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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 01.04.2009
Aktenzeichen: 2 A 86/08
Rechtsgebiete: BHV, GOZ


Vorschriften:

BHV § 5
GOZ § 5
GOZ § 6
GOZ § 10
Zulässigkeit der Analogberechnung nach Gebührenposition 215 FF GOZ bei Dentin-Adhäsiv-Kompositfüllung und der Anwendung des Gebührenrahmens von § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

3 K 8/04

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Beihilfe

hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dehoust und die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Henke ohne mündliche Verhandlung

am 1. April 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 12. Oktober 2006 - 3 K 8/04 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Bewilligung ungekürzter Beihilfe für die zahnärztliche Behandlung seines Sohnes.

Der Kläger ist Beamter im Dienst der Beklagten. Er beantragte am 12.11.2002 u. a. eine Beihilfe von 80 % für die Kosten der Zahnbehandlung seines Sohnes i. H. v. 201,90 €, was einem Betrag von 161,52 € entspricht. Mit Bescheid vom 15.11.2002 setzte die Beklagte lediglich einen Betrag i. H. v. 53,14 € fest und führte dazu aus, nach Auffassung des für die Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) zuständigen Bundesministeriums der Gesundheit erfülle die adhäsive Kompositfüllungstechnik lediglich den Gebührentatbestand der Nummern 205, 207, 209 und 211 des Gebührenverzeichnisses der GOZ, da von den oben genannten Nummern alle Arten von plastischen Füllungsmaterialien abgedeckt würden. Eine analoge Berechnung dieser Leistung mit der GOZ Ziffer 217 ("Inlay") sei dagegen nicht gerechtfertigt.

Den Widerspruch des Klägers vom 12.12.2002 wies das Bundesverwaltungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 13.1.2003 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 5 Abs. 1 der Beihilfevorschriften des Bundes (BhV) seien aus Anlass einer Krankheit entstandene Aufwendungen für zahnärztliche Leistungen beihilfefähig, sofern sie dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen seien. Die Angemessenheit der Aufwendungen beurteile sich hierbei nach den Regelungen der GOZ. Eine analoge Berechnung von Gebührenziffern komme nach § 6 Abs. 2 GOZ nur für selbstständige zahnärztliche Leistungen in Frage, die erst nach Inkrafttreten der GOZ entwickelt worden seien. Dies treffe auf die Kompositfüllung in Dentin-Adhäsivtechnik jedoch nicht zu. Anstelle der vom Zahnarzt vorgenommenen Berechnung (Ziff. 217 GOZ mit Faktor 2,3) sei vorliegend die Ziff. 209 GOZ, jedoch mit Faktor 3,5, zugrundezulegen.

Der Kläger erhob am 10.2.2003 Klage. Mit Teilabhilfebescheid vom 26.10.2005 gab das Bundesverwaltungsamt in Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 13.1.2003 dem Widerspruch hinsichtlich der Analogberechnung zu GOZ-Ziffer 217 teilweise statt und setzte die begehrte Beihilfe auf 130,75 € fest. Zur Begründung hieß es, aufgrund einer Änderung der Hinweise des Bundesministeriums des Innern zum Gebührenrecht würden nunmehr die analog berechneten Gebührenziffern 215 bis 217 GOZ dem Grunde nach als beihilfefähig anerkannt, der Höhe nach jedoch nur bis zum Steigerungsfaktor 1,5. Die vollständige Erstattung des beantragten 2,3fachen Satzes sei weiterhin nicht möglich.

Der Kläger trug zur Begründung seiner hinsichtlich des nicht erstatteten Teilbetrags aufrecht erhaltenen Klage vor, die durch den behandelnden Zahnarzt erfolgte Abrechnung nach dem 2,3fachen Satz sei in voller Höhe beihilfefähig. Gem. § 5 GOZ bemesse sich die Höhe der einzelnen Gebühr nach dem Einfachen bis 3,5fachen des Gebührensatzes und sei innerhalb dieses Rahmens durch den Arzt "nach billigem Ermessen" zu bestimmen. Nach der Stellungnahme des behandelnden Arztes vom 7.2.2006 sei die zahnärztliche Behandlung mit besonderen Schwierigkeiten verbunden gewesen (erhöhter Zeitaufwand bei der Leistung und eine große jugendliche Pulpa).

