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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 01.09.2008
Aktenzeichen: 2 B 461/07
Rechtsgebiete: VerVfG, VwGO


Vorschriften:

VerVfG § 49
VwGO § 113
VwGO § 114
Zur Ergänzung von Ermessenserwägungen im Rahmen von § 114 Satz 2 VwGO bei Erledigung des Verwaltungsaktes.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 2 B 461/07

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Lehrgangsteilnahme; Fortsetzungsfeststellungsklage

hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dehoust und die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Henke ohne mündliche Verhandlung

am 1. September 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 10. Mai 2005 - 11 K 2781/03 - geändert.

Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 25.4.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.7.2003 rechtswidrig war.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Abordnung zum Vorbereitungslehrgang für den mittleren Polizeivollzugsdienst im Bundesgrenzschutz.

Der am geborene Kläger ist auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages bei der Beklagten als Angestellter auf unbestimmte Zeit beschäftigt. Im Jahr 2002 war er als sogenannte grenzpolizeiliche Unterstützungskraft am Dienstort eingesetzt. Nachdem ein Mangel an Polizeivollzugsbeamten im mittleren Dienst bestand, beabsichtigte die Beklagte, grenzpolizeiliche Unterstützungskräfte in einem verkürzten Vorbereitungsdienst zu Polizeivollzugsbeamten auszubilden. Der Kläger wurde nach einem entsprechenden Auswahlverfahren zu dieser Ausbildung zugelassen und mit Verfügung vom 29.8.2002 zur Teilnahme an dem verkürzten Vorbereitungsdienst nach abgeordnet. Im Rahmen der Ausbildung absolvierte er im Zeitraum 25.10. bis 17.11.2002 ein Praktikum in .

Der Kläger reichte am 3.12.2002 für die Monate September, Oktober, November und für den 1.12.2002 fünf Anträge auf Gewährung von Reisebeihilfen bei dem Bundesgrenzschutzamt (Haushaltsstelle) ein. Darin gab er an, am 13./15.9.2002, am 27./29.9.2002, am 11./13.10.2002, am 25.10./17.11.2002 sowie am 29.11./1.12.2002 jeweils mit seinem privaten Kfz (1.800 ccm Hubraum) Familienheimfahrten unternommen zu haben. Er gab hierbei nicht an, dass er einen Mitfahrer hatte. Bei der Bearbeitung der Anträge auf Reisebeihilfen fiel dem zuständigen Sachbearbeiter eine Übereinstimmung mit den Anträgen des gleichfalls als grenzpolizeiliche Unterstützungskraft zum Fortbildungslehrgang abgeordneten auf. Auf entsprechende Nachfrage stellte sich heraus, dass der Kläger zusammen mit Herrn seit dem 15.9.2002 eine Fahrgemeinschaft gebildet hatte: Beide Angestellte führten im wöchentlichen Wechsel Familienheimfahrten im eigenen Pkw durch, wobei sie den jeweils anderen mitnahmen.

Zum Vorwurf der falschen Angabe von Familienheimfahrten angehört, gab der Kläger an, dass er die Heimfahrtskosten im 15tägigen Abstand beantragt habe, weil aus dem ihm vorliegenden Trennungsgeldbescheid hervorgehe, dass Reisebeihilfen für Heimfahrten alle 15 Tage gewährt werden würden. Ausgehend hiervon habe er alle 15 Tage eine Heimfahrt im privaten Pkw angegeben ohne Rücksicht darauf, welche Fahrten von ihm und welche von Herrn durchgeführt worden seien. Soweit ihm Fehler bei der Antragstellung vorzuwerfen seien, beruhten diese auf Unwissenheit und seien nicht in der Absicht einer persönlichen Bereicherung geschehen. Auch habe man versucht, während des vom 4.11. bis 17.11.2002 bei dem BGSI absolvierten Praktikums eine Klärung der Problematik bei der Trennungsgeldstelle des BGS-Amtes herbeizuführen; die zuständige Mitarbeiterin habe jedoch im Krankenhaus gelegen; ein weiterer Mitarbeiter der Trennungsgeldstelle habe keine Klärung herbeiführen können.

Der Kläger zog im Februar 2003 seine ursprünglichen Anträge auf Reisebeihilfen zurück und stellte gleichzeitig vier neue Anträge entsprechend dem tatsächlichen Reiseverlauf. Der Kläger gab hierzu an, am 13.9./15.9.2002 als Alleinfahrer eine Familienheimfahrt durchgeführt sowie bei den Familienheimfahrten am 27./29.9.2002, 11./13.10.2002 und 29.11./1.12.2002 Herrn mitgenommen zu haben. Für die Fahrten 25.10./17.11.2002 stellte der Kläger nunmehr keinen Antrag auf Reisebeihilfe.

Am 23.4.2003 stellte die Beklagte Strafanzeige gegen den Kläger und Herrn wegen versuchten Betrugs durch falsche Angaben in Anträgen auf Reisebeihilfe. In der Strafanzeige war ausgeführt, dass nach Berechnungen der Beklagten "die Höhe der Erstattung bei der Neubeantragung im Vergleich zu den Erstanträgen keinen Unterschied" erbracht habe. Die Staatsanwaltschaft Dresden stellte mit Verfügung vom 10.11.2003 das gegen den Kläger und Herrn geführte strafrechtliche Ermittlungsverfahren gem. § 170 Abs. 2 StPO ein. Zur Begründung hieß es, den Beschuldigten sei eine Bereicherungsabsicht nicht nachzuweisen, da sie letztendlich die ihnen zustehende Reisekostenerstattung, wenn auch unter Angabe tatsächlich unzutreffender Reisedaten, beantragt hätten.

Mit Bescheid vom 25.4.2003 hob die Beklagte die "Abordnungsverfügung" vom 29.8.2002 zur Teilnahme an dem Lehrgang auf. Den hiergegen am 4.7.2003 eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8.7.2003 zurück und ordnete zugleich die sofortige Vollziehung des Bescheides an. Zur Begründung hieß es, die Abordnungsverfügung habe gem. § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG widerrufen werden dürfen, da die wahrheitswidrige Angabe in Reisekostenangelegenheiten, wäre sie bei Erlass der "Abordnung" zum Vorbereitungslehrgang bekannt gewesen, die Beklagte berechtigt hätte, von der Zuweisung Abstand zu nehmen. Auch sei ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet; der Widerruf diene zur Verhinderung eines sonst unmittelbar drohenden Schadens gegenüber dem Fiskus. Aus der Art der Antragstellung sei zu schließen, dass der Kläger die maßgeblichen Angaben bewusst getätigt oder offen gelassen habe. Es liege hier nach alledem ein betrügerisches Verhalten des Klägers gegenüber seinem Arbeitgeber bzw. seiner Verwaltung vor. Bei einem Beamten auf Widerruf sei in einem solchen Fall an eine Entlassung zu denken; der Kläger sei aufgrund des bestehenden Arbeitsverhältnisses als Grenzunterstützungskraft nunmehr auf eine Tätigkeit in seiner Stammdienststelle mit dem entsprechenden Vergütungsanspruch verwiesen. Der Ausschluss von der weiteren Teilnahme am Vorbereitungslehrgang sei ermessensgerecht, weil durch die in Rede stehenden wahrheitswidrigen Angaben erhebliche Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers für das angestrebte Beamtenverhältnis bestünden und keine besonderen Gründe auf Klägerseite entgegenstehen würden.

Der Kläger erhob am 14.7.2003 gegen den Widerruf in Gestalt des Widerspruchsbescheids Anfechtungsklage. Sein gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung gerichtetes einstweiliges Rechtsschutzverfahren (11 K 2786/03) war erfolgreich, so dass er vorläufig die Qualifizierungsmaßnahme fortführen konnte. Mit Ablegen der Laufbahnprüfung am 17.5.2004 schloss der Kläger den Vorbereitungslehrgang zwischenzeitlich erfolgreich ab. Eine Übernahme in das Beamtenverhältnis erfolgte bislang nicht; das Verwaltungsverfahren ruht derzeit im Hinblick auf das streitgegenständliche Verfahren.

Zur Begründung seiner Klage trug der Kläger vor, dass während seines Lehrgangs lediglich zwei kurze Einweisungen in das Trennungsgeldrecht erfolgt seien. Hierbei sei es vornehmlich um Trennungstagegeld und die Ausfüllung der hierzu erforderlichen Formulare gegangen, weniger um die Reisebeihilfen für Familienheimfahrten. Darüber hinaus hätte durch die vielen Fragen der Teilnehmer ein wenig hilfreiches Durcheinander geherrscht. Insgesamt sei er mit dem Ausfüllen der Anträge überfordert gewesen und habe deren Tragweite nicht erkannt. Er sei auch davon ausgegangen, dass der zuständige Sachbearbeiter sich die richtigen Anträge heraussuchen werde. Keinesfalls habe er durch die unzutreffenden Angaben einen finanziellen Vorteil angestrebt.

Die Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf die ergangenen Bescheide entgegen. Der Kläger könne sich nicht auf Unerfahrenheit beim Ausfüllen von Anträgen berufen; die betreffenden Formulare für die Beantragung von Reisebeihilfe seien eindeutig gestaltet. Mit Schriftsatz vom 22.4.2005 wurde ergänzend vorgetragen, der Kläger habe zudem für die Fahrt zum Praktikum (25.10./17.11.2002) am 21.11.2002 eine Reisekostenvergütung beantragt, die ihm auch ausgezahlt worden sei. Dabei habe er ebenfalls die Fahrgemeinschaft mit Herrn verschwiegen in der Absicht, eine höhere als die ihm zustehende Reisekostenvergütung zu erhalten; bei Offenlegung der Fahrgemeinschaft wäre die Reisekostenvergütung deutlich niedriger festgesetzt worden. Indem der Kläger für diese Fahrt gleichzeitig eine ihm nicht zustehende Reisebeihilfe beantragt habe, habe er ferner versucht, zweimal abzurechnen, was zu einer zusätzlichen Auszahlung hätte führen können.

Mit Urteil vom 10.5.2005 wies das Verwaltungsgericht die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Widerrufsverfügung umgestellte Klage als unbegründet ab. Bei der widerrufenen Abordnungsverfügung handele es sich bei Würdigung aller Umstände um einen Verwaltungsakt, der gem. § 49 VwVfG widerrufen werden dürfe. Die Behörde sei aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt gewesen, den ursprünglichen Verwaltungsakt nicht zu erlassen. Der von der Beklagten erhobene Vorwurf gegen den Kläger konzentriere sich letztlich darauf, dass dieser in einer Reisekostenabrechnung eine Rückfahrt angegeben habe, die er nicht selbst gefahren sei und dass er verschwiegen habe, auf der Hinfahrt einen weiteren Dienstreisenden mitgenommen zu haben; zur Ergänzung von Ermessenserwägungen werde auf § 114 Abs. 2 VwGO verwiesen. Die Beklagte habe hierin zu Recht einen Betrugsversuch gesehen und geschlussfolgert, dass das Verhalten des Klägers seine Eignung für eine spätere Ernennung zum Polizeibeamten im Bundesgrenzschutz in Frage stelle. Soweit sich der Kläger auf ein Versehen berufe, sei dies als Schutzbehauptung zu werten, da im Zusammenhang mit der Gestaltung des Antragsformulars für Reisekostenerstattung hinreichend deutlich zu erkennen sei, dass die Mitnahme im Kraftfahrzeug eines anderen Dienstreisenden auf die Festsetzung der Reisekostenvergütung Einfluss haben könne. Hierdurch seien nachträglich Tatsachen eingetreten, die die Beklagte schon für sich genommen zum Anlass hätte nehmen dürfen, die Eignung des Klägers für eine Tätigkeit als Polizeibeamter im Bundesgrenzschutz zu verneinen und ihn deswegen von dem Lehrgang auszuschließen. Der Widerruf der Zulassung zum Lehrgang sei auch erforderlich gewesen, da bei einer weiteren Teilnahme des Klägers am Lehrgang öffentliche Ressourcen in Anspruch genommen worden wären. Soweit die Beklagte ihren Widerruf auch auf den Vorwurf stütze, der Kläger habe durch "doppelte" Einreichung eines Reisebeihilfeantrags für eine Fahrt, für die er bereits Reisekostenerstattung beansprucht habe, zu betrügen versucht, glaube das Gericht dem Kläger indes, dass hier lediglich ein Versehen vorgelegen habe. Allerdings habe der Kläger auch hier den falschen Eindruck erweckt, beide Fahrten selbst unternommen zu haben. Weil aber schon der Betrugsvorwurf in Bezug auf die fehlerhafte Reisekostenabrechnung vom 21.11.2002 den Widerruf der Zulassung tragen könne, komme es hierauf nicht entscheidend an. Die mögliche Angabe falscher Reisedaten und Verläufe in den Anträgen auf Reisebeihilfen für Familienheimfahrten (ohne die Fahrt vom 25.10./17.11.2002) habe schon die Beklagte nicht mehr als ausschlaggebend für ihre Entscheidung betrachtet, so dass das Gericht hierzu den Sachverhalt nicht näher habe aufklären müssen. Ermessensfehler seien weder ersichtlich noch vorgetragen.

Die hiergegen seitens des Klägers eingelegte Berufung hat der erkennende Senat am 9.8.2007 wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zugelassen. Zur Begründung der Berufung beruft sich der Kläger auf sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, dass die Beklagte entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht befugt gewesen sei, gegenüber dem Kläger durch Verwaltungsakt zu handeln. Ferner sei das Verwaltungsgericht zu Unrecht von einer betrügerischen Absicht des Klägers bei der Beantragung von Reisebeihilfen ausgegangen. Zudem sei nicht ersichtlich, auf welchen der verschiedenen vom Beklagten vorgetragenen Sachverhalte sich das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung stütze. Auch habe das Verwaltungsgericht nicht hinreichend dargelegt, weshalb sich aus nicht korrekten Angaben in einer Reisekostenabrechnung der Betrugsversuch ergebe. Indem das Gericht lediglich einen einzelnen Vorfall in Blick nehme, lasse es zu Unrecht die vom Kläger generell geübte Verfahrensweise bei der Beantragung der Reisebeihilfen außer Betracht. Das Gericht habe zudem verkannt, dass die Beklagte das ihr zustehende Ermessen beim Widerruf der Abordnung fehlerhaft ausgeübt habe. Das Verwaltungsgericht habe zwar ausgeführt, dass schon der Betrugsversuch in Bezug auf die fehlerhafte Reisekostenabrechnung vom 21.11.2002 den Widerruf der Zulassung tragen könne. Das Gericht habe jedoch nicht festgestellt, ob die Beklagte vorliegend das ihr eröffnete Ermessen auch tatsächlich erkannt und in sachgerechter Weise ausgeübt habe. Schließlich habe das Verwaltungsgericht außer Acht gelassen, dass ein Widerruf der Abordnung des Klägers zum Laufbahnlehrgang nur unter Mitbestimmung der Personalvertretung hätte erfolgen dürfen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Dresden vom 10.5.2005 - 11 K 2781/03 - festzustellen, dass die von der Beklagten mit Bescheid vom 25.4.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.7.2003 verfügte Aufhebung der Abordnung des Klägers zu dem ab dem 2.9.2002 durchgeführten Laufbahnlehrgang bei der Bundespolizei Abteilung rechtswidrig war.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie beruft sich auf das bisherige Vorbringen und vertieft ihre Ausführungen zu falschen Angaben des Klägers auf dessen Reisekostenantrag vom 21.11.2002, auf den das Verwaltungsgericht sich bei seiner rechtlichen Würdigung konzentriert habe. Durch die Falschangabe in dem Reisekostenantrag habe der Kläger seinerzeit 122,20 € erhalten, obgleich ihm für die eine Fahrt unter Berücksichtigung der Mitnahmeentschädigung für seinen Kollegen nur 65,80 € zugestanden hätten. Ergänzend äußert die Beklagte Zweifel im Hinblick auf die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage. Zu den Ausführungen des Senats im Zulassungsbeschluss trägt die Beklagte ergänzend vor, dass sie sich in der Entscheidung bzw. Widerspruchsentscheidung zur Rücknahme der Lehrgangszulassung im Wesentlichen auf die Anträge auf Reisebeihilfe gestützt habe. Indessen habe sie mit Schriftsatz vom 6.4.2004 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass jedenfalls die im Antrag vom 3.12.2002 enthaltene Falschangabe im Zusammenhang mit der Fahrt zum Praktikumsort und zurück den Betrugsvorsatz belege.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Verwaltungsakten, die Akte des Verwaltungsgerichts, die Akten des Verwaltungsgerichts in den Eilverfahren sowie auf die Gerichtsakten zum Berufungsverfahren Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierauf verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die Berufung des Klägers hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Widerrufsbescheids vom 25.4.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.7.2003 ist zulässig und begründet.

Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig.

Bei der streitbefangenen Widerrufsentscheidung in Gestalt des Widerspruchsbescheids handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der den "actus contrarius" zu der Verfügung vom 29.8.2002 darstellt. Denn ungeachtet der Tatsache, dass der Kläger kein Beamter war und somit eine Abordnung nach § 27 BBG ausschied, handelt es sich bei der "Abordnung" des Klägers zum Vorbereitungslehrgang zur Überzeugung des Senates um einen Verwaltungsakt, der die Entscheidung über die Zulassung zum verkürzten Vorbereitungsdienst im Angestelltenverhältnis aufgrund eines zuvor durchgeführten Auswahlverfahrens zum Gegenstand hat. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts verwiesen.

Die streitbefangenen Verwaltungsakte haben sich erledigt, nachdem der Kläger den Vorbereitungslehrgang absolviert und am 17.5.2004 die Abschlussprüfung erfolgreich bestanden hat; spätestens zu diesem Zeitpunkt gingen von der Widerrufsverfügung keine belastenden Wirkungen mehr aus. Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Ob dieses - wie das Verwaltungsgericht annimmt - aus der Vorgreiflichkeit des streitgegenständlichen Verfahrens für die - derzeit ruhende - Übernahme des Klägers in das Beamtenverhältnis resultiert, oder ob eine solche Vorgreiflichkeit wegen des unterschiedlichen Prüfungsmaßstabs nicht oder nur bedingt gegeben ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Ein berechtigtes Interesse ergibt sich jedenfalls aus dem Gesichtspunkt der Rehabilitation (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 113 Rn. 142 f.). Die sofort vollziehbare Widerrufsverfügung in Gestalt des Widerspruchsbescheids hatte für den Kläger diskriminierenden Charakter: Die Abberufung aus dem laufenden Vorbereitungslehrgang mit der Begründung des Betrugsverdachts war geeignet, den Kläger in der Achtung der übrigen Lehrgangsteilnehmer herabzusetzen. Hieran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Kläger nach seinem Obsiegen im Eilverfahren die Lehrgangsteilnahme fortsetzen konnte, da es sich hierbei nur um eine vorläufige Regelung handelte.

Die Klage ist auch begründet, da der Bescheid der Beklagten vom 25.4.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.7.2003, mit dem der Kläger aus dem Vorbereitungslehrgang abberufen wurde, bis zu seiner Erledigung am 17.5.2004 rechtswidrig war und den Kläger in seinen Rechten verletzte (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).

Der Widerruf der Teilnahme als "actus contrarius" der Zulassung zum Vorbereitungslehrgang beurteilt sich nach § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG, wonach ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt nur unter bestimmten Voraussetzungen widerrufen werden darf. Gemessen an dieser Bestimmung erweist sich der Widerruf der "Abordnung" als rechtswidrig, da zum einen die im Bescheid zugrunde gelegten tatsächlichen Voraussetzungen nicht vorlagen, und zum anderen die Beklagte das ihr eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat.

Mangels Entscheidungserheblichkeit kann der Senat offen lassen, ob bewusst falsche Angaben in Reisekostenangelegenheiten, die ein Angestellter in betrügerischer Absicht gegenüber seinem Dienstherrn macht, den Dienstherrn zum Widerruf einer "Abordnung" zur Lehrgangsteilnahme berechtigen würden. Denn ein Betrugsversuch, wie ihn die Behörde im Weiteren ihrer Entscheidung zugrunde legt, geht aus den im Widerspruchsbescheid benannten Tatsachen zur Überzeugung des Senates nicht hervor. Maßgeblicher Lebenssachverhalt war hiernach ausschließlich, dass der Kläger am 3.12.2002 fünf Anträge auf Reisebeihilfen stellte, die teilweise unzutreffende Angaben enthielten, diese auf Nachfrage zurückzog und durch vier neue Anträge auf Reisebeihilfe - nunmehr mit tatsächlich zutreffenden Angaben - ersetzte. Hieraus leitete die Behörde ab, dass der Kläger die nicht korrekt ausgefüllten Anträge in der betrügerischen Absicht gestellt habe, hierdurch höhere als die ihm zustehenden Erstattungsleistungen zu erhalten.

Eine den Verdacht des Betrugs rechtfertigende Bereicherungsabsicht kann jedoch nach den gesamten Umständen des Falles hinsichtlich der Beantragung der Reisebeihilfen nicht angenommen werden. Dies ergibt sich in erster Linie aus der Überlegung, dass ein Vermögensvorteil für den Kläger erwachsend aus einem Schaden für die Beklagte nicht ersichtlich ist. Dem Kläger stand laut "Abordnungsverfügung" eine § 5 Abs. 1 Satz 1 Trennungsgeldverordnung (TGV) entsprechende Reisebeihilfe für jeden halben Monat zu, wenn die Heimfahrt innerhalb des maßgeblichen Anspruchszeitraums stattfand. Da der Kläger und sein Kollege sich bei den wöchentlichen Heimfahrten abwechselten, entfielen auf jeden von ihnen im Durchschnitt monatlich vier Familienheimfahrten, davon zwei im eigenen Pkw und zwei als Mitfahrer. Der Senat sieht keine Verpflichtung des Klägers und seines Kollegen dahingehend, gegenüber dem Dienstherrn nur die als Mitfahrer unternommenen Fahrten im Wege der Erstattung geltend zu machen. Da es somit jedem von ihnen freistand, für welche der monatlich vier Familienheimfahrten er Reisebeihilfe beantragen wollte, konnte der Kläger regelmäßig zwei Fahrten im eigenen Pkw als beihilfefähig abrechnen.

Diesen Ansatz vertritt im Grundsatz offenbar auch die Beklagte, da nach der von ihr vorgelegten Vergleichsberechnung die berichtigten Anträge auf Reisebeihilfe - bis auf einen geringfügigen Betrag oder eine in der korrigierten Fassung nicht mehr geltend gemachte Heimfahrt im Oktober - zu Erstattungsleistungen in gleicher Höhe führen. Vor diesem Hintergrund lässt auch der unterlassene Hinweis auf das Bestehen einer Fahrgemeinschaft in den Erstanträgen keine betrügerische Absicht erkennen, da die Angabe des Mitfahrers - wie sich aus der Vergleichsberechnung ergibt - auf die Höhe der Erstattung der Reisebeihilfe gerade ohne Einfluss ist. Hinzu kommt, dass der Kläger und sein Kollege, die in der Beantragung von Reisebeihilfen unerfahren waren, sich wegen der Abrechnung mit der zuständigen Stelle in Verbindung zu setzen versuchten, was letztlich scheiterte. Schließlich ergibt sich aus dem Verwaltungsvorgang und wird auch von der Beklagten eingeräumt, dass offenbar selbst bei den für Reisekosten zuständigen Sachbearbeitern Unklarheiten hinsichtlich der rechtlichen Behandlung von Fahrgemeinschaften bei der Beantragung von Reisebeihilfe bestanden. Unter Würdigung der gesamten Umstände erscheint die Annahme der Beklagten, der Kläger habe durch die objektiv falschen Angaben einen rechtswidrigen Vermögensvorteil erstrebt, nicht haltbar. Mangels einer Bereicherungsabsicht des Klägers scheidet ein betrügerisches Verhalten als Anknüpfungstatsache im Rahmen des § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG hier aus.

Ausgehend vom Fehlen eines betrügerischen Verhaltens halten auch die von der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 8.7.2003 angestellten Ermessenserwägungen rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Beklagte stützt ihre Ermessensausübung maßgeblich auf die fehlende charakterliche Eignung des Klägers für das im Wege des Vorbereitungslehrgangs angestrebte Beamtenverhältnis. Angesichts der dem Kläger vorgeworfenen Handlungsweise, i. e. dem Betrugsversuch, sei dessen Eignung für den mittleren Polizeivollzugsdienst, insbesondere die Verfolgung von Straftaten, in Frage gestellt. Mangels eines dem Kläger vorwerfbaren betrügerischen Verhaltens entbehren die Erwägungen zur fehlenden charakterlichen Eignung des Klägers indessen der Grundlage und können die Widerrufsentscheidung nicht tragen. Der Widerspruchsbescheid vom 8.7.2004 erweist sich deshalb als ermessensfehlerhaft.

Ob die Beklagte gemäß § 114 Satz 2 VwGO ihre nicht hinreichenden Ermessenserwägungen im gerichtlichen Verfahren hätte ergänzen - und hierzu ihre Tatsachengrundlage erweitern - dürfen, bedarf hier keiner Entscheidung. Eine derartige Ergänzung kommt vorliegend nicht in Betracht.

Zum einen folgt dies aus dem Regelungsbereich des § 114 Satz 2 VwGO, wie er sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergibt. Hiernach kann die Verwaltung auch noch während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens "materiell-rechtlich relevante Ermessenserwägungen" in den Prozess einführen, soweit das einschlägige materielle Recht nicht entgegensteht (BVerwG, Urt. v. 5.5.1998 - 1 C 17.97 -, zit. nach juris). Derartige aus dem einschlägigen materiellen Recht folgende Einschränkungen einer nachträglichen Ergänzung von Ermessenserwägungen sind hier nicht ersichtlich, sofern sie auf den für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt bezogen werden. Maßgeblicher Zeitpunkt war bei der hier ursprünglich erhobenen Anfechtungsklage gegen den Widerrufsbescheid der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides. Der Senat folgt dem Bundesverwaltungsgericht, das nur die "nachträgliche Ergänzung" einer Ermessensbegründung für zulässig hält, wenn die "nachträglich von der Behörde angegebenen Gründe schon beim Erlass des Verwaltungsaktes", hier des Widerspruchsbescheids, vorlagen und dieser durch sie nicht in seinem Wesen geändert wird. Demnach regelt § 114 Satz 2 VwGO nur die Ergänzung der Ermessenserwägungen, nicht deren vollständige Nachholung oder die Auswechslung der die Ermessensentscheidung tragenden Gründe.

Zumindest letzteres wäre vorliegend jedoch notwendig, um die Entscheidung der Beklagten rechtmäßig zu machen. Die im Widerspruchsbescheid angeführten Ermessenserwägungen, die auf einer unzutreffenden Tatsachenwürdigung beruhen, müssten in der Weise ausgetauscht werden, dass nunmehr auf die wahrheitswidrigen Angaben des Klägers in seinem Reisekostenantrag vom 21.11.2002 betreffend die Hin- und Rückfahrt zum Praktikum in (25.10./17.11.2002) abgestellt und Ermessen dahingehend ausgeübt würde, ob dieser Sachverhalt einen Widerruf rechtfertigt. Hierbei handelt es sich zwar um Gründe, die bei Erlass des Widerspruchsbescheides bereits vorlagen; allerdings würde deren Heranziehung zur Überzeugung des Senats eine unzulässige, den Verwaltungsakt in seinem Wesen ändernde Auswechslung von Gründen unter Zugrundelegung eines neuen Lebenssachverhalts darstellen.

Zum anderen kommt eine Ergänzung von Ermessenserwägungen jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der Rechtsstreit um die Aufhebung eines Verwaltungsaktes wie hier bereits in der Hauptsache erledigt ist, die beklagte Behörde dem Verwaltungsakt keine Rechtswirkungen mehr beimisst und die Klage auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt wurde (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 20.2.2001, NVwZ 2001, 1424, zit. nach juris unter Verweis auf Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/v. Albedyll, VwGO, 3. Aufl., § 114 Rn. 61; Rennert, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl., § 114 Rn. 86; Kopp/Schenke a. a. O., § 113 Rn. 73). Nach dem Zeitpunkt des im Klageverfahren eingetretenen erledigenden Ereignisses scheidet hiernach eine Ergänzung von Ermessenserwägungen gemäß § 114 Satz 2 VwGO naturgemäß aus, weil die Ermessensergänzung begrifflich notwendigerweise einen noch wirksamen Verwaltungsakt voraussetzt, auf den sie sich beziehen kann und an dem es gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG nach Erledigung des Verwaltungsaktes fehlt.

Demgemäß hätte eine Ergänzung von Ermessenserwägungen nach § 114 Satz 2 VwGO hier nur bis zur Erledigung des Verwaltungsaktes am 17.5.2004 erfolgen können. In diesem Zeitraum sind indessen durch die Beklagte keine Ergänzungen der Ermessenserwägungen vorgenommen worden. Insbesondere enthält der Schriftsatz vom 6.4.2002 insoweit keinen relevanten Vortrag: Soweit hierin von falschen Angaben in Bezug auf die Praktikumsreise 25.10./17.11.2002 die Rede ist, bezieht sich das Vorbringen ausschließlich auf den zunächst für diese Fahrt gestellten Antrag auf Reisebeihilfe, nicht jedoch auf die Abrechnung von Reisekosten. Vielmehr wurden durch die Beklagte erst später, nämlich mit Schriftsatz vom 22.4.2005, erstmals Ermessensüberlegungen zum Sachverhaltskomplex "Reisekostenabrechnung für Praktikumsfahrt" geäußert. Nachdem zu diesem Zeitpunkt ein ergänzungsfähiger Verwaltungsakt nicht mehr vorlag, gingen diese Erwägungen jedoch ins Leere.

Nach allem kann dahinstehen, ob die streitbefangenen Bescheide auch wegen fehlender Beteiligung des Personalrates rechtswidrig waren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Ende der Entscheidung

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