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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 13.07.2009
Aktenzeichen: 2 E 43/09
Rechtsgebiete: VwGO, GKG


Vorschriften:

VwGO § 67 Abs. 4
GKG § 66 Abs. 1
GKG § 66 Abs. 5
Die Erinnerung gegen eine Kostenrechnung des Oberverwaltungsgerichts unterliegt auch nach der Neuregelung des § 67 Abs. 4 VwGO nicht dem Vertretungszwang.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 2 E 43/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Schüler-Fahrkartenerstattung; Anhörungsrüge

hier: Erinnerung gegen Kostenansatz

hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Richter am Oberverwaltungsgericht Dehoust als Einzelrichter

am 13. Juli 2009

beschlossen:

Tenor:

Die Erinnerung der Erinnerungsführerin gegen die Kostenrechnung vom 13. November 2008 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Über die Erinnerung gegen die Kostenrechnung entscheidet der Senat durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter (§ 66 Abs. 6 Satz 1 GKG i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, § 8 Abs. 1 Satz 1 JBeitrO).

Das Verfahren ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung oder besonderer rechtlicher Schwierigkeiten auf den Senat zu übertragen (§ 66 Abs. 6 Satz 2 GKG). Zwar wies es bis vor kurzem grundsätzliche Bedeutung und besondere rechtliche Schwierigkeiten auf. Es warf die Frage auf, ob der Vertretungszwang vor dem Oberverwaltungsgericht möglicherweise nach der neuen Fassung des § 67 VwGO auch bei Kostenerinnerungen, Streitwert- und Kostenbeschwerden besteht. Die Frage war in der Rechtsprechung und Literatur umstritten (Vertretungszwang bejahend: BayVGH, Beschl. v. 20.10.2008 - 14 C 08.2523 - juris für die Beschwerde gegen die Zurückweisung einer Kostenerinnerung; Hartung, in: Posser/Wolff, VwGO, § 67 Rn. 48; kein Vertretungszwang: OVG NRW, Beschl. v. 9.9.2008, NVwZ 2009, 123 für die Streitwertbeschwerde). Sowohl die grundsätzliche Bedeutung als auch die besonderen rechtlichen Schwierigkeiten sind aber durch die gesetzgeberische Klarstellung im zwischenzeitlich verabschiedeten Gesetz zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften (BR-Drs. 377/09) entfallen. Es handelt sich um den umbenannten Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und kostenrechtlicher Vorschriften (vgl. BT-Drs. 16/11385, 16/12717, 16/13082, 16/13363). Das Gesetz wurde vom Deutschen Bundestag im April beschlossen. Der Einspruch des Bundesrates gegen den Beschluss des Deutschen Bundestags zu diesem Gesetz wurde vom Deutschen Bundestag am 18.6.2009 zurückgewiesen (vgl. BR-Drs. 509/09), so dass das Gesetz nach Verkündung im Bundesgesetzblatt zum Teil am darauffolgenden Tag, zum Teil am 1.9.2009 und teilweise am 28.12.2009 in Kraft treten wird. Es enthält in Artikel 7 Abs. 1 Nr. 2 die Änderung von § 66 Abs. 5 Satz 1 GKG:

"Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend."

Nach der Gesetzesbegründung handelt es sich um eine "Klarstellung", dass auch im Bereich der Verwaltungsgerichtsordnung kein Vertretungszwang besteht.

Zwar ist das Gesetz noch nicht in Kraft. Die Auslegung des alten Rechts als "auslaufendes" Recht hat aber keine grundsätzliche Bedeutung mehr (BVerwG, Beschl. v. 20.12.1995 - 6 B 35/95 - und SächsOVG, Urt. v. 5.5.2009 - 2 A 408/08 - juris). Nach der gesetzgeberischen Klarstellung ist auch die Auslegung des alten Rechts nicht mehr schwierig.

Die Erinnerung bleibt ohne Erfolg.

1. Sie ist zwar zulässig.

Die Erinnerungsführerin musste sich nach § 67 Abs. 4 VwGO nicht durch einen beim Oberverwaltungsgericht zugelassenen Bevollmächtigten vertreten lassen. Der Vertretungszwang vor dem Oberverwaltungsgericht, der gemäß § 67 Abs. 4 Satz 2 VwGO auch für Prozesshandlungen gilt, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, ist auch nach seiner neuen Fassung auf Kostenerinnerungen, Streitwert- und Kostenbeschwerden nicht anzuwenden (i. E. wie hier: OVG NRW a. a. O.; a. A.: BayVGH und Hartung a. a. O.).

