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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 08.06.2009
Aktenzeichen: 3 B 23/09
Rechtsgebiete: StVO
Vorschriften:
StVO § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 |
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss
Az.: 3 B 23/08
In der Verwaltungsrechtssache
wegen Anordnung verkehrsrechtlicher Lärmschutzmaßnahmen; Antrag nach § 123 VwGO
hier: Beschwerde
hat der 3. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Ullrich, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Drehwald und den Richter am Verwaltungsgericht Jenkis
am 8. Juni 2009
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 20. Dezember 2007 - 14 K 2390/07 - wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht wird auf 2.500,00 € festgesetzt.
Gründe:
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Aus den mit ihr dargelegten Gründen, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO beschränkt ist, ergibt sich nicht, dass es das Verwaltungsgericht zu Unrecht abgelehnt hat, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu Lärmschutzmaßnahmen (Anordnung einer Tempo 30-Zone sowie Nachtabschaltung mit gelbem Blinklicht) im Streckenabschnitt zwischen F......straße und K.....straße auf der B.....straße, ..... D...., zu verpflichten.
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch auf Erlass der begehrten verkehrsregelnden Maßnahmen glaubhaft gemacht hat. Nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO hat der in seinen öffentlich-rechtlich geschützten Individualinteressen (insbesondere Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 GG) Betroffene regelmäßig nur einen auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde begrenzten Anspruch auf verkehrsregelnde Maßnahmen (BVerwG, Urt. v. 4.6.1986, BVerwGE 74, 234). Zu einem durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach § 123 VwGO zu sichernden Anspruch verdichtet sich dieses Ermessen lediglich in Fällen, in denen die von ihm begehrten Verkehrsregelungen als einzige richtige Behördenentscheidung in Betracht kommen (sog. Ermessensreduktion auf Null). Soweit der Antragsteller als Anwohner eine Überprüfung der Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin begehrt, kann er demgemäß nur dann nicht auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden, wenn er glaubhaft macht, dass voraussichtlich jede andere als die von ihm begehrte Anordnung verkehrsregelnder Maßnahmen ermessensfehlerhaft und unzumutbar wäre. Das ist nicht der Fall.
Dem Antragsteller ist einzuräumen, dass nicht nur die vom Verwaltungsgericht berücksichtigten Grenzwerte der vom Bundesminister für Verkehr zu § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO erlassenen "Vorläufigen Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutze der Bevölkerung vor Lärm" vom 6.11.1981 (VkBl. S. 428) bzw. der Verkehrslärmschutzrichtlinien 1997 vom 2.6.1997 (VkBl. 1997, 434) in allgemeinen Wohngebieten von 70 dB (A) tags/60 dB (A) nachts heranzuziehen sind. Im Anwendungsbereich des § 45 1 Satz 2 Nr. 3 StVO bestimmt kein gesetzlich festgelegter Lärmpegel die Grenze der Zumutbarkeit; auch die in § 2 Abs. 1 Nr. 2 16. BImschV aufgeführten Grenzwerte von 59 dB (A) tags/49 dB (A) nachts können daher als Orientierungspunkte zur Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze durch Lärmbelastung herangezogen werden (BVerwG, Urt. v. 13.3.2008, BVerwGE 130, 383; BVerwG Urt. v. 22.12.1993, NJW 1994, 2037; BayVGH, 26.11.1998, BayVBl. 1999, 371; BayVGH, Beschl. v. 9.2.2007 - 11 ZB 05,1872 - zitiert nach JURIS). Bei Überschreiten der niedrigeren Grenzwerte im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 16. BImschV wird aber regelmäßig nur eine Verpflichtung der Behörde zur Ermessensausübung angenommen (BayVGH, Urt. v. 26.11.2998, a. a. O., m. w. N.). Erst bei Überschreiten der höheren Grenzwerte der vorgenannten Lärmschutzrichtlinien wird demgegenüber davon ausgegangen, dass sich das Ermessen der Behörde in Richtung auf eine Verpflichtung zum Einschreiten verdichten kann. Auch dabei ist freilich auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die gebietsbezogene Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der Anlieger sowie das Vorhandensein bzw. Fehlen einer bereits gegebenen Lärmvorbelastung abzustellen (BVerwG, Urt. v. 4.6.1986, a. a. O.; möglicherweise strenger: BayVGH, Urt. v. 9.2.2007, a. a. O.).
Vorliegend sind zwar jedenfalls die Grenzwerte im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 16. BImschV überschritten. Dies gilt sowohl unter Zugrundelegung der vom Verwaltungsgericht in Zweifel gezogenen Angaben der Antragsgegnerin als auch unter Zugrundelegung der vom Antragsteller vorgelegten Auszüge aus dem Themenstadtplan. Die Antragsgegnerin hatte mit Schreiben vom 5.7.2007 "für den betreffenden" Abschnitt nachts 66 dB (A) angenommen, später aber die Auffassung vertreten, damit nur den etwa 200 m entfernt liegenden Straßenabschnitt der B.....straße zwischen K.....straße und T.....straße gemeint zu haben. Nach dem vom Antragsteller vorgelegten Auszug beträgt die Schallemission im Mittelungspegel des Kraftfahrzeugverkehrs im streitgegenständlichen Abschnitt in Höhe des 1. OG links in 20 m Abstand zur Straßenachse nachts 62 dB (A) und in 4 m Höhe 59 dB (A) in 25 m Abstand zur Straßenachse (Stand: 2004). Nach dem oben dargelegten Maßstab verpflichtet das erhebliche Überschreiten der Grenzwerte des § 2 Abs. 1 Nr. 2 16. BImschV die Behörde zur Ermessensausübung, indiziert aber noch keine Ermessensreduzierung auf Null. Diese ergibt sich auch nicht aus einer Überschreitung der Grenzwerte der genannten Verkehrschutzrichtlinien. Nach summarischer Prüfung kann eine solche Überschreitung im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht festgestellt werden. Den Zweifeln an den Angaben der Antragsgegnerin wird im Hauptsacheverfahren nachzugehen sein, ggf. ist ein Gutachten über die aktuelle Lärmbelastung einzuholen. Nach dem vom Antragsteller vorgelegten Auszug mit Stand 2004 wäre entgegen seiner Auffassung der maßgebliche Grenzwert von 59 dB (A) nachts gerade noch eingehalten, da der von ihm herangezogene höhere Wert von 62 dB (A) in dem von ihm bewohnten Dachgeschoss nicht erreicht würde.
Andere Gründe, aus denen die Antragsgegnerin zwingend in dem vom Antragsteller begehrten Sinn einschreiten müsste, liegen ebenfalls nicht vor. Insbesondere muss die Antragsgegnerin nicht deshalb zugunsten des Antragstellers entscheiden, weil für den ca. 200 m entfernt liegenden Streckenabschnitt zwischen K.....straße und T.....straße bereits eine Geschwindigkeitsbeschränkung angeordnet wurde und sie selbst vorgetragen hat, dass Fahrzeugführer in dem in unmittelbarer Nähe des Wohnhauses des Antragstellers befindlichen Kreuzungsbereich F....platz ohnehin tatsächlich kaum schneller als 30 km/h fahren könnten. Letzteres gilt ersichtlich nicht bei Grünampelschaltung. Die Gründe, die für die Geschwindigkeitsbegrenzung im 200 m weiter liegenden Straßenabschnitt sprechen, hat die Antragsgegnerin nachvollziehbar erläutert. Danach gehört dieser Abschnitt zu den 25 am stärksten lärmbelasteten Straßenbereichen in D....... Tagsüber besteht wegen der dort befindlichen Geschäfte ein erhöhter Querungsbedarf von Fußgängern; berücksichtigt wurde ferner, dass sich dort Parktaschen befinden, aus denen rückwärts in die Straße ausgeparkt werden muss. All das trifft auf den streitgegenständlichen Straßenabschnitt nicht zu. Unabhängig davon lässt sich eine Ermessensreduzierung auf Null aber vor allem auch deshalb nicht feststellen, weil das Wohnhaus des Antragstellers in einem erheblich vorbelasteten Gebiet liegt. Der fragliche Straßenabschnitt ist nach seinen Vortrag als allgemeines Wohngebiet einzustufen und genießt damit zwar im Vergleich etwa zu Mischgebieten erhöhten Schutz. Bei der B.....straße handelt es sich nach den Angaben der Antragsgegnerin aber um eine Hauptverkehrsstraße mit einer Verkehrsbelegung von 15.000 Fahrzeugen am Tag und einem Lkw-Anteil von 6 %. Die starke Vorbelastung und die übergeordnete Bedeutung der Straße für die Durchlässigkeit des Verkehrsaufkommens als einer wichtigen städtischen Ost-West-Verbindung sind erhebliche Belange, die gegen die schutzwürdigen Interessen der Anwohner abzuwägen sind und jede andere Entscheidung als die gewünschte Verkehrsberuhigung allenfalls dann als ermessensfehlerhaft machen, wenn die Lärmbelastung tatsächlich deutlich auch oberhalb der Grenzwerte der Verkehrsschutzrichtlinien liegen würde. Das kann - wie dargelegt - im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht festgestellt werden.
Da die begehrte einstweilige Anordnung nach allem nicht erlassen werden kann, erübrigt sich eine Entscheidung über den unter Ziffer 4 gestellten Beschwerdeantrag.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und § 53 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG und folgt der Festsetzung erster Instanz.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Ende der Entscheidung
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