sei. Das ursprünglich auf der streitgegenständlichen Parzelle befindliche historische Gebäude sei kriegszerstört und abgebrochen worden. Nunmehr solle ausweislich der Bebauungsplanung wie auch nach der angegriffenen Baugenehmigung ein moderner, historisierender Zweckbau errichtet werden. Mit Denkmalpflege habe dies nichts zu tun. Eine rechtlich nicht zu beanstandende Abwägung sei auch nicht mit Blick auf eine Gestaltung des Ortsbildes (§ 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB) erfolgt. Vielmehr beschränke sich die Abwägung allein auf den lösungsbedürftigen Konflikt zwischen gewollter Neubebauung und der seit fast 50 Jahren vorhandenen Bebauung auf dem Flurstück der Antragstellerin. Die Schlussfolgerung, dass der Neubebauung das Primat einzuräumen sei, sei abwägungsfehlerhaft. Der Entwurf verkenne, dass die Festsetzung einer "auf Null" reduzierten Abstandsfläche einen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Eigentumsposition der Antragstellerin beinhalte. Abwägungen hierzu seien völlig ausgefallen. Auch seien Grenzbebauungen mit offener Fassade, die ihrerseits funktionsnotwendig die Einhaltung einer Abstandsfläche erforderten, innerstädtisch nicht üblich.

Die Beigeladene wendet ein, dass die Antragstellerin bereits kein Rechtsschutzbedürfnis für ihren Antrag habe. Denn mit Schreiben vom 9.8.2007 habe sich die mit der Antragstellerin verbundene ......... GmbH bereit erklärt, die Abstandsflächen zu Lasten des Flurstücks Nr. F1 zu übernehmen. Dass am 7.10.2008 genehmigte Bauvorhaben sei weitgehend identisch mit dem ihrer Erklärung zugrunde liegenden Vorhaben. Die Antragstellerin setze sich mit ihrem gerichtlichen Vorgehen in Widerspruch zu dieser Erklärung. Der Antrag sei aber auch unbegründet. Soweit die Antragstellerin den Bebauungsplan Nr. ..... für unwirksam halte, berufe sie sich im Wesentlichen auf objektiv rechtliche Fehler, die bereits keinen Drittschutz entfalten würden. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stütze die Antragsgegnerin die Festsetzungen in ihrem Bebauungsplan nicht auf denkmalfachliche Aspekte, vielmehr setze sie mit dem in der Zwischenzeit in Kraft getretenen Bebauungsplan ihre Vorstellungen zur Gestaltung des Ortsbildes um. Dafür spreche bereits dessen Begründung. Die Abwägungsentscheidung befasse sich zudem ausführlich mit den Belangen der Antragstellerin. Dabei sei auch deren Interesse an einer wirtschaftlichen Ausnutzung ihres Grundstücks berücksichtigt worden. Die Antragsgegnerin habe sich aber dazu entschlossen, diese Belange gegenüber dem Interesse an der Verwirklichung des angestrebten Ortsbildes zurückzustellen. Im Übrigen habe die Antragsgegnerin ihr Vorkaufsrecht gegenüber dem von der Abstandsfläche des Vorhabens betroffenen und von der Antragstellerin veräußerten Grundstücksteils ausgeübt. Allerdings sei dagegen Widerspruch eingelegt worden. Sofern das Vorkaufsrecht nicht erfolgreich ausgeübt werden könne, stünden der Antragstellerin Ausgleichsansprüche gemäß § 42 BauGB zu. Die entsprechenden Mittel seien von der Antragsgegnerin eingeplant worden. Die im Bebauungsplan Nr. ..... erfolgten Festsetzungen seien nicht zu beanstanden. Dies gelte insbesondere für die Festsetzung der Sondergebiete und die vorgenommenen Flächenbegrenzungen. Die Gebiete unterschieden sich hinsichtlich ihrer Kleinteiligkeit von den Gebieten nach §§ 2 bis 9 BauNVO. Die Flächenbegrenzung sei städtebaulich gerechtfertigt. Die kleinteilige Nutzung werde zudem durch die Begrenzung der Zimmerzahl unterstrichen. Maßgeblich sei insgesamt, dass die Antragsgegnerin am Neumarkt die Rekonstruktion historisch wertvoller Gebäude zur Gestaltung ihres Ortsbildes verfolge. Die Errichtung der Gebäude erfolge anhand des historischen Stadtgrundrisses. Dementsprechend sehe das Konzept der Antragsgegnerin vor, das ".......Hotel" in seiner ursprünglichen Kubatur als Leitbau wiederherzustellen.