Bislang bestand nach § 66 Abs. 5 Satz 1 GKG a. F. wegen der Verweisung auf § 129a ZPO gemäß § 173 VwGO i. V. m. § 78 Abs. 5 Halbsatz 2 ZPO bei Kostenerinnerungen, Streitwert- und Kostenbeschwerden kein Vertretungszwang. Die Verweisung findet sich dort nach wie vor ebenso wie der Zusatz, dass Anträge und Erklärungen zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden können. Aus § 66 Abs. 5 Satz 2 GKG, wonach für die Bevollmächtigung die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend gelten, lässt sich Gegenteiliges nicht ableiten (so aber der BayVGH und Hartung a. a. O.). Die Vorschrift betrifft nach Wortlaut und der Systematik der Norm nur die "Bevollmächtigung", d. h. die Auswahl und die Bestellung eines Bevollmächtigten, nicht aber den "Vertretungszwang", d. h. die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten (vgl. auch die Begründung zur beschlossenen Neufassung in BT-Drs. 16/11385 S. 98 f. Zu Absatz 1 Nummer 2, Absatz 2 bis 4 und Absatz 5 Nummer 1 und 3).

Auch mit der Neufassung von § 67 Abs. 4 VwGO durch Art. 13 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12.12.2007 (BGBl. I S. 2840) ab 1.7.2008 hat sich hieran für den Verwaltungsprozess nichts geändert. Durch die Einfügung "außer im Prozesskostenhilfeverfahren" bringt der Gesetzgeber zwar zum Ausdruck, dass im Verwaltungsprozess auch in Nebenverfahren grundsätzlich Vertretungszwang bestehen soll. Ansonsten hätte es der Regelung zur Prozesskostenhilfe nicht bedurft, weil der Antrag auf Prozesskostenhilfe zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden kann und bei einer generellen Geltung von § 129a, § 78 Abs. 5 Halbsatz 2 ZPO im Verwaltungsprozess sich die Ausnahme vom Vertretungszwang bereits aus diesen speziellen Vorschriften ergäbe. Für dieses Ergebnis spricht auch die Begründung des Regierungsentwurfes zu § 67 Abs. 4 VwGO (BT-Drs. 16/3655 S. 97 Zu Nummer 2, Zu Absatz 4):

"Die Vorschrift regelt die Vertretungsbefugnis vor den Oberverwaltungsgerichten und dem Bundesverwaltungsgericht in Anlehnung an das geltende Recht neu. Eine Ausnahme vom Vertretungszwang vor diesen Gerichten besteht nach Satz 1 nur in Prozesskostenhilfeverfahren. In allen übrigen Angelegenheiten, insbesondere bei der Abgabe von weitreichenden Prozesshandlungen wie etwa Erledigungserklärungen und Rechtsmittelrücknahmen, besteht künftig Vertretungszwang. Gleiches gilt für Streitwert- und Kostenbeschwerden."

Entgegen der Gesetzesbegründung gilt dies indes nicht für kostenrechtliche Rechtsbehelfe. Für diese gehen nach wie vor die spezielleren Bestimmungen der kostenrechtlichen Regelungen vor.

Ein abweichender Wille des Gesetzgebers hätte im Wortlaut der Norm klarer Ausdruck finden müssen (ebenso: OVG NRW a. a. O.). Zudem spricht alles dafür, dass ein abweichender Wille des Gesetzgebers nicht vorlag, es sich vielmehr um ein redaktionelles Versehen in der Gesetzesbegründung handelt. Hierfür spricht bereits die Begründung des Regierungsentwurfs an anderer Stelle (BT-Drs. 16/3655 S. 100 Zu Artikel 18, Zu Absatz 1):

"Die Änderung der Vertretungsvorschriften in den einzelnen Verfahrensordnungen macht eine Anpassung für die kostenrechtlichen Verfahren erforderlich. Dabei kann sich jeder Beteiligte durch eine solche Person vertreten lassen, die auch nach der Verfahrensordnung des zugrunde liegenden Verfahrens Bevollmächtigter sein kann. Ein Anwaltszwang gilt in kostenrechtlichen Verfahren (wie bisher) nicht, wie durch den unveränderten § 66 Abs. 5 Satz 1 zweiter Halbsatz klargestellt wird."

