Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 24.02.2009
Aktenzeichen: 2 B 330/08
Rechtsgebiete: GG, SächsVerf, SchulG, ZulbeschrVO


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1
GG Art. 19 Abs. 4
SächsVerf Art. 29
SächsVerf Art. 18 Abs. 1
SächsVerf Art. 78 Abs. 3
SchulG § 40 Abs. 3
ZulbeschrVO § 2
ZulbeschrVO § 4
1. Nach bestandener erster Lehramtsprüfung kann die Zulassung zum Vorbereitungsdienst, auf die grundsätzlich ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch besteht, nur versagt werden, wenn die Ausbildungskapazität oder die im Haushaltsplan zur Verfügung stehenden Stellen und Mittel nicht ausreichen.

2. Zulassungsbeschränkende Normen müssen sich an sachgerechten Kriterien orientieren und den Bedingungen rationaler Abwägung genügen. Zulassungszahlen muss eine hinreichend nachvollziehbare Prognose zugrunde liegen.

3. Diesen Anforderungen genügen §§ 2 und 4 ZulbeschrVO nicht.

4. Zum Anspruch auf Aufnahme in den Vorbereitungsdienst auch nach Ablauf der dreimonatigen Einführungsphase.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 2 B 330/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Einstellung in den Vorbereitungsdienst zum Schuljahr 2008/2009; Antrag nach § 123 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dehoust und die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Henke

am 24. Februar 2009

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 29. August 2008 - 4 L 222/08 - geändert.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, die Antragstellerin vorläufig in den Vorbereitungsdienst für das höhere Lehramt an Gymnasien zu den Rechtsverhältnissen des Einstellungstermins am 1. August 2008 aufzunehmen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird unter Abänderung der Streitwertfestsetzung durch das Verwaltungsgericht für beide Rechtszüge auf 8.514,68 € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 29.8.2008 hat Erfolg. Mit dem Beschluss hat das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin, sie vorläufig in den Vorbereitungsdienst für das höhere Lehramt an Gymnasien aufzunehmen, abgelehnt.

Das Verwaltungsgericht geht in der angegriffenen Entscheidung davon aus, dass die Antragstellerin keinen Anordnungsanspruch habe, weil die vorhandene Kapazität erschöpft sei. Gemäß § 2 der Verordnung des Sächsischen Staatsministerium für Kultus über Zulassungsbeschränkungen für den Vorbereitungsdienst für Lehrämter (Zulassungsbeschränkungsverordnung - ZulbeschrVO) vom 19.5.2008 (SächsGVBl. S. 325) sei die Zulassungszahl für den Vorbereitungsdienst für das höhere Lehramt an Gymnasien auf 279 begrenzt. Aufgrund einer Übertragung der nicht ausgeschöpften Zulassungszahl für das Lehramt an Mittelschulen habe sich die Zulassungszahl auf 284 erhöht. Vor der Antragstellerin sei bereits eine entsprechende Anzahl an vorrangigen Bewerbern zugelassen worden.

Hiergegen wendet die Antragstellerin in ihrer Beschwerdebegründung ein, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht auf die §§ 3 bis 5 ZulbeschrVO abgestellt. Diese Vorschriften der Zulassungsbeschränkungsverordnung seien nichtig. Zwar könne der Verordnungsgeber die Zulassungszahl festsetzen. Der Gesetzgeber dürfe dem Verordnungsgeber aber die Festsetzung eines besonderen öffentlichen Bedarfes nicht überlassen. Sowohl hinsichtlich des Umfanges als auch hinsichtlich des Tatbestandes müsse eine gesetzliche Regelung erfolgen. Zudem fehle es insoweit auch an einer hinreichenden Prognose. Das Vergabeverfahren könne deshalb nicht auf die Zulassungsbeschränkungsverordnung gestützt werden. Da freie Ausbildungsplätze zur Verfügung stünden, müsse die Antragstellerin zugelassen werden.