Die Antragsgegnerin wendet ebenfalls ein, dass der Antragstellerin für ihren Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz bereits das Rechtsbedürfnis fehle. Das geplante Vorhaben stimme weitgehend mit der Erklärung vom 9.8.2007 überein. Der Antrag sei aber auch unbegründet und die Entscheidung des Verwaltungsgerichts deshalb rechtswidrig. Der in der Zwischenzeit in Kraft getretene Bebauungsplan Nr. ..... rechtfertige die Reduzierung der einzuhaltenden Abstandsfläche auf Null und damit die Erteilung der Baugenehmigung. Wesentliches Element der städtebaulichen Zielvorstellungen für das Quartier IV/2 Nord sei das städtebaulich-gestalterische Konzept der Wiedererrichtung des ".......Hotel" als architektonisch und kulturhistorisch besonders wertvolles Zeugnis der barocken Neumarktbebauung. Durch den benachbarten Bebauungsplan Nr. ...... solle gesichert werden, dass die Fläche der zukünftigen ......straße nicht bebaut werde und die Fläche des ehemaligen Palais........ als Ergänzung zum British Hotel für einen zukünftigen Wiederaufbau des Palais von oberirdischer Bebauung freigehalten werde. Die Belange der Antragstellerin seien bei der dem Bebauungsplan zugrunde liegenden Abwägungsentscheidung berücksichtigt und sachgerecht gewichtet worden. Im Ergebnis der Gewichtung sei den städtebaulichen Zielen aber der Vorrang eingeräumt worden. Im Vordergrund habe nicht das Ziel gestanden, diese Fläche nachzuverdichten, sondern langfristig das Ziel, das Palais........ wieder zu errichten. Angesichts der Bestandssituation sei zwar dessen Wiedererrichtung vorerst nicht möglich, um jedoch keine städtebauliche Situation zu erzeugen, die dem später beabsichtigten Anschluss des ebenfalls historisierenden Palais........ verhindern, sei die bewusste Entscheidung zur Freihaltung der Fläche ergangen. Aus diesen Überlegungen heraus sei bewusst auf ein weiteres Baurecht hinter der rückwärtigen Baulinie des British Hotel als auch auf der daran angrenzenden Freifläche verzichtet worden. Dem Widerspruch der Grundstückskäuferin gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts sei abgeholfen worden.

Die Einwände der Antragsgegnerin und der Beigeladenen führen nicht zum Erfolg der Beschwerde. Dabei fehlt der Antragstellerin für ihren Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Denn aus dem genannten Schreiben vom 9.8.2007 ergibt sich keine Zustimmung zum mit Bescheid vom 7.10.2008 genehmigten Vorhaben. Eine Zustimmung liegt nur vor (vgl. § 70 Abs. 4 SächsBO), wenn der Nachbar dem konkreten Bauvorhaben schriftlich zugestimmt und damit auf Nachbarrechte gegen das beantragte Vorhaben verzichtet hat. Das genannte Schreiben enthält keine ausdrückliche oder sich aus seinem Inhalt unmissverständlich ergebende Zustimmung zum Bauvorhaben ".......Hotel", sondern nur die Bereitschaft zur Übernahme von Abstandsflächen im Zusammenhang mit der Übernahme der Kosten für die Errichtung einer Ausfahrt zur .......gasse. Eine beabsichtigte Bereitschaft zur Übernahme von Abstandsflächen kann nicht mit einer Zustimmung, die das Einverständnis mit einem konkreten Bauvorhaben zum Ausdruck bringt, gleichgesetzt werden. Hinzu kommt, dass die beabsichtigte Übernahme der Abstandsflächen nicht erfolgte und die Problematik der Zufahrt nicht in der im Schreiben genannten Vorgehensweise, sondern im Wege eines vereinfachten Umlegungsverfahrens gelöst wurde (vgl. S. 12 Anlage 1a der Abwägungsentscheidung zum Bebauungsplan Nr. .....). Im Übrigen ging auch die Antragsgegnerin in dem Vermerk einer Mitarbeiterin vom 24.1.2008 davon aus, dass eine Zustimmung zu dem Bauvorhaben nicht erteilt wurde. Dem Verwaltungsgericht ist ferner darin zuzustimmen, dass von einer wirksamen Zustimmung auch deshalb nicht ausgegangen werden kann, weil der beigefügte Abstandsflächenplan eine Abstandsflächenüberdeckung vorsieht und damit einen Verstoß gegen § 6 Abs. 3 Satz 1 SächsBO enthält. Zum anderen ist aber auch eine das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin ausschließende rechtliche Sicherung der beabsichtigten - teilweisen - grenzständigen Bebauung durch die Eintragung einer dinglichen Sicherung oder einer Baulast (§ 2 Abs. 11 SächsBO, § 6 Abs. 2 Satz 3 SächsBO) nicht erfolgt.

