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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 24.02.2004
Aktenzeichen: 1 E 238/03
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 162 Abs. 2 S. 2
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im baurechtlichen Vorverfahren ist in Angelegenheiten wegen Werbeanlagen regelmäßig dann nicht geboten, wenn der Widerspruchsführer von Berufs wegen mit den in Zusammenhang mit der Aufstellung von Werbeanlagen stehenden und sich in vergleichbaren Fällen regelmäßig wiederholenden baurechtlichen Fragen vertraut ist.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 1 E 238/03

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Erteilung einer Bauerlaubnis für eine Werbeanlage;

hier: Beschwerde gegen die Notwendigerklärung der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Sattler, den Richter am Verwaltungsgericht Dr. John und den Richter am Oberverwaltungsgericht Munzinger

am 24. Februar 2004

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 10. Oktober 2003 - 5 K 751/02 - geändert.

Der Antrag, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 300,- € festgesetzt.

Gründe:

1. Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten der Klägerin für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, ist begründet. Die Beklagte hat den Antrag der Klägerin, ein in der Außenwerbung tätiges Unternehmen, auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Anbringung einer Werbetafel ("Sondergroßfläche") mit der Begründung versagt, die Hauptwirkungsrichtung ziele auf ein allgemeines Wohngebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO) und sei deshalb unzulässig. Die Beteiligten haben sich vergleichsweise auf die Erteilung der begehrten Baugenehmigung geeinigt.

2. Nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO sind Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt hat. Der Gesetzgeber geht somit davon aus, dass - anders als im gerichtlichen Verfahren, vgl. § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO - die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren nicht stets geboten ist (OVG Lüneburg, Beschl. v. 17.4.1985, JurBüro 1986, 1026; OVG NW, Beschl. v. 28.10.1982, NVwZ 1983, 355). Die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten ist anzuerkennen, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen, nicht rechtskundigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte und es ihm nach seiner Vorbildung, Erfahrung und seinen sonstigen persönlichen Umständen nicht zuzumuten war, das Verfahren selbst zu führen. Hierbei sind die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Angelegenheit ebenso von Belang wie die persönliche Sach- und Rechtskunde des Widerspruchsführers (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 162 RdNr. 18 m.w.N.; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 162 RdNrn. 132, 135; Olberts, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 162 RdNr. 77; Busch, in: Knack, VwVfG, 7. Aufl., § 80 RdNr. 76). Maßgeblich sind die konkreten Umstände des Einzelfalles (OVG NW, Beschl. v. 19.9.1973, DÖV 1974, 106). Generalisierende Betrachtungsweisen, wonach die Notwendigkeit "in der Regel" oder "aus Gründen der Waffengleichheit" zu bejahen ist, sind nicht angezeigt (Busch, aaO, RdNr. 77).

Gemessen an diesen Anforderungen kann die Zuziehung des Bevollmächtigten der Klägerin im Vorverfahren nicht als notwendig angesehen werden. Die Klägerin wäre nämlich aufgrund ihrer geschäftlichen Vertrautheit mit den in Zusammenhang mit der Aufstellung von Werbeanlagen stehenden baurechtlichen Fragen in der Lage gewesen, die Gründe, auf die die Beklagte ihren Ablehnungsbescheid gestützt hat, in ihrem rechtlichen Gehalt zu erfassen und ihren Standpunkt in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht im Widerspruchsverfahren vorzutragen. Dass die Klägerin über einschlägige Erfahrungen und Kenntnisse verfügt, ergibt sich daraus, dass sie - was gerichtsbekannt ist - seit mehreren Jahren überregional mit der Aufstellung und Vermarktung von Werbeanlagen befasst ist und zu einem international tätigen Konzern gehört (S. AG; www. s. ). Bestätigt wird dies durch die unwidersprochenen Angaben der Beklagten, wonach die Klägerin in den letzten Jahren weit über 100 Klageverfahren im Zusammenhang mit der Genehmigung von Werbeanlagen geführt hat. Da es im vorliegenden Fall nicht um die Entscheidung von Fragen ging, die ein besonderes Spezialwissen erfordern, hätte die bei der Klägerin vorhandene Sachkunde zur Wahrung ihrer Rechte im Widerspruchsverfahren genügt. Denn die Frage der Zuordnung einer vorhandenen Bebauung in eines der in §§ 2 - 11 BauNVO beschriebenen Baugebiete und die sich daran anschließende Frage der baurechtlichen Zulässigkeit von Werbeanlagen stellt sich in Zusammenhang mit Einrichtungen der Außenwerbung regelmäßig. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin nicht in der Lage gewesen wäre, hierzu ohne anwaltliche Hilfe ausreichend Stellung zu nehmen (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 17.4.1985, JurBüro 1986, 1026; OVG NW, Beschl. v. 28.10.1982, NVwZ 1983, 355; BVerwG, Beschl. v. 15.3.1999, ZOV 1999, 245 f. = BayVBl. 1999, 736). Der Beschluss des Senats vom 16.9.1999 (1 S 25/99, AGS 2001, 182 = SächsVBl. 2000, 95 (LS)) steht dem nicht entgegen: In dem dort entschiedenen Fall war es der anwaltlich nicht vertretenen Klägerin in einem Zeitraum von 14 Monaten nicht gelungen, beim Regierungspräsidum einen Widerspruchsbescheid oder auch nur eine Sachstandsmitteilung zu erwirken; die weitere Führung des Vorverfahrens ohne anwaltliche Vertretung war der Klägerin jenes Verfahrens daher nicht zuzumuten gewesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG, wobei der Senat die Vorverfahrenskosten überschlägig anhand des vom Verwaltungsgericht festgesetzten Streitwertes von 4.500,- € errechnet hat.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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