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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 11.04.2006
Aktenzeichen: 1 BS 321/05
Rechtsgebiete: VwGO, SächsVwZG, SächsBO


Vorschriften:

VwGO § 58
VwGO § 70 Abs. 1 Satz 1
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 123 Abs. 1
SächsVwZG § 3 Abs. 3
SächsBO § 72 Abs. 1
SächsBO § 80 Satz 2
1. Bei Prozesserklärungen nicht anwaltlich vertretener Beteiligter ist zu ihren Gunsten ein großzügiger Maßstab anzulegen. Maßgeblich für die Auslegung ist der Empfängerhorizont.

2. Zur schlüssigen Widerspruchseinlegung durch einstweiliges Rechtsschutzbegehren gegenüber dem Verwaltungsgericht (hier: verneint).


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 1 BS 321/05

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Sanierung und Umbau des ehemaligen V., Antrag nach § 80 Abs. 5 und § 123 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Reich, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Schmidt-Rottmann

am 11. April 2006

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 4. November 2005 - 12 K 1727/05 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,- € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden, durch den seine Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die der Beigeladenen erteilten Ergänzungsgenehmigung für den Umbau und die Nutzung von Erdgeschoss und Garten des ehemaligen V. abgelehnt wurde, ist ohne Erfolg. Aus den von ihm gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - dargelegten Gründen lässt sich keine Veranlassung für eine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses entnehmen. Im Rahmen der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung ist das Verwaltungsgericht zutreffend von einer fehlenden Erfolgsaussicht der vom Antragsteller verfolgten Begehren ausgegangen. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers nach § 80 Abs. 5 VwGO als unzulässig und seinen Antrag nach § 123 VwGO als jedenfalls unbegründet angesehen. Der nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Ergänzungsgenehmigung vom 27.7.2005 gerichtete Antrag sei unzulässig, da diese bestandskräftig geworden sei. Der Antragsteller habe gegen diese keinen Widerspruch eingelegt und könne dies fristgerecht auch nicht mehr tun. Die Genehmigung sei dem Antragsteller am 30.7.2005 zugestellt worden. Zwar enthielten die Verwaltungsvorgänge trotz eines entsprechenden Aufgabevermerks keine Zustellungsurkunde, jedoch habe der Antragsteller selbst angegeben, die Genehmigung am 30.7.2005 erhalten zu haben. Innerhalb der am 30.8.2005 ablaufenden Widerspruchsfrist habe er keinen Widerspruch eingelegt. Soweit er sich vor Erlass der Genehmigung gegen eine mögliche Baugenehmigung gewandt habe, liege darin kein Widerspruch gegen den später erteilten Bescheid. Seinem Schriftsatz vom 8.8.2005 mit dem er beim Verwaltungsgericht am 9.8.2005 um einstweiligen Rechtsschutz nachsuchte, könne kein wirksamer Widerspruch gegen die Ergänzungsgenehmigung entnommen werden. Eine dahin gehende Umdeutung scheitere jedenfalls daran, dass die Antragsgegnerin diesen Schriftsatz, der ihr innerhalb der Widerspruchsfrist zugegangen sein möge, nicht als Widerspruch hätte verstehen müssen und der Antragsteller ihn auch nicht so habe