Die Beschwerde ist auch in der Sache nicht begründet. Der Senat geht mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung voraussichtlich rechtswidrig sein dürfte. Die im Baugenehmigungsverfahren bei Sonderbauten (§ 64 Satz 1 Nr. 2 SächsBO) zu prüfenden Abstandsvorschriften (§ 6 Abs. 1 SächsBO, § 6 Abs. 5 SächsBO) werden nämlich ohne rechtfertigenden Grund nicht eingehalten. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 SächsBO sind vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten, die auf dem zu bebauenden Grundstück liegen müssen. Gegen diese Voraussetzungen verstößt das hier genehmigte Vorhaben, da Teile der von der südöstlichen und südwestlichen Außenwand ausgelösten Abstandsflächen auf dem Grundstück der Antragstellerin liegen und zudem - wie vom Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt - wohl auch die vom Gebäude der Antragstellerin ausgelösten Abstandsflächen entgegen § 6 Abs. 3 Satz 1 SächsBO überdecken.

Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung ist wohl auch nicht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 SächsBO unter Berücksichtigung von § 30 Abs. 1 BauGB rechtmäßig. Denn der in der Zwischenzeit in Kraft getretene Bebauungsplan Nr. ....., der im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen ist, schafft mit der Festsetzung der hinteren Baulinie (§ 23 Abs. 2 BauNVO) für das Sondergebiet ".......Hotel" sowie der bauordnungsrechtlichen textlichen Festsetzung in Ziffer II Nr. 2 aufgrund von § 89 Abs. 1 Nr. 5 SächsBO nicht die Voraussetzungen dafür, dass ohne Einhaltung der Abstandsfläche (§ 6 Abs. 1 Satz 3 SächsBauO, § 6 Abs. 5 SächsBO) und teilweise bis an die Grenze des Flurstücks der Antragstellerin gebaut werden darf. Der genannte Bebauungsplan dürfte unwirksam sein. Bei der seinem Erlass zugrunde liegenden Abwägungsentscheidung sind nämlich die Belange der Antragstellerin an einer uneingeschränkten Nutzung ihres Grundstücks (Art. 14 GG) insoweit nicht ausreichend abgewogen worden.

Nach § 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung von Bauleitplänen die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Die Abwägung soll einen gerechten Ausgleich widerstreitender Interessen gewährleisten (vgl. Söfker in: Ernst/Zinkhahn/Bielenberg, Baugesetzbuch, Stand: Oktober 2008, § 1 Rn. 180). Die in § 1 Abs. 6 BauGB und § 1 Abs. 7 BauGB verankerten Gebote verpflichten den Träger der Bauleitplanung dazu, im Rahmen seiner planenden Entscheidung sämtliche im Hinblick auf die konkrete Planungssituation relevanten öffentlichen und privaten Belange in seine Abwägung einzubeziehen, wobei die Bedeutung der betroffenen Belange weder verkannt werden noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise erfolgen darf, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des vorgenannten Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die planende Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurücksetzung des anderen Belangs entscheidet. Die Planungsbefugnis schließt die Gestaltungsfreiheit ein; die Gestaltungsfreiheit wiederum umfasst verschiedene Elemente, insbesondere des Erkennens, des Bewertens und des Wollens. Innerhalb des vorgeschriebenen Rahmens ist das Vorziehen oder das Zurücksetzen bestimmter Belange eine elementare planerische Entscheidung, mit der zum Ausdruck gebracht wird, wie und in welche Richtung sich eine Gemeinde städtebaulich geordnet fortentwickeln will. Damit ist der Planungskontrolle der Verwaltungsgerichte eine enge Grenze gezogen (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.12.1969, BVerwGE 34, 301; HessVGH, Urt. v. 17.3.2003, ZfBR 2003; SächsOVG, NK-Urt. v. 7.12.2007 - 1 D 18/06 -). Das Abwägungsgebot ist nur verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die Abwägung nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, wenn die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder der Ausgleich der Belange in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (SächsOVG, NK-Urt. v. 30.9.2004 - 1 D 37/01 - und 7.12.2007, a. a. O.; VGH BW, Urt. v. 15.9.2004, NVwZ-RR 2005, 157).

