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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 01.03.2005
Aktenzeichen: 1 BS 24/05
Rechtsgebiete: SächsBO, BauGFB, VwGO


Vorschriften:

SächsBO § 6 Abs 1 Satz 3
SächsBO a.F.§ 77
SächsBO n.F.§ 80
BauGFB § 34
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 80a
1. Auf Antrag des Nachbarn ist der Sofortvollzug einer gegen einen Bauherrn ergangenen und von diesem angefochtenen Nutzungsuntersagung anzuordnen, wenn der Nachbar einen Anspruch auf Erlass der Nutzungsuntersagung hat und ihr Sofortvollzug in seinem überwiegenden Interesse geboten ist.

2. Der Nachbar hat nicht schon dann einen Anspruch auf Erlass einer bauaufsichtlichen Nutzungsuntersagung, wenn das Bauvorhaben formell illegal ist, sondern nur dann, wenn das nicht formell durch eine Baugenehmigung in seinem Bestand geschützte Vorhaben den Nachbarn in eigenen Rechten verletzt, dadurch zu einer spürbaren tatsächlichen Beeinträchtigung des Nachbarn führt und keine überwiegenden Gründe gegen den Erlass der Nutzungsuntersagung sprechen. Eine hohe Intensität der Störung oder Gefährdung der nachbarlichen Rechte oder die Betroffenheit hochrangiger Rechtsgüter ist demgegenüber nicht zwingend vorausgesetzt.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Nutzungsuntersagung; Antrag nach § 80 Abs. 5 i.V.m. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Sattler, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Franke und den Richter am Verwaltungsgericht Müller am 1. März 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 21. Dezember 2004 - 4 K 2761/04 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beigeladene.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750,- € festgesetzt.

Gründe:

Der Senat kann entscheiden, ohne die Ehefrau und die Tochter des Beigeladenen oder die aus ihnen bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die die Gaststätte auf dem betroffenen Grundstück des Beigeladenen betreiben, zum Verfahren beizuladen. Ihre Beiladung ist nach § 65 VwGO nicht geboten, denn sie sind von der Nutzungsuntersagung gegen den Beigeladenen nicht selbst unmittelbar rechtlich betroffen. Eine solche Betroffenheit wird vielmehr erst durch die gegen sie selbst ergangene und selbstständig angreifbare Nutzungsuntersagung ausgelöst. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder Augenscheinseinnahme ist im Rahmen dieses einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht veranlasst.

Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die innerhalb der Beschwerdefrist dargelegten Beschwerdegründe, die gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen sind, geben - soweit sie den gebotenen sachlichen Gehalt aufweisen - keine Veranlassung, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern.

