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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 18.08.2009
Aktenzeichen: 1 B 409/09
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 114
BauGB § 79 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 1 B 409/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Baueinstellungsverfügung; Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz

hier: Beschwerde

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und die Richterin am Verwaltungsgericht Berger

am 18. August 2009

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 19. Juni 2009 - 4 L 175/09 - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.500,- € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 19.6.2009 hat keinen Erfolg. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf die Änderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung und die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die mit der Baueinstellungsverfügung der Antragsgegnerin vom 9.4.2009 verfügte und für sofort vollziehbar erklärte Einstellung der Bauarbeiten an den Fenstern und Türen der Fassadenansicht "......straße" für das Gebäude auf der ......straße 4 in O......

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung eines Widerspruches gegen einen nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärten Verwaltungsakt wiederherstellen. Im Rahmen dieser Entscheidung hat es eine Abwägung vorzunehmen zwischen dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug und dem Interesse des vom Bescheid Betroffenen, von der Vollziehung vorläufig verschont zu werden. Wie das Verwaltungsgericht ausführte, hat das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung den Vorrang vor dem Interesse des Adressaten, wenn sich der angefochtene Bescheid bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig erweist.

Das Verwaltungsgericht Leipzig hat mit seinem Beschluss den Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Baueinstellungsverfügung wiederherzustellen, abgelehnt. Nach summarischer Prüfung sei die Baueinstellungsverfügung rechtmäßig, weshalb das öffentliche Interesse an ihrem Sofortvollzug überwiege. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung genüge dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO. Die Verfügung sei durch § 79 Abs. 1 Satz 1 SächsBO gerechtfertigt. Der von der Antragstellerin vorgenommene Einbau der Türen und Fenster sei materiell rechtswidrig. Diese seien unter Verstoß gegen die in der der Antragstellerin am 13.11.2008 erteilten sanierungsrechtlichen Genehmigung enthaltenen Auflage und im Widerspruch zur Gestaltungssatzung der Stadt O..... vom 21.1.1999 nicht aus Holz, sondern aus Kunststoff gefertigt. Der Einbau sei zum Zeitpunkt des Erlasses der Baueinstellungsverfügung noch nicht abgeschlossen gewesen. Die Verfügung sei nicht ermessensfehlerhaft. Die Erteilung einer Ausnahme nach § 7 der Gestaltungssatzung oder einer Abweichung nach § 67 Abs. 1 SächsBO komme mangels Vorliegen eines atypischen Falles oder der Voraussetzungen des § 67 SächsBO nicht in Betracht, weshalb dies in die Ermessenserwägung nicht einzustellen gewesen sei. Auch eine auf die Baueinstellung der Arbeiten an dem Fenster und den Türen im Erdgeschossbereich beschränkte Verfügung habe sich nicht aufgedrängt. Anhaltspunkte für eine von der Antragsgegnerin ungleichmäßig geübte Praxis seien nicht ersichtlich.

Die Antragstellerin führt in ihrer Beschwerde gegen diesen Beschluss (nochmals) aus, dass ihrem privaten Interesse an der Aussetzung der Vollziehung des Bescheides der Vorrang gebühre. Sie habe der Antragsgegnerin mit ihrem Bauantrag von ihrem Vorhaben, bei der Sanierung Kunststofffenster einzubauen, in Kenntnis gesetzt. Eine ausdrückliche Ablehnung ihres Planes, diese zu verbauen, sei nicht erfolgt. Bei einer Aufrechterhaltung des Baustopps müsse sie mit Mietminderungen oder sogar einer Kündigung durch ihre Mieter rechnen, außerdem mit einer Schädigung der Bausubstanz infolge des durch die unverputzten Fensterfaschen eindringenden Regenwassers. Bei einem Austausch der Fenster und Türen kämen erhebliche Kosten auf sie zu. Die von ihr nunmehr eingebauten Kunststofffenster seien wegen ihrer Farbgestaltung und Maserung von einem Laien nicht als solche zu erkennen. Das historische Erscheinungsbild werde deshalb hierdurch nicht gestört. Im gesamten Innenstadtbereich seien weitere Kunststofffenster verbaut worden. Im Übrigen genüge die im Bescheid enthaltene Begründung des Sofortvollzuges nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO.