Daran gemessen wurden die gegenüber zu stellenden Belange nicht ausreichend abgewogen. Zwar hat die Antragsgegnerin das Interesse der Antragstellerin, ihr Grundstück möglichst wirtschaftlich nutzen zu können, in die im Rahmen der am 12.3.2009 beschlossene Abwägung eingestellt und dabei auch berücksichtigt, dass auf diesem Flurstück grundsätzlich noch ein weiteres - kleines - Baufeld ausgewiesen werden könnte. Nicht zu beanstanden ist insoweit auch, dass die Antragsgegnerin demgegenüber ihr Interesse an der Gestaltung des Ortsbildes (§ 1 Abs 6 Nr. 5 BauGB) eingestellt hat. Nicht nachvollziehbar ist bei der vorgenommen Gewichtung aber, warum für die Errichtung des ".......Hotel" die Festsetzung einer zum Teil auf der Flurstücksgrenze zur Antragstellerin verlaufende Baulinie folglich eine Reduzierung der Abstandfläche auf Null für gerechtfertigt angesehen wird. Soweit die Antragstellerin ihre Festsetzung damit begründet, dass die Errichtung des ".......Hotel" zur Verwirklichung eines ihrem städtebaulich-gestalterischen Konzepts entsprechenden Ortsbildes, das den historischen Stadtgrundriss vor der Zerstörung 1945 berücksichtige, notwendig sei, ergibt sich hieraus kein nachvollziehbarer Grund dafür, warum eine Bebauung in den und ohne eigene Abstandsflächen notwendig ist. Zwar verweisen die Antragsgegnerin und die Beigeladene insoweit darauf, dass es darum ginge, dass ".......Hotel" als kulturhistorisch besonders wertvolles Zeugnis der barocken Neumarktbebauung entsprechend der historischen Kubatur als Leitbau wieder zu errichten. Es solle auch die Möglichkeit für einen historisierenden Anbau in Gestalt des ehemaligen Palais........ offen gehalten werden, für den Fall, dass die Bebauung der Antragstellerin auf dem Flurstück F1 entlang der ........straße eines Tages nicht mehr bestehen sollte. Aus diesen Erwägungen ergibt sich aber auch nicht, warum es dafür der Abstandsflächenreduzierung bedarf. Die Antragsgegnerin lässt nämlich außer Acht, dass das ".......Hotel" nur teilweise historisierend gestaltet werden soll. Unberücksichtigt bleibt hier, dass sich der Querflügel in seiner architektonischen Gestaltung - in Richtung des Flurstücks Nr. F1 - von anderen modernen Zweckbauten nicht unterscheidet und damit das Anliegen der Wiedererrichtung eines Leitbaus als architektonisch und kulturhistorischen besonders wertvolles Zeugnis der barocken Neumarktbebauung jedenfalls mit Blick von der ......straße optisch bereits nicht offenbar werden kann. Ferner blieb bei der Abwägung unberücksichtigt, dass die für die Wiedererrichtung des ".......Hotel" vorgesehene Kubatur (Volumen) nicht vollständig der Kubatur des ehemaligen ".......Hotel" - auch nicht der im Zeitpunkt vor seiner Zerstörung am 13.2.1945 - entspricht. Letzteres ergibt sich aus dem historischen Grundriss (vgl. S. 3 der Anlage 2 der Begründung zum Bebauungsplan N. .....), der nur einen schmalen Querflügel zeigt. Auf die vormals geringere Kubatur hat auch die Beigeladene in ihrem Schreiben vom 2.2.2009 hingewiesen. Sie führte insoweit aus, dass der im 19. Jahrhundert geschaffene schmale Mittelflügel für eine vernünftige wirtschaftliche Nutzung nicht ausreiche. Für eine tatsächliche historische Ausführung wäre es zudem erforderlich eine Bebauung des "Britisch Hotel" in der ursprünglichen "U-Form" festzusetzen. Nur dann könnte das Palais........ ebenfalls u-förmig - und damit in seiner historischen Gestalt - an dieses anschließen, so dass der historische Innenhof dieses ehemals ungeteilten Gebäudes wieder entstehen könnte. Dieses wäre nach den Festsetzungen des Bebauungsplanes selbst für den Fall ausgeschlossen, dass man zum Flurstück der Antragstellerin eine Brandwand festgesetzt hätte.