Das Verwaltungsgericht hat die sofortige Vollziehung des Bescheides der Antragsgegnerin vom 11.6.2004 angeordnet, mit dem dem Beigeladenen die Nutzung des Gaststättensaales der Gaststätte "Z. " auf seinem Grundstück Flurstück Nr. F1 der Gemarkung G1 in H. untersagt worden ist. Der auf die Anordnung gerichtete Antrag des Antragstellers sei zulässig und begründet. Die insoweit vorzunehmende Interessenabwägung gehe zu seinen Gunsten aus, weil er überwiegend wahrscheinlich einen Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Erlass der Nutzungsuntersagung habe, durch ihren Nichterlass in seinen öffentlich-rechtlichen Nachbarrechten verletzt werden würde und die Nutzungsuntersagung auch sonst mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtmäßig sei. Die Nutzung des Gaststättensaales durch den Beigeladenen bzw. seine Ehefrau und seine Tochter stehe in Widerspruch zu § 6 SächsBO a.F., was durch inzwischen rechtskräftiges Urteil feststehe. Hieran habe sich auch nach In-Kraft-Treten der Neufassung der Sächsischen Bauordnung, die zu berücksichtigen sei, weil § 90 SächsBauO n.F. die Anwendung des neuen materiellen Rechts auch auf Altverfahren vorsehe, nichts geändert. Nach § 6 Abs. 5 Satz 1 SächsBO n.F. sei weiterhin ein Mindestabstand von 3 Metern erforderlich. § 6 Abs. 1 Satz 3 SächsBO n.F. sei nicht einschlägig. Es sei nicht erkennbar, weshalb nach § 34 BauGB eine Grenzbebauung zulässig sein könnte. Eine geschlossene Bauweise sei nicht gegeben. Dass der Beigeladene zwischenzeitlich einen neuen Bauantrag gestellt habe, ändere an der formellen Rechtswidrigkeit seines Vorhabens nichts. Aus den dargelegten Gründen dürfe ihm ohnehin die Baugenehmigung auch neuerlich nicht erteilt werden. Hinzukomme, dass der Beigeladene einen nahezu identischen Bauantrag eingereicht habe, der sich nur dadurch von dem vorhergehenden Antrag unterscheide, dass er weitergehende Öffnungszeiten einschließe. Der Antragsteller habe auch einen Anspruch auf Untersagung der Nutzung. Denn sie sei das mildeste Mittel, um ihn vor den vom Grundstück des Beigeladenen ausgehenden und auf die rechtswidrige Benutzung des Gaststättensaales zurückzuführenden Beeinträchtigungen zu schützen. Von der Antragsgegnerin veranlasste Kontrollen reichten nicht aus, um unzumutbare Beeinträchtigungen des Antragstellers zu vermeiden. Es bestünden keine Zweifel an den vom Antragsteller vorgelegten Auflistungen über Veranstaltungen im Gaststättensaal. In einem Fall sei anlässlich einer Kontrolle des gemeindlichen Vollzugsdienstes ein Verstoß festgestellt worden, zu dem die Ehefrau geäußert habe, es gebe in Sachsen keine Öffnungszeiten und sie könne die Gäste nicht um 22 Uhr nach Hause schicken. Angesichts der Vielzahl der Veranstaltungen des Beigeladenen in der Gaststätte sei auch ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Anordnung des Sofortvollzuges zu bejahen. Die durch den Gaststättenbetrieb hervorgerufenen Beeinträchtigungen des Antragstellers seien bereits Gegenstand des Baugenehmigungsklageverfahrens gewesen. Offensichtlich ignoriere der Beigeladene bewusst die durch die Aufhebung der Baugenehmigung für ihn sich ergebene rechtliche Situation und betreibe seine Gaststätte in unvermindertem Umfang weiter. Soweit die Antragsgegnerin auf Umsatzeinbußen des Beigeladenen verweise, genüge dies nicht, um das überwiegende Interesse des Antragstellers zumindest auszugleichen. Denn hier verwirkliche sich das Risiko des Bauherrn, der eine Baugenehmigung vollzieht, obwohl diese von einem Nachbarn angefochten wurde. Im Übrigen genügten Umsatzeinbußen für sich genommen nicht, um ein Privatinteresse zu begründen. Für eine Existenzgefährdung sei nichts ersichtlich. Es sei dem Beigeladenen zuzumuten, auf die Nutzung des Saales zu verzichten, bis eine bestandskräftige Entscheidung über die Nutzungsuntersagung bzw. die von ihm beantragte Baugenehmigung vorliegt.

Die hiergegen gerichteten Einwände des Beigeladenen, soweit sie nach dem oben Dargelegten zu prüfen sind, greifen nicht durch. Soweit der Beigeladene meint, das Verwaltungsgericht habe seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs oder seine Amtsermittlungpflichten verletzt, sind solche Verfahrensfehler weder substantiiert begründet, noch sonst ersichtlich. Sie würden überdies für sich genommen nicht zu einer Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses führen können.

Das Verwaltungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass sich die gem. § 80 Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 1 und 2, § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung danach auszurichten hat, ob der Beigeladene einen Anspruch auf die Nutzungsuntersagung besitzt (dazu im Folgenden unter 1.) und der Sofortvollzug dieser Nutzungsuntersagung in seinem überwiegenden Interesse geboten ist (dazu unter 2.). Denn der Gegenstand der gerichtlichen Prüfung ist bei dem Antrag eines Dritten auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Ergebnis darauf beschränkt, ob der Dritte in seinen eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt ist (ebenso VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 19.4.2002, NVwZ-RR 2003, 27, zit. nach juris; HessVGH, Beschl. v. 13.8.1996, BRS 58 Nr. 167; OVG NW, Beschl. v. 25.8.1993, UPR 1994, 38, zit. nach juris).