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Zwar habe das Bundesministerium des Innern mit Erlass vom 8.7.2005 zwischenzeitlich sein Einverständnis erklärt, die Analogberechnung nach den Ziffern 215 bis 217 GOZ als beihilfefähig anzuerkennen. Hierbei könnten allerdings nur die jeweiligen Gebührenbeträge bis zum 1,5fachen Satz als angemessen angesehen werden. Die Beschränkung auf den 1,5fachen Satz spiegele den deutlich geringeren Zeitaufwand für die Versorgung mit einer Kompositfüllung in Dentin-Adhäsivtechnik gegenüber der Versorgung mit einer Einlagenfüllung wieder. Eine den 1,5fachen Satz übersteigende Gebührenberechnung sei nur in solchen Fällen gerechtfertigt, in denen bei der Durchführung einer Zahnbehandlung besondere Schwierigkeiten auftreten, die den üblichen Behandlungsrahmen übersteigen. Derartige Schwierigkeiten seien hier nicht dargelegt worden.

Mit Urteil vom 12.10.2006 hob das Verwaltungsgericht die angefochtenen Bescheide der Beklagten auf und verpflichtete die Beklagte, dem Kläger eine weitere Beihilfe i. H. v. 30,77 € (Differenzbetrag zwischen der mit Teilabhilfebescheid vom 26.10.2005 gewährten Beihilfe und der vom Kläger begehrten vollen Beihilfe) zu gewähren. Rechtsgrundlage für den streitigen Anspruch sei § 6 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 5 BhV, von deren Weitergeltung für eine Übergangszeit auszugehen sei. Die geltend gemachten Kosten seien nach dem Gebührenrahmen der GOZ angemessen. Der behandelnde Zahnarzt habe zu Recht die Festsetzung gemäß § 6 Abs. 2 GOZ analog den Bewertungen nach den Ziffern 215 bis 217 GOZ vorgenommen. Diesem Rechtsstandpunkt, der sich in dem Runderlass des BMI vom 8.7.2005 wiederfinde, habe die Beklagte durch Erlass des Teilabhilfebescheides Rechnung getragen. Auch der vom behandelnden Zahnarzt angesetzte 2,3fache Gebührensatz erweise sich nach den in § 5 Abs. 2 GOZ festgelegten Kriterien aufgrund der dargelegten Umstände des Einzelfalles hier als angemessen. Die Beklagte habe nicht substantiiert bestritten, dass der geltend gemachte Steigerungsfaktor von 2,3 unangemessen sei. Sie könne sich zur Kürzung auf den 1,5fachen Satz auch nicht auf den Runderlass des Bundesministers des Innern berufen, der lediglich ein Steigerungsfaktor von höchstens 1,5 als angemessen ansehe; derartigen Rundschreiben komme, wie das Bundesverwaltungsgericht wiederholt entschieden habe, für die Beurteilung der Rechtslage keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Der in § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ genannte Schwellenwert von 2,3 sei als eine "Beweislastgrenze" in dem Sinne zu verstehen, dass erst die Überschreitung durch den Arzt zu beweisen sei. Hieraus folge auch, dass der Zahnarzt bei Rechnungslegung nach § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ nicht verpflichtet gewesen sei, die Festsetzung besonders zu begründen.

Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 6.2.2008 gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.

Zur Begründung der Berufung macht die Beklagte zum einen geltend, dass grundsätzlich die Dentin-Adhäsiv-Füllung durch die Ziffern 205 bis 211 GOZ abgegolten werde, die für eine Füllung mit plastischem Füllmaterial vorgesehen seien. Die zugrunde liegende Technik sei bereits vor Inkrafttreten der GOZ am 1.1.1988 bekannt gewesen, weshalb für eine Berechnung analog anderer Gebührenziffern für diese Leistung (wie vorliegend die Ziffer 217 GOZ) kein Raum sei. Dennoch habe das Bundesministerium des Inneren sein Einverständnis erklärt, bei einer Analogberechnung nach den Ziffern 215 bis 217 GOZ die jeweiligen Gebührenbeträge bis zum 1,5fachen Satz im Rahmen der Beihilfe nicht zu beanstanden. Die Beschränkung auf den 1,5fachen Satz spiegele hierbei den deutlich geringeren Zeitaufwand für die Versorgung mit einer Kompositfüllung in Dentin-Adhäsivtechnik gegenüber der Versorgung mit einer Einlagenfüllung wieder.