Die Antragstellerin hat sich in der Abwägungsentscheidung nicht nachvollziehbar damit auseinandergesetzt, dass eine mögliche Umsetzung des planerischen Ziels, das Palais........ nach Wegfall der Wohnbebauung an der ........straße wieder anbauen zu können, durch die planerischen Festsetzungen in Bezug auf das Sondergebiet ".......Hotel" torpediert oder zumindest wesentlich erschwert werden. Denn nach dem Bebauungsplan ist ein Ouerflügel vorgesehen, an dessen Fassade der Einbau von Fenstern - Lochfassade - in Richtung des Flurstücks Nr. F1 zulässig ist. Nach den Bauunterlagen in der Ansicht zur ......straße wurden dementsprechend 30 Fenster und ein verglastes Treppenhaus genehmigt, so dass die Verwirklichung eines Anbaus damit in eine noch fernere Zukunft gerückt wurde. Denn es lässt sich weder der Abwägungsentscheidung noch der Baugenehmigung Substanzielles dafür entnehmen, dass etwa die im Kaufvertrag angesprochene Rückbaupflicht in Bezug auf die Fenster umgesetzt werden soll oder gar ein Rückbau des Querflügels zeitlich bestimmt wurde.

Eine andere Bewertung ergibt sich nicht, weil die Antragsgegnerin daneben die Ziele verfolgt, die "Schnittstellen" zwischen der historisierenden Bebauung und der Nachkriegsbebauung optisch voneinander abzugrenzen und die Qualität der Sichtbeziehungen aus den Fenstern der Wohnbebauung an der ........straße zu erhöhen. Dabei ist bereits fraglich, ob sich die Sicht aus den Fenstern der Gebäude an der ........straße durch einen Anbau der Antragstellerin auf dem Flurstück F1 an eine abschließende Brandschutzwand auf dem Vorhabengrundstück, wie dies bei einer § 22 Abs. 2 BauNVO (die hier festgesetzt wurde) entsprechenden geschlossenen Bauweise grundsätzlich vorgesehen ist (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl., § 22 Rn. 9), negativ verändern würde. Zudem ist auch nicht plausibel, in welcher Weise der Querflügel, der - wie zuvor ausgeführt - als modernes Gebäude errichtet wird, optisch dazu beitragen kann, die "Schnittstellen" verschiedener Bauepochen und den historischen Grundriss sichtbar zu machen. Ortsbildprägende Funktion kommt der Rückseite des ".......Hotel" wegen seiner hinterhofartigen Lage zudem nicht zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Ziffer 1.5 und 9.7.1 Streitwertkatalog 2004 (NVwZ 2004, 1327 = DVBl. 2004, 1525 = VBlBW 2004, 467). Hiernach ist für das Beschwerdeverfahren mangels substanziierter Darlegung einer konkreten Grundstückswertminderung durch die angegriffene Baugenehmigung auf den eine Art von Auffangwert (SächsOVG, Beschl. v. 20.10.2005 - 1 BS 251/05 - m. w. N.) darstellenden Betrag von 7.500 € - im Eilverfahren davon die Hälfte - abzustellen.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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