Der Antragsgegner trägt vor, die Ermittlung der Zulassungszahlen gem. § 2 ZulbeschrVO sei anhand der zur Verfügung stehenden Stellen erfolgt. Im Doppelhaushalt 2007/2008 seien insgesamt 1.369 Stellen für Lehramtsanwärter und Studienreferendare ausgewiesen. 739 Stellen würden für Anwärter, die ihre Ausbildung fortsetzen, benötigt. Des Weiteren sei im Haushaltsplan ein kw-Vermerk (künftig wegfallend) für fünf Stellen im Jahr 2008 ausgewiesen. Somit ergäben sich 625 besetzbare Stellen für Anwärter und Referendare. Darin enthalten seien 300 zusätzliche auf zwei Jahre befristete Stellen. Hiervon seien 214 für Studienreferendare im Höheren Lehramt an Gymnasien, 86 für Referendare an Grundschulen bestimmt. Zunächst seien die übrigen 325 Stellen paritätisch auf alle fünf Lehrämter verteilt worden, um alle Lehrämter adäquat berücksichtigen zu können. In einem weiteren Schritt seien sodann die Anzahl der Bewerbungen sowie die personellen und tatsächlichen Ausbildungskapazitäten für die einzelnen Lehrämter berücksichtigt worden. Der dabei in dem Lehramt an Förderschulen entstandene Überhang von 15 Stellen sei aufgrund der Bewerbersituation auf das Lehramt an Mittelschulen verteilt worden. 21 im Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Mittelschulen nicht ausgeschöpfte Stellen seien sodann auf die übrigen Lehrämter verteilt worden. Zur Ermittlung der Fächer und Fächerkombinationen, in denen ein besonderer öffentlicher Bedarf besteht (§ 4 Abs. 2 ZulbeschrVO), habe das Staatsministerium für Kultus die Regionalstellen der Bildungsagenturen angefragt. Diese hätten mitgeteilt, welche Veränderungen gegenüber den im vorangegangenen Jahr benannten Fächern und Fächerkombinationen für sachgerecht gehalten würden.

Auf Anfrage des Senats hat der Antragsgegner mitgeteilt, dass mit Stand 1.2.2009 nicht alle vorgesehenen Stellen für Studienreferendare und Lehramtsanwärter besetzt seien, da die im aktuellen Doppelhaushalt für das Kalenderjahr 2008 vorgesehenen Stellen um 100 Stellen aus einem anderen Kapitel erhöht worden seien.

Die von der Antragstellerin fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen zu einer Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO ergeht eine einstweilige Anordnung, wenn das Bestehen eines zu regelnden Anspruchs, des sog. Anordnungsanspruchs, und die Dringlichkeit einer vorläufigen Entscheidung, der sog. Anordnungsgrund, überwiegend wahrscheinlich sind.

1. Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Aufnahme in den Vorbereitungsdienst für das Höhere Lehramt an Gymnasien. Dieser ergibt sich aus ihrem Grundrecht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte und dem Gleichheitssatz (Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG; Art. 29 Abs. 1 SächsVerf i. V. m. Art. 18 Abs. 1 SächsVerf). Da der Vorbereitungsdienst eine allgemeine Ausbildungsstätte ist, eröffnet die Berufsfreiheit den Zugang unter bestimmten subjektiven Zulassungsvoraussetzungen grundsätzlich unabhängig von der objektiven Stellensituation oder einem angenommenen Bedarf (vgl. HessVGH, Beschl. v. 28.2.1997 - 1 TG 684/97 - juris sowie OVG Schl.-H., Beschl. v. 30.9.1994 - 3 M 49/94 - juris). Objektive Zulassungsbeschränkungen sind nur unter strengen formellen und materiellen Voraussetzungen statthaft. Sie bedürfen einer gesetzlichen Grundlage und sind nur dann verfassungsmäßig, wenn sie zum Schutz eines überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes und nur in Grenzen des unbedingt Erforderlichen unter erschöpfender Nutzung der vorhandenen, mit öffentlichen Mitteln geschaffenen Ausbildungskapazitäten angeordnet werden (BVerfG, Beschl. v. 22.10.1991 - 1 BvR 393/85, 1 BvR 610/85 - juris Rn. 65 zum NC).