1. Das Verwaltungsgericht hat weiter zu Recht angenommen, dass der Antragsteller nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung auch einen Anspruch auf Erlass der Nutzungsuntersagung gegen den Beigeladenen, wie sie mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 11.6.2004 ergangen ist, besitzt. Nach § 80 Satz 2 SächsBO n.F. wie nach § 77 Satz 2 SächsBO a.F. steht der Erlass einer Nutzungsuntersagung allerdings im pflichtgemäßen Ermessen der Bauaufsichtsbehörde. Der Nachbar besitzt dementsprechend grundsätzlich nur einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung und nur dann einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten, wenn jede andere Entscheidung der Behörde als diejenige, die vom Nachbarn verlangte Nutzungsuntersagung zu erlassen, ermessensfehlerhaft wäre. Eine derartige Ermessensreduzierung ist nicht schon dann anzunehmen, wenn das Bauvorhaben formell illegal ist, auch wenn dies die Bauaufsichtsbehörde zur Untersagung der Nutzung regelmäßig berechtigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das nicht formell durch eine Baugenehmigung in seinem Bestand geschützte Vorhaben den Nachbarn in eigenen Rechten verletzt, dadurch zu einer spürbaren tatsächlichen Beeinträchtigung des Nachbarn führt und keine überwiegenden Gründe gegen den Erlass der Nutzungsuntersagung sprechen. Eine hohe Intensität der Störung oder Gefährdung der nachbarlichen Rechte oder die Betroffenheit hochrangiger Rechtsgüter wie Leben oder Gesundheit ist demgegenüber für den Anspruch auf Erlass einer Nutzungsuntersagung, die regelmäßig nicht mit einem Substanzverlust an dem Bauvorhaben einhergeht, nicht zwingend vorausgesetzt (ebenso Degenhart, in: ders. (Hrsg), SächsBO, Losebl. Stand Juni 2002, § 77 RdNr. 108 ff, 117). Nach diesen Maßstäben hat der Antragsteller einen Anspruch auf die gegen den Beigeladenen ausgesprochene Nutzungsuntersagung.

1.1. Der Beigeladene hat, wie unstrittig ist, den östlichen, ehemals als Scheune dienenden Flügel seines Vierseithofes zu einem Gesellschaftssaal für die in übrigen Teilen des Hofes betriebene Gaststätte umgebaut und lässt ihn als solchen nutzen. Dieser Umbau und diese Nutzung sind nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt, denn die ihm für dieses Vorhaben ursprünglich erteilte Baugenehmigung vom 13.11.2001 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 27.11.2001 ist durch rechtskräftiges Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 15.1.2003 - 4 K 1841/02 - aufgehoben worden. Dass der Beigeladene inzwischen einen neuen Bauantrag gestellt hat, vermittelt dem bereits verwirklichten Vorhaben keinen formellen Schutz.

1.2. Das Vorhaben verletzt den Antragsteller auch in eigenen Rechten. Dies steht zwar nicht schon aufgrund des erwähnten rechtskräftigen Urteils vom 15.1.2003 fest; wegen der inzwischen in Kraft getretenen Änderungen der materiellen Rechtslage, namentlich der Neufassung der Abstandsflächenregelung in § 6 SächsBO, ist der Senat vielmehr zu einer neuen Prüfung der baurechtlichen Legalität anhand der nunmehr geltenden Rechtslage berechtigt. Auch danach hält das Vorhaben jedoch die gebotenen Abstandsflächen zum Grundstück des Antragstellers nicht ein, weil die zum Grundstück des Antragstellers weisende Nordwand des Gesamtgebäudes, dessen untrennbarer Teil das Vorhaben ist, zur Grundstücksgrenze keinen Abstand von mindestens drei Metern aufweist (§ 6 Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 SächsBO n.F.). Zur Maßgeblichkeit des Gesamtgebäudes sowie dazu, dass der Antragsteller der Reduzierung der Abstandsfläche nicht wirksam zugestimmt hat, nimmt der Senat auf seine Darlegungen in dem den Beteiligten bekannten Beschluss vom 31.3.2004 - 1 B 344/03 - Bezug, die unverändert fortgelten. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller sich aus sonstigen Gründen nicht auf die Einhaltung der gebotenen Abstandsfläche berufen könnte, liegen nicht vor. Ob dem Beigeladenen hinsichtlich der einzuhaltenden Abstandsfläche eine im Ermessen der Antragsgegnerin liegende Abweichung nach § 67 Abs. 1 SächsBO n.F. erteilt werden könnte, kann offen bleiben, denn ihm ist eine solche bislang jedenfalls nicht erteilt worden. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass ihm eine solche erteilt werden müsste.

