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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 26.10.2009
Aktenzeichen: 2 B 414/09
Rechtsgebiete: VwGO, GG, SächsVerf


Vorschriften:

VwGO § 123
GG Art. 19 Abs. 4
GG Art. 33 Abs. 2
SächsVerf Art. 91 Abs. 2
SächsVerf Art. 78 Abs. 3
Bei einer Auswahlentscheidung müssen die aktuellen dienstlichen Beurteilungen grundsätzlich einer wertenden Betrachtung und Gewichtung unterzogen und die wesentlichen Erwägungen im Auswahlvermerk niedergelegt werden.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 2 B 414/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Stellenbesetzung; Antrag nach § 123 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dehoust und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Hahn

am 26. Oktober 2009

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 30. Juni 2009 - 11 L 69/09 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladen, die dieser selbst trägt.

Der Streitwert wird unter Abänderung der Streitwertfestsetzung im Beschluss des Verwaltungsgerichts für beide Rechtszüge auf 5.000,- € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist nicht begründet.

Die Antragstellerin ist wie der Beigeladene Richter am Oberlandesgericht Dresden (R 2). Sie wendet sich gegen die vom Antragsgegner beabsichtigte Besetzung einer Stelle eines Richters am Finanzgericht bei dem Sächsischen Finanzgericht (R 2) mit dem Beigeladenen. Das Verwaltungsgericht hat dem Eilantrag der Antragstellerin stattgegeben und es dem Antragsgegner vorläufig untersagt, die ausgeschriebene Stelle zu besetzen.

Das Verwaltungsgericht begründet seine Entscheidung damit, dass weder der Besetzungsvermerk noch die Schriftsätze des Antragsgegners im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erkennen ließen, dass bei der Auswahlentscheidung zunächst die aktuellen Anlass- und Regelbeurteilungen der Antragstellerin und des Beigeladenen einer wertenden Betrachtung unterzogen worden seien. Der Antragsgegner habe die Bewerberauswahl nach dem Kriterium "allgemeine Verwendungsbreite" vorgenommen. Als weiteren Umstand habe er die bereits erfolgte Bewährung des Beigeladenen am Sächsischen Finanzgericht berücksichtigt. Der Dienstherr sei jedoch gehalten, seinen Leistungsvergleich vorrangig anhand der Beurteilungen der Bewerber durchzuführen. Erst wenn hierbei zwischen den Bewerbern ein Gleichstand bestehe, sei es ihm eröffnet, auf Einzelmerkmale der Beurteilung oder andere stellenbezogene Leistungskriterien zurückzugreifen. Hier ergebe sich nach den aktuellen Beurteilungen auch nicht offensichtlich ein Gleichstand. Dies folge schon daraus, dass die Antragstellerin und der Beigeladene in der letzten Regelbeurteilung zwar die gleiche Gesamtnote erzielt hätten, die Antragstellerin aber während des gesamten Beurteilungszeitraumes in einem Amt nach R 2, der Beigeladene dagegen - ebenfalls im gesamten Beurteilungszeitraum - noch im Eingangsamt tätig gewesen sei. Bezögen sich die Beurteilungen der konkurrierenden Bewerber auf unterschiedliche Statusämter, so werde in der Rechtsprechung allgemein angenommen, dass bei gleicher Gesamtbewertung die Beurteilung des Beamten oder Richters im höheren Statusamt grundsätzlich besser sei als diejenige des in einem niederen Statusamt befindlichen Konkurrenten. Zwar könnten einzelne vom Dienstherrn im Auswahlverfahren ausgewählte Leistungskriterien zu einer Kompensation des Beurteilungsrückstandes des im niedrigeren Sta-tusamt befindlichen Konkurrenten führen, z. B. bei einem Unterschied zwischen R 1 und R 1 + Z. Ob dies auch bei einem Unterschied zwischen R 1 und R 2 gelte, sei fraglich. Jedenfalls bedürfe es aber einer eingehenden Auseinandersetzung mit den Beurteilungen. Der Dienstherr habe im Einzelnen darzulegen, warum bei gleicher Note dem Bewerber mit einer Beurteilung im niedrigeren Amt gegenüber dem Mitbewerber im höheren Amt ein Leistungsvorsprung zuerkannt werden könne. Der Antragsgegner habe indes nicht im Wege eines wertenden Vergleichs dargelegt, aufgrund welcher in den Beurteilungen jeweils angesprochener und von ihm als besonders gewichtig angesehener Leistungskriterien davon auszugehen sei, dass der Beigeladene ausweislich der Regelbeurteilungen zumindest genauso leistungsstark sei wie die Antragstellerin.

Hiergegen wendet der Antragsgegner in seiner Beschwerdebegründung ein, die Beurteilungen und Gesamtprädikate sowie die jeweils innegehabten Statusämter und die wahrgenommenen Funktionen seien im Einzelnen im Auswahlvermerk vom 28.1.2009 dargestellt. Sowohl diese "Werdegänge" als auch die tabellarische Bewerberübersicht seien Bestandteil des Auswahlvermerkes. Es sei nicht erforderlich, sämtliche Fakten, wie etwa die Beurteilung in verschiedenen Statusämtern, in dem Abschnitt "Auswahlüberlegungen" nochmals anzuführen. Gerade die Nebeneinanderstellung der Beurteilungsauszüge der Antragstellerin und des Beigeladenen mache deutlich, dass der Antragsgegner die Leistungsbilder verglichen habe. Aus dem Auswahlvermerk gehe zudem hervor, dass die beabsichtigte Besetzung der Stelle mit dem Beigeladenen dem Votum des Präsidenten des Sächsischen Finanzgerichts entspreche. Dieser habe in seiner Stellungnahme vom 25.11.2008 ausdrücklich auf die im Beförderungsamt erzielte Regelbeurteilung der Antragstellerin Bezug genommen und begründet, warum gleichwohl dem Beigeladenen der Vorzug zu geben sei. Damit habe er sich dieses Votum zu eigen gemacht. Dass der Antragsgegner von einem Beurteilungsgleichstand ausgehe, zeige sich auch schon ohne Weiteres aus den wiedergegebenen Auszügen aus den Anlassbeurteilungen, die allein Verwendungszeiten im Statusamt R 2 beträfen. Das Verwaltungsgericht habe zudem nicht berücksichtigt, dass der Beigeladene in mehr als der Hälfte des Regelbeurteilungszeitraumes im Rahmen der Abordnung bereits Tätigkeiten der Besoldungsgruppe R 2 ausgeübt habe. Der Feststellung eines Beurteilungsgleichstandes bedürfe es auch nicht. Vielmehr könne der Dienstherr auch im Falle eines bestehenden Statusunterschiedes seine Auswahlentscheidung - etwa mit Rücksicht auf die besonderen Anforderungen des zu besetzenden Amtes - auf von ihm zu bestimmende Leistungsmerkmale stützen. Bereits aus der Gegenüberstellung der Anlassbeurteilungen ergebe sich, dass der Beigeladene der Antragstellerin unter Leistungsgesichtspunkten zumindest gleichstehe. Der Beigeladene habe sehr gute juristische Kenntnisse, während der Antragstellerin nur deutlich überdurchschnittliche Kenntnisse attestiert würden. Ein Gleichstand ergebe sich auch deshalb, weil der Beigeladene über einen erheblichen Teil des Regelbeurteilungszeitraums bereits in Ämtern der Besoldungsgruppe R 2 tätig gewesen sei. Übe der Richter über den Beurteilungszeitraum ein höher bewertetes Amt aus, so müsse er auch an dessen Anforderungen gemessen und entsprechend beurteilt werden. Deshalb habe der Antragsgegner sowohl die "allgemeine Verwendungsbreite" als auch die "Bewährung im angestrebten Amt" bei seiner Auswahlentscheidung berücksichtigen dürfen. Die besonderen Anforderungen an das zu besetzende Amt ergäben sich aus dem Anforderungsprofil für den "Richter an einem Obergericht" nach der Anlage 1 der entsprechenden Verwaltungsvorschrift. Auch wenn nach dem Anforderungsprofil eine vorangegangene Tätigkeit bei dem jeweiligen Gericht nicht gefordert würde, sei es dem Antragsgegner im Rahmen der Auswahl nach Leistungskriterien unbenommen, gerade die erfolgreiche Tätigkeit bei dem jeweiligen Obergericht - hier dem Finanzgericht - stärker zu gewichten als die Tätigkeit bei einem anderen Obergericht.

Die vom Antragsgegner fristgerecht dargelegten Gründe, auf die nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein einzugehen ist, rechtfertigen keine Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO ergeht eine einstweilige Anordnung, wenn das Bestehen eines zu sichernden Anspruchs, des sogenannten Anordnungsanspruchs, und die Dringlichkeit einer vorläufigen Entscheidung, der sogenannte Anordnungsgrund, überwiegend wahrscheinlich sind.

Hier besteht sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund.

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Auswahlentscheidung des Antragsgegners rechtsfehlerhaft ist. Die Fehlerhaftigkeit des Auswahlverfahrens ergibt sich bereits daraus, dass es an einer nachvollziehbaren Begründung der zugunsten des Beigeladenen getroffenen Auswahlentscheidung fehlt. Dieser Begründungsmangel ist so schwerwiegend, dass er im gerichtlichen Verfahren nicht mehr behoben werden kann.

Der Antragsgegner hat bei der Ausschreibung entschieden, das hier streitige Amt auf der Grundlage eines Auswahlverfahrens nach den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG, Art. 91 Abs. 2 SächsVerf zu besetzen. Daran ist er gebunden. Er hat folglich auch zwischen den Versetzungsbewerbern die Auswahl nach den in den Verfassungsbestimmungen niedergelegten Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu treffen.

Die gebotene Bestenauslese erfordert es, zur Ermittlung des Leistungsstandes konkurrierender Bewerber in erster Linie auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen. Regelmäßig sind dies die - bezogen auf den Zeitpunkt der Auswahlentscheidung - aktuellsten dienstlichen Beurteilungen. Neben den Anlassbeurteilungen kommt hierbei den aktuellen Regelbeurteilungen eine besondere Bedeutung zu (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.7.2001 - 2 C 41.00 - sowie SächsOVG, Beschl. v. 16.12.2008 - 2 B 350/08 -, jeweils juris).

Aus der Verfahrensabhängigkeit des sich aus Art. 33 Abs. 2 GG, Art. 91 Abs. 2 SächsVerf ergebenden subjektiven Rechts des Konkurrenten folgen zudem Vorwirkungen auf das Verwaltungsverfahren. Das dem gerichtlichen Rechtsschutzverfahren vorgelagerte Verwaltungsverfahren darf nicht so ausgestaltet sein, dass es den effektiven gerichtlichen Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 78 Abs. 3 SächsVerf) vereitelt oder unzumutbar erschwert. Daraus ergibt sich die Verpflichtung des Dienstherrn, seine wesentlichen Auswahlerwägungen - deren Kenntnis sich der unterlegene Bewerber gegebenenfalls durch Akteneinsicht verschaffen kann - schriftlich zu fixieren. Erst die Dokumentation der maßgeblichen Erwägungen eröffnet darüber hinaus dem Gericht die Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung eigenständig nachzuvollziehen. Die dargelegten Auswahlerwägungen können im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens entsprechend § 114 Satz 2 VwGO ergänzt werden. Dagegen ist die vollständige Nachholung oder die Auswechslung der die Ermessensentscheidung tragenden Gründe nicht möglich (BVerfG, Beschl. v. 9.7.2007 - 2 BvR 206/07 -; BVerwG, Beschl. v. 20.8.2003 - 1 WB 23.03 -, jeweils juris; SächsOVG, Beschl. v. 18.2.2008 - 2 BS 426/07 -).

Inhaltlich müssen in dem Auswahlvermerk Leistung, Eignung und Befähigung auf der Grundlage der dienstlichen Beurteilungen bewertet, das heißt nachvollziehbar begründet und gewichtet werden (OVG NRW, Beschl. v. 9.11.2001 - 1 B 1146/01 -, juris). Dies setzt voraus, dass die aktuellen Beurteilungen einer wertenden Betrachtung und Gewichtung unterzogen und die wesentlichen Erwägungen im Auswahlvermerk niedergelegt werden.

Daran fehlt es hier. In dem der Besetzungsentscheidung zugrundeliegenden Auswahlvermerk vom 28.1.2009 werden nach einer tabellarischen Übersicht über die Werdegänge der Bewerber unter Ziffer I zunächst in der Art eines Tatbestandes wesentliche Inhalte der Anlass- und Regelbeurteilungen der Bewerber wiedergegeben. Unter Ziffer II wird dann dargestellt, welche Bewerber das Anforderungsprofil "Richter an einem Obergericht" im Sinne der Verwaltungsvorschrift erfüllen. Im Anschluss daran wird festgestellt, dass der Beigeladene unter den Bewerbern über die größte allgemeine Verwendungsbreite verfügt und sich bereits im Wege der Abordnung in dem angestrebten Amt bewährt hat. An einer nachvollziehbaren Bewertung und Gewichtung des Inhalts der Beurteilungen fehlt es.

Eine solche nachvollziehbare Gewichtung und Bewertung der Beurteilungen war hier auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Beigeladene aufgrund der in Ziffer I wiedergegebenen Beurteilungsauszüge eindeutig für das Amt am besten geeignet wäre. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass dies hier schon deshalb nicht auf der Hand liegt, weil die beiden Bewerber in ihrer letzten Regelbeurteilung das gleiche Gesamturteil aufweisen, aber die Beurteilung des Beigeladenen in einem niedrigeren Status (R 1) erzielt worden ist. Da mit einem höheren Amt regelmäßig auch gesteigerte Anforderungen und ein größeres Maß an Verantwortung verbunden sind, ist die Annahme, dass bei formal gleicher Bewertung die Beurteilung des Beamten in einem höheren Statusamt grundsätzlich besser ist als diejenige des in einem niedrigeren Statusamt befindlichen Konkurrenten, nicht zu beanstanden (BVerfG, Beschl. v. 20.3.2007 - 2 BvR 2470/06 -; BayVGH, Beschl. v. 21.4.2009 - 3 CE 08.3410 -, jeweils juris). Somit spricht hier eine erste Vermutung für eine bessere Regelbeurteilung der Antragstellerin. Andererseits ergibt sich aus dem um eine Stufe höheren Statusamt der Antragstellerin auch nicht zwangsläufig, dass auch im Ergebnis von einem Qualifikationsvorsprung auszugehen wäre. Vielmehr ist der Dienstherr grundsätzlich berechtigt und in aller Regel zugleich verpflichtet, den weiteren Inhalt der Beurteilung daraufhin zu würdigen, ob sich aus ihm Anhaltspunkte für eine andere Beurteilung gewinnen lassen. Bei um eine Stufe unterschiedlichen Ämtern erscheint es auch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Antragsgegner aus einer den Inhalt der Regelbeurteilungen ausschöpfenden Interpretation zu der Einschätzung eines in der Leistungsbewertung bestehenden Qualifikationsvorsprungs des Beigeladenen und damit zu einem Ausgleich des Umstandes des höherwertigen Statusamtes der Antragstellerin kommt. Die insoweit geäußerten grundsätzlichen Zweifel des Verwaltungsgerichts teilt der Senat nicht. Ein Ausgleich kommt vor allem dann in Betracht, wenn der Bewerber im Beurteilungszeitraum einen erheblichen Zeitraum auf Dienstposten eingesetzt war, die bei planmäßiger Besetzung einen höheren Status haben. Mit der im Rahmen der Abordnung oder unterwertigen Besetzung wahrgenommenen Tätigkeit sind regelmäßig bereits dieselben gesteigerten Anforderungen und dasselbe größere Maß an Verantwortung verbunden wie bei einer Erfüllung der Tätigkeit durch einen planmäßigen Stelleninhaber. So kann hier berücksichtigt werden, dass der Beigeladene im Beurteilungszeitraum (1.2.2002 bis 31.12.2005) vom 1.2.2002 bis 31.8.2002 und vom 1.7.2004 bis 31.12.2005 im Wege der Abordnung auf Dienstposten im Oberlandesgericht und Finanzgericht eingesetzt war, die üblicherweise mit R 2 besoldet sind.

Der vorliegende Auswahlvermerk lässt jedoch jegliche gewichtende Auseinandersetzung mit dem Gesamturteil in den Regelbeurteilungen der Antragstellerin und des Beigeladenen vermissen. Nach dem Auswahlvermerk bleibt es sogar unklar, ob den Vertretern des Antragsgegners die Tatsache, dass die Regelbeurteilung des Beigeladenen in einem niedrigeren Richteramt erzielt worden ist, bei der Entscheidungsfindung überhaupt bewusst war. Die Tatsache, dass die Regelbeurteilungen unterschiedlichen Statusämtern entspringen, kann zwar aus den tabellarischen Übersichten zu Beginn des Auswahlvermerkes erschlossen werden. Aus den folgenden Auswahlüberlegungen wird aber nicht deutlich, dass dies bei der Auswahl gesehen und berücksichtigt wurde. Vielmehr wird dort nur auf die "Regelbeurteilung des Präsidenten des Sächsischen Finanzgerichts", also den Beurteiler, abgehoben, der Status des Beurteilten fehlt. Es fehlt zudem jegliche Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Beurteilungen und ihrer Gewichtung. Nicht nachgegangen wird der Frage, ob und ggf. aus welchen Gründen der Statusunterschied bei der Beurteilung ausgeglichen werden kann. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht deshalb, weil der Antragsgegner sich die Abwägung des Präsidenten des Sächsischen Finanzgerichts zu den Beurteilungen in dessen Besetzungsvorschlag zu eigen gemacht hätte. In dem Besetzungsvermerk des Antragsgegners wird nur festgestellt, dass der Vorschlag mit dem Votum des Präsidenten des Finanzgerichts übereinstimmt. Damit wird aber nur auf das Votum selbst, nicht auf dessen Begründung Bezug genommen. Es fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass der Antragsgegner sich neben der eigenen Begründung auch die Begründung des Präsidenten des Finanzgerichts zu eigen machen wollte.

Soweit der Antragsgegner nunmehr erstmals im Beschwerdeverfahren gewichtige Argumente dafür vorbringt, dass bei inhaltlicher Ausschöpfung der Beurteilungen sich trotz der unterschiedlichen Statusämter ein Beurteilungsvorsprung des Beigeladenen oder zumindest ein Beurteilungsgleichstand ergibt, kann dies im vorliegenden Verfahren keine Berücksichtigung mehr finden. Mit der inhaltlichen Gewichtung der vorliegenden Beurteilungen werden die Auswahlerwägungen im Auswahlvermerk nicht lediglich ergänzt. Vielmehr handelt sich um das nachträgliche Nachschieben und Auswechseln wesentlicher Teile der Ermessenserwägungen. Während die Anlass- und Regelbeurteilungen in dem Auswahlvermerk keinerlei wertender Betrachtung unterzogen werden, findet sich im gerichtlichen Verfahren erstmals die Feststellung des Antragsgegners, dass die Regelbeurteilungen in unterschiedlichen Statusämtern erzielt wurden, und eine wertende Betrachtung des Inhalts der Beurteilungen. Das Nachschieben wesentlicher Teile der Auswahlerwägungen im gerichtlichen Verfahren ist indes - wie ausgeführt - nicht zulässig. Die Beantwortung der Frage, ob sich bei einer Ausschöpfung der Anlass- und Regelbeurteilungen ein Qualifikationsvorsprung des Beigeladenen oder der Antragstellerin ergibt, muss deshalb einer erneuten Auswahlentscheidung des Antragsgegners vorbehalten bleiben.

Dies gilt auch deshalb, weil die zweite Erwägung des Auswahlvermerks, der Beigeladene könne der Antragstellerin auch deshalb vorgezogen werden, weil er bereits bei dem Sächsischen Finanzgericht tätig gewesen ist, fehl geht. Sie widerspricht der dem Senat bekannten Verwaltungspraxis des Antragsgegners, den Wechsel innerhalb der Gerichtsbarkeiten und zwischen Gerichten, Staatsanwaltschaften und obersten Landes- oder Bundesbehörden zu fördern und gleichrangige Tätigkeiten in verschiedenen Gerichtsbarkeiten, der Staatsanwaltschaft oder Verwaltung gleich zu behandeln (vgl. zur unzulässigen Verengung eines Kriteriums bei Beamten auch SächsOVG, Beschl. v. 16.12.2008 - 2 B 254/08 -, juris). Diese Praxis ist inzwischen auch in dem Anforderungsprofil "Richter an einem Obergericht" in der Anlage 1 zur Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz über die dienstliche Beurteilung der Richter und Staatsanwälte einschließlich der Anforderungsprofile für Eingangs- und Beförderungsämter (VwV Beurteilung Richter und Staatsanwälte) vom 17.6.2008 (SächsJMBl. S. 52) ausdrücklich festgelegt. Danach soll sich der Bewerber in verschiedenen Sachgebieten bewährt haben. Zudem soll er in der Regel bereits erfolgreich bei dem jeweiligen Obergericht, auch bei einem anderen Obergericht, einem Bundesgericht, dem Verfassungsgerichtshof, einer obersten Landes- oder Bundesbehörde oder bei der Generalstaatsanwaltschaft tätig gewesen sein. Mit dieser Formulierung bringt der Antragsgegner zum Ausdruck, dass die erfolgreiche Tätigkeit bei einem Bundes- oder Obergericht, dem Verfassungsgerichtshof, der Generalstaatsanwaltschaft oder einer obersten Landes- oder Bundesbehörde gleichwertig ist. Es verletzt den Anspruch der Antragstellerin auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 18 Abs. 1 SächsVerf), wenn der Antragsgegner zu ihren Lasten von dieser Verwaltungspraxis abweicht, ohne dass ein rechtfertigender Grund hierfür vorliegt.

Soweit der Antragsgegner vorträgt, er könne die einzelne Profilmerkmale nach seinem Ermessen gewichten, trifft dies nach Nummer 1 Buchst. b Doppelbuchst. bb der Anlage 1 zur Verwaltungsvorschrift Beurteilung Richter und Staatsanwälte zu. Danach fungieren die einzelnen Profilmerkmale nach der Vorauswahl als Auswahlkriterien, deren Gewichtung im Ermessen des Dienstherrn liegt, ohne dass hierdurch eine Rangfolge vorgegeben wird. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Hier geht es jedoch nicht um die Rangfolge und die Gewichtung verschiedener Auswahlkriterien, sondern die Erfüllung eines Auswahlkriteriums. Kann dieses Auswahlkriterium nach der Verwaltungspraxis des Antragsgegners in gleicher Weise bei dem jeweiligen Obergericht oder bei einem anderen Bundes- oder Obergericht, dem Verfassungsgerichtshof, einer obersten Landes- oder Bundesbehörde oder bei der Generalstaatsanwaltschaft erfüllt werden, ist eine Differenzierung nach dem Gericht oder der Behörde, bei der die Tätigkeit absolviert wurde, nicht zulässig. Vielmehr sind die Tätigkeiten bei den verschiedenen Gerichten oder Behörden dann gleich zu gewichten. Ein Qualifikationsvorsprung eines Bewerbers kann sich nur daraus ergeben, dass er bei dem übergeordneten Gericht oder der obersten Behörde bessere Leistungen erbracht hat als der Konkurrent.

Die beschriebene Fehlerhaftigkeit des Auswahlverfahrens und die damit verbundene Möglichkeit der Ursächlichkeit der Fehler für die zu Lasten der Antragstellerin getroffenen Auswahlentscheidung reicht für den Erfolg des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung aus.

Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch. Eine Ernennung des Beigeladenen unter Einweisung in die ausgeschriebene Planstelle könnte nicht mehr rückgängig gemacht werden, so dass die mit dem Beigeladenen besetzte Planstelle nicht mehr zur Verfügung stünde (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.11.1996 - 2 A 3.96 -, juris m. w. N.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da dieser keinen Antrag gestellt und sich somit auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat.

Die Streitwertfestsetzung und Abänderung der Festsetzung durch das Verwaltungsgericht ergeben sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG. Dabei ist vom Auffangstreitwert auszugehen, da sich der Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragsstellerin betragsmäßig nicht beziffern lässt. Eine Orientierung an § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 GKG ist nicht sachgerecht, weil ein Obsiegen der Antragstellerin selbst in einem anschließenden Hauptsacheverfahren nicht notwendig bedeuten würde, dass die Antragstellerin mit ihrer Bewerbung zum Zuge kommt. Vielmehr erhält sie lediglich eine neue Chance, in einem ordnungsgemäß durchzuführenden Bewerbungsverfahren ausgewählt zu werden, dessen Erfolgsaussichten offen sind. Da indes über das Bestehen oder Nichtbestehen des Bewerbungsverfahrensanspruchs im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes regelmäßig mit der Wirkung einer Vorwegnahme der Hauptsache entschieden wird, ist eine Minderung des Wertes auf die Hälfte nicht angezeigt (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 5.6.2009, SächsVBl. 2009, 218, 220; Nummer 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, abgedruckt z. B. bei Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., Anh § 164 Rn. 14).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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