Das verfassungsrechtliche Gebot erschöpfender Kapazitätsauslastung gilt nicht nur für die Schulverwaltung bei der Anwendung von zugangsbeschränkenden Vorschriften, sondern setzt auch dem Normgeber Schranken, soweit er kapazitätsbestimmende Regelungen schafft. Auch beim Erlass von Gesetzen und Verordnungen ist zu beachten, dass der Zugang zu Ausbildungsstätten nur beschränkt werden darf, soweit das zum Schutz eines überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes unbedingt erforderlich ist. Bei der Abwägung der berührten Grundrechte und Verfassungsgüter hat der Normgeber einen Gestaltungsfreiraum. Die notwendige Konkretisierung muss aber den Bedingungen rationaler Abwägung genügen. Die verwaltungsrechtliche Kontrolle der Abwägung setzt voraus, dass die Annahmen und Wertungen des Normgebers, die seine Abwägung bestimmt haben, im verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreit offengelegt werden. Daraus ergibt sich eine Darlegungspflicht der Verwaltung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 22.10.1991 a. a. O. Rn. 72 ff.).

Hier dürfte zwar die gesetzliche Ermächtigung an den Verordnungsgeber, Zulassungsbeschränkungen vorzusehen, von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden sein. Der Antragstellerin kann aber die auf der Grundlage des Gesetzes erlassene Zulassungsbeschränkungsverordnung nicht entgegengehalten werden, weil sie in wesentlichen Teilen nichtig ist und jedenfalls in § 4 Abs. 2 ZulbeschrVO auch den Zulassungsanspruch der Antragstellerin verkürzt.

a) Gesetzliche Grundlage für eine Zulassungsbeschränkung bei Lehramtsbewerbern ist in Sachsen § 40 Abs. 3 SchulG. Danach ist das Staatsministerium für Kultus ermächtigt, durch Rechtsverordnung für den Vorbereitungsdienst Zulassungsbeschränkungen wegen Erschöpfung der tatsächlichen Ausbildungskapazitäten oder für den Fall zu regeln, dass die bei der Bewirtschaftung der Personalausgaben des Haushaltsplans des Freistaates Sachsen zur Verfügung stehenden Stellen und Mittel nicht ausreichen. In der Rechtsverordnung können insbesondere die Zahl der vorhandenen Ausbildungsplätze, die Höchstzahl der je Lehramt zuzulassenden Bewerber, das Zulassungsverfahren einschließlich der Festsetzung von Ausschlussfristen und die Zulassungsquoten nach Maßgabe der Eignung und Leistung der Bewerber, der Fächer mit besonderem öffentlichen Bedarf, der Wartezeit sowie besonderer Härtefälle geregelt werden.

Diese Regelung begegnet bei summarischer Prüfung im Eilverfahren keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Sowohl bei einer Erschöpfung der tatsächlichen Ausbildungskapazitäten als auch bei Erschöpfung der zur Verfügung stehenden Stellen und Mittel rechtfertigen überragend wichtige Gemeinschaftsgüter - Funktionsfähigkeit der Schulen (Art. 102 Abs. 1 SächsVerf) bzw. Budgetrecht des Parlaments (Art. 93 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Art. 73 Abs. 1 SächsVerf) - dem Grunde nach Zulassungsbeschränkungen. Es spricht auch viel dafür, dass die Norm den Anforderungen von Art. 75 Abs. 1 Satz 2 SächsVerf genügt. Danach muss der Parlamentsgesetzgeber Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmen. Hier hat der Gesetzgeber sowohl die Voraussetzungen für Zulassungsbeschränkungen als auch die Konsequenzen bei Vorliegen der Voraussetzungen bis hin zu den Kriterien für die einzelnen Zulassungsquoten bestimmt. Der Gesetzgeber hat die dem Verordnungsgeber übertragenen Kompetenzen nach Tendenz und Programm so genau umrissen, dass aus der Ermächtigung erkennbar und vorhersehbar ist, was dem Lehramtsbewerber gegenüber zulässig sein soll (vgl. allgemein zu den Anforderungen: SächsOVG, Urt. v. 17.9.2008 - 2 B 683/07 - juris Rn. 28 m. w. N.). Entgegen der Auffassung der Antragstellerin muss der Gesetzgeber selbst wohl nicht die näheren Einzelheiten der Zulassungsquoten regeln.