Halte man die Analogabrechnung vorliegend für anwendbar, bestehe hier aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles die Verpflichtung des behandelnden Zahnarztes, den gewählten Gebührenfaktor auch dann näher zu begründen, wenn der Schwellenwert (2,3facher Satz) nicht überschritten werde. Dies gebiete der erheblich geringere Zeitaufwand einer dentinadhäsiven Füllung gegenüber einer Inlay-Versorgung, dem im Rahmen der Angemessenheit Rechnung zu tragen sei. Die Begründungspflicht gem. § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ i. V. m. § 10 Abs. 3 GOZ zur Beurteilung der Angemessenheit im Rahmen der Beihilfe gelte nur im Regelfall erst ab dem 2,3fachen Satz. Hier liege indessen eine analoge Bewertung vor, die einen niedrigeren Steigerungsfaktor rechtfertige. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in seinem Urteil vom 30.5.2006 sei vorliegend eine Einzelfallprüfung geboten, um den tatsächlichen Aufwand mit dem Aufwand, der der Leistung der 217 GOZ zugrunde liege, zu vergleichen. Vorliegend sei der 2,3fache Satz nicht zu rechtfertigen; hierzu sei insbesondere die nachträgliche Begründung des behandelnden Zahnarztes vom 10.2.2006 nicht geeignet.

Die Beklagte beantragt,

unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 12. Oktober 2006 - 3 K 8/04 - die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und verweist insbesondere auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 27.6.2007. Hiernach seien Dentin-Adhäsiv-Kompositfüllungen analog den Gebührenpositionen 216 und 217 GOZ abzurechnen, da die hierzu erforderliche Methode erst Mitte der Neunziger Jahre zur Praxisreife gelangt und vom Sach- und Zeitaufwand mit der Inlay-Versorgung eines Zahnes vergleichbar sei. Hinsichtlich der aus seiner Sicht nicht gerechtfertigten Kürzung auf den 1,5fachen Gebührensatz beruft sich der Kläger ebenfalls auf die o. g. Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg. Er bestreitet, dass Kompositfüllungen zeitlich weniger aufwändig als Inlays seien. Der hier geforderte 2,3fache Gebührensatz sei vom behandelnden Zahnarzt nach billigem Ermessen i. S. v. § 315 Abs. 3 BGB festgelegt worden und berücksichtige den mit der Behandlung verbundenen erhöhten Zeitaufwand im Einzelfall.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die dem Senat vorliegenden Verwaltungsakte, die Akte des Verwaltungsgerichts sowie die Gerichtsakten zum Berufungsverfahren Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierauf verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben, da der Kläger Anspruch auf die Gewährung der vollen Beihilfe zur zahnärztlichen Behandlung seines Sohnes hat. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Abrechnung einer dentin-adhäsiven Kompositfüllung analog den Gebührenpositionen 215 ff. GOZ mit dem vom behandelnden Zahnarzt angesetzten Steigerungsfaktor von 2,3 zu erfolgen hat.

1) Der Anspruch des Klägers beruht auf § 6 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 5 Abs. 1 BhV. Zwar genügen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Beihilfevorschriften des Bundes als Verwaltungsvorschriften nicht mehr den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts, da die wesentlichen Entscheidungen über die Leistungen an Beamte, Richter und Versorgungsempfänger im Falle von Krankheit und Pflegebedürftigkeit der Gesetzgeber zu treffen hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.6.2004 - 2 C 50/02 - juris). Dennoch ist für eine Übergangszeit i. S. eines überschaubaren Zeitraums, in dem der Gesetzgeber seiner Normierungspflicht nachkommen kann, von der Weitergeltung der Beihilfevorschriften auszugehen. In seiner Entscheidung vom 28.5.2008 - 2C 24/07 - hat das Bundesverwaltungsgericht angesichts einer bis zu diesem Zeitpunkt unterbliebenen gesetzlichen Regelung präzisiert, es sei hinnehmbar, die Beihilfevorschriften für einen spätestens bei Ablauf der gegenwärtigen Legislaturperiode endenden Übergangszeitraum grundsätzlich weiterhin anzuwenden. Von einer Weitergeltung ist demgemäß derzeit - noch - auszugehen.

2) Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 5 Abs. 1 BhV besteht ein Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen für zahnärztliche Leistungen, wenn sie dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sind. Die Angemessenheit der Aufwendungen für zahnärztliche Leistungen beurteilt sich ausschließlich nach dem Gebührenrahmen der Gebührenordnungen für Zahnärzte; soweit keine begründeten besonderen Umstände vorliegen, kann nur eine Gebühr, die den Schwellenwert des Gebührenrahmens nicht überschreitet, als angemessen angesehen werden, § 5 Abs. 1 Satz 2 BhV.

Für die hier einschlägige Behandlung - Versorgung mit einer Dentin-Adhäsiv-Komposit-füllung - sieht die am 1.1.1988 in Kraft getretene GOZ keinen eigene Gebührenposition vor. Die Ziffern 205 ff. GOZ betreffen herkömmliche plastische Füllungen, die Ziffern 215 bis 217 GOZ dagegen sogenannte Inlays. Gemäß § 6 Abs. 2 GOZ können selbständige zahnärztliche Leistungen, die erst nach Inkrafttreten der Gebührenordnung auf Grund wissenschaftlicher Erkenntnisse entwickelt werden, entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses für zahnärztliche Leistungen berechnet werden. Die Versorgung eines Zahns mit einer dentin-adhäsiven Kompositfüllung stellt eine erst nach Inkrafttreten der GOZ Mitte der 90er Jahre zur Praxisreife gelangte und vom Sach- und Zeitaufwand mit einer Inlay-Versorgung eines Zahnes vergleichbare Leistung dar, die gemäß § 6 Abs. 2 GOZ, Ziff. 215 ff. Gebührenverzeichnis abgerechnet werden kann. Dies entspricht der insoweit einhelligen neueren, auch obergerichtlichen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 8.3.2006 - 6 A 2970/04 -; BayVGH, Urt. v. 30.5.2006 - 14 BV 02.2643 -; VGH BW, Urt. v. 27.6.2007 - 4 S 2090/05 -; VG Frankfurt, Urt. v. 21.11.2008 - 9 K 1938/08.F - sämtlich juris), der sich der Senat anschließt.

Auch die Beklagte hat zwischenzeitlich die Berechnung analog den Ziff. 215 ff. GOZ zumindest als zulässige Alternative neben der Berechnung nach Ziff. 205 ff. GOZ akzeptiert, wie sich aus den Hinweisen des Bundesministeriums des Innern zu den Beihilfevorschriften des Bundes vom 8.7.2005 (Az: D I 5 213 100-1/13, Ziff. 11.g) ergibt. Das Bundesverwaltungsamt hat dem folgend in seinem Teilabhilfebescheid vom 26.10.2005 die Analogberechnung nach Ziff. 217 GOZ zu Grunde gelegt und die Erstattung auf dieser Basis - wenn auch mit dem Steigerungsfaktor 1,5 - vorgenommen. Angesichts der darin liegenden grundsätzlichen Anerkennung der Analogberechnung für Dentin-Adhäsiv-Kompositfüllungen seitens der Beklagten besteht kein Anlass für den Senat, sich mit dem Berufungsvorbringen zur Zulässigkeit der Analogberechnung als solcher näher auseinanderzusetzen.