verstanden wissen wollen. Nach einer in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Aktennotiz einer Mitarbeiterin im Bauaufsichtsamt der Antragsgegnerin über ein Telefonat mit dem Antragsteller vom 3.8.2005 habe ihr der Antragsteller mitgeteilt, dass er ungeachtet der Rechtsmittelbelehrung nicht in Widerspruch gehen wolle, da ihm dies zu lange dauere, vielmehr beim Verwaltungsgericht eine einstweilige Verfügung erwirken wolle. In seinem Schriftsatz vom 23.8.2005 habe der Antragsteller zudem bezweifelt, dass ein Widerspruch vorliegen könne. Auch auf den Einwand der Antragsgegnerin, dass er keinen Widerspruch erhoben habe, habe der Antragsteller nichts Gegenteiliges vorgetragen. Nach alledem habe er bewusst davon abgesehen, Widerspruch gegen die Ergänzungsgenehmigung einzulegen. Der bei sachgerechter Auslegung auf eine vorläufige Untersagung der Nutzung der Erdgeschossräume und des Gartens des ehemaligen V. gerichtete Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei jedenfalls unbegründet. Insoweit habe er keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Nach § 80 Satz 2 Sächsische Bauordnung - SächsBO - könne die Nutzung einer baulichen Anlage untersagt werden, wenn sie öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspreche. Soweit er die vorläufige Untersagung der Nutzung des Gästegartens, des Gesellschaftsraumes und der Küche begehre, scheitere dieses Begehren schon an der ihm gegenüber bestandskräftig gewordenen Ergänzungsgenehmigung vom 27.7.2005, welche diese Nutzung vor einem Eingriff schütze. Der Vortrag und die Fotografien des Antragstellers stünden dem nicht entgegen, denn sie bezögen sich auf einen Zeitraum vor Wiedereröffnung der Gaststätte. Außerdem spreche der Antragsteller selbst von einem "Rückbau" der Anlage. Für die "Errichtung" eines "Kinder- und Tummelplatzes" lägen keine Anhaltspunkte vor. Die vom Antragsteller monierten Geräusche spielender Kinder dürften durch die Nutzung der genehmigten Rasenfläche bedingt sein. Soweit die angegriffene Nutzung von der Ergänzungsgenehmigung nicht gedeckt sei, was hinsichtlich der Bestuhlung des Gastraumes mit 43 statt erlaubten 40 Stühlen sicher, hinsichtlich der Aufstellung von Werbetafeln und des Zulassens des Abstellens von Fahrrädern auf dem Gehweg möglicherweise der Fall sei, liege ebenfalls kein Anordnungsanspruch vor. Ein Nachbar habe nicht schon für den Fall eines formell illegalen Bauvorhabens Anspruch auf den Erlass einer bauaufsichtlichen Nutzungsuntersagung. Das durch die Baugenehmigung nicht formell in seinem Bestand geschützte Vorhaben müsse ihn darüber hinaus in eigenen Rechten verletzen, ihn dadurch spürbar beeinträchtigen und es dürften keine überwiegenden Gründe gegen den Erlass der Nutzungsuntersagung sprechen. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Das Abstellen von Fahrrädern und das Aufstellen eines Werbeträgers ließen schon keine Verletzung in eigenen Rechten erkennen. Das Aufstellen von drei mehr als genehmigten Stühlen im Gastraum dürfte zu keiner spürbaren tatsächlichen und mit der genehmigten Nutzung des Gastraumes verbundenen Beeinträchtigung des Antragstellers hinausgehen. Hierfür spreche auch, dass sich der Antragsteller vor allem gegen den von der Nutzung des Gästegartens ausgehenden Lärm wende.