b) In wesentlichen Teilen nichtig ist aber die auf Grundlage von § 40 Abs. 3 SchulG erlassene Zulassungsbeschränkungsverordnung vom 19.5.2008. Dies gilt für § 2 ZulbeschrVO, in dem Zulassungszahlen festgesetzt werden, und für § 4 Abs. 2 ZulbeschrVO, in dem für den Vorbereitungsdienst für das Höhere Lehramt für bestimmte Fächerkombinationen und Fächer ein besonderer öffentlicher Bedarf festgestellt wird. Beiden Vorschriften liegt keine hinreichend nachvollziehbare Prognose zugrunde. Die Festlegung der Zulassungszahlen in § 2 genügt darüber hinaus nicht den Anforderungen des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 18 Abs. 1 SächsVerf).

aa) Die Festlegung der Zulassungszahlen in den einzelnen Lehrämtern hat Auswirkungen auf die freie Wahl des Ausbildungsplatzes der Lehramtsbewerber. Wird die Zulassungszahl in einem Lehramt höher festgesetzt, führt dies zu einer Verminderung der Zulassungszahlen in den übrigen Lehrämtern und beschränkt deshalb die Bewerber in diesen Lehrämtern in ihrem Recht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte. Die Festlegung der Zulassungszahlen muss deshalb unter Beachtung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 18 Abs. 1 SächsVerf) nach sachgerechten Kriterien erfolgen. Sie muss den Erfordernissen rationaler Abwägung genügen, insbesondere muss ihr eine hinreichend nachvollziehbare Prognose zugrunde liegen.

Der insoweit darlegungspflichtige Antragsgegner hat weder sachgerechte Kriterien aufgezeigt noch eine hinreichende Prognose dargelegt. Mögliche Kriterien für die Festlegung der Zulassungszahlen wären z. B. das Verhältnis des prognostizierten Bedarfs an Lehrern in den einzelnen Lehrämtern nach dem Ende des Vorbereitungsdienstes, die vorhandene Ausbildungskapazität und die Bewerberzahl. Hierzu hätte der Bedarf im Anschluss an den Vorbereitungsdienst prognostiziert werden müssen.

Nach dem Vortrag des Antragsgegners fand zur Festlegung der Zulassungszahl keine Bedarfsprognose statt. Vielmehr hat der Antragsgegner zunächst 325 Stellen paritätisch auf die fünf Lehrämter verteilt, um alle Lehrämter "adäquat" berücksichtigen zu können, und in einem zweiten Schritt den durch die Ausbildungskapazitäten und Bewerberzahlen entstandenen Überhang umverteilt. Bereits der Ausgangspunkt dieser Verteilung, nämlich die paritätische Stellenverteilung, entbehrt einer sachlichen Rechtfertigung. Die einzelnen Lehrämter weisen unterschiedliche Lehrerzahlen auf (hauptberufliche Lehrpersonen an allgemeinbildenden Schulen im Schuljahr 2008/2009 insgesamt: Grundschulen 8.919, Mittelschulen 9.574, Gymnasien 8.329, allgemeinbildende Förderschulen 3.259, Freie Waldorfschulen 105; an berufsbildenden Schulen im Schuljahr 2007/2008: 7.263). Somit ist davon auszugehen, dass nach Ende des Vorbereitungsdienstes in den einzelnen Lehrämtern auch ein unterschiedlich hoher Bedarf an Lehrern bestehen wird. Hinzu kommen eine möglicherweise unterschiedliche Altersstruktur der Lehrer in den einzelnen Lehrämtern sowie eine möglicherweise unterschiedliche Entwicklung der Schülerzahlen, die ebenfalls den Bedarf beeinflussen. Werden bei einem unterschiedlich hohen Bedarf gleiche Zulassungszahlen festgesetzt, wird Ungleiches gleich behandelt, ohne dass hierfür eine sachliche Rechtfertigung erkennbar ist. Zwar mag es zulässig sein, einen gewissen Teil der Stellen als "Sockel" unabhängig vom Bedarf für die einzelnen Lehrämter vorzusehen. Ein solcher Sockel befreit aber nicht von einer Bedarfsprognose und einer im Übrigen hierauf gestützten Festlegung.