Nach der im Eilverfahren gebotenen und auch nur möglichen summarischen Prüfung ist die Einhaltung einer Abstandsfläche vor der Nordwand auch nicht nach § 6 Abs. 1 Satz 3 SächsBO n.F. entbehrlich. Danach ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf. Dafür, dass nach dem wohl einschlägigen § 34 Abs. 1 BauGB die nördliche Außenwand an die Grenze zum Grundstück des Antragstellers gebaut werden muss, spricht nach den in den vorgelegten Unterlagen enthaltenen Plänen nichts. Es spricht auch Überwiegendes dafür, dass sie nicht grenzständig errichtet werden darf. Insofern kommt es nicht nur darauf an, ob der Charakter der nach § 34 Abs. 1 BauGB maßgeblichen Umgebung eine Grenzbebauung zulässt, sondern auch darauf, ob diese Grenzbebauung auch im Übrigen bauplanungsrechtlich zulässig wäre, insbesondere die gebotene Rücksichtnahme auf das Nachbargrundstück nicht vermissen lässt. Diese vom Senat zu § 6 Abs. 1 Satz 2 SächsBO a.F. vertretene Rechtsauffassung (st. Rspr. seit Beschl. v. 30.11.1998, JbSächsOVG 6, 284) gilt unverändert auch für die Neufassung des § 6 Abs. 1 Satz 3 SächsBO. Das Vorhaben des Beigeladenen dürfte jedoch gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßen, weil von ihm für den Antragsteller unzumutbare Lärmimmissionen ausgehen. Dies ergibt sich aus der im Zuge des Baugenehmigungsverfahrens eingeholten schalltechnischen Untersuchung der r. GbR vom September 2001, die die Lärmimmissionen des damals beantragten und später mit Bescheiden vom 13. und 27.11.2001 genehmigten Bauvorhabens auf der Grundlage der als Orientierungshilfen heranzuziehenden TA Lärm und einschlägigen VDI-Richtlinien prognostiziert. Danach ist am sog. Immissionspunkt 9, der sich an der dem Gesellschaftsraum des Beigeladenen gegenüberbefindlichen Stelle des Grundstücks des Antragstellers befindet (vgl. Anlage 5 des Gutachtens), im Falle des Betriebes des damals beantragten Gesellschaftsraumes mit Immissionen von 50 dB(A) tagsüber und 45 dB(A) nachts zu rechnen (Anlage 2 des Gutachtens), wobei das Gutachten unterstellt, dass der Betrieb samstags um 23 Uhr, im Übrigen spätestens um 22 Uhr endet und der Gesellschaftsraum 43 Sitzplätze umfasst (Seite 8 f. des Gutachtens). Danach überschreiten die vom Vorhaben tatsächlich bewirkten Immissionen auf dem Grundstück des Antragstellers die nach der TA Lärm zulässigen Richtwerte, selbst wenn zugunsten des Beigeladenen unterstellt wird, dass dem Antragsteller Immissionen wie in einem Mischgebiet und damit 60 dB(A) tagsüber und 45 dB(A) nachts zumutbar sind. Denn der Gesellschaftsraum wird - worauf der Antragsteller zu Recht hinweist - ausweislich der vom Beigeladenen vorgelegten Liste der geplanten Veranstaltungen (OVGAS 143) sogar für bis zu 60 Gäste genutzt und der Betrieb endet nicht bis 22 Uhr bzw. 23 Uhr, sondern wird auch darüber hinaus fortgesetzt. Letzteres ergibt sich nicht nur aus dem erstinstanzlichen Vorbringen des Antragstellers, das schon das Verwaltungsgericht für glaubhaft gehalten hat und dem der Beigeladene auch im Beschwerdeverfahren nichts entgegenhält, aus seinem Bauantrag vom 29.10.2004, in dem er sich ausdrücklich darauf beruft, bestimmte Öffnungszeiten nicht einhalten zu müssen, und aus dem Verhalten des Beigeladenen und einer der Betreiberinnen der Gaststätte anlässlich der Kontrolle des gemeindlichen Vollzugsdienstes am 1.10.2004 um 22 Uhr 30, bei der die Betreiberin erklärte, sie habe keine Öffnungszeiten einzuhalten und schicke ihre Gäste nicht um 22 Uhr nach Hause. Aus allem folgt, dass das Vorhaben des Beigeladenen nicht an der Grenze zum Grundstück des Antragstellers verwirklicht werden durfte und deshalb ohne Abstand vor der nördlichen Außenwand die Rechte des Antragstellers aus § 6 SächsBO n.F. - im Übrigen auch diejenigen aus § 34 Abs. 1 BauGB - verletzt. Ob das Vorhaben nach § 34 Abs. 3a BauGB zugelassen werden könnte, ist unerheblich, weil dem Beigeladenen die dafür erforderliche, im Ermessen der Antragsgegnerin stehende Abweichung nicht erteilt wurde und nach summarischer Prüfung auch nicht ersichtlich ist, dass ihm ein Anspruch hierauf zusteht.

