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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 16.11.2009
Aktenzeichen: 3 B 355/08
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 81b Alt. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 3 B 355/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen erkennungsdienstlicher Behandlung; Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 3. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Freiherr von Welck, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Drehwald und den Richter am Verwaltungsgericht Jenkis

am 16. November 2009

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 6. Oktober 2008 - 3 L 304/08 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe ergeben nicht, dass das Verwaltungsgericht einstweiligen Rechtsschutz gegen die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen und die Zwangsgeldandrohung mit Bescheid des Antragsgegners vom 14.8.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.9.2008 zu Unrecht abgelehnt hat.

Im Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist das Oberverwaltungsgericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO darauf beschränkt, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts anhand derjenigen Gründe nachzuprüfen, die der Beschwerdeführer innerhalb der einmonatigen Begründungfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO darlegt. Dabei können nur Gründe berücksichtigt werden, deren Vortrag den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügt. Nach dieser Vorschrift muss die Beschwerdebegründung die Gründe darlegen, aus denen die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit dieser Entscheidung auseinandersetzen. Dies bedeutet, dass die Beschwerdebegründung auf die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts eingehend aufzeigen muss, weshalb sie der Beschwerdeführer für unzutreffend hält.

Das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen für die Durchführung präventiv-polizeilicher erkennungsdienstlicher Maßnahmen nach § 81b Alt. 2 StPO bejaht, weil der Antragsgegner nachvollziehbar dargelegt habe, dass aufgrund des aus Anlass des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens festgestellten Sachverhalts nach seiner kriminalistischen Erfahrung und angesichts der Umstände des Falls des Antragstellers begründete Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der Antragsteller in Zukunft strafrechtlich weiter in Erscheinung treten werde, so dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen dann zu führende Ermittlungen fördern könnten. Er habe dies insbesondere mit dem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Straftat nach § 146 Abs. 1 Nr. 1 StGB begründet, deren objektives Tatbestandsmerkmal des Nachmachens von Banknoten der Antragsteller selbst eingeräumt habe. Die Einschätzung des Antragsgegners werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Vorwürfe gegen den Antragsteller hauptsächlich von dessen Schwester möglicherweise im Zuge einer Erbstreitigkeit erhoben worden seien. Hinsichtlich der Fertigung der 319 Kopien eines 500-Euro-Scheins habe der Antragsgegner nicht lediglich die Strafanzeige zugrunde gelegt, sondern ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, in dessen Verlauf allein die Frage des absichtlichen "Inverkehrsbringens" im Sinne von § 146 StGB offen geblieben sei. Das Ergebnis anderer gegen den Antragsteller eingeleiteter oder abgeschlossener Ermittlungsverfahren, wie der Freispruch im Verfahren in Bezug auf einen Verstoß gegen das Waffengesetz, sei im präventiv-polizeirechtlichen Bereich nicht von Belang. Entscheidend sei vielmehr eine Gesamtwürdigung der Umstände durch den Antragsgegner und auch eine Würdigung der Persönlichkeit des Antragstellers. Zu Recht habe der Antragsgegner daher die verschiedenen anderen Ermittlungsverfahren, deren zeitlichen Zusammenhang und deren Anlass berücksichtigt, weil diese wichtige Einzelaspekte im Rahmen der vorzunehmenden Gefahrenprognose darstellen würden. Auf die Begründung im angefochtenen Bescheid werde im Übrigen Bezug genommen.

Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung in Frage zu stellen. Soweit der Antragsteller im Wesentlichen die Auffassung des Verwaltungsgerichts rügt, dass allgemein der Ausgang der gegen den Betroffenen geführten Ermittlungsverfahren ohne Belang sein soll, ist ihm allerdings einzuräumen, dass die Gesamtwürdigung jedenfalls nicht auf solche Verfahren gestützt werden darf, die durch Freispruch oder auf andere Weise beendet worden sind, sofern dadurch die Verdachtsmomente ausgeräumt wurden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.5.2002, NJW 2002, 3231 zur Speicherung erkennungsdienstlicher Daten). Die Prognoseentscheidung, ob der Sachverhalt, der anlässlich des gegen den Beschuldigten gerichteten Strafverfahrens festgestellt wurde, nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Beschuldigte in den Kreis Verdächtiger einer noch aufzuklärenden anderen strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen - den Beschuldigten letztlich überführend oder entlastend - fördern könnten, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle beschränkt darauf, ob sie auf zutreffender Tatsachengrundlage beruht und ob sie nach gegenwärtiger Sach- und Rechtslage unter Einbeziehung des kriminalistischen Erfahrungswissens sachgerecht und vertretbar ist (vgl. Senatsbeschl. v. 6.10.2009 - 3 B 187/08; OVG Saarland, Beschl. v. 13.3.2009 - 3 B 34/09, jeweils zitiert nach JURIS). Ist der Verdacht vollständig ausgeräumt, so erweist sich eine maßgeblich hierauf gestützte Prognose als unrichtig. Davon kann hier aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Annaberg vom 6.8.2009, mit dem inzwischen die Eröffnung des Hauptverfahrens wegen des Verdachts gemeinschaftlicher Geldfälschung aus tatsächlichen Gründen abgelehnt wurde, indessen nicht die Rede sein. Den Gründen des Beschlusses ist zu entnehmen, dass das Gericht sowohl die gemeinschaftliche Begehungsform als auch den subjektiven Tatbestand der Absicht des Inverkehrbringens bzw. des Sichverschaffens oder Feilhaltens von Falschgeld zu diesem Zweck für nicht ausreichend ermittelt eingeschätzt hat. So heißt es u. a., die geführten Ermittlungen hätten "die Angaben des Angeschuldigten nicht zu widerlegen vermocht (...)", wonach er zur Vorbereitung eines Geschäftes mit italienischen Staatsangehörigen die Falsifikate vorhalten und als so genanntes Vorzeigegeld habe verwenden wollen. Weitere Ermittlungsmöglichkeiten seien nicht ersichtlich und eine Verurteilung im Ergebnis der Hauptverhandlung oder eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes unwahrscheinlich. Damit hat das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens zwar mangels eines zur Verurteilung hinreichenden Tatverdachts, nicht aber wegen erwiesener Unschuld oder deswegen abgelehnt, weil die Verdachtsmomente ausgeräumt worden waren. Daraus folgt, dass der Antragsgegner - wie im Widerspruchsbescheid geschehen - maßgeblich auf dieses Verfahren abstellen durfte. Dem steht nicht entgegen, dass es - wie weitere Verfahren auch - auf eine Anzeige der mit dem Antragsteller im Streit liegenden Schwester zurückging. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat der Antragsgegner - wenngleich nicht mit dem für eine Hauptverhandlung nötigen Erfolg - zusätzliche Ermittlungen angestellt, die jedenfalls zu weiteren Verdachtsmomenten hinsichtlich des objektiven Tatbestandes führten.

Die weiteren von seiner Schwester zur Anzeige gebrachten Vorfälle, zu denen der Antragsteller vor dem Verwaltungsgericht Stellung genommen hat, können hinweggedacht werden, ohne dass sich die Prognose des Antragsgegners als nicht mehr sachgerecht und vertretbar erwiese. Denn zumindest der unter der Tgb-Nr.: 728/08/507400 geführte, auf einer Anzeige der Sparkasse Chemnitz nach § 11 Geldwäschegesetz basierende Vorgang stand in keinem Zusammenhang mit innerfamiliären Streitigkeiten und trägt die Prognoseentscheidung, dass der Antragsteller möglicherweise wieder strafrechtlich in ähnlicher Weise in Erscheinung treten wird, nach dem Widerspruchsbescheid ebenfalls. Sie wird darüber hinaus auch noch gegenwärtig durch das vom Verwaltungsgericht erwähnte Ermittlungsverfahren wegen Betrugs und Steuerhinterziehung bestätigt. Danach steht der Antragsteller im Verdacht, im Rahmen der Bauarbeiten BAB , gemeinsam mit einem noch unbekannten Bauleiter der Fa. GmbH, Abrechnungsunterlagen manipuliert zu haben. Zwar geht auch dieses Verfahren zurück auf eine Anzeige der Schwester des Antragstellers. Dieser Umstand führt für sich allein genommen aber nicht zu seiner Unverwertbarkeit, da auch hier - soweit aus den Akten ersichtlich - nicht nur ihre Aussage, sondern weitere Informationen der Buchprüfung Finanzamt Hohenstein-Ernstthal und der Steuerfahndung Chemnitz im Vorfeld der Eröffnung des Ermittlungsverfahrens herangezogen wurden. Der Einwand des Antragstellers, von diesem Ermittlungsverfahren unter Verletzung rechtlichen Gehörs und des Anspruchs auf ein faires Verfahren erstmals mit dem angefochtenen Beschluss gehört zu haben, greift schon deshalb nicht durch, weil er im Beschwerdeverfahren ausreichend Gelegenheit hatte, hierzu substantiiert vorzutragen, davon jedoch keinen Gebrauch gemacht hat.

Im Übrigen hat der Antragsteller mit der Beschwerdeschrift keine zu seinen Gunsten zu berücksichtigenden Umstände dargelegt, welche die Prognose des Antragsgegners sowie die auf ihrer Grundlage getroffene Entscheidung unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten zu erschüttern vermögen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Absätze 1, 2 GKG i. V. m. Nr. 35.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 7./8.7.2004 beschlossenen Änderungen (Streitwertkatalog 2004; abgedruckt in NVwZ 2004, 1327). Der hiernach anzusetzende Auffangstreitwert in Höhe von 5.000,00 € ist gemäß Nr. 1.5 Streitwertkatalog 2004 zu halbieren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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