3) Die allein verbleibende Frage, welcher Steigerungsfaktor bei der Berechnung der Gebührenposition anzusetzen ist, bestimmt sich nach § 5 GOZ, auf den § 5 Abs. 1 Satz 2 BhV verweist. Hiernach bemisst sich die Höhe der einzelnen Gebühr nach dem Einfachen bis Dreieinhalbfachen des Gebührensatzes (§ 5 Abs. 1 Satz 1 GOZ). Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 GOZ sind die Gebühren innerhalb des Gebührenrahmens unter Berücksichtigung der Schwierigkeit, des Zeitaufwands der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen. Nach § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ darf eine Gebühr in der Regel nur zwischen dem Einfachen und dem 2,3fachen des Gebührensatzes bemessen werden; ein Überschreiten des 2,3fachen des Gebührensatzes ist nur zulässig, wenn Besonderheiten der in Satz 1 genannten Bemessungskriterien dies rechtfertigen. In diesem Fall muss der Zahnarzt nach § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ eine schriftliche Begründung vorlegen und diese auf Verlangen näher erläutern. Das Vorliegen der genannten Voraussetzungen ist gerichtlich voll nachprüfbar (vgl. VGH BW, Beschl. v. 23.5.2007 - 4 S 169/06 -; OVG NRW, Urt. v. 3.12.1999 - 12 A 2889/99 - juris). Wird - wie hier - eine Leistung nach § 6 Abs. 2 GOZ berechnet, ist die entsprechend bewertete Leistung gemäß § 10 Abs. 4 GOZ durch den Zahnarzt verständlich zu beschreiben und mit dem Hinweis "entsprechend" sowie der Nummer und der Bezeichnung der als gleichwertig erachteten Leistung zu versehen.

Die vorgenannten Bestimmungen gelten ohne Einschränkung auch für den vorliegenden Fall der Analogberechnung nach § 6 Abs. 2 GOZ. Der Senat folgt insoweit nicht der Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der davon ausgeht, dass der sogenannte Schwellenwert von 2,3 im Falle der Analogberechnung nicht bzw. nur eingeschränkt Anwendung finde (BayVGH, Urt. v. 30.5.2006 a. a. O.). Diese Auffassung wird damit begründet, dass es sich bei § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ um eine grundsätzliche Regelung handele, die angesichts einer lediglich entsprechenden Anwendung von Positionen der Gebührenordnung Ausnahmen erfordere, um die Angemessenheit der Gebühr sicherzustellen: Bei der analogen Gebührenermittlung stellten die Leistungsbeschreibungen des Gebührenverzeichnisses lediglich Näherungswerte dar, die nicht alle relevanten Kriterien wie Aufwand, Kosten, Materialien und auch Anwendungstechnik gleichermaßen berücksichtigten könnten. So sei im Fall der analogen Berechnung nicht gewährleistet, dass das mit dem Gebührenverzeichnis angestrebte Ziel, Gebührenpositionen so festzulegen, dass in der überwiegenden Zahl der individuellen zahnärztlichen Leistungen eine 2,3fache Steigerung angemessen erscheine, erreicht werde.

Diese Argumentation überzeugt indessen nicht; sie wird - soweit ersichtlich - in der neueren verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, allgemein nicht geteilt (vgl. grundlegend VGH BW, Urt. v. 27.6.2007 a. a. O.; OVG NRW, Beschl. v. 8.3.2006 a. a. O.; VG Frankfurt, Urt. v. 21.11.2008 a. a. O.; VG Ansbach, Urt. v. 13.2.2008 - AN 15 K 07.00972 -; VG Würzburg, Urt. v. 4.3.2008 - W 1 K 07.1363 - sämtlich juris). Gegen die Auffassung des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs spricht bereits, dass der in § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ genannte Schwellenwert von 2,3 keinen Regelwert darstellt, der in der überwiegenden Zahl der Leistungen angemessen erscheint, sondern den Regelhöchstsatz innerhalb eines als Regelspanne bezeichneten Gebührenrahmens (vgl. VGH BW, Urt. v. 27.6.2007 a. a. O.). Innerhalb des als Regelspanne bezeichneten Gebührenrahmens hat der Zahnarzt die Gebühr nach den allgemeinen Bemessungskriterien, also insbesondere nach Schwierigkeit, Zeitaufwand und Umständen der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen. Demzufolge ist etwa der besonders einfache Fall einer bestimmten Leistung mit dem Einfachen des Satzes angemessen eingestuft, während die "normal" schwierige oder zeitaufwendige Leistung, die noch nicht durch Besonderheiten gekennzeichnet ist, mit dem 2,3fachen zu bewerten ist; zwischen beiden Eckwerten ist der Durchschnittsfall der Leistung anzusetzen (vgl. OVG Berlin, Urt. v. 17.12.1991- 4 B 50/91 - juris).