Zur Begründung seiner Beschwerde führt der Antragsteller aus, dass infolge der nicht vorhandenen Postzustellungsurkunde keine wirksame Zustellung vorliege, so dass am 30.7.2005 die Widerspruchsfrist nicht in Lauf gesetzt worden sei. Ob er anderweitig von der Ergänzungsgenehmigung Kenntnis erlangt habe, sei deshalb irrelevant. Er habe nunmehr nochmals ausdrücklich Widerspruch gegen die Genehmigung eingelegt. Ausgehend von dem Grundsatz wohlwollender Auslegung von Schreiben nicht anwaltlich vertretener Bürger müsse von einer rechtzeitigen Widerspruchseinlegung ausgegangen werden. Dies gelte schon für sein Schreiben vom 4.7.2005, mit dem er sich gegen die beabsichtigte Erteilung einer Ergänzungsgenehmigung gewandt habe. Auch sein Begehren auf einstweiligen Rechtsschutz gegenüber dem Verwaltungsgericht müsse als Widerspruch ausgelegt werden. Gleiches gelte wegen seiner zuvor mitgeteilten Absicht, die Rechtsbehelfe gegen die Ergänzungsgenehmigung auszuschöpfen, für sein einstweiliges Rechtsschutzbegehren vom 8.8.2005. Auf Seite 7 ihrer Schutzschrift vom 20.7.2005 habe die Antragsgegnerin deutlich zu erkennen gegeben, dass sie mit den jeweils zulässigen Rechtsbehelfen des Antragstellers rechne. Deshalb habe sie sein einstweiliges Rechtsschutzbegehren gegenüber dem Verwaltungsgericht als Widerspruch auffassen müssen. Die vom Verwaltungsgericht für seine entgegengesetzte Auffassung in Bezug genommene Aktennotiz vom 3.8.2005 sei ihm nicht bekannt und müsse als falsch bestritten werden. Bei diesem Gespräch habe er angekündigt, dass er zur Beschleunigung des Verfahrens im Hinblick auf das bereits drei Jahre anhängige Klageverfahren auch Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz stellen werde. Er habe jedoch deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er sich gegen die Erteilung der Ergänzungsgenehmigung wehre, auch wenn er das Wort Widerspruch möglicherweise nicht gebraucht habe. Dieses Telefonat sei als Widerspruch aufzufassen gewesen. Es sei auch nicht zutreffend, dass er mit Schriftsatz vom 23.8.2005 gegenüber dem Verwaltungsgericht bezweifelt habe, dass ein Widerspruch vorliege. Soweit sich das Beschwerdegericht dieser Auffassung nicht anschließe, müsse er darauf verweisen, anwaltlich nicht vertreten gewesen zu sein. Es hätte für diesen Fall seitens des Verwaltungsgerichts eines richterlichen Hinweises bedurft, dass ein vorheriger Widerspruch erforderlich sei. Hätte das Verwaltungsgericht seiner Hinweispflicht genügt, wäre von ihm noch rechtzeitig Widerspruch erhoben worden. Zudem sei auch sein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht abgewiesen worden. Er habe durch Fotos nachgewiesen, dass statt der genehmigten 36 Sitzplätze im Biergartenbereich, 40 Sitzplätzen im Gastraum und 12 Sitzplätzen im Gesellschaftsraum, im Biergarten 50 Sitzplätze nebst Kinderspielplatz, 50 Sitzplätze im Gaststättenbereich und weitere 10 Stehplätze im Thekenbereich sowie 28 Sitzplätze im Gesellschaftsraum eingerichtet worden seien. Die hierdurch bedingten zusätzlichen Emissionen seien im Schallschutzgutachten unberücksichtigt geblieben. Dieses berücksichtige auch nicht, dass der gesamte Zugang zu Biergarten, Gastraum und Gesellschaftsraum über die Freifläche zwischen dem ehemaligen V. und seinem Grundstück erfolge. Eine Filterung der Emissionen aus dem Gast- und dem Gesellschaftsraum durch Fenster und Mauern sei nicht gewährleistet. Auch der nach Schließung des Biergartens um 22.00 Uhr durch ankommende und weggehende Gäste des Gastraumes im Innenhof verursachte Lärm sei völlig unberücksichtigt geblieben. Die Ergänzungsgenehmigung greife auch deshalb in seine Rechte ein, weil dem Küchenbereich, sowie dem Gaststätten- und Gesellschaftsraum komplett die Innenentlüftung fehle. Hierzu bedürfe es geöffneten Fenstern, was mit einer erheblichen Geruchs- und Geräuschbelästigung verbunden sei. Das Schallschutzgutachten gehe hingegen von geschlossenen Fenstern aus. Bei geöffneten Fenstern würden die zulässigen Werte hingegen erheblich überschritten. Insoweit sei dann die Nutzung auch nicht mehr durch die Ergänzungsgenehmigung gedeckt. Die vorgelegten Lichtbilder belegten zudem, dass unmittelbar unter seinem Schlafzimmer auf der allein genehmigten Wiese ein Kinderspielhaus und ein Kinderspielfeld errichtet worden sei. Damit sei der Gesamtbetrieb nicht mehr vom Nutzungskonzept gedeckt.

