Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 19.02.2009
Aktenzeichen: 3 B 373/06
Rechtsgebiete: HwO, BBiG


Vorschriften:

HwO § 29 Abs. 1 Nr. 1
BBiG a. F. § 10 Abs. 1 S. 1
BBiG n. F. § 17 Abs. 1 S. 1
1. Für die Bestimmung der Angemessenheit der Ausbildungsvergütung als Voraussetzung für die Eintragungsfähigkeit eines Berufsausbildungsvertrages in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse ist auch nach der Neufassung des Bundesbildungsgesetzes durch das Berufsbildungsreformgesetz entsprechend der Verkehrsanschauung auf die bestehenden einschlägigen Branchentarifverträge abzustellen. Der geringe Organisationsgrad von Ausbildungsbetrieben in Tarifvertragsparteien - hier in der Baubranche im Freistaat Sachsen - findet dabei keine Berücksichtigung.

2. Die Angemessenheit der Ausbildungsvergütung ist weiterhin grundsätzlich dann nicht mehr gegeben, wenn die tarifliche Vergütung um mehr als 20 % (hier ca. 33 %) unterschritten wird.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 3 B 373/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Eintragung in die Lehrlingsrolle

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 3. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Ullrich, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Drehwald und den Richter am Verwaltungsgericht Jenkis

am 19. Februar 2009

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 15. Dezember 2005 - 5 K 225/05 - zuzulassen, wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 15.12.2005 zuzulassen, ist zulässig, jedoch nicht begründet.

(1) Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, dass die Klägerin nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses mit dem Beigeladenen ihren ursprünglichen auf Eintragung des Berufsausbildungsverhältnisses in die Lehrlingsrolle nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 HwO gerichteten Verpflichtungsantrag dahingehend geändert hat, die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 30.9.2004 in Gestalt ihres Widerspruchsbescheids vom 27.1.2005 zu verpflichten, den Ausbildungsvertrag vom 17.6.2004 gemäß § 28 Abs. 6 Satz 1 HwO als aus dem Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse im Ausbildungsverhältnis Maurer gelöschte Daten zu speichern. Ebenso wenig zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels führt der Umstand, dass sie im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage die Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Bescheide begehrt. Eine nach allgemeiner Meinung zur Unzulässigkeit des Zulassungsantrags führende Klageänderung i.S.v § 91 VwGO (vgl. OVG NW, Beschl. v. 21.5.2001 - 8 A 3373/99 -, VGH BW, Beschl. v. 27.10.2004 - 8 S 1322/04 -; ThürOVG, Beschl. v. 22.1.2003 - 1 ZKO 506/01 -, jeweils zitiert nach juris) ist hierin nicht zu sehen. Nach § 173 VwGO i. V. m. § 264 ZPO liegt eine Klageänderung nicht vor, wenn, wie hier, der Klagegrund unverändert geblieben ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.10.1986, NVwZ 1986, 468 m. w. N.). Dies gilt nicht nur im Fall der Umstellung des Verpflichtungsantrags in ein Fortsetzungsfeststellungsbegehren in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, sondern allgemein dann, wenn, wie hier, wegen einer später eingetretenen Veränderung der ursprüngliche Klagegegenstand durch einen anderen (sog. "Surrogat") ersetzt wird (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 91 Rn. 11).

Die Datei nach § 28 Abs. 6 Satz 1 HwO soll dem Übermaßverbot unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten Rechnung tragen. In sie sind die Daten aufzunehmen, die nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses für den eng begrenzten Zweck der Lehrlingsrolle nicht mehr benötigt werden und deshalb dort zu löschen sind. Da gleichwohl ein Bedürfnis zur Sicherung der Datenbestände für andere Zwecke besteht, sind diese in eine eigenständige Datei aufzunehmen und dort für bis zu fünfzig Jahre zu speichern. Sie tritt so gleichsam an die Stelle der Lehrlingsrolle.

(2) Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Vorbringen der Klägerin, auf dessen Prüfung das Oberverwaltungsgericht gemäß § 124 a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO beschränkt ist, ergibt weder das Vorliegen des geltend gemachten Zulassungsgrunds der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch die Darlegung der ergänzend herangezogenen Zulassungsgründe der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeit der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Einen Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) hat der Antrag ebenfalls nicht dargetan.

a) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) vermag der Zulassungsantrag nicht zu begründen. Die Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert, dass der Antrag einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage stellt, dass der Ausgang des Berufungsverfahrens zumindest als ungewiss zu beurteilen ist. Die Antragsbegründung muss sich dabei mit den Argumenten, die das Verwaltungsgericht für die angegriffene Rechtsauffassung oder Sachverhaltsfeststellung und -würdigung angeführt hat, inhaltlich auseinander setzen und aufzeigen, warum sie aus Sicht des Rechtsmittelführers nicht tragfähig sind (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 26.11.2004 - 3 B 79/03 -; std. Rspr.).

In dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die auf Verpflichtung der Beklagten gerichtete Klage der Klägerin, den Berufsausbildungsvertrag mit dem Beigeladenen in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse zum Beruf Maurer einzutragen, mit der Begründung abgewiesen, dass die Voraussetzungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 HwO hierfür nicht vorlägen, da die dem Beigeladenen gewährte Vergütung in Höhe von ca. 66 % der tariflich üblichen nicht angemessen sei. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts zu § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG a. F. bzw. § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG n. F. sei geklärt, dass nach der insoweit maßgeblichen Verkehrsanschauung auch nicht für allgemeinverbindlich erklärte einschlägige tarifvertragliche Regelungen ein hinreichendes Kriterium für die Bestimmung der Angemessenheit einer Ausbildungsvergütung seien. Die als Orientierung anzusehenden Festlegungen dürften nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur um bis zu 20 % der tarifvertraglichen Regelung unterschritten werden. Einen von der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmetatbestand, z. B. das Vorliegen eines mit öffentlichen Mitteln finanzierten Ausbildungsverhältnisses, habe die Klägerin nicht dargetan. Ihre Begründung, auf Grund der geringeren Ausbildungsvergütung drei anstelle von zwei Auszubildenden in ein Ausbildungsverhältnis übernehmen zu wollen, sei letztlich gesellschaftspolitischer Natur, könne jedoch die Vorgaben des Gesetzgebers, der seine diesbezügliche Wertentscheidung durch die Neufassung des § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG bekräftigt habe, nicht überwinden.

aa) Soweit die Klägerin geltend macht, dass im Freistaat Sachsen auf der Arbeitgeberseite in der Baubranche nur noch ein Organisationsgrad von 16,33 % erreicht werde und deshalb die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Heranziehbarkeit der einschlägigen tarifvertraglichen Bestimmungen, hier des Tarifvertrags zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe vom 4.7.2003, keine Anwendung (mehr) finden könnten, verkennt sie, dass diese Grundsätze mit der Neufassung des Bundesbildungsgesetzes durch Art. 1 des Gesetzes zur Reform der beruflichen Bildung vom 23.3.2005 (Berufsbildungsreformgesetz, BGBl. I S. 931) ausdrücklich Orientierungsmaßstab des Gesetzgebers waren und damit weiterhin uneingeschränkt - auch auf das streitgegenständliche Ausbildungsverhältnis - Anwendung finden.

Der Neufassung dieser Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG n. F. durch das Berufsbildungsreformgesetz vom 23.3.2005 vorausgegangen war ein mit Beschluss des Bundesrates vom 24.9.2004 beim Bundestag eingebrachter Gesetzesentwurf mit dem Ziel, § 10 Abs. 1 BBiG a. F. dergestalt zu ändern, dass die Ausbildungsvergütung als angemessen gilt, wenn sie monatlich mindestens 3,5 vom Hundert des auf einen Monat entfallenden Anteils der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeitgeber und Angestellten beträgt (vgl. Art. 1 des Entwurfes eines .... Gesetzes zur Änderung des Berufsbildungsgesetzes, BT-Drucks. 15/4112, Anlage 1). Zur Begründung hatte der Bundesrat angeführt, dass § 10 Abs. 1 BBiG a. F. den Begriff der "Angemessenheit" nicht weiter konkretisiere, das Bundesarbeitsgericht sich jedoch grundsätzlich an den tariflichen Ausbildungsvergütungen orientiere, es aber auch akzeptiere, wenn diese - bei nicht tariflich gebundenen Parteien - um nicht mehr als 20 % unterschritten würden. Selbst die so verringerten Ausbildungsvergütungen erreichten jedoch oftmals eine Höhe, die Ausbildungswillige nicht leisten könnten. Mit dem vorgeschlagenen Gesetz solle eine geringere, die Ausbildungsbereitschaft der Ausbildungsbetriebe erhöhende Mindestausbildungsvergütung festgesetzt werden (vgl. BT-Drucks. 15/4112). Dieser Antrag wurde vom Bundestag auf seiner 154. Sitzung am 27.1.2005 nach vorausgegangener ablehnender Stellungnahme der Bundesregierung und entsprechender Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung mehrheitlich abgelehnt (vgl. Plenarprotokoll 15/154, 14433 B). In ihrer Stellungnahme hatte die Bundesregierung u. a. Folgendes ausgeführt (vgl. Anlage 2 der BT-Drucks. 15/4112): " ...