Die Bestimmung des angemessenen Steigerungsfaktors innerhalb der Regelspanne obliegt dem Zahnarzt nach billigem Ermessen. Die von ihm getroffene Bemessung ist - anders als die Frage, ob Besonderheiten ein Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigen - nur eingeschränkt gerichtlich nachprüfbar (vgl. VGH BW, Urt. v. 27.6.2007 a. a. O. m. w. N.). Zu berücksichtigen ist dabei, dass sich die Frage der Angemessenheit der Honorarforderung für die zahnärztliche Leistung nach § 315 Abs. 3 BGB beantwortet (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.1988, RiA 1989, 165). Nach dieser Vorschrift wird die Bestimmung einer Leistung durch Urteil getroffen, wenn die Bestimmung durch die Partei nicht der Billigkeit entspricht. Diese Möglichkeit gerichtlicher Nachprüfung setzt deshalb erst jenseits gewisser Grenzen ein und erfordert eine vergleichsweise erhebliche Abweichung von dem nach der Billigkeit Gebotenen bzw. die Missachtung der anerkannten Bewertungsmaßstäbe des § 5 Abs. 2 Satz 1 GOZ.

Insoweit hat sich in der ärztlichen bzw. zahnärztlichen Praxis der Gebührenabrechnung eine deutliche Tendenz herausgebildet, sich in der Mehrzahl der Fälle am Schwellenwert 2,3 zu orientieren (vgl. etwa den Überblick in BGH, Urt. v. 8.11.2007 - III ZR 54/07 - juris), was die Vermutung nahelegt, dass die Festlegung des 2,3fachen Satzes vielfach schematisch und aus Gründen einer leichteren Durchsetzung der Gebührenforderung vorgenommen wird. Auf eine fehlerhafte Ermessensausübung durch den behandelnden Arzt, der für die Berechnung seiner Leistung ohne nähere Begründung den Schwellenwert von 2,3 zugrunde legt, kann hieraus indessen nicht ohne weiteres geschlossen werden. Denn die Verordnung selbst lässt durch ihre unscharfe Abgrenzung von Regel- und Ausnahmefällen sowie eine fehlende Begründungspflicht bei einem Gebührensatz bis 2,3 dem Arzt einen gewissen Spielraum bei der Einordnung seiner Leistung. Diese Folge dürfte auch vom Verordnungsgeber gewollt sein, der offenbar aus Gründen der Praktikabilität eine genauere Ermittlung des angemessenen Faktors im Einzelfall vermeiden wollte und selbst angesichts der seit vielen Jahren bekannten Abrechnungspraxis davon abgesehen hat, den Bereich der Regelspanne deutlicher abzugrenzen (vgl. hierzu ausführlich: BGH, Urt. v. 8.11.2007 a. a. O.).

Im Übrigen rechtfertigt selbst eine den Bestimmungen der Gebührenordnung nicht mehr entsprechende Liquidationspraxis es nicht, im Falle der analogen Berechnung einen von § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ abweichenden Regelhöchstsatz festzusetzen bzw. auf einen solchen zu verzichten (so aber BayVGH, Urt. v. 30.5.2006 a. a. O.). Dies widerspricht der § 6 Abs. 2 GOZ zugrunde liegenden Systematik: Hiernach soll eine analoge Berechnung ermöglicht werden, wenn eine neuartige Behandlung einer im Gebührenverzeichnis enthaltenen Leistung nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertig ist. Bejaht man die Gleichwertigkeit, ist sodann die Bestimmung des Gebührensatzes innerhalb des durch § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ vorgegebenen Rahmens vorzunehmen. Aus demselben Grund erscheint es nicht gerechtfertigt, in Fällen der Analogberechnung in Abweichung von § 10 Abs. 3 GOZ stets eine besondere Begründung zu verlangen (vgl. auch VGH BW, Urt. v. 27.6.2007 a. a. O.); es verbleibt vielmehr bei der eindeutigen Bestimmung des § 10 Abs. 3 GOZ, wonach eine besondere Begründung erst bei Überschreiten des Schwellenwertes notwendig ist.