Aus diesen von der Antragstellerin gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO fristgerecht dargelegten Gründen, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, ergibt sich keine Veranlassung für eine Abänderung oder Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts.

Nach § 79 Abs. 1 Satz 1 SächsBO kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden. Die Genehmigungsfreiheit eines Bauvorhabens nach den §§ 60 bis 62 SächsBO entbindet gemäß § 59 Abs. 2 SächsBO den Bauherren nicht von der Verpflichtung zur Einhaltung der Anforderungen, die durch öffentlich-rechtliche Vorschriften an Anlagen gestellt werden, und lässt die bauaufsichtlichen Eingriffsbefugnisse unberührt.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 79 Abs. 1 Satz 1 SächsBO liegen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, vor. Dabei kann dahinstehen, ob und wie die Antragstellerin die Antragsgegnerin von ihrem Vorhaben, an der der Bürgerstraße zugewandten Fassade ihres Hauses Fenster und Türen aus Kunststoff einzubauen in Kenntnis setzte. Denn die Sanierungsgenehmigung vom 13.11.2008 enthält ausdrücklich die Auflage, die Gestaltungssatzung der Stadt O..... einzuhalten. Diese enthält unter § 4 Ziffer 2 Nr. 6 die Regelung, dass Türen und Fenster grundsätzlich aus Holz hergestellt sein müssen. Eine Befreiung gemäß § 7 der Satzung wurde der Antragstellerin nicht erteilt. Damit war die Antragstellerin verpflichtet, bei der Instandsetzung ihres Hauses - abweichend von ihrem ursprünglichen Plan - Holztüren und Holzfenster zu verwenden.

Im Übrigen ist festzuhalten, dass nach der dem Senat vorliegenden Verwaltungsakte der Antragsgegnerin der am 4.10.2007 erstellte Bauantrag der Antragstellerin für ein vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren nach § 63 SächsBO der Antragsgegnerin tatsächlich nicht zugegangen ist. Die von der Antragstellerin vorgelegte Kopie trägt - folgerichtig - keinen Eingangsstempel der Bauaufsichtsbehörde. Dieser Antrag weist zudem lediglich aus, dass für den Einbau "...Holz bzw. Kunststofffenster mit U = 1,1..." vorgesehen sind. Angaben zur Gestaltung der Außentüren fehlen völlig. Das Schreiben der Antragstellerin vom 5.11.2008 und der beigefügte Kostenvoranschlag des SMB Ausbau- und Montageservice vom 7.5.2007, welches die Antragsgegnerin zum Anlass für die Erteilung ihrer Sanierungsgenehmigung vom 13.11.2008 nahm, enthalten keinerlei Angaben zur beabsichtigten Gestaltung der Türen und Fenster an der der ......straße zugewandten Fassade des Gebäudes der Antragstellerin.

Auch die Ausführungen des Gerichts zu den Ermessenserwägungen der Antragsgegnerin bei deren Entscheidung über die Baueinstellung sind aus den von der Antragstellerin vorgetragenen Gründen nicht zu beanstanden. Die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin ist nach § 114 Satz 1 VwGO für das Gericht dahingehend zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann Ermessenserwägungen auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen (§ 114 Satz 2 VwGO).

Zu Recht weist das Gericht darauf hin, dass das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 79 Abs. 1 SächsBO - die formelle und/oder materielle Rechtswidrigkeit des Bauvorhabens - die in der Vorschrift vorgesehene Rechtsfolge, den Erlass einer Baueinstellung, bereits indiziert. § 79 Abs. 1 SächsBO räumt der Bauaufsichtsbehörde ein intendiertes Ermessen ein, ein Einschreiten ist deshalb regelmäßig ermessensgerecht. Die Einräumung des Ermessens dient hier lediglich dazu, die Behörde in atypischen Ausnahmefällen von einer Verpflichtung zum Einschreiten zu entbinden. Die Voraussetzungen für einen atypischen Fall liegen hier hingegen nicht vor (SächsOVG, Beschl. v. 10.7.1997, 1 S 617/96, st. Rspr.; Jäde in: Jäde/Dirnberger/Böhme, Bauordnungsrecht Sachsen, Kommentar, Teil II, Stand Mai 2009, § 79 Rn. 12 mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Die Folgen, die der Antragstellerin daraus erwachsen, dass sie die Instandsetzung ihres Gebäudes abweichend von der ihr erteilten Sanierungsgenehmigung ausführte, insbesondere die Gefahr, von ihren Mietern mit Mietminderungen belastet oder gar Schadensersatzforderungen ausgesetzt zu werden oder deren Kündigung hinnehmen zu müssen, fallen in ihre Risikosphäre wie die durch den Ausbau der Kunststofffenster und -türen und Ersatz derselben durch Elemente aus Holz verursachten Mehrkosten. Die Befürchtungen der Antragstellerin, das Mauerwerk nehme durch an den unverputzten Stellen an den Fenster- und Türöffnungen eindringendes Regenwasser Schaden, teilt das Gericht nicht. Zum einen liegt das Mauerwerk nach den vorgelegten Fotos nicht großflächig offen, zum anderen beabsichtigt die Antragsgegnerin kurzfristig den Erlass einer Beseitigungsverfügung, was die Antragstellerin dann ohnehin zum Handeln zwingen wird. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass eine Baueinstellungsverfügung bloße Baustellensicherungsarbeiten - so sie denn erforderlich sind - nicht erfasst (vgl. Jäde, a. a. O., § 79 Rn. 21). Der Senat folgt der Antragstellerin schließlich auch nicht in ihrer Auffassung, die von ihr verbauten Kunststofffenster und -türen würden sich optisch nicht von Holzfenstern unterscheiden, weshalb die verfügte Baueinstellung unverhältnismäßig sei. Nach den vorgelegten Fotos sind die Fenster und - insbesondere - die bereits eingebaute Tür als aus Kunststoff hergestellt zu erkennen. Im Übrigen verlangt die Antragsgegnerin den Einbau von Holzfenstern und -türen auch, weil diese, wie die gesamte Fassade auch, einem linearen Alterungsprozess unterliegen. Kunststofffenster und -türen hingegen, deren (dann schnellerer) Alterungsprozess erst nach einer verhältnismäßig langen Lebenszeit einsetzt, nehmen sich nach einigen Jahren in einer alternden Hausfassade wie Fremdkörper aus (vgl. SächsOVG, Urt. v. 17.9.2007, 1 B 324/06). Ein atypischer Ausnahmefall liegt damit ersichtlich nicht vor. Soweit sich die Antragstellerin auf eine von der Antragsgegnerin ungleich geübte Verwaltungspraxis beruft, ist diese dem Vortrag überzeugend entgegengetreten.

Schließlich genügt die von der Antragsgegnerin gegebene Begründung des Sofortvollzuges ihrer Baueinstellungsverfügung auch zur Überzeugung des Senats den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Nach dieser Vorschrift ist bei der besonderen Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Bescheides das besondere Interesse hieran schriftlich zu begründen. Die Antragsgegnerin hat dem in nicht zu beanstandender Weise genügt. Eine nur floskelhafte Begründung hat sie nicht gegeben, sondern - zutreffend - darauf verwiesen, dass - wie in aller Regel - anderenfalls das Ziel der Verfügung nicht erreicht werden könnte. Es liegt in der Natur der Baueinstellungsverfügung begründet, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung auf Gründe gestützt wird, die zugleich den Verwaltungsakt (hier die ermessensleitenden Erwägungen) selbst tragen. Außerdem hat die Antragsgegnerin sich auch mit der Kostenfolge auseinander gesetzt, die ohne den Erlass der Baueinstellungsverfügung bei einer anschließenden Beseitigungsanordnung auf die Antragstellerin zukäme. Auch wenn die Antragstellerin diese Ausführungen inhaltlich nicht teilt, genügen sie doch dem Begründungserfordernis.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Bei der Streitwertentscheidung nach § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG folgt der Senat den Ausführungen des Verwaltungsgericht, die er sich zu eigen macht.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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