Aber auch bei fehlender Tarifbindung besteht keine völlige Freiheit für den Ausbildenden bei der Bestimmung der Ausbildungsvergütung, denn sie muss sich im Rahmen der Angemessenheit nach § 10 BBiG bewegen. Angemessen in diesem Sinne ist nach der ständigen Rechtsprechung eine Vergütung, die der tariflichen entspricht oder ihr vergleichbar ist. Fehlt eine tarifvertragliche Vereinbarung, kann auf branchenübliche Sätze zurückgegriffen werden. Im Übrigen gilt nach der Rechtsprechung als Faustregel, dass eine angemessene Ausbildungsvergütung immer dann anzunehmen ist, wenn die Vergütung das tarifvertragliche oder branchenübliche Entgelt um nicht mehr als 20 Prozent unterschreitet. Eine weitergehende Unterschreitung ist bei Ausbildungsverhältnissen zulässig, die durch öffentliche Fördermittel oder private Spenden finanziert werden.

Der im Gesetzentwurf enthaltene Vorschlag, eine Mindestausbildungsvergütung vorzusehen und im übrigen die Höhe der Ausbildungsvergütung bei nicht tarifgebundenen Betreiben frei zu vereinbaren, wird nicht befürwortet. Es gibt keinen Beleg dafür, ob durch "geringere Ausbildungsvergütung" tatsächlich zusätzliche reguläre Ausbildungsplätze geschaffen werden können.

[...]

Die Bundesregierung lehnt deshalb den Gesetzentwurf des Bundesrates ab."

Zugleich hat der Gesetzgeber bei der Neufassung des Bundesbildungsgesetzes bekräftigt, dass § 17 Abs. 1 BBiG n. F. inhaltlich § 10 Abs. 1 BBiG a. F. entspricht (BT-Drucks. 15/3980, S. 47). Damit ist davon auszugehen, dass bei der Bestimmung des Begriffs der Angemessenheit der Ausbildungsvergütung weiterhin auch unter nicht tarifgebundenen Parteien die tarifliche Vergütung der gesetzlich gewollte Bezugspunkt ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.1.1990 - 1 B 190/89 -, Rn. 9, zitiert nach juris).

Das Bundesarbeitsgericht hatte bereits zu § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG a. F. in ständiger Rechtsprechung festgestellt, dass es zunächst Sache der Vertragsparteien ist, die Höhe der Vergütung zu bestimmen, sofern nicht bei Tarifbindung beider Parteien ohnehin die tariflichen Sätze maßgebend sind. Ob die Vertragsparteien den ihnen von Gesetzes wegen zustehenden Spielraum gewahrt haben, ist unter Abwägung der Interessenlage beider Vertragspartner und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles festzustellen. Maßgebend ist die Verkehrsanschauung, wobei wichtigster Anhaltspunkt hierfür die einschlägigen Tarifverträge sind. Bei ihnen ist anzunehmen, dass das Ergebnis der Tarifverhandlungen die Interessen beider Seiten hinreichend berücksichtigt (vgl. BAG, Urt. v. 25.4.1984 - 5 AZR 540/82 -, Rn. 16, v. 24.10.2002 - 6 AZR 626/00 -, Rn. 31 m. w. N., zitiert nach juris). Auf die Empfehlungen der Kammern oder Handwerksinnungen kann dagegen nur dann zurückgegriffen werden, wenn einschlägige Tarifverträge nicht bestehen (vgl. BAG, Urt. v. 25.7.2002 - 6 AZR 311/00 -, Rn. 18, zitiert nach juris). An dieser Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht im Übrigen auch nach dem Inkrafttreten von § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG n. F. festgehalten (vgl. BAG, Urt. v. 22.1.2008 - 9 AZR 999/06 -, Rn. 33 ff., zitiert nach juris). Dies bedeutet, dass entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung der geringe Organisationsgrad der Betriebe in der Baubranche im Freistaat Sachsen der Heranziehung der einschlägigen Bestimmungen des Tarifvertrags zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe (ausgenommen Berlin-Ost) vom 4.7.2002 als Maßstab für die Bestimmung der Angemessenheit der (Mindest)Ausbildungsvergütung des Beigeladenen nicht entgegensteht. Der Organisationsgrad der Arbeitgeberseite kann so vorliegend keine Berücksichtigung finden. Ein Rückgriff auf Empfehlungen eines Fachverbandes bzw. einer Brancheninnung oder auf niedrigere Ausbildungsvergütungen in anderen Branchen (z. B. Friseure oder Bäcker) scheidet damit aus.