Die so begründete Beschwerde gibt keine Veranlassung für eine Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Sie begründet keine ernstlichen Zweifel an der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die der Beigeladenen unter dem 27.7.2005 von der Antragsgegnerin erteilte Ergänzungsgenehmigung gegenüber dem Antragsteller bestandskräftig geworden ist. Auch unter Berücksichtigung seines Beschwerdevorbringens kann eine rechtzeitige Widerspruchseinlegung gegen diesen Bescheid nicht festgestellt werden.

An einer ordnungsgemäßen Zustellung der Ergänzungsgenehmigung an den Antragsteller bestehen keine Zweifel. Bei den im Beschwerdeverfahren von der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 12.1.2006 vorgelegten ergänzenden Aktenbestandteilen befindet sich eine Postzustellungsurkunde zu der streitgegenständlichen Genehmigungszustellung. Hiernach wurde dem Antragsteller ein "Schreiben vom 28.7.2005 und eine Kopie der Baugenehmigung vom 27.7.2005" am 30.7.2005 um 8.59 Uhr durch Einlegung des Schriftstückes in den zu seiner Wohnung gehörenden Briefkasten zugestellt (§ 3 Abs. 3 Satz 1 Sächsisches Verwaltungszustellungsgesetz i.V.m. § 180 Zivilprozessordnung - ZPO). Gründe für die Annahme, dass durch die Zustellung ungeachtet der dem Übersendungsanschreiben beigefügten Rechtsmittelbelehrung (§ 58 VwGO) die einmonatige Widerspruchsfrist aus § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht in Lauf gesetzt worden sein könnte, wird in der Beschwerde nicht in entscheidungserheblicher Weise vorgebracht.

Die Beschwerde legt nicht dar, dass entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts von einer rechtzeitigen Widerspruchseinlegung des Klägers bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist am 30.8.2005 auszugehen sein könnte. Eine ausdrückliche Widerspruchseinlegung wird vom Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren nicht behauptet. Im Hinblick auf die von ihm geltend gemachte konkludente Widerspruchseinlegung durch die gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs auf einstweiligen Rechtsschutz im Schriftsatz vom 8.8.2005 gilt der Grundsatz, dass bei der Auslegung von Erklärungen anwaltlich nicht vertretener Beteiligter ein großzügiger Auslegungsmaßstab anzulegen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.4.1990, NJW 1991,508; SächsOVG, Beschl. v. 27.5.2005 - 1 E 20/05 - m.w.N.). Für die Auslegung maßgeblich bleibt dabei der Empfängerhorizont. Ausgehend von dem objektiven Erklärungswert der in Rede stehenden Ausführungen kommt es darauf an, wie der Adressat bzw. Empfänger diese unter Berücksichtigung der äußeren Form, Abfassung, Begründung und aller sonstigen ihm bekannten oder erkennbaren Umstände nach Treu und Glauben bei objektiver Auslegung verstehen durfte (vgl. SächsOVG, Urt. v. 16.3.2006 - 1 B 735/05 - m.w.N.). Bei der Ermittlung des wirklichen Willens ist zugunsten des Bürgers davon auszugehen, dass er denjenigen Rechtsbehelf einlegen will, der nach Lage der Sache seinen Belangen entspricht und eingelegt werden muss, um den erkennbar angestrebten Erfolg zu erreichen (BVerwG, aaO, m.w.N.).

Hiervon ausgehend kann der Antragsteller nicht mit Erfolg geltend machen, dass seine Antragserhebung beim Verwaltungsgericht von der Antragsgegnerin als schlüssige Widerspruchseinlegung hätte aufgefasst werden müssen. Ausweislich der vom Verwaltungsgericht angeführten Aktennotiz vom 3.8.2005 hatte der Antragsteller ein eigenständiges Konzept für seinen Rechtsschutz gegenüber der Nachtragsgenehmigung entwickelt. Auf der Grundlage des zwischen ihm und einer Mitarbeiterin der Antragsgegnerin geführten Telefonats wird er in der Aktennotiz damit zitiert, er werde "nicht wie in der Rechtsbehelfsbelehrung steht, in Widerspruch gehen, das daure ihm zu lange, sondern beim Verwaltungsgericht Dresden eine einstweilige Verfügung erwirken". Die lässt nur den Schluss zu, dass der Antragsteller - entgegen der ihm gegenüber erfolgten Rechtsbehelfsbelehrung - die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens aus zeitlichen Gründen meiden und unter Außerachtlassung eines behördlichen Abhilfeverfahrens sich auf die Inanspruchnahme unmittelbaren gerichtlichen Rechtsschutzes beschränken wollte. Gegenüber dieser eindeutigen Einlassung kann sich der Antragsteller nicht mit Erfolg auf den Grundsatz der wohlwollenden Auslegung von Erklärungen nicht anwaltlich vertretener Bürger berufen. Das nach dem Aktenvermerk Gewollte liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Auslegung. Die Verantwortung für die von ihm getroffene Entscheidung zur Vorgehensweise gegenüber der Nachtragsgenehmigung kann der Antragsteller unter Inanspruchnahme allgemeiner Auslegungsgrundsätze bei dieser klaren Sachlage nicht auf die Antragsgegnerin verlagern. Insoweit überholt auch der Inhalt des Aktenvermerks für den Empfängerhorizont der Antragsgegnerin die Sachlage gegenüber vorhergehenden Einlassungen des Antragstellers. Aus der Geltendmachung von Einwendungen in seinem Schreiben vom 4.7.2005 kann der Antragsteller entgegen seinem Beschwerdevorbringen keine schlüssige Widerspruchseinlegung herleiten. Dem steht der eindeutige Wortlaut dieses an die Antragsgegnerin gerichteten Schreibens entgegen. Für den Fall, dass für die Wiedereröffnung der Gaststätte im V. "Bau- und Gewerbegenehmigung" erteilt sein sollten, läge "eine Rechtspflichtverletzung und Rechtsmissbrauch vor", weshalb der Antragsteller ankündigt: "Ich müsste dann in diesem Falle geeignete rechtliche Schritte einleiten". Auch dem Grundsatz wohlwollender Auslegung kann hierin keine Widerspruchseinlegung gesehen werden, da sie dem klaren Wortlaut widerspräche. Mit seinem Schreiben stellt der Antragsteller die Einlegung von Rechtsbehelfen erst für die Zukunft in Aussicht. Die Auslösung eines - kostenpflichtigen - Widerspruchsverfahrens wäre zudem auch nicht ohne weiteres stets im Interesse eines Einwenders. Soweit die Beschwerde auf eine Schutzschrift der Antragsgegnerin vom 20.7.2005 Bezug nimmt, in der von einem vorfristig eingelegten Widerspruch des Antragstellers die Rede sei, verhilft ihr dies nicht zum Erfolg. Die Schutzschrift wurde durch die Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen und nicht von der Antragsgegnerin eingereicht, folglich können letzterer diese Erklärungen nicht zugerechnet werden. Im Übrigen ist ein vor Erlass eines Bescheides eingelegter Widerspruch mangels vorhandener Beschwer unzulässig und bleibt dies auch für den Fall eines seiner Erhebung nachfolgenden Bescheiderlasses.

Soweit der Antragsteller den Inhalt der Aktennotiz vom 3.8.2005 im Hinblick auf das von ihm danach geäußerte Rechtsschutzkonzept als falsch bestreitet, kann dem jedenfalls im summarischen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht gefolgt werden. Er zeigt in der Begründung seiner Auffassung nicht auf, weshalb die Mitarbeiterin der Antragsgegnerin wider besseren Wissens eine Falschbeurkundung zu dem vom Antragsteller mit ihr geführten Telefonat vorgenommen haben sollte. Für diese Mutmaßung sprechen auch keine sonstigen Umstände. Vielmehr stützt die Einlassung des Antragstellers in seinem Schriftsatz vom 23.8.2005 die bereits vom Verwaltungsgericht angeführte Auffassung, dass er tatsächlich keinen Widerspruch gegen die Ergänzungsgenehmigung einlegen wollte. Auf dessen Seite 3 führt er aus: "Wenn die beigeladene Beklagte ... erklärt, dass dem Rechtsamt der Landeshauptstadt Dresden ein Widerspruch vorliegt, so ist für den Antragsteller interessant zu wissen, von wem. Er selbst hatte lediglich das Bauamt L. informiert, dass ohne zusätzliche Baugenehmigung einer erneuten Nutzung zu widersprechen ist, da in diesem Zusammenhang aus seiner Sicht Rechtsmissbrauch vorliegen würde." Entgegen seinen Ausführungen in der Beschwerdeschrift kann diese Einlassung vom Empfängerhorizont aus nur so verstanden werden, dass jedenfalls der Antragsteller keinen Widerspruch gegen die Baugenehmigung eingelegt habe. Seinen hiernach nicht erkennbaren Willen zur Widerspruchseinlegung kann der Antragsteller nicht durch einen Verweis auf eine richterliche Hinweispflicht aus § 139 ZPO überspielen. Aus der richterlichen Hinweispflicht nach § 86 Abs. 3 VwGO folgt nicht, dass ein Gericht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes einen - im Übrigen prozesserfahrenen - Antragsteller auf die Unzulässigkeit seines Antrages hinweisen müsste. Ein etwaiger Verstoß gegen eine Hinweispflicht würde zudem nicht dazu führen, eine unterbliebene Widerspruchseinlegung gleichsam fiktiv als geschehen anzusehen. Eine nach Ablauf der Widerspruchsfrist erfolgte Widerspruchseinlegung ändert an dem Eintritt der Bestandskraft der Ergänzungsgenehmigung nichts. Gründe für eine Wiedereinsetzung in die versäumte Widerspruchsfrist sind mit der Beschwerde nicht behauptet worden, noch für den Senat ersichtlich.

Die Einwendungen des Antragstellers gegen die Ablehnung seines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO geben keine Veranlassung zu einer Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Soweit sie den durch die Ergänzungsgenehmigung abgedeckten Betrieb betreffen, hat das Verwaltungsgericht bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass einem hiergegen gerichteten Antrag auf Einschreiten die Bestandskraft der Genehmigung entgegensteht. Die Geltendmachung einer über den genehmigten Umfang hinausgehenden Nutzung rechtfertigt ebenfalls nicht den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Soweit die Einwendungen des Antragstellers sich auf die Verletzung von nachbarschützenden Vorschriften beziehen, lässt sich nicht mit der nötigen Gewissheit für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes feststellen, dass die begehrte Anordnung geboten und gerechtfertigt ist. Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 1.3.2005, SächsVBl. 2005,148) hat ein Nachbar nicht schon dann einen Anspruch auf Erlass einer bauaufsichtlichen Nutzungsuntersagung, wenn das Bauvorhaben formell illegal ist, sondern nur dann, wenn das nicht formell durch eine Baugenehmigung in seinem Bestand geschützte Vorhaben den Nachbarn in eigenen Rechten verletzt, dadurch zu einer spürbaren tatsächlichen Beeinträchtigung des Nachbarn führt und keine überwiegenden Gründe gegen den Erlass der Nutzungsuntersagung sprechen. Eine hohe Intensität der Störung oder Gefährdung der nachbarlichen Rechte oder die Betroffenheit hochrangiger Rechtsgüter ist demgegenüber nicht zwingend vorausgesetzt. Für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung muss als Anordnungsgrund zusätzlich eine - besondere - Dringlichkeit für ihren Erlass bestehen. Daran fehlt es hier. Ob und inwieweit sich eine Überschreitung der hier im Vordergrund stehenden zulässigen Bestuhlung als für den Antragsteller spürbare Verletzung in seinem Recht auf gesunde Wohnverhältnisse darstellt, kann auf der Grundlage der von ihm vorlegten Fotografien nicht festgestellt werden. Der Senat teilt deshalb die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass sie einer Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten bleiben muss.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind für erstattungsfähig zu erklären, da sie sich infolge ihrer Antragstellung einem Kostenrisiko (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO) ausgesetzt hat (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 72 Nr. 1, § 47 Abs. 2, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz GKG i.V.m. Ziffer 9.7.1 Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (DVBl. 2004, 1525 = NVwZ 2004, 1327 = VBlBW 2004, 467). Angesichts der geltend gemachten Anspruchsmehrheit in Gestalt von Aussetzungsantrag und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, legt der Senat für jeden Antrag den Auffangstreitwert von 7.500,- € hälftig zu Grunde, da sie unterschiedliche Streitgegenstände haben.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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