Eine Besonderheit ergibt sich für die Analogberechnung lediglich in formaler Hinsicht, als nämlich der Arzt gemäß § 10 Abs. 4 GOZ die entsprechend bewertete Leistung für den Zahlungspflichtigen verständlich zu beschreiben und mit dem Hinweis "entsprechend" sowie der Nummer und der Bezeichnung der als gleichwertig erachteten Leistung zu versehen hat. Aus dieser Bestimmung erhellt sich, dass der Verordnungsgeber die Analogberechnung bei Festlegung der Mindestanforderungen der Liquidation durchaus im Blick hatte. Aus dem Fehlen eines Begründungserfordernisses i. S. v. § 10 Abs. 3 GOZ für den Fall der Analogberechnung kann daher geschlossen werden, dass eine besondere Begründungspflicht für Fälle des § 6 Abs. 2 GOZ vom Verordnungsgeber offensichtlich nicht für notwendig erachtet wurde.

Schließlich besteht auch speziell im Fall der analogen Anwendung der Gebührenpositionen 216 und 217 GOZ kein Anlass, für Dentin-Adhäsiv-Kompositfüllungen in Abweichung von § 10 Abs. 3 GOZ stets eine besondere Begründungspflicht anzunehmen. Eine solche ergibt sich insbesondere nicht aus einem von der Beklagten geltend gemachten geringeren Zeitaufwand für Kompositfüllungen gegenüber Inlays. Die Beklagte hat insoweit pauschal auf gutachterliche Feststellungen in einem Verfahren vor dem LG Frankfurt verwiesen (LG Frankfurt, Urt. v. 24.11.2004 - 2-16 S 173/99 -). Mit diesem Gutachten hat sich indessen der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 27.6.2007 auseinandergesetzt und leitet daraus sowie aus einem weiteren Gutachten mit ausführlicher Begründung gerade die gegenteilige Feststellung ab, dass nämlich die Dentin-Adhäsiv-Kompositfüllungen einen mindestens ebenso hohen Kosten- und Zeitaufwand für den Zahnarzt darstellen wie die Inlays. Angesichts dieser ihr bekannten Entscheidung hätte die Beklagte ihr Vorbringen zum geringeren Zeitaufwand substantiieren müssen, was sie indessen unterlassen hat.

Eine Abweichung von der in § 5 Abs. 2 GOZ vorgesehenen Art der Gebührenbemessung ist auch nicht durch die vom Bundesministerium des Innern erlassenen Hinweise vom 8.7.2005 veranlasst, die eine analoge Berechnung von Dentin-Adhäsiv-Kompositfüllungen nach den Positionen 215-217 GOZ nur bis zu einem Steigerungsfaktor von 1,5 als angemessen erachten. Derartigen Rundschreiben kommt für die Beurteilung der Rechtslage keine maßgebliche Bedeutung zu (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 8.3.2006 a. a. O., sowie BVerwG, Urt. v. 24.11.1988 a. a. O.).

Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben begegnet die vorliegend durch den Zahnarzt vorgenommene Ansetzung des Steigerungsfaktors 2,3 - sogenannter Schwellenwert - keinen Bedenken. Die Gebühr bewegt sich in dem durch § 5 Abs. 1 Satz 1 GOZ vorgegebenen Rahmen. Sie geht nicht über den in § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ vorgegebenen Schwellenwert, dessen Überschreitung nur bei eng umschriebenen Besonderheiten zulässig ist, hinaus. Anhaltspunkte dafür, dass der Zahnarzt das ihm eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt hätte, sind nicht ersichtlich. Seine im erstinstanzlichen Verfahren nachgereichte Begründung lässt nicht erkennen, dass er die anerkannten Bewertungsmaßstäbe des § 5 Abs. 2 Satz 1 GOZ missachtet oder fehlerhaft gewichtet hätte. Auch die Beklagte hat die Angaben des Arztes (große jugendliche Pulpa, erhöhter Zeitaufwand) nicht substantiiert bestritten, sondern lediglich pauschal in Zweifel gezogen.

Nach alldem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30,77 € festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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