bb) Soweit die Klägerin geltend macht, das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass Vereinbarungen über Ausbildungsvergütungen in Tarifverhandlungen in der Regel nur eine Randfunktion zukäme, da dabei die Arbeitgeberseite die Erhöhung der Ausbildungsvergütung häufig als kleineres Übel im Verhältnis zu einer Erhöhung der Löhne für die gewerblichen Arbeitnehmer ansehe, vermag dieser Gesichtspunkt dem Antrag ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen. Ihm ist in der angesprochenen höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits hinreichend Rechnung getragen worden. Es liegt in der Natur der Sache von Tarifverhandlungen, dass die Verhandlungspartner die verschiedenen Verhandlungsziele mit unterschiedlichen Prioritäten versehen und je nach Verhandlungssituation als Teil eines Kompromisses auf die Durchsetzung bestimmter Verhandlungsziele (teilweise) verzichten. Ausbildenden wie der Klägerin, die sich durch die jeweilige Tarifvertragspartei nicht hinreichend in ihren Interessen vertreten sehen, bleibt es unbenommen, auf eine Änderung dieser aus ihrer Sicht unbefriedigenden Situation innerhalb oder außerhalb der bestehenden Tariforganisationen, ggf. auch durch (Mit)Gründung einer eigenständigen Koalition, hinzuwirken. Die bloße unzureichende Interessenvertretung vermag eine Rechtsverletzung jedenfalls noch nicht zu begründen. Da vorliegend die Einschlägigkeit des Tarifvertrags zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe vom 4.7.2003 unter den Parteien auch sonst unstreitig ist, führt dies dazu, dass dessen Regelungen zur Vergütung von Ausbildungsverhältnissen für die Feststellung der Angemessenheit der Ausbildungsvergütung des Beigeladenen heranzuziehen sind.

cc) Einen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannten Ausnahmetatbestand für die Zulässigkeit der Unterschreitung der Mindestvergütungsgrenze von 80 % der einschlägigen tariflichen Vereinbarung kann dem Antrag ebenfalls nicht entnommen werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann das Tarifniveau dann um mehr als 20 % unterschritten werden, wenn die Ausbildung teilweise oder vollständig durch öffentliche Gelder zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze finanziert wird und sie mit keinerlei finanziellen Vorteilen verbunden ist oder sie auf Spenden Dritter beruht. Dabei trägt der Ausbilder in der Regel die Beweislast für die Widerlegung der Vermutung der Unangemessenheit der diese Mindestgrenze unterschreitenden Vergütung (vgl. BAG, Urt. v. 22.1.2008 - 9 AZR - a. a. O., Rn. 35 u. v. 8.5.2003 - 6 AZR -, Rn. 17 f. m. w. N.; zitiert nach juris). Anhaltspunkte für das Vorliegen solcher Ausnahmetatbestände hat die Klägerin nicht dargetan. Sie beruft sich der Sache nach auf die aus ihrer Sicht zu hohen Ausbildungskosten als Ausbildungshindernis. Ein derartiger Gesichtspunkt sollte jedoch nach der Wertung des Gesetzgebers gerade nicht zur Zulässigkeit einer weiteren Herabsetzung der Mindestvergütungssätze führen.

dd) Zu keinem anderen Ergebnis vermag die Rüge der Klägerin zu führen, die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung von § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG n. F. führe zu einer "mittelbaren Allgemeinverbindlichkeit" der Tarifregelung und damit zu einem unzulässigen Eingriff in die Tarifautonomie, obwohl der hier einschlägige Tarifvertrag zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Beitrittsgebiet (ausgenommen Berlin-Ost) vom 4.7.2002 nicht für allgemein verbindlich erklärt worden sei. Die hierin zu erblickende Rüge der Verletzung der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Koalitionsfreiheit greift nicht durch. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seiner Rechtsprechung zur Verfassungsmäßigkeit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen nach § 5 TVG festgestellt, dass die positive Koalitionsfreiheit, also das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeitsbedingungen und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden oder anderen als den vertragsschließenden Koalitionen beizutreten, durch die Regelung zur Allgemeinverbindlichkeitserklärung nicht verletzt werden. Ein Vorrang allgemeinverbindlicher Tarifverträge gegenüber solchen, die nicht für allgemeinverbindlich erklärt worden sind, besteht nicht. Tatsächliche Schwierigkeiten, die sich aus der Existenz der bestehenden Koalitionen für die noch zu gründenden ergeben, beeinträchtigen die Koalitionsfreiheit nicht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.7.1980, BVerfGE 55, 7, 24). Die durch Art. 9 Abs. 3 GG zugleich geschützte negative Koalitionsfreiheit (vgl. BVerfG, Urt. v. 1.3.1979, BVerfGE 50, 290, 367 ff.) steht der gesetzlichen Regelung über die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von tariflichen Inhaltsnormen ebenfalls nicht entgegen. Durch sie wird die Freiheit, sich einer anderen als der vertragsschließenden oder keiner Koalition anzuschließen, nicht beeinträchtigt. Ebenso wenig wird hierdurch Zwang oder Druck in Richtung auf eine Mitgliedschaft ausgeübt, der so erheblich ist, dass hierin eine Grundrechtsverletzung erblickt werden könnte (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.2.1973, BVerfGE 44, 322, 351).

Vor diesem Hintergrund vermag der Senat eine Verletzung von Art. 9 Abs. 3 GG durch die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung von § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG n. F. nicht zu erkennen. Sie führt, anders als im Fall einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung eines Tarifvertrags, noch nicht zu einer Ausdehnung der Tarifgebundenheit auf sog. Außenseiter. Diese können, wie dargestellt, durchaus bei der Vereinbarung der Ausbildungsvergütung von der tariflichen Regelung nach oben und - im Rahmen der festgestellten Grenzen - nach unten abweichen. Die Festlegung der Untergrenze auf 80 % der tariflichen Ausbildungsvergütung dient hierbei nicht (vorrangig) der Erstreckung von tarifvertraglichen Vereinbarungen auf nicht tarifgebundene Parteien. Ihr kommt vielmehr in besonderem Maße die Funktion der Berücksichtigung branchen- und regionenspezifischer Besonderheiten zu, zumal unter den zuvor genannten Voraussetzungen ohnehin weitere Unterschreitungen zulässig sind. Von der Festsetzung einer einheitlichen Mindestvergütung hat der Gesetzgeber gerade abgesehen. Durch diese gesetzgeberische Ausgestaltung wird die Klägerin weder an der Gründung einer (neuen) Koalition gehindert (positive Koalitionsfreiheit) noch wird ein solcher Druck auf sie ausgeübt, Mitglied einer Koalition zu werden, der so erheblich ist, dass von einer Verletzung von Art. 9 Abs. 3 GG ausgegangen werden könnte (negative Koalitionsfreiheit).

ee) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts hat die Klägerin auch nicht mit der Rüge der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 GG) zu begründen vermocht. Soweit sie diese auf die unterschiedliche Behandlung von öffentlich oder durch Spenden finanzierten Ausbildungsverhältnissen im Verhältnis zu dem mit dem Beigeladenen abgeschlossenen stützt, ist ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot nicht ersichtlich. Das Bundesarbeitsgericht hat die Zulässigkeit der Unterschreitung der o. g. Mindestvergütungsgrenze im Fall öffentlich finanzierter Ausbildungsverhältnisse mit der Begrenztheit der öffentlichen Mittel und dem vom Staat zu verfolgenden gesamtgesellschaftlichen Interesse, möglichst vielen Jugendlichen eine qualifizierte Berufsausbildung zu verschaffen, gerechtfertigt (vgl. BAG, Urt. v. 22.11.2008 u. v. 8.5.2003 a. a. O.). Dies stellt einen die Ungleichbehandlung der Ausbildungsverhältnisse rechtfertigender Differenzierungsgrund dar. Um ein solches, mit öffentlichen Mitteln finanziertes Ausbildungsverhältnis geht es vorliegend jedoch nicht. Im Fall der Finanzierung des Ausbildungsverhältnisses durch Spenden Dritter hat das Bundesarbeitsgericht eine Mindestvergütung in Höhe von 72 % des Tarifsatzes als "noch" angemessen angesehen, da dort die Ausbildung dem ausbildenden gemeinnützigen Verein, der Leistungen des Auszubildenden nicht kommerziell genutzt hat, keine finanziellen Vorteile gebracht hat (vgl. BAG, Urt. v. 8.5.2003 a. a. O.). Ein hiermit vergleichbarer Sachverhalt ist dem Antrag nicht zu entnehmen. Die Klägerin stellt die Ziehung eines wirtschaftlichen Nutzens aus dem Ausbildungsverhältnis nicht in Abrede, sondern wendet sich lediglich gegen dessen tarifliche Bewertung. Ihr Vortrag, die Höhe der Vergütung des Auszubildenden stelle vorliegend kein angemessenes Äquivalent für den wirtschaftlichen Nutzen des Ausbildenden dar, beinhaltet der Sache nach lediglich die Wiederholung ihrer Kritik an der aus ihrer Sicht fehlerhaften Festsetzung der Höhe der Ausbildungsvergütung in dem einschlägigen Tarifvertrag. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist insofern nicht erkennbar. Da die dem Beigeladenen gewährte Ausbildungsvergütung unstreitig lediglich ca. 66 % der tariflich üblichen beträgt, hat das Verwaltungsgericht damit zu Recht den Anspruch der Klägerin auf Eintragung des Ausbildungsvertrages in die Lehrlingsrolle für Maurer nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 HwO verneint.

b) Der von dem Antrag angeführte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor.

Grundsätzliche Bedeutung i. S. von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine bisher höchstrichterliche und obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellungen bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Die vom Antrag (wohl) sinngemäß als klärungsbedürftig aufgeworfene Frage, ob auf Grund des geringen Organisationsgrades der Ausbildungsbetriebe in der Baubranche im Freistaat Sachsen der Verkehrsanschauung nach der einschlägige Tarifvertrag zulässiger Maßstab für die Bestimmung der Angemessenheit der Vergütung i. S. v. § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG n. F. ist, bedarf zu ihrer Klärung nicht der Zulassung der Berufung. Ihre Beantwortung ergibt sich ohne weiteres aus dem Gesetz.

Wie sich aus dem zuvor dargestellten, der Neufassung des § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG vorausgegangenem Gesetzgebungsprozess ergibt, geht der Gesetzgeber von der uneingeschränkten Anwendbarkeit der zuvor von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit der Vergütung aus. Damit ist entsprechend der Verkehrsanschauung auf die bestehenden einschlägigen Branchentarifverträge abzustellen, ohne dass dabei der Organisationsgrad der Ausbildungsbetriebe - hier in der Baubranche im Freistaat Sachsen - zu berücksichtigen ist.

c) Der geltend gemachte Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeit der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor.

Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne dieser Vorschrift weist eine Rechtssache dann auf, wenn sie voraussichtlich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht größere, d.h. überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht. Soweit die Klägerin ihr diesbezügliches Begehren ebenfalls auf die in Zusammenhang mit dem Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (sinngemäß) aufgeworfene Frage gestützt haben sollte, kommt eine Zulassung der Berufung nicht in Betracht. Die Klärung dieser Frage lässt sich im Zulassungsverfahren, wie zuvor festgestellt, beantworten. Tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache, die eine Zulassung der Berufung zu rechtfertigen vermögen, sind dem Antrag somit nicht zu entnehmen.

d) Soweit die Klägerin eine unzureichende Sachaufklärung des Verwaltungsgerichts darin erblickt, dass es den angebotenen Beweisen zur unzureichenden Vertretung der Interessen der Ausbildenden in den Tarifverhandlungen über die Höhe der Ausbildungsvergütungen nicht nachgegangen sei, kann dahingestellt bleiben, ob sie damit den Mindestanforderungen an die Darlegung eines Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO in Gestalt einer Aufklärungsrüge Genüge getan hat (vgl. hierzu BVerwG, Beschl. v. 19.8.1997, NJW 3328). Die Rüge hat jedenfalls schon deshalb keinen Erfolg, da ein Aufklärungsmangel (§ 86 VwGO) des Verwaltungsgerichts nicht gegeben ist. Angesichts des von ihm gewählten materiellen Rechtsstandpunkts, wonach unter Abstellung auf die Verkehrsanschauung auch die Interessen der nicht tarifgebundenen Parteien bei der Vereinbarung der Ausbildungsvergütungen in den einschlägigen Tarifverträgen als hinreichend berücksichtigt anzusehen sind, bestand zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts kein Anlass.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren nicht zu erstatten, da dieser keinen Antrag gestellt und sich somit keinem Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich § 47, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück