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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 14.05.2007
Aktenzeichen: 2 B 936/04
Rechtsgebiete: VwGO, SchulG, SächsSorbG


Vorschriften:

VwGO § 92 Abs. 3 Satz 1
VwGO § 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
SchulG § 4a
SchulG § 4a Abs. 1
SchulG § 4a Abs. 2
SchulG § 4a Abs. 3
SchulG § 4a Abs. 4
SchulG § 4a Abs. 4 Satz 2 Nr. 4
SchulG § 24 Abs. 3 Satz 2
SchulG § 24 Abs. 3 Satz 2, 2. HS
SächsSorbG § 2 Abs. 2
SächsSorbG § 2 Abs. 3
SächsSorbG § 5
SächsSorbG § 8 Satz 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 2 B 936/04

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Fortführung der Sorbischen Mittelschule Crostwitz

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Reich, den Richter am Oberverwaltungsgericht Munzinger und den Richter am Verwaltungsgericht Lenz

am 14. Mai 2007

beschlossen:

Tenor:

Hinsichtlich der Kläger zu 4 bis 6 wird das Verfahren eingestellt.

Der Antrag der Kläger zu 1 bis 3 und 7 bis 9 auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 23. August 2004 - 5 K 2880/03 - wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens tragen zu je 1/3 die Kläger zu 1 bis 3 als Gesamtschuldner, die Kläger zu 4 bis 6 als Gesamtschuldner und die Kläger zu 7 bis 9 als Gesamtschuldner.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 15.000,- Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Nachdem die Kläger zu 4 bis 6 und der Beklagte das Verfahren insoweit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

II.

Der Zulassungsantrag der Kläger zu 1 bis 3 und 7 bis 9 hat keinen Erfolg.

1. Die Berufung ist nicht gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zuzulassen.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Entscheidung bestehen, wenn der Erfolg des Rechtsmittels aus den vom Antragsteller des Zulassungsverfahrens dargelegten Gründen (§ 124 a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) wahrscheinlicher ist als der Misserfolg. Hierbei ist entscheidend, ob das vom Verwaltungsgericht gefundene Ergebnis im Berufungsverfahren zu ändern sein wird. Das ist nicht der Fall.

a) Aus den von den Klägern dargelegten Gründen ergibt sich nicht, dass die Kläger, die Domowina oder der Rat für sorbische Angelegenheiten (§ 6 Abs. 1 SächsSorbG) zwingend am Verfahren zu beteiligen gewesen wären.

aa) Dass die Kläger vor Erlass des angefochtenen Bescheides vom 26.6.2003, mit dem gegenüber der Gemeinde Crostwitz festgestellt wurde, dass das öffentliche Bedürfnis für die Fortführung der Sorbischen Mittelschule Crostwitz ab dem Schuljahr 2003/2004 nicht mehr besteht und die Mitwirkung des Freistaates Sachsen an der Unterhaltung der Schule insoweit widerrufen wurde, hätten beteiligt werden müssen, legen sie nicht dar. Gesetzlich normiert ist eine Anhörungspflicht in § 24 Abs. 3 Satz 2, 2. HS SchulG nur hinsichtlich des Schulträgers. Unmittelbar aus Art. 6 Abs. 1 SächsVerf leiten die Kläger Mitwirkungsbefugnisse sorbischer Verbände und Institutionen ab, nicht aber solche einzelner sorbischer Bürger.

bb) Das Verwaltungsgericht verkennt mit seiner Auffassung, dass sich eine Pflicht zur formellen Beteiligung der Domowina nicht aus § 5 SächsSorbG ergibt, nicht die Bedeutung dieser Norm.

Gemäß § 5 SächsSorbG können die Interessen der Bürger sorbischer Volkszugehörigkeit auf Landes-, Regional- und Kommunalebene von einem Dachverband der sorbischen Verbände und Vereine und somit der Domowina wahrgenommen werden. Eine Pflicht zur Anhörung der Domowina vor der Schließung der Mittelschule Crostwitz ergibt sich hieraus jedoch nicht. Gegen eine Pflicht zur förmlichen Beteiligung der Domowina am vorliegenden Verwaltungsverfahren spricht neben dem Wortlaut der Norm, wonach lediglich die Möglichkeit der Wahrnehmung der Interessen der Bürger sorbischer Volkszugehörigkeit durch die Domowina geregelt wird, auch die Gesetzesbegründung. In der Begründung der Staatsregierung zu § 5 SächsSorbG (LT-Drs. 2/9376) heißt es: "... Die Wahrnehmung der Pflichten und Aufgaben durch den Freistaat, die Kreise und Gemeinden setzt aber einen ständigen Austausch mit den Sachwaltern sorbischer Interessen voraus. In grundsätzlichen und wichtigen Fragen ist eine umfassende Beteiligung anzustreben. Es liegt daher im Interesse des Freistaates, der Kreise und Gemeinden, dass die Belange des sorbischen Volkes von einem kompetenten Ansprechpartner vertreten werden, der eine möglichst breite Legitimationsgrundlage besitzt." Eine Verpflichtung staatlicher Behörden zu einer förmliche Beteiligung der Domowina an einem konkreten Verwaltungsverfahren lässt sich hieraus unabhängig von der Frage, ob die Schließung einer Sorbischen Mittelschulen an einem Standort, der lediglich 7 bzw. 4,5 km von weiteren Standorten sorbischer Mittelschulen entfernt liegt, eine grundsätzliche und wichtige Frage des sorbischen Volkes darstellt, nicht herleiten (vgl. auch Beschl. des Senats v. 24.9.2003 - 2 BS 273/03 -, LKV 2004, 129). Zudem setzt sich der Zulassungsantrag mit der Begründung des Verwaltungsgerichts, die Domowina habe sich mehrfach wegen des von ihr gewünschten Erhalts der Sorbischen Mittelschule Crostwitz an das Sächsische Staatsministerium für Kultus gewandt, nicht auseinander.

Auch Art. 6 SächsVerf erfordert keine Auslegung des § 5 SächsSorbG über den Wortlaut hinaus dahingehend, dass die Domowina hier zwingend zu beteiligen gewesen wäre. Das Sächsische Sorbengesetz konkretisiert, neben Einzelregelungen in verschiedenen Gesetzen, die durch Art. 6 SächsVerf, die Protokollerklärung Nr. 14 zum Einigungsvertrag und die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen vorgegebenen Ziele (so die Begründung der Staatsregierung zum Entwurf des Sächsischen Sorbengesetzes, aaO). Für eine über den Wortlaut des § 5 SächsSorbG hinausgehende verfassungsunmittelbare Pflicht des Beklagten zur vorherigen Beteiligung der Domowina ist deshalb kein Raum.

cc) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht schließlich eine Pflicht zur Anhörung des Rates für sorbische Angelegenheiten verneint. Gemäß § 6 SächsSorbG haben der Sächsische Landtag und die Staatsregierung den Rat für sorbische Angelegenheiten in Angelegenheiten, die die Rechte der sorbischen Bevölkerung berühren, zu hören. Nach dem klaren Wortlaut der Norm haben nur der Sächsische Landtag und die Staatsregierung den Rat für sorbische Angelegenheiten zu hören, nicht aber auch ein einzelnes Staatsministerium. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Kläger nicht daraus, dass gemäß Art. 59 Abs. 2 SächsVerf die Staatsregierung aus den Ministerpräsidenten und den Staatsministern besteht. Die Sächsische Verfassung unterscheidet zwischen der Staatsregierung als Kollegialorgan und den einzelnen Staatsministern. Letztere leiten gemäß Art. 63 Abs. 2 SächsVerf innerhalb der Richtlinien der Politik ihren Geschäftsbereich selbstständig unter eigener Verantwortung. Die Staatsregierung und die einzelnen Staatsminister sind deshalb zu unterscheiden.

b) Ohne Erfolg machen die Kläger weiter geltend, das Verwaltungsgerichts sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass für die Feststellung des öffentlichen Bedürfnisses im Sinne des § 24 Abs. 3 Satz 2 SchulG lediglich eine eingeschränkte, nicht jedoch eine umfassende Abwägung veranlasst gewesen sei und dass das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid nicht nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen der Abwägungslehre überprüft habe.

In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Senats ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass zwar regelmäßig sämtliche Umstände des Einzelfalles gegeneinander abgewogen werden müssen, dass hierfür jedoch kein Raum ist, wenn die Weiterführung der Schule den gesetzlichen Vorgaben nicht entspricht, da für die Aufrechterhaltung einer den schulrechtlichen Vorgaben nicht entsprechenden Schule kein öffentliches Bedürfnis besteht. Die Rechtswidrigkeit dieses rechtlichen Ansatzes wird durch den Hinweis auf das rechtsstaatliche Gebot einer stets umfassenden ergebnisoffenen Abwägung nicht begründet. Eine ergebnisoffene Abwägung ist rechtlich nur möglich, wenn jedes Ergebnis auch mit der Rechtsordnung vereinbar sein könnte. Die Weiterführung der Sorbischen Mittelschule Crostwitz ist jedoch, wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, mit den in § 4a Abs. 1 bis 3 SchulG normierten Vorgaben schlechterdings nicht vereinbar. Einzelne Gesichtspunkte wie die Belange der sorbischen Bevölkerung oder die Frage des zumutbaren Schulwegs werden im angefochtenen Bescheid ausdrücklich angesprochen. Im Übrigen machen die Kläger nicht geltend, in eigenen abwägungsrelevanten Rechten verletzt zu sein.

c) Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein öffentliches Bedürfnis für die Fortführung der Sorbischen Mittelschule Crostwitz ab dem Schuljahr 2003/2004 nicht gegeben ist und Ausnahmegründe nach § 4a Abs. 4 SchulG für eine Abweichung von den Regelungen über die Mindestschülerzahl und die Mindestzügigkeit einer Mittelschule nicht vorliegen.

aa) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Voraussetzungen der Ausnahmegründe der besonderen pädagogischen Gründe (§ 4a Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 SchulG) und der Rechte der sorbischen Minderheit (§ 4a Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 SchulG) nicht vorliegen, legen die Kläger nicht dar.

Besondere pädagogische Gründe für den Erhalt der Sorbischen Mittelschule Crostwitz ergeben sich nicht daraus, dass die Schule bereits zu DDR-Zeiten als eine Sorbische Polytechnische Oberschule in der Form einer so genannten A-Schule, in der Sorbisch Unterrichtssprache war, geführt wurde. Die Kläger führen selber aus, dass auch die Sorbische Mittelschule Ralbitz nach dem pädagogischen Konzept einer ausschließlich sorbisch-muttersprachlichen Schule geführt wird. Seit dem Schuljahr 2003/2004 sind für alle Schüler aus dem Einzugsbereich der Sorbischen Mittelschule Crostwitz an der Sorbischen Mittelschule Ralbitz ausreichende Aufnahmekapazitäten vorhanden. Auch ist der Schulweg nach Ralbitz ohne weiteres zumutbar. Die von den Klägern dargestellten Unterschiede zwischen den Mittelschulen in Crostwitz und Ralbitz, insbesondere hinsichtlich der sorbischen Sprachkompetenz der Schüler, beruhen, wie die Kläger auch selber ausführen, maßgeblich auf der sprachlichen und kulturellen Situation der jeweiligen Gemeinde und nicht auf Unterschieden im jeweiligen pädagogischen Konzept.

Im Hinblick darauf liegt auch der Ausnahmegrund des Schutzes und der Wahrung der Rechte des sorbischen Volkes nicht vor. Der Besuch der ca. 7 km entfernten, ebenfalls im "kernsorbischen Sprachgebiet" gelegenen Sorbischen Mittelschule Ralbitz führt nicht zum Verlust des Sprachraums der Gemeinde Crostwitz. Im Übrigen begründet Art. 6 Abs. 1 SächsVerf für den Freistaat Sachsen keine Pflicht zur Wahrung eines zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Sprachniveaus an einer konkreten Schule (vgl. Beschl. des Senats v. 24.9.2003, aaO).

bb) Ohne Erfolg machen die Kläger weiter geltend, das Verwaltungsgericht verkenne die Bedeutung der außerhalb des Schulgesetzes bestehenden Schutzvorschriften im nationalen und internationalen Recht.

Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, wonach sich aus Art. 10 des Vertrages zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Sachsen vom 2.7.1996 (SächsGVBl. 1997 S. 17) kein Anspruch der Kläger auf Fortführung einer bestimmten Schule herleiten lässt, greifen entgegen der Zulassungsbegründung nicht zu kurz. Gemäß Art. 10 des Vertrages wird die katholische Kirche das katholisch geprägte sorbische Kulturgut bewahren und schützen. Der Freistaat unterstützt hierbei die katholische Kirche im Rahmen seiner Möglichkeiten. Die Kläger gehen zunächst zutreffend davon aus, dass Kulturgut im Sinne des Vertrages die gesamte sorbische Kultur und Identität umfasst. Die Kläger machen geltend, die katholische Kirche trage ihrer Verpflichtung Rechnung, indem sie im sorbischen Siedlungsgebiet Gottesdienste und kirchliche Amtshandlungen in sorbischer Sprache und entsprechenden sorbischen Traditionen und Gebräuchen vornehme, das sorbische Liedgut bewahre und pflege, die sorbische Kunst im kirchlichen Raum fördere, eine ausgeprägte sorbische Jugendarbeit einschließlich des Dienstes der Ministranten durchführe und sich auch in sonstiger Weise aktiv um sorbische Belange kümmere. Bei dieser Tätigkeit habe der Freistaat sie zu fördern. Mit dieser Förderungspflicht setze sich das Verwaltungsgericht nur unzureichend auseinander. Das ist jedoch nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass sich aus Art. 10 des Vertrages kein Bestandsschutz für einzelne staatliche Kultur- oder Bildungseinrichtungen ergibt. Die Förderpflicht des Freistaates besteht in dem hier allein maßgeblichen Bereich des Schulwesens darin, zur Pflege und Entwicklung der sorbischen Sprache, Kultur und Überlieferung durch entsprechende Schulen und schulische Inhalte beizutragen. Unerheblich ist insoweit, ob die entsprechende Beschulung der Crostwitzer Mittelschüler in Crostwitz oder in Ralbitz erfolgt.

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass sich auch aus Art. 27 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966 (BGBl. II 1973 S. 1533) kein Bestandsschutz für einzelne Bildungseinrichtungen ergibt. Gemäß Art. 27 des Internationalen Paktes darf in Staaten mit ethnischen, religiösen oder sprachlichen Minderheiten Angehörigen solcher Minderheiten nicht das Recht vorenthalten werden, gemeinsam mit anderen Angehörigen ihrer Gruppe ihr eigenes kulturelles Leben zu pflegen, ihre eigene Religion zu bekennen und auszuüben oder sich ihrer eigenen Sprache zu bedienen. Dadurch, dass die Crostwitzer Mittelschüler statt an der bisherigen Sorbischen Mittelschule in Crostwitz innerhalb des "kernsorbischen Gebietes" an der vom pädagogischen Konzept her vergleichbaren Sorbischen Mittelschule Ralbitz unterrichtet werden, werden die Gewährleistungen des Art. 27 des Internationalen Paktes in keiner Weise beeinträchtigt.

Gleiches gilt in Hinblick auf Art. 8 der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen des Europarates vom 5.11.1992 (BGBl. II 1998 S. 1315), wonach sich die Vertragsparteien verpflichten, in dem Gebiet, in dem die Minderheitensprache gebraucht wird, unter Berücksichtigung der Situation jeder dieser Sprachen und unbeschadet des Unterrichts der Amtssprache des Staates den Unterricht im Sekundarbereich in den betreffenden Regional- oder Minderheitensprachen anzubieten oder innerhalb des Unterrichts im Sekundarbereich den Unterricht der betreffenden Regional- oder Minderheitensprache als integrierenden Teil des Lehrplans vorzusehen. Diesen Anforderungen kommt der Beklagte auch im Falle der Schließung der Sorbischen Mittelschule Crostwitz nach, da für die Mittelschüler aus Crostwitz und Umgebung in zumutbarer Entfernung sorbische Mittelschulen, insbesondere die Mittelschule in Ralbitz, zur Verfügung stehen, an denen Unterricht in der durch die Charta gebotenen Weise angeboten wird. Wie oben bereits ausgeführt, unterbreitet die Sorbische Mittelschule Ralbitz in Bezug auf die sorbische Sprache und Kultur ein mit der Sorbischen Mittelschule Crostwitz vergleichbares Angebot. Angesichts dessen ist es entgegen der Auffassung der Kläger nicht zweifelhaft, dass jedenfalls dort ein der Charta genügender Unterricht angeboten wird. Die von den Klägern aus dem Bericht des Sachverständigenausschusses über die Anwendung der Charta vom 5.7.2002 zitierten Passagen haben zunächst keinen Bezug zur Schließung der Sorbischen Mittelschule Crostwitz. Soweit dort festgestellt wird, dass in anderen europäischen Ländern niedrigere Mindestschülerzahlen und Klassenteiler bestehen als die in Sachsen geltenden Vorschriften, die auf die Sorben angewandt werden, wird der schon mehrfach erwähnte Umstand nicht berücksichtigt, dass es in lediglich 7 km Entfernung innerhalb des "kernsorbischen Siedlungsgebiets" eine vergleichbare Schule gibt.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 35 und 45 EV i.V.m. Abschnitt I. Nr. 14 des Protokolls hierzu. Hiernach erklären die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik im Zusammenhang mit Art. 35 EV, dass das Bekenntnis zum sorbischen Volkstum und zur sorbischen Kultur frei ist, dass die Bewahrung und Fortentwicklung der sorbischen Kultur und der sorbischen Tradition gewährleistet werden und dass Angehörige des sorbischen Volkes und ihre Organisationen die Freiheit zur Pflege und zur Bewahrung der sorbischen Sprache im öffentlichen Leben haben. Der Wortlaut dieser Gewährleistung geht ersichtlich nicht über die in der Sächsischen Verfassung enthaltene Gewährleistung hinaus. Ein Bestandsschutz der Sorbischen Mittelschule Crostwitz ergibt sich aus der Gewährleistung des Einigungsvertrages aber auch dann nicht, wenn man mit den Klägern davon ausgeht, dass es der Intention der vertragsschließenden Parteien entsprach, dass der in der DDR erreichte Schutz- und Förderungsstandard des sorbischen Volkes, seiner Kultur und Sprache erhalten bleiben, der Einigungsvertrag also den status quo als Mindeststandard absichern sollte. Die Bewahrung des erreichten Schutz- und Förderstandards bezieht sich jedenfalls nicht auf den Bestand konkreter Einrichtungen unabhängig von der demografischen Entwicklung und sonstigen einem Wandel unterworfener Faktoren, sondern auf den Schutz- und Förderungsstandard als ganzen. Für den Bereich des Schulwesens bedeutet dies zu gewährleisten, dass alle Schüler im sorbischen Siedlungsgebiet eine mit dem bestehenden Schulangebot vergleichbare sorbische Schule besuchen können. Das ist für die Angehörigen des sorbischen Volkes im Raum Crostwitz, wie bereits ausgeführt, der Fall.

Aus den genannten Gründen ergibt sich auch aus Art. 5 Abs. 1 und Art. 12 des Rahmenübereinkommens des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten vom 1.2.1995 (BGBl. II 1997 S. 1408) nichts anderes.

Schließlich gehen auch die Gewährleistungen in § 2 Abs. 2 und 3 sowie § 8 Satz 4 SächsSorbG über die in Art. 5 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 1 Satz 2 SächsVerf enthaltenen Gewährleistungen nicht hinaus. Die Ausführungen der Kläger, unter Berücksichtigung des Umstandes, dass in Sachsen ca. 40.000 Angehörige des sorbischen Volkes leben, würden insgesamt 6 sorbische Mittelschulen gerade einmal den Mindestausbauzustand eines sorbischen Schulnetzes umschreiben, haben keinen konkreten Bezug zu den dem Bescheid vom 26.6.2003 zugrunde liegenden Tatsachen. Sie lassen unberücksichtigt, dass an der Sorbischen Mittelschule Crostwitz für die Klassenstufe 5 im Schuljahr 2003/2004 nur 7 Schüler angemeldet wurden, in den Klassen 8 bis 10 nur 20, 15 bzw. 14 Schüler unterrichtet würden und auch in Zukunft nur zwischen 8 und 18 Schüler pro Jahrgang zu erwarten sind, es also an einer die Aufrechterhaltung der Schule rechtfertigenden Nachfrage fehlt.

d) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils ergeben sich auch nicht im Hinblick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 18 Abs. 1 SächsVerf.

Die Kläger machen geltend, das Verwaltungsgericht wende die sich aus § 4a SchulG ergebenden schulorganisatorischen Vorgaben der Mindestschülerzahl pro Klasse und der Mindestzügigkeit auch auf die sorbischen Mittelschulen an. Die gleichförmige Anwendung dieser Vorgaben auch auf sorbische Schulen nivelliere in verfassungswidriger Weise die Unterschiede zwischen Angehörigen des sorbischen Volkes und Einwohnern des Freistaates Sachsen, die dem sorbischen Volk nicht angehören.

Diese Ausführungen vermögen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht zu begründen. § 4a SchulG trägt den sich aus Art. 6 SächsVerf ergebenden Rechten der Sorben und den entsprechenden Pflichten des Freistaates in der Weise Rechnung, dass die in § 4a Abs. 1 bis 3 SchulG normierten Voraussetzungen zwar auch für sorbische Schulen gelten, hiervon jedoch gemäß § 4a Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 SchulG zum Schutz und zur Wahrung der Rechte des sorbischen Volkes Ausnahmen gemacht werden können. Dieses gesetzgeberische Konzept ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Wie oben bereits ausgeführt, liegen die Voraussetzungen des Ausnahmegrundes gemäß § 4a Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 SchulG nicht vor.

2. Die Berufung ist auch nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn mit ihr eine grundsätzliche, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht entschiedene Frage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellungen bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufgeworfen wird, die sich im erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf.

a) Die Kläger machen geltend, einer Beantwortung in verallgemeinerungsfähiger Form bedürfe vor allem die Reichweite und die Auslegung der verfassungsrechtlichen Vorschriften der Art. 6 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 und 2 SächsVerf. Klärungsbedürftig seien darüber hinaus auch die Auswirkungen des Art. 35 EV i. V. m. Abschn. I Ziff. 14 des Protokolls zum Einigungsvertrag sowie völkerrechtlicher Verträge wie des Art. 10 des Vertrages zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Sachsen, des Art. 27 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, des Art. 8 der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen sowie der Art. 5 Abs. 1 und 12 des Europäischen Rahmenübereinkommens zum Schutz von nationalen Minderheiten, insbesondere auf das sorbische Schulwesen und die Binnenorganisation sorbischer Schulen.

Diese Frage vermag die Zulassung der Berufung nicht zu begründen, da sie sich im erstrebten Berufungsverfahren in dieser Allgemeinheit nicht stellen würde. Das Verfahren betrifft die Sondersituation der Schließung einer sorbisch-muttersprachlichen Mittelschule inmitten des "kernsorbischen Sprachgebiets" in einer Gemeinde, die lediglich 7 km entfernt von einer auch im "kernsorbischen Sprachgebiet" gelegenen Gemeinde liegt, in der ebenfalls eine sorbisch-muttersprachliche Mittelschule zur Verfügung steht, in der genügend Kapazitäten zur Aufnahme der Schüler aus Crostwitz und Umgebung bestehen. Eine vergleichbare Konstellation kann zudem aus tatsächlichen Gründen nicht mehr bestehen, weshalb auch die hier spezifischen Fragestellungen im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Fortentwicklung des Rechts keiner Klärung bedürfen.

b) In verallgemeinerungsfähiger Form klärungsfähig sind vorliegend auch nicht die Mitwirkungsbefugnisse der institutionellen Interessenvertreter und Mitwirkungsgremien des sorbischen Volkes bei staatlichen Entscheidungen, insbesondere Verwaltungsentscheidungen. Klare Aussagen dazu, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Weise die Domowina und der Rat für sorbische Angelegenheiten sowie gegebenenfalls andere bereichsspezifische Mitwirkungsgremien des sorbischen Volkes vor Verwaltungsentscheidungen zu beteiligen sind, können im vorliegenden Verfahren schon deshalb nicht erfolgen, weil die Kläger gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nur die Verletzung in eigenen Rechten geltend machen können, sich die Frage hierzu jedoch nicht verhält. Der vorliegende Fall ist zudem durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass sich die Domowina mehrfach wegen des von ihr gewünschten Erhalts der Sorbischen Mittelschule Crostwitz an das Sächsische Staatsministerium für Kultus gewandt hat.

c) Schließlich ist auch die Tatsachenfrage, ob und inwieweit die unterschiedlichen bisherigen und bestehenden sorbischen Mittelschulen ein vergleichbares Bildungsangebot vorhalten, nicht grundsätzlich klärungsbedürftig. Vorliegend ist allein ein Vergleich der Bildungsangebote an der Sorbischen Mittelschule Crostwitz einerseits und der Sorbischen Mittelschule Ralbitz andererseits von rechtlicher Relevanz. Dieser Vergleich betrifft den Einzelfall und ist deshalb einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 und § 161 Abs. 2 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen gemäß § 161 Abs. 2 VwGO, den Klägern zu 4 bis 6 die Kosten aufzuerlegen, da ihr Antrag, wie sich aus den Ausführungen unter II. ergibt, ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses erfolglos geblieben wäre. Die Streitwertentscheidung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG, § 5 ZPO.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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