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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 23.06.2009
Aktenzeichen: 2 D 28/09
Rechtsgebiete: SchulG


Vorschriften:

SchulG § 26
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 2 D 28/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Erteilung einer Ausnahmegenehmigung von der Schulpflicht u. a.; Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe;

hier: Beschwerde gegen die Nichtbewilligung von Prozesskostenhilfe

hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Hahn und die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Henke

am 23. Juni 2009

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 29. Januar 2009 - 5 L 631/08 - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden, mit dem dieses ihre Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die von ihnen beabsichtigten Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 123 VwGO abgelehnt hat, hat keinen Erfolg.

Gemäß § 166 VwGO i. V. m. §§ 114 ff. ZPO ist Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe u. a., dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Ausgehend von den verfassungsrechtlichen Vorgaben, dem Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, darf die Prüfung der Erfolgsaussichten nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren soll den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht ersetzen, sondern zugänglich machen. Die Anforderungen an die hinreichende Erfolgsaussicht dürfen deshalb nicht überspannt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.6.2006, BayVBl. 2006, 677; Beschl. v. 26.2.2007, NVwZ-RR 2007, 361). Somit muss der Erfolg nicht gewiss sein, es genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, die bereits gegeben ist, wenn ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren ebenso wahrscheinlich ist, wie ein Unterliegen (vgl. P. Schmidt in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl., § 66 Rn. 26).

Gemessen daran haben die von den Antragstellerinnen beabsichtigten Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 123 VwGO keine Aussicht auf Erfolg. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn dies zur Abwehr von wesentlichen Nachteilen oder aus anderen Gründen nötig erscheint (vgl. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, steht den Antragstellerinnen weder gegenüber dem Antragsgegner zu 1 ein Anspruch darauf zu, der Antragstellerin zu 2 "vorläufig den Besuch des Gymnasiums in Polen" zu gestatten (zu 1.), sowie darauf, dem Antragsgegner zu 1 zu untersagen, "deren Daten" weiterzugeben (zu 2.), noch gegenüber beiden Antragsgegnern ein Anspruch auf vorläufiges Unterlassen von Maßnahmen zur Durchsetzung der Schulpflicht der Antragstellerin zu 2 (zu 3.).

1. Soweit die Antragstellerinnen die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für die Antragstellerin zu 2 zum Besuch eines Gymnasiums in Polen bzw. eine (erneute) ermessensfehlerfreie Entscheidung des Antragsgegners zu 1 über die Erteilung einer solchen Ausnahmegenehmigung begehren, haben sie einen dahingehenden Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands, die - wie hier - durch vorläufige Befriedigung des erhobenen Anspruchs die Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren vorwegnimmt, kann nur ergehen, wenn die Vorwegnahme der Entscheidung im Hauptsacheverfahren erforderlich ist, um anderenfalls zu erwartende schwere und unzumutbare Nachteile oder Schäden vom Antragsteller abzuwenden; ferner muss ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für den Erfolg in der Hauptsache sprechen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 123 Rn. 13, 14). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Nach § 26 Abs. 3 Satz 2 SchulG hat der Antragsgegner zu 1 nach Ermessen über Ausnahmen von der gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SchulG für Kinder und Jugendliche mit - wie die Antragstellerin zu 2 - Wohnsitz im Freistaat Sachsen vorgesehenen Pflicht zur Erfüllung der Schulpflicht durch den Besuch einer deutschen öffentlichen Schule oder genehmigten Ersatzschule zu entscheiden. Eine Ausnahme von der Schulpflicht ist nur gerechtfertigt, wenn wichtige Gründe vorliegen, die nach Abwägung aller Umstände der Durchsetzung der Schulpflicht in einer deutschen Schule vorgehen, und der Besuch eines anderweitigen, hinreichend gleichwertigen Unterrichts gewährleistet ist (vgl. OVG NW, Beschl. v. 3.2.1999 - 19 B 1774/98 - juris; Niehues/Rux, Schul- und Prüfungsrecht, Band 1 Schulrecht, 4. Aufl., Rn. 319).

Auf derartige Gründe können sich die Antragstellerinnen nicht berufen. Der Antragsgegner zu 1 hat den Antrag der Antragstellerin zu 1 vom 7.9.2005 auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 26 Abs. 3 Satz 2 SchulG für die Antragstellerin zu 2 mit bestandskräftigem Bescheid vom 22.6.2006 und Widerspruchsbescheid vom 25.8.2006 abgelehnt. Die hiergegen erhobene Klage hat die Antragstellerin zu 1 zurückgenommen, nachdem das Verwaltungsgericht Dresden ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 1.10.2007 - 5 K 2043/06 - abgelehnt hat. An den für die behördliche wie die gerichtliche Entscheidung maßgeblichen Erwägungen hat sich seither nichts geändert. Dem Vorbringen der Antragstellerinnen im Ausgangs- wie im Beschwerdeverfahren lassen sich keine konkreten Tatsachen und Umstände entnehmen, aufgrund derer bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage das Ermessen des Antragsgegners zu 1 in der Weise reduziert wäre, dass jede andere Entscheidung als die Erteilung der Ausnahmegenehmigung ermessensfehlerhaft wäre, oder die Antragstellerinnen einen Anspruch auf eine erneute ermessensfehlerfreie Entscheidung des Antragsgegners zu 1 über die von der Antragstellerin zu 1 zuletzt unter dem 21.10.2008 beantragte Erteilung einer Ausnahmegenehmigung hätten.

Zwar mag die Antragstellerin zu 2 inzwischen drei Jahre älter sein und etwa ein Jahr lang eine deutsche Schule besucht haben. Dies sowie die "Erfahrungen" der Antragstellerin zu 2 während dieses Schuljahres, so die Antragstellerinnen, könnten bei einer erneuten Entscheidung über die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nicht unberücksichtigt bleiben. Um welche "Erfahrungen" es sich konkret handelt und inwiefern diese und die übrigen Umstände nunmehr zu einer für die Antragstellerin zu 2 günstigen Entscheidung führen können, legen die Antragstellerinnen selbst nicht dar. Auch der Senat vermag dies angesichts der allgemein gehaltenen Ausführungen der Antragstellerinnen nicht zu erkennen. Eine Änderung der Rechtslage hat sich, anders als die Antragstellerinnen meinen, ebenfalls nicht ergeben: § 114 VwGO regelt die gerichtliche Nachprüfung von Ermessensentscheidungen. Diese beschränkt sich auf eine Ermessenskontrolle, d. h. darauf, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Ausgehend davon hat sich das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 1.10.2007 - 5 K 2043/06 - ausführlich - und nicht, wie die Antragstellerinnen vortragen, in einem "Dreizeiler" - mit den Ermessenserwägungen im Bescheid vom 22.6.2006 auseinandergesetzt und ist zu dem - auch aus Sicht des Senats zutreffenden - Ergebnis gelangt, dass der Antragsgegner zu 1 sein Ermessen rechtmäßig ausgeübt hat. Der bereits in dem vorgenannten Verfahren erhobenen Behauptung der Antragstellerinnen, der Antragsgegner zu 1 dulde in anderen Fällen den Besuch polnischer oder tschechischer Schulen, ist dieser auch im Beschwerdeverfahren entgegengetreten. Anträge auf Ausnahmegenehmigungen würden, so der Antragsgegner zu 1, im Einzelfall geprüft und entschieden. Dass der Antragsgegner zu 1 in diesen Fällen sein ihm nach § 26 Abs. 3 Satz 2 SchulG eröffnetes Ermessen abweichend von seiner sonstigen und auch im Fall der Antragstellerin zu 2 betätigten Praxis ausübt, tragen die Antragstellerinnen nicht vor; dafür bestehen auch sonst keine Anhaltspunkte.

2. Die Antragstellerinnen haben keinen Anspruch auf die Nichtweitergabe oder Löschung der vom Antragsgegner zu 1 zur Person der Antragstellerin zu 2 erhobenen und gespeicherten Daten.

Das Erheben personenbezogener Daten ist gemäß § 12 Abs. 1 SächsDSG nur zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung der Aufgaben der erhebenden Stelle erforderlich ist. Unter personenbezogenen Daten sind dabei Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten natürlichen Person (Betroffener) zu verstehen. Demgemäß ist die Erhebung und Verarbeitung von das Schulverhältnis (vgl. § 32 Abs. 1 SchulG), d. h. die Beziehungen zwischen der Schule einerseits und dem Schüler und seinen Erziehungsberechtigten andererseits betreffenden Daten nur dann und insoweit zulässig, als dies zur Erfüllung der den Schulen, Schulbehörden und Schulträgern zugewiesenen Aufgaben notwendig ist. Insoweit sehen die zu den einzelnen Schularten erlassenen Schulordnungen konkretisierende Regelungen vor, hier: § 5 Abs. 3 und 4 Schulordnung Mittelschulen Abschlussprüfungen - SOMIAP. Danach sind bei der Anmeldung grundlegende Angaben zur Person des Schülers, wie Name, Anschrift, Geburtsdatum etc., Name und Anschrift der Erziehungsberechtigten oder zur bisherigen Schullaufbahn zu erheben. § 31 Abs. 3 SchulG erlaubt den Abgleich der Schülerdaten u. a. bei den Melde- und den Schulbehörden, um festzustellen, ob tatsächlich alle schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen eine Schule besuchen. Die Maßnahmen dienen sämtlich der Erfüllung des Bildungsauftrags und der Fürsorgeaufgaben der Schulen sowie der Erziehung und Förderung der Schülerinnen und Schüler; sie halten sich ebenso wie die zu ihrer Durchführung und Anwendung ergangene Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus über den Datenschutz beim Umgang mit personenbezogenen Daten an Schulen - VwV Schuldatenschutz - vom 1.2.2007 nebst Anlage (MBl. SMK S. 25 ff.) im Rahmen der datenschutzrechtlichen Vorgaben (vgl. Niehues/Rux, a. a. O., Rn. 458, 461, 462). Dies zugrunde gelegt hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, dass die personenbezogenen Daten der Antragstellerin zu 2 nach wie vor aufbewahrt, genutzt und übermittelt werden dürfen. Sie sind erst zu löschen, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung der Aufgaben der Schule nicht mehr erforderlich ist (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 2 SächsDSG). Dies ist solange nicht der Fall, wie die Antragstellerin zu 2 der Schulpflicht im Freistaat Sachsen unterliegt.

3. Die Antragstellerinnen haben ferner das Bestehen eines Anordnungsanspruchs für die von ihnen begehrte vorläufige Verpflichtung beider Antragsgegner, künftig Maßnahmen zur Durchsetzung der Schulpflicht der Antragstellerin zu 2 zu unterlassen, nicht glaubhaft gemacht.

Wie ausgeführt, besteht für alle Kinder und Jugendlichen mit Wohnsitz im Freistaat Sachsen Schulpflicht, die grundsätzlich durch den Besuch einer deutschen öffentlichen Schule oder genehmigten Ersatzschule erfüllt wird (vgl. § 26 Abs. 1 und 3 SchulG). Nach § 26 Abs. 2 SchulG erstreckt sich die Schulpflicht auf den regelmäßigen Besuch des Unterrichts und der übrigen verbindlichen Veranstaltungen der Schule. Die Schulpflicht, die sich in die Pflicht zum Besuch der Grundschule und einer weiterführenden allgemeinbildenden Schule (Vollzeitschulpflicht) gliedert, dauert neun Schuljahre (vgl. § 28 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 SchulG). Nach Aktenlage besuchte die Antragstellerin zu 2 im Schuljahr 2007/2008 die Klasse 7 der Mittelschule Innenstadt in . Solange ihre Schulpflicht andauert, können daher Maßnahmen zu deren Durchsetzung ergriffen werden. Dazu gehören neben Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen (vgl. § 39 SchulG) sowie der Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens und dem Erlass eines Bußgeldbescheids (vgl. § 61 SchulG), die Anwendung unmittelbaren Zwangs (vgl. Gemeinsame Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus, Sächsischen Staatsministeriums für Soziales, Gesundheit, Jugend und Familie und des Sächsischen Staatsministeriums des Innern vom 29.4.2002 - VwV Schulverweigerer - MBl. SMK S. 189 i. V. m. §§ 30 ff., § 64, § 68 SächsPolG). Hiervon soll nach Ziffer 5 der VwV Schulverweigerer aber nur Gebrauch gemacht werden, wenn bereits das einmalige zwangsweise Zuführen zur Schule erfolgversprechend erscheint.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.

Gerichtskosten werden als Festgebühr erhoben (vgl. Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG, Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses); einer Streitwertfestsetzung bedarf es deshalb nicht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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