Darüber hinaus stellt - wie bereits ausgeführt - die nachfolgende Begründung des Entwurfes eines Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und kostenrechtlicher Vorschriften (BT-Drs. 16/11385 S. 98 f. Zu Absatz 1 Nummer 2, Absatz 2 bis 4 und Absatz 5 Nummer 1 und 3) klar, dass vom Gesetzgeber auch im Verwaltungsprozess kein Vertretungszwang für kostenrechtliche Rechtsbehelfe beabsichtigt war.

Zudem sprechen vor allem praktische Gründe gegen einen Vertretungszwang. So kann ein Beteiligter das Verfahren beim Verwaltungsgericht ohne Prozessbevollmächtigten führen. Auch beim Oberverwaltungsgericht ist wohl nach wie vor ein Vertreter entbehrlich, wenn kein Antrag gestellt wird. Nur wegen kostenrechtlicher Rechtsbehelfe einen Vertreter beauftragen zu müssen, erscheint problematisch. Hat der Beteiligte bereits einen Vertreter, kann es bei Anwälten zu Interessenkonflikten kommen, wenn der unterlegene Beteiligte - wie regelmäßig - einen niedrigeren Streitwert anstrebt. Deshalb erscheint eine Ausnahme vom grundsätzlich bestehenden Vertretungszwang bei kostenrechtlichen Rechtsbehelfen sachgerecht.

2. Die Erinnerung ist aber unbegründet.

Auf der Grundlage des gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbaren Beschlusses des Senates vom 20.3.2007 - 2 E 178/06 -, mit dem die Anhörungsrüge der Kläger zurückgewiesen worden war, war nach Nummer 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr in Höhe von 50,00 € in Ansatz zu bringen. Dem entspricht die angegriffene Kostenrechnung vom 13.11.2008.

Gründe für eine unrichtige Sachbehandlung durch das Oberverwaltungsgericht (§ 21 GKG) liegen nicht vor. Soweit die Erinnerungsführerin sich in ihrem Schriftsatz vom 8.1.2009 erneut gegen die Verfahrensweise des Verwaltungsgerichts wendet und diese als rechtswidrig beanstandet, kann dies eine unrichtige Sachbehandlung durch das Oberverwaltungsgericht bei der Entscheidung über die Anhörungsrüge nicht begründen. Die Unrichtigkeit der einer Entscheidung zugrunde liegenden Rechtsauffassung kann nicht mit einer Anhörungsrüge geltend gemacht werden (SächsOVG, Beschl. v. 21.4.2008, SächsVBl. 2008, 194). Auch aus der von der Erinnerungsführerin zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu § 79 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG folgt nichts anderes. Diese Vorschrift ist hier nicht anwendbar. Es fehlt an einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, mit der eine Norm oder eine Auslegung einer Norm, die der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zugrunde liegt, für verfassungswidrig erklärt wird.

Entgegen der Auffassung der Erinnerungsführerin ist die Kostenforderung auch nicht verjährt. Die gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 GKG vierjährige Verjährungsfrist begann am 1.1.2008 zu laufen und endet mit Ablauf des 31.12.2011, wenn nicht die Verjährung gehemmt wurde oder neu beginnt. Die Forderung ist somit ungeachtet der Frage, ob die Verjährung gehemmt wurde oder neu begann, noch nicht verjährt.

Soweit die Erinnerungsführerin mit einer eigenen Forderung gegen die Landesjustizkasse aufrechnen will, steht dem § 8 Abs. 1 Satz 2 JBeitrO entgegen. Nach dieser Vorschrift ist die Einwendung, dass mit einer Gegenforderung aufgerechnet worden sei, im Erinnerungsverfahren nur zulässig, wenn die Gegenforderung anerkannt oder gerichtlicht festgestellt ist. Hierfür fehlen im vorliegenden Fall jegliche Anhaltspunkte.

Eine Kostenentscheidung und eine Streitwertfestsetzung sind im vorliegenden Fall entbehrlich. Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).

Dieser Beschluss ist gemäß § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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