1.3. Die weiteren Voraussetzungen für einen Anspruch des Antragstellers auf Erteilung der ausgesprochenen Nutzungsuntersagung liegen ebenfalls vor. Die Verletzung seiner Rechte führt zu einer spürbaren Beeinträchtigung. Dabei übersieht der Senat nicht, dass jedenfalls nach dem erwähnten Schallgutachten nur der unbebaute Teil des Grundstückes des Antragstellers von den Immissionen betroffen ist. Allerdings dürften die tatsächlichen Immissionen über die vom Gutachten prognostizierten aus den dargelegten Gründen hinausgehen und möglicherweise auch den bebauten Teil des Grundstückes erreichen. Diese insoweit im Rahmen des Eilverfahrens nicht weiterer aufklärbare Gefahr geht zu Lasten des Beigeladenen, dem die Unsicherheiten in Bezug auf den Umfang der tatsächlichen Nutzung anzulasten sind, weil diese nicht auf einer formellen Genehmigung beruhen. Im Übrigen hat der Antragsteller vorgetragen, dass er den derzeit unbebauten Teil seines Grundstückes zu Ruhe- und Erholungszwecken nutze und über einen positiven Bauvorbescheid betreffend die Bebauung mit Wohnhäusern verfüge. Dass beide Nutzungen durch die erheblichen Lärmbelästigungen beeinträchtigt werden, bedarf keiner weiteren Begründung.

Überwiegende Gründe, die gegen den Erlass der Nutzungsuntersagung sprechen, liegen nicht vor. Soweit der Beigeladene darauf verweist, es sei seiner schwangeren Tochter unzumutbar, die Wohnung über dem Gaststättensaal zu räumen, geht dies von vornherein fehl, weil die Nutzung der Wohnung überhaupt nicht untersagt wurde. Auf finanzielle Schäden des Gaststättenbetriebes kann er sich nicht berufen, weil die Gaststätte nicht von ihm, sondern seiner Ehefrau und Tochter betrieben wird und er allenfalls Mietausfälle hinzunehmen haben könnte. Insofern ist allerdings schon nicht überzeugend, dass sein Mietvertrag mit den Betreibern der Gaststätte mit der Verfügbarkeit des Gaststättensaales stehen und fallen soll, obwohl noch die Gaststätte mit ihren übrigen Räumlichkeiten zur Verfügung steht. Entsprechende vertragliche Vereinbarungen hat er hierzu nicht vorgelegt. Schließlich weist das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hin, dass die finanziellen Einbußen, die der Beigeladene bzw. die Gststättenbetreiber zu vergegenwärtigen haben, und der drohende Rufschaden der Nutzungsuntersagung auch deswegen nicht entgegenstehen können, weil die Inbetriebnahme des Saales und die für ihn eingegangenen Verpflichtungen auf ihr eigenes Risiko geschahen. Der Beigeladene hat das Vorhaben zwar nicht ohne, aber ohne bestandskräftige Baugenehmigung und zu einem Zeitpunkt verwirklicht, als die Klage des Antragstellers bereits anhängig war. Er musste deshalb damit rechnen, dass die Baugenehmigung aufgehoben werden und sein Vorhaben unzulässig sein könnte. Da der Beigeladene schließlich nach den obigen Darlegungen ersichtlich nicht bereit ist, Begrenzungen der Öffnungszeiten für den Betrieb des Gaststättensaales zu akzeptieren, kommt auch eine Einschränkung der Nutzungsuntersagung auf den Zeitraum ab 22 Uhr als ihn weniger belastende Maßnahme nicht in Betracht.

2. Die Anordnung des Sofortvollzuges der Nutzungsuntersagung liegt auch im überwiegenden Interesse des Antragstellers. Sie ist nach den obigen Ausführungen und auch im Übrigen rechtmäßig. Zur Abwägung im Einzelnen wird auf die obenstehenden Ausführungen verwiesen. Dem Interesse des Antragstellers an der Anordnung des Sofortvollzuges steht auch nicht entgegen, dass er den unbebauten Teil seines Grundstückes im Winter zu Ruhe- und Erholungszwecken ohnehin kaum wird nutzen können, denn diese Jahreszeit geht inzwischen zu Ende, ohne dass eine bestandskräftige Entscheidung in der Hauptsache oder über den neuen Bauantrag bereits absehbar wäre.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Dabei orientiert sich der Senat entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung an den Empfehlungen des sog. Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zum aktuellen Stand von Juli 2004 (abgedr. u.a. in NVwZ 2004, 1327 ff.), wonach bei Klagen eines Nachbarn regelmäßig ein Streitwert in Höhe von 7.500,- € anzusetzen und dieser in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um 50 v.H. zu mindern ist (Ziffern 1.5, 9.7.1).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.



Ende der Entscheidung

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