Allerdings ist fraglich, ob sich der Mangel im Ergebnis zu Lasten des Höheren Lehramts an Gymnasien und damit zu Lasten der Antragstellerin auswirkt. Die 300 weiteren Stellen wurden nämlich ganz überwiegend (214 Stellen) für Studienreferendare im Höheren Lehramt an Gymnasien vorgesehen. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass die Gymnasien bei Festlegung der Zulassungszahlen insgesamt ausreichend oder sogar überproportional berücksichtigt wurden. Die Antragstellerin ist somit durch die Anwendung des nichtigen § 2 ZulbeschrVO wohl nicht in ihren Rechten verletzt (vgl. § 42 Abs. 2 VwGO). Die Frage kann letztlich aber offen bleiben, da sich die Antragstellerin jedenfalls auf die Unwirksamkeit von § 4 Abs. 2 ZulbeschrVO berufen kann.

bb) Auch der Festlegung der Fächer und Fächerkombinationen, in denen für den Vorbereitungsdienst für das Höhere Lehramt an Gymnasien ein besonderer öffentlicher Bedarf besteht (§ 4 Abs. 2 ZulbeschrVO), liegt keine hinreichende Prognose zugrunde. Nach dem Vortrag des Antragsgegners wurde 2008 vom Staatsministerium für Kultus bei den Bildungsagenturen angefragt, welche Fächer oder Fächerkombinationen aufgenommen werden sollten. Der insoweit darlegungspflichtige Antragsgegner hat nichts dazu vorgetragen, auf welcher Datengrundlage und nach welchen Kriterien die Fächer mit einem besonderen öffentlichen Bedarf für das Schuljahr 2008/2009 sowie das Jahr davor ermittelt worden sind. Es ist somit fraglich, ob überhaupt eine auf objektive Grundlagen gestützte Bedarfsermittlung stattgefunden hat oder ob die Festlegung des besonderen öffentlichen Bedarfs auf den subjektiven Einschätzungen der Mitarbeiter der Bildungsagenturen oder der von diesen angefragten Schulen beruht. Jedenfalls fehlt eine vom Gericht nachvollziehbare Bedarfsprognose.

Auf die Unwirksamkeit von § 4 Abs. 2 ZulbeschrVO kann sich die Antragstellerin, für deren Fächer kein besonderer öffentlicher Bedarf festgestellt worden ist, berufen. Nach § 5 Abs. 3 ZulbeschrVO werden bis zu 25 % der Bewerber für das jeweilige Lehramt vorab zugelassen, für deren Fachrichtungen, Fächer oder Fächerkombinationen ein besonderer öffentlicher Bedarf gem. § 4 besteht. Im Schuljahr 2008/2009 wurden 71 Bewerber wegen besonderen öffentlichen Bedarfs in den Vorbereitungsdienst für das Höhere Lehramt an Gymnasien aufgenommen. Diese Aufnahme war wegen der Nichtigkeit von § 4 Abs. 2 ZulbeschrVO rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten.

c) Werden entgegen den gesetzlichen Regelungen Bewerber aufgenommen, so wird damit der Zugangsanspruch anderer Bewerber verkürzt. Diese anderen Bewerber müssen zusätzlich aufgenommen werden und zwar bis an die Grenze der Funktionsfähigkeit der Schulen und des haushaltsrechtlich Zulässigen. Zusätzliche Plätze, die als Ausgleich für rechtswidrig vergebene Plätze bereitgestellt werden müssen, sind an diejenigen Bewerber zu vergeben, die ihre rechtswidrige Abweisung nicht hingenommen haben; ihnen kann ein besserer Rang solcher Bewerber, die sich mit der Abweisung abgefunden haben, nicht entgegen gehalten werden (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 8.12.2008 - 2 B 316/08 - juris Rn. 17 m. w. N. zur Aufnahme von Schülern an Schulen).

Hier ist - soweit ersichtlich - nur noch das vorliegende Verfahren anhängig. Die übrigen Bewerber haben sich mit der Entscheidung des Antragsgegners abgefunden. Es ist nichts dafür erkennbar, dass die vorläufige Aufnahme der Antragstellerin die vorhandene Ausbildungskapazität im Höheren Lehramt an Gymnasien überschreitet. Auch haushaltsrechtliche Hindernisse bestehen nicht. Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 19.2.2009 mitgeteilt, dass zum Stand 1.2.2009 nicht alle vorgesehenen Stellen für Studienreferendare und Lehramtsanwärter besetzt sind. Maßgeblich bei dem Leistungsbegehren der Antragstellerin ist die Sachlage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 123 Rn. 27).

Für den Senat ist auch nicht ersichtlich, dass wegen der bereits seit dem Einstellungstermin am 1.8.2008 verstrichenen Zeit die Ausbildung der Antragstellerin nicht mehr sinnvoll durchgeführt werden kann. Zwar hat die Antragstellerin die dreimonatige Einführungsphase und damit eine wesentliche Ausbildungsphase verpasst. Es ist jedoch nichts dafür vorgetragen oder sonst erkennbar, dass die Inhalte der Einführungsphase von der Antragstellerin nicht nachgeholt werden können. Es obliegt dem Antragsgegner, durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass die Antragstellerin die Inhalte der Einführungsphase nachholen kann. Soweit der Hessische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 29.7.1993 - 1 TG 1767/93 - juris Rn. 9) Zweifel geäußert hat, ob nach Beendigung der dreimonatigen Einführungsphase ein Anordnungsanspruch noch geltend gemacht werden könne, folgt der Senat dieser Auffassung nicht. Vielmehr gebietet es das Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 78 Abs. 3 SächsVerf), einer abgelehnten Lehramtsbewerberin auch nach der dreimonatigen Einführungsphase einen Zugang zu der ihr rechtswidrig vorenthaltenen Ausbildungsstätte zu ermöglichen.

2. Die Sache ist eilbedürftig. Eine Entscheidung in der Hauptsache würde voraussichtlich zu spät kommen, um der Antragstellerin eine Aufnahme in den Vorbereitungsdienst noch im laufenden Ausbildungsjahr 2008/2009 zu ermöglichen. Das Recht der Antragstellerin auf Zugang zu der Ausbildungsstätte wäre deshalb bei einem Abwarten der Hauptsacheentscheidung zumindest teilweise endgültig vereitelt. Deshalb ist hier auch die Vorwegnahme der Hauptsache ausnahmsweise gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung und die Abänderung der Streitwertfestsetzung durch das Verwaltungsgericht beruhen auf § 63 Abs. 2 und 3, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1 und § 52 Abs. 1 GKG. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bietet der Sach- und Streitstand hier für die Bestimmung des Streitwertes genügende Anhaltspunkte. Es kann entsprechend § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG auf die Hälfte des 13-fachen Anwärtergrundbetrages sowie des für die Antragstellerin maßgeblichen Familienzuschlags abgestellt werden. Wegen der zumindest teilweise begehrten Vorwegnahme der Hauptsache erscheint eine Halbierung des Auffangstreitwertes nicht angezeigt (vgl. Nummer 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, abgedruckt z. B. bei Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., Anh § 164 Rn. 14).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück