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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 10.07.2007
Aktenzeichen: 1 BS 247/07
Rechtsgebiete: VwGO, BNatSchG, SächsNatSchG, VO des Regierungspräsidiums Leipzig


Vorschriften:

VwGO § 42 Abs. 2
BNatSchG § 10 Abs. 1 Nr. 5
BNatSchG § 11 Satz 1
BNatSchG § 22
BNatSchG § 22 Abs. 1
BNatSchG § 33 Abs. 2
BNatSchG § 34
BNatSchG § 61 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BNatSchG § 61 Abs. 1 Nr. 1
BNatSchG § 61 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbsatz
SächsNatSchG § 16
SächsNatSchG § 16 Abs. 2
SächsNatSchG § 16 Abs. 3
SächsNatSchG § 16 Abs. 4
VO des Regierungspräsidiums Leipzig § 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 1 BS 247/07

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Anbau von genetisch verändertem Mais MON810 (Fläche B), Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz

hier: Beschwerde

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch die Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Dahlke-Piel, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Schmidt-Rottmann

am 10. Juli 2007

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 24. April 2007 - 6 K 410/07 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,- € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg, weil es dem Antragsteller an der erforderlichen Antragsbefugnis fehlt. Das gilt für den ursprünglich gestellten Antrag - der Beigeladenen die Aussaat von gentechnisch verändertem Saatgut zu untersagen - ebenso wie für das Begehren, etwaig bereits ausgesätes Saatgut entfernen zu lassen, und für den Hilfsantrag, dafür Sorge zu tragen, dass der fragliche Mais vor der Blüte geerntet wird oder dass die Pollenfahnen so geschnitten werden, dass keine Pollen in die Nahrungskette gelangen.

Der Antragsteller ist als Naturschutzverband ersichtlich nicht im Sinne von § 42 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - in subjektiv-öffentlichen Rechten betroffen. Seine Antragsbefugnis folgt aber auch nicht aus § 61 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 11 Satz 1 des Bundesnaturschutzgesetzes - BNatSchG -.

Soweit sich der Antragsteller darauf beruft, im vorliegenden Fall habe es einer Befreiung von den Verboten und Geboten zum Schutz des Naturschutzgebietes "V............................" bedurft, macht sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen die zutreffenden Gründe des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses zu Eigen. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Sichtweise. Die vom Antragsteller vorgetragenen Belege für seine Auffassung, durch eine Naturschutzverordnung könnten auch Handlungen außerhalb des Naturschutzgebietes verboten werden, betreffen zum Teil die bundesrechtliche Rahmenregelung (so Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 11 RdNr. 127) oder aber anders lautendes Landesrecht (so BayVGH, Beschl. v. 25.7.1995, NVwZ-RR 1995, 648; Soell, NuR 1980, 1 [7]).

Bei einer systematischen Auslegung von § 16 Abs. 2 und 3 SächsNatSchG im Verhältnis zu Absatz 4 dieser Vorschrift spricht ganz Überwiegendes für die Auffassung, dass das Sächsische Naturschutzgesetz es nicht ermöglicht, durch eine Naturschutzverordnung Handlungen außerhalb des Naturschutzgebietes, die aber in dieses Gebiet einwirken, zu verbieten. Die vom Antragsteller befürchteten Lücken bei der Verwirklichung der Schutzgebietsziele treten dadurch nicht - jedenfalls nicht notwendig - ein. Denn zum einen steht es dem Verordnungsgeber anerkanntermaßen frei, durch die Ausweisung neutraler Umgebungsflächen als so genannte Pufferzonen den Schutz zu vervollkommnen, zum anderen besteht für die zuständige Naturschutzbehörde die Möglichkeit, im Einzelfall eine Untersagungsverfügung nach § 16 Abs. 4 SächsNatSchG zu treffen. Selbst wenn man § 16 SächsNatSchG im Sinne des Antragstellers auslegen wollte (so wohl - ohne Begründung - Göttlicher, Kommentar zum SächsNatSchG, § 16 Anmerkung 8), hat der Verordnungsgeber im vorliegenden Fall davon abgesehen, entsprechende Verbote für Handlungen außerhalb des Schutzgebietes zu normieren. Die entsprechenden Verbote finden sich in § 4 der Verordnung des Regierungspräsidiums Leipzig zur Festsetzung des Naturschutzgebietes "V............................" vom 20.12.2001 (SächsABl. 2002, 144 [146 f]). Der klare Wortlaut dieser Norm zwingt durch die Eingangsformulierung "In dem Naturschutzgebiet sind alle Handlungen verboten, ..." zu dem Schluss, dass die nachfolgend geregelten Verbote nur für Handlungen innerhalb des Schutzgebietes gelten sollen.

Nach der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung spricht weiter Überwiegendes dafür, dass sich eine Antragsbefugnis des Antragstellers auch nicht aus § 61 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbsatz BNatSchG ergibt. Denn bei dem Gebiet, dessen Beeinträchtigung der Antragsteller im vorliegenden Fall befürchtet, handelt es sich nicht um ein sonstiges Schutzgebiet im Rahmen von § 33 Abs. 2 BNatSchG. Der Senat geht mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass diese Voraussetzungen erst und nur dann vorliegen, wenn ein Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft i.S.v. § 22 Abs. 1 BNatSchG (vgl. auch § 22 a SächsNatSchG) erklärt worden ist. Nur diese Auslegung entspricht dem Wortlaut von § 61 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG, der gerade auf § 33 Abs. 2 BNatSchG verweist. Die zuletzt genannte Vorschrift ist die Norm, die regelt, dass die Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung innerstaatlich zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft i.S.v. § 22 BNatSchG zu erklären sind. Hätte der Bundesgesetzgeber allein darauf abstellen wollen, dass überhaupt ein Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung vorliegt, hätte es nach der Terminologie des Bundesnaturschutzgesetzes nahe gelegen, (nur) von einem Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung zu sprechen. Insoweit enthält nämlich § 10 Abs. 1 Nr. 5 BNatSchG eine Legaldefinition. Danach sind Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung "die in die Liste nach Artikel 4 Abs. 2 Unterabs. 3 der Richtlinie 92/43/EWG eingetragenen Gebiete, auch wenn sie noch nicht zu Schutzgebieten im Sinne dieses Gesetzes erklärt worden sind." Der Bundesgesetzgeber hat demgegenüber in § 61 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG nicht diesen, legal definierten Begriff gebraucht, sondern ihn vielmehr durch den Verweis auf § 33 Abs. 2 BNatSchG ergänzt. Dies legt die Auslegung nah, dass nur solche Gebiete gemeint sind, die bereits innerstaatlich zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft erklärt wurden. Nach alledem vermag der Senat der Rechtsprechung des OVG Sachsen-Anhalt, wonach § 61 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG auch auf Entscheidungen nach § 34 BNatSchG Anwendung finden soll (Beschl. v. 8.1.2007 - 2 M 358/06 -, zitiert nach juris; zustimmend Kremer, ZUR 2007, 248 f.), nicht zu folgen (wie hier Lorz/Müller/Stöckel, Naturschutzrecht, 2. Aufl., § 60 RdNr. 8; Gassner in: Gassner/Bendomir-Kahlo/Schmidt-Räntsch, BNatSchG, 2. Aufl., § 60 RdNr. 8; Gellermann in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 61 BNatSchG RdNr. 4).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind für erstattungsfähig zu erklären, weil diese einen Antrag gestellt und sich damit einem Prozesskostenrisiko ausgesetzt hat.

Bei der Streitwertfestsetzung gem. § 47 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG - folgt der Senat dem Ansatz des Verwaltungsgerichts, gegen den die Beteiligten im Beschwerdeverfahren nichts vorgebracht haben.

Dieser Beschluss ist gem. § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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