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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 03.09.2004
Aktenzeichen: 3 BS 167/04
Rechtsgebiete: VwGO, GKG


Vorschriften:

VwGO § 154 Abs. 2
VwGO § 154 Abs. 3
VwGO § 162 Abs. 3
GKG § 13 Abs. 4 Satz 1 lit. a
GKG § 13 Abs. 4 Satz 2 a.F.
GKG § 14 Abs. 1
GKG § 14 Abs. 2 Satz 1
GKG § 20 Abs. 3
GKG § 25 Abs. 2 Satz 1
GKG § 25 Abs. 2 Satz 2
GKG § 72 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 3 BS 167/04

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Besetzung der Stelle eines Leitenden Oberstaatsanwalts bei der Staatsanwaltschaft Leipzig

hier: Beschwerde

hat der 3. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Ullrich, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Drehwald und den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Pastor

am 3. September 2004

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 2. April 2004 - 3 K 199/04 - geändert.

Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die Planstelle der Besoldungsgruppe R 4 BBesO des Leitenden Oberstaatsanwalts bei der Staatsanwaltschaft Leipzig bis zur bestands- oder rechtskräftigen Entscheidung über den Widerspruch des Antragstellers mit dem Beigeladenen zu besetzen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Der Streitwert wird unter Abänderung der Festsetzung im angefochtenen Beschluss für beide Rechtszüge auf jeweils 20.430,48 € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Antragsteller hat in der Beschwerdebegründung Umstände vorgetragen, aus denen sich ergibt, dass die den angefochtenen Beschluss tragenden rechtlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts teilweise unrichtig sind (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO). Der Beschluss erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig.

1. Die vom Antragsgegner erstmals im Beschwerdeverfahren geäußerten Bedenken hinsichtlich des Umfangs des gestellten Antrags teilt der Senat nicht. Denn die mit der einstweiligen Anordnung ausgesprochene Verpflichtung des Antragsgegners, die ausgeschriebene Stelle bis zur bestands- oder rechtskräftigen Entscheidung über den Widerspruch des Antragstellers nicht mit dem Beigeladenen zu besetzen, hindert den Antragsgegner keineswegs daran, eine neue Auswahlentscheidung zu treffen. Da sich der Widerspruch des Antragstellers gegen die zu Gunsten des Beigeladenen getroffene Auswahlentscheidung richtet, beinhaltete eine vom Antragsgegner - aus welchen Gründen auch immer - vorgenommene neue Auswahlentscheidung zugleich eine Abhilfe hinsichtlich des Widerspruchs des Antragstellers, dessen Rechtsschutzbegehren sich mit der dann gegenstandslos gewordenen ursprünglichen und angefochtenen Auswahlentscheidung erledigt hätte. Eine Klarstellung dahingehend, dass dem Antragsgegner im vorliegenden Verfahren nur eine Besetzung der Stelle auf der Grundlage der angefochtenen Auswahlentscheidung vorläufig untersagt wird, hält der Senat daher auch für entbehrlich.

2. Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt, dass sich die Auswahlerwägungen des Antragsgegners zu Gunsten des Beigeladenen als rechtmäßig darstellten und die Auswahlentscheidung auch inhaltlich trügen. Dabei habe sich der Antragsgegner sowohl auf die dienstlichen Beurteilungen, die Verwendungsbreite und die Führungserfahrung der Bewerber gestützt als auch als weiteres eignungsbezogenes Kriterium auf den persönlichen Eindruck abgestellt, den die Bewerber bei einer Anhörung hinterlassen hätten. Die Entscheidungsgrundlage sei vollständig und habe vom Antragsgegner uneingeschränkt verwendet werden dürfen. Der Antragsgegner habe den Antragsteller und den Beigeladenen als gleich geeignet ansehen und daher auch entscheidend auf den persönlichen Eindruck der Bewerber abstellen dürfen. Das durchgeführte Gespräch habe den Leistungsvergleich zwischen den sonstigen Beurteilungsmerkmalen nicht ersetzt sondern ergänzt. Formelle Fehler hinsichtlich des Ablaufs und der Durchführung des Gesprächs lägen nicht vor. Insbesondere sei der Anspruch des Antragstellers auf ein faires Bewerbungsverfahren nicht dadurch verletzt, dass sich das Auswahlgespräch für ihn als Überraschung dargestellt habe. Denn es sei ihm ebenso wie dem Beigeladenen in einer schriftlichen Einladung mitgeteilt worden, dass vor einer Entscheidung in dem Auswahlverfahren beabsichtigt sei, mit allen Bewerbern ein persönliches Gespräch zu führen, ohne dass dessen Inhalt dem Einzelnen mitgeteilt worden sei oder hätte mitgeteilt werden müssen. Der Antragsgegner habe das Ergebnis der Auswahlgespräche unter kurzer Skizzierung der Ausführungen der Bewerber im Aktenvermerk vom 22.11.2003 niedergelegt. Hinsichtlich der Bewertung der Auswahlgespräche verbleibe es bei der originären, durch das Verwaltungsgericht nicht ersetzbaren Beurteilungskompetenz des Dienstherrn. Dem Antragsgegner stehe es in dem von ihm eingehaltenen gesetzlichen Rahmen frei, seinen Vorstellungen hinsichtlich der Art und Weise der Führungsqualitäten Geltung zu verschaffen und durch die Auswahl ihm geeignet erscheinender Bewerber durchzusetzen. Soweit der Antragsteller die Ausführungen im Vermerk des Antragsgegners vom 22.11.2003 hinsichtlich seiner Teamfähigkeit rüge, sei nicht erkennbar, dass diese Ausführungen entscheidungserheblich gewesen seien. Der Vermerk beziehe sich nicht auf generelle Zweifel an der Teamfähigkeit des Antragstellers, sondern werte lediglich vom Antragsteller selbst zugestandene Ausführungen anders als dieser sie verstanden haben wolle.

Der Antragsteller macht mit der Beschwerde geltend, dass der Antragsgegner die Auswahlentscheidung nicht auf die dem Vermerk vom 22.11.2003 zu entnehmenden Einschätzungen habe stützen dürfen. Sein Bewerbungsverfahrensanspruch sei auch dadurch verletzt worden, dass die Fragen und Antworten nicht aktenkundig gemacht worden seien. Ein effektiver Rechtsschutz sei so nicht gewährleistet, da eine gerichtliche Überprüfung der Auswahlentscheidung unmöglich gemacht werde. Dem Antragsteller sei auch keine ausreichende Akteneinsicht in den Besetzungsvorgang gewährt worden, da sich in den vom Antragsgegner überlassenen Unterlagen zahlreiche Auslassungen und Schwärzungen fänden. Der Antragsgegner sei im Gespräch mit dem Antragsteller anders verfahren als mit dem Beigeladenen, denn die im Vermerk vom 28.10.2003 enthaltenen Fragen seien bei ihm variiert worden. Der Beigeladene habe hier einen Wettbewerbsvorteil gehabt, da er bei der Generalstaatsanwaltschaft mit der Dienstaufsicht über die Staatsanwaltschaft Leipzig betraut sei und noch am 27.8.2003 auf eigenen Wunsch an einer vom Antragsteller geleiteten Abteilungsleiterbesprechung in der Staatsanwaltschaft Leipzig teilgenommen habe, so dass er über die Verhältnisse dort informiert gewesen sei. Der Antragsteller halte auch an seiner Auffassung fest, dass das vom Antragsgegner durchgeführte Gespräch ein Audit/Einzel-Assessment gewesen sei. Es habe dazu gedient, allgemeine Führungseigenschaften zu prüfen und gehe daher über ein herkömmliches Vorstellungs-/Auswahlgespräch hinaus. Dieses Verfahren sei vom Antragsgegner aber noch nie angewendet worden und auch in keiner einschlägigen rechtlichen Regelung vorgesehen. Wenn der Antragsgegner dieses Verfahren überhaupt habe anwenden dürfen, so hätte er hierauf besonders hinweisen müssen. Dem Einladungsschreiben sei jedenfalls nicht zu entnehmen gewesen, dass der Antragsteller einer mehrköpfigen Beobachterkommission gegenübersitzen würde, nachdem der Staatssekretär ihn zu einem persönlichen Gespräch eingeladen habe. Den Bewerbern hätte daher zumindest Gelegenheit gegeben werden müssen, sich auf eine derartige Prüfungssituation einstellen zu können.

3. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Zwar ist das von dem Antragsgegner durchgeführte Auswahlgespräch als weiteres sachbezogenes Kriterium bei einer Auswahlentscheidung grundsätzlich zulässig, wenn die Bewertung zweier oder mehrerer Bewerbungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ergibt, dass diese im Wesentlichen gleichwertig sind (a). Die zu Gunsten des Beigeladenen getroffene Auswahlentscheidung erweist sich jedoch als rechtswidrig, weil der Antragsgegner mit der Durchführung des Auswahlgesprächs gegen den Grundsatz der fairen Verfahrensgestaltung verstoßen hat und die Auswahlentscheidung auf der Auswertung dieses Auswahlgesprächs beruht (b).

a) Entgegen der Ansicht des Antragstellers folgt eine Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung jedoch nicht bereits aus dem Umstand, dass der Antragsgegner diese überhaupt auf die Ergebnisse eines Auswahlgesprächs gestützt hat. Der Senat teilt vielmehr ausdrücklich die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Durchführung von Auswahl- oder Vorstellungsgesprächen grundsätzlich zulässig ist und deren Ergebnisse - sind sie nicht wie vorliegend mit einem Verfahrensfehler behaftet - vom Antragsgegner auch als weiteres sachgerechtes (Hilfs-) Kriterium für die Begründung einer Auswahlentscheidung herangezogen werden können (ebenso VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 2.12.1994 - 4 S 2152/94 - zit. nach juris; HessVGH, Beschl. v. 26.10.1993, DVBl. 1994, 593; OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 28.10.1996 - 3 M 89/96 - m.w.N., zit. nach juris), sofern die vorrangig zu berücksichtigenden, unmittelbar leistungsbezogenen (Haupt-)Kriterien keinen Vorsprung eines Bewerbers gegenüber seinen Mitbewerbern ergeben. Einen Hinweis auf die Möglichkeit eines solchen Vorstellungs- oder Auswahlgesprächs bei der Ausschreibung hält der Senat nicht für erforderlich, wenn - woran es im vorliegenden Verfahren indessen fehlt - die Bewerber vor der Durchführung dieses Gesprächs hiervon in angemessener Weise in Kenntnis gesetzt werden.

Der Antragsgegner durfte nach dem aus seiner Sicht ergebnislosen Abschluss der zunächst gemäß Art. 33 Abs. 2 GG, Art. 91 Abs. 2 SächsVerf nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmenden Bewertung der ihm vorliegenden Bewerbungen das Vorstellungs- oder Auswahlgespräch als zulässiges, weiteres (Hilfs-)Kritierium für die Auswahl heranziehen, da ihm bei der Bestimmung weiterer, sachgerechter Kriterien grundsätzlich ein weites Ermessen zusteht (so bereits Beschl. d. Senats v. 11.4.2001, ZBR 2001, 372; BVerwG, Beschl. v. 10.11.1993, DVBl. 1994, 118). Der Senat lässt dabei offen, ob der Antragsgegner zumindest in Bezug auf vergleichbare Besetzungsentscheidungen in Ermangelung ermessensbindender Richtlinien verpflichtet ist, bei der Bestimmung der weiteren Auswahlkriterien eine Verwaltungspraxis herauszubilden, da mit der Entscheidung für die Anwendung eines bestimmten Hilfskriteriums auch das Ergebnis der Auswahlentscheidung vorweggenommen werden kann. So hatte der Antragsgegner im vorliegenden Fall bei seinem ersten Besetzungsvorschlag am 4.9.2003 noch eine Auswahl des Beigeladenen ausgeschlossen, weil dieser im Vergleich zu seinen Mitbewerbern der deutlich lebensjüngste ist, wogegen das - ebenfalls zulässige - Hilfskriterium des Lebensalters der Bewerber bei dem zweiten Besetzungsvorschlag nicht mehr zum Tragen kam, nachdem der Antragsgegner sich für das Heranziehen der Ergebnisse des Auswahlgesprächs entschieden hatte.

Offen bleibt auch, ob mit der Gleichwertigkeit der jeweiligen Bewerbungen die Voraussetzung für die Durchführung der Auswahlgespräche tatsächlich vorgelegen hat. Allerdings ist ein Rückgriff auf Hilfskriterien wie vorliegend das Auswahlgespräch immer erst dann möglich, wenn auch unter Berücksichtigung der Leistungsentwicklung zwischen den Bewerbern ein Gleichstand festzustellen ist (vgl. Beschl. d. Senats v. 11.4.2001, aaO). Dabei vermitteln auch frühere Regelbeurteilungen Erkenntnisse über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung und stellen damit keine bloßen Hilfskriterien dar (ebenso BVerwG, Urt. v. 21.8.2003, BVerwGE 118, 370 [377]). Der Antragsgegner konnte sie bei einer rechtmäßigen Ausübung seines Beurteilungsspielraums daher auch nicht unbeachtet lassen, sondern musste sie in seine Entscheidung einbeziehen und dabei gewichten. Ob dies geschehen ist, lässt sich dem Besetzungsvorgang nicht entnehmen, da dort nur auf die jeweils letzten periodischen Beurteilungen abgestellt und erstmals im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht die Leistungsentwicklung des Beigeladenen und des Antragstellers gewürdigt wird. Der Antragsgegner musste ferner berücksichtigen, dass - wie bereits der Besetzungsvorschlag vom 4.9.2003 zutreffend ausführt - der Antragsteller sich "im Vergleich zu den anderen Kandidaten" aus einem niedrigeren Amt beworben hat. Der Antragsgegner hatte dies bei der Beurteilung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu Gunsten des Beigeladenen zu berücksichtigen, ohne dass damit eine Gewichtung oder gar eine bestimmte Entscheidung vorgegeben wäre.

b) Die Auswahlentscheidung erweist sich aber deshalb als rechtswidrig, weil für die Bewerber nicht erkennbar war, dass sie Auswahlgespräche mit einer aus insgesamt drei Personen bestehenden Kommission führen sollten, deren Ergebnisse über die Besetzung der Stelle entscheiden würden. Mit der Einladung der Bewerber zu einem persönlichen Gespräch mit dem Staatssekretär wurde diesen vielmehr die Anwendung eines anderen Hilfskriteriums als des durchgeführten Auswahlgesprächs vor einer Kommission angekündigt. Das verstößt gegen den Grundsatz der fairen Verfahrensgestaltung.

Der Antragsgegner hatte sich - nachdem er am 24.9.2003 die Stelle noch mit einem dritten Bewerber hatte besetzen wollen und vom Hauptstaatsanwaltsrat am 13.10.2003 die Besetzung mit einem vierten Bewerber vorgeschlagen worden war - Ende Oktober 2003 entschlossen, Auswahlgespräche mit allen fünf Bewerbern durchzuführen. Diesen wurde unter dem 3.11.2003 jeweils ein vom Staatssekretär selbst unterzeichnetes Schreiben mit dem folgenden Wortlaut übersandt:

"vor einer Entscheidung im Auswahlverfahren über die Besetzung der oben bezeich-neten Stelle beabsichtige ich, mit allen Bewerbern ein persönliches Gespräch zu füh-ren. Ich bitte Sie deshalb, mich am Dienstag, dem 11. November 2003, um [...] Uhr in meinem Büro aufzusuchen."

Der Senat ist mit dem Antragsteller der Auffassung, dass dieses Schreiben auf Grund des Gebrauchs der ersten Person und der persönlichen Unterzeichnung durch den Staatssekretär nicht erkennen lässt, dass es sich dabei um eine Ladung zu einem Auswahlgespräch vor einer Kommission handeln sollte, der neben dem Staatssekretär mit der Referatsleiterin I 1 B als Stellvertreterin des Abteilungsleiters I sowie dem Referatsleiter I 1 A im Staatsministerium der Justiz noch zwei Vertreter der zuständigen Fachabteilung angehörten. Der Sinngehalt des Schreibens musste sich dem Antragsteller auch nicht auf andere Weise erschließen oder ihn zu einer Nachfrage veranlassen, da ein Auswahlgespräch bei der Besetzung eines herausgehobenen Dienstpostens vom Antragsgegner vorher unstreitig noch nie durchgeführt worden war. Soweit der Antragsgegner vorgetragen hat, dass dieses Verfahren auch bei einem weiteren Besetzungsvorgang im Dezember 2003 Anwendung gefunden hat, konnte dies dem Antragsteller und den weiteren Bewerbern bei der Ladung im November 2003 schon auf Grund der zeitlichen Abfolge nicht bekannt sein. Der Antragsteller durfte auch deshalb davon ausgehen, dass der Staatssekretär sich selbst einen persönlichen Eindruck von den Bewerbern verschaffen wollte, weil die zu besetzende Stelle mit der Leitung der größten Staatsanwaltschaft im Freistaat Sachsen eine herausgehobene Funktion beinhaltet, und der Persönlichkeit des Amtsinhabers bei der Wahrnehmung dieser Funktion sowohl im Hinblick auf die Akzeptanz von Entscheidungen innerhalb der Behörde als auch der Vermittlung der Arbeit der Behörde nach außen besondere Bedeutung zukommt.

Durfte der Antragsteller demnach annehmen, dass er zu einem persönlichen Gespräch mit dem Staatssekretär geladen war, so stellt es nach Auffassung des Senats einen Verstoß gegen den Grundsatz der fairen Verfahrensgestaltung dar, wenn er demzufolge von der Situation des Auswahlgesprächs vor einer Kommission überrascht wurde, da ein solches Auswahlgespräch gegenüber dem angekündigten persönlichen Gespräch ein aliud darstellt und der Antragsgegner im Ergebnis nicht das Hilfskriterium zur Anwendung gebracht hat, das den Bewerbern schriftlich angekündigt worden war. Der Senat geht davon aus, dass bei der Anwendung des Hilfskriteriums "persönliches Gespräch mit dem Staatssekretär" für die Auswahl eines Bewerbers ein solches vom Staatssekretär auch persönlich mit dem Bewerber geführt werden muss und als weitere Anwesende lediglich ein persönlicher Referent oder Protokollant, nicht jedoch Vertreter der zuständigen Fachabteilung in Betracht kommen. Der persönliche Eindruck, den der Staatssekretär bei solchen Gesprächen gewinnt, trägt dann auch alleine die Auswahlentscheidung. Diese Voraussetzungen werden von den am 11.11.2003 durchgeführten Auswahlgesprächen ersichtlich nicht erfüllt. Dies betrifft neben der Teilnahme der Fachabteilung am Gespräch auch die Entscheidungsfindung, da den Akten nicht zu entnehmen ist, ob der persönliche Eindruck des Staatssekretärs alleine die Auswahlentscheidung begründen sollte oder ob die Kommission, die die Gespräche geführt hat, diese bewertet und damit im Ergebnis die Auswahlentscheidung getroffen hat. Unklar ist im letzteren Fall auch, ob die Mitglieder dieser Kommission ihre Entscheidungen einstimmig treffen mussten, Mehrheitsentscheidungen genügen sollten oder der Staatssekretär sich das Recht der Entscheidung selbst vorbehalten hatte.

Der festgestellte Verstoß gegen den Grundsatz der fairen Verfahrensgestaltung führt vorliegend dazu, dass sich die Auswahlentscheidung insgesamt als rechtsfehlerhaft erweist, weil diese maßgeblich auf den Ergebnissen des Auswahlgesprächs beruht. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller - wäre das angekündigte Hilfskriterium (persönliches Gespräch mit dem Staatssekretär) zur Anwendung gelangt - einen anderen Eindruck hinterlassen hätte und das Auswahlergebnis auf Grund dessen anders ausgefallen wäre. Der Senat weist darauf hin, dass der Einhaltung eines fairen Verfahrens auch deshalb besondere Bedeutung beizumessen ist, weil der Antragsteller zum Schutz seines grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 33 Abs. 2 GG, Art. 91 Abs. 2 SächsVerf ohnehin nur einen Bewerbungsverfahrensanspruch geltend machen kann und damit der Grundrechtsschutz durch das Verfahren gewährleistet werden muss. Dem kann der Antragsgegner daher auch nicht entgegen halten, dass alle Bewerber gleichermaßen mit der Bewältigung der überraschenden Situation konfrontiert waren, und diese auch zusätzliche Rückschlüsse auf die Bewertung der Führungsqualitäten der Bewerber ermöglicht habe. Abgesehen davon, dass der Senat dem Antragsgegner nicht unterstellt, dass er den Antragsteller, den Beigeladenen und die übrigen Bewerber mit der Einladung des Staatssekretärs zu einem persönlichen Gespräch bewusst hat in die Irre führen wollen, können verfahrensfehlerhaft gewonnene Ergebnisse in Bezug auf mehrere Teilnehmer auch dann nicht verwertet werden, wenn diesen jeweils derselbe Mangel zu Grunde gelegen hat (vgl. Beschl. d. Senats v. 15.6.2004 - 3 B 52/03 [Prüfungsrecht]). Der Antragsteller ist mit diesem Verfahrensverstoß in seinen Rechten verletzt, weil er einen Anspruch auf rechtsfehlerfreie Durchführung des Bewerbungsverfahrens hat. Auch ein Anordnungsgrund steht ihm zur Seite, ohne dass dies näherer Ausführungen bedürfte.

Der vorliegende Fall gibt dem Senat ferner Anlass zu den nachfolgenden Bemerkungen:

Eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Protokollierung der Auswahlgespräche hat das Verwaltungsgericht zu Recht abgelehnt. Dabei ist ein Protokoll zunächst lediglich dazu bestimmt, den Nachweis über den äußeren Ablauf des Gesprächs zu erbringen. Da der Antragsgegner gehalten ist, die Bewerber bei der Durchführung der Auswahlgespräche gleich zu behandeln, und es ihm obliegt, ggf. den Nachweis darüber zu erbringen, ob der den Bewerbern zur Verfügung gestellte Zeitrahmen, die Besetzung der Auswahlkommission oder sonstige äußere Bedingungen eine Gleichbehandlung der Bewerber gewährleistet haben, vermag der Senat keine Verpflichtung des Antragsgegners von Rechts wegen zur Anfertigung einer förmlichen Niederschrift zu erkennen.

Soweit der Antragsteller mit der von ihm geltend gemachten Verpflichtung zur "Protokollierung" eine Dokumentation des Inhalts der Gespräche verlangt hat, ist eine solche nach Ansicht des Senats ebenfalls nicht erforderlich (so auch VGH Bad.-Württ. aaO; a.A. HessVGH, aaO; OVG Schleswig-Holstein, aaO). Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Prüfungsrecht (seit Urt. v. 7.5.1971, BVerwGE 38, 105) zu Recht darauf hingewiesen, dass bei mündlichen Prüfungen eine Niederlegung des Gesprächsverlaufs nach Fragen und Antworten - sofern dies nicht die jeweils einschlägige Prüfungsordnung vorsieht - nicht zu fordern ist, da eine solche nicht geeignet ist, den Wert einer Prüfungsleistung nachzubilden (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 6.9.1995, BVerwGE 99, 185 [Prüfungsrecht]). Allerdings sind auch die Prüfer einer mündlichen Prüfung verpflichtet, auf einen Widerspruch des Prüflings hin von diesem vorgebrachten, substantiierten Einwendungen zu begegnen und ihre Entscheidung zu begründen (vgl. BVerwG, aaO). Die Begründung einer Prüfungsentscheidung unterscheidet sich von der Begründung der vorliegend angegriffenen Auswahlentscheidung indessen schon deshalb grundlegend, weil Gegenstand des Auswahlgesprächs unstreitig nicht die Beantwortung von Fachfragen gewesen ist (so aber wohl in den vom HessVGH, aaO, und vom OVG Schleswig-Holstein, aaO, entschiedenen Fällen), sondern die Kommission eine offensichtlich subjektive Wertung zu den Führungseigenschaften der Bewerber abgeben sollte. Der Auswahlentscheidung auf Grund des persönlichen Eindrucks lag insbesondere auch - anders als dies etwa bei einer mündlichen Prüfung mit der Notenskala der Fall ist - kein objektivierbarer Beurteilungsmaßstab zu Grunde, sondern die Entscheidung musste zwischen fünf Bewerbern getroffen werden, die der Antragsgegner als nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung gleich geeignet angesehen hatte. Handelt es sich bei dem Auswahlgespräch aber gerade nicht mehr um die am Prinzip der Bestenauslese orientierte Evaluierung einer Bewerbung, sondern lediglich um ein weiteres, sachbezogenes Kriterium, so führt dies nach Auffassung des Senats auch zu reduzierten Anforderungen an die Pflicht zur Begründung der Entscheidung. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Übertragung eines höheren Dienstpostens oder eine Beförderung, sondern lediglich auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung. Der Antragsgegner ist demnach zwar verpflichtet, die Ergebnisse des Auswahlgesprächs festzuhalten, einer weiteren Begründung subjektiv gewonnener Eindrücke bedarf es dagegen nicht.

Die Bemerkung zu dem Schreiben vom 22.11.2003 an den Hauptstaatsanwaltsrat mit den Ergebnissen des Auswahlgesprächs veranlasst den Senat allerdings zu dem Hinweis, dass eine vom Antragsgegner niedergelegte Begründung für seine auf Grund der Auswahlgespräche getroffene Entscheidung, sofern sie auf äußere Tatsachen Bezug nimmt, auch einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden kann, und eine Auswahlentscheidung, die mit objektiv unzutreffenden Erwägungen begründet worden wäre, sich dann auch als rechtswidrig erwiese. Gleiches gilt für Begründungen, die auf Erkenntnissen beruhen, die offensichtlich nicht in den Auswahlgesprächen gewonnen wurden, wie dies etwa in der Bemerkung vom 22.11.2003 hinsichtlich des Beigeladenen der Fall ist, wenn über zwei Drittel des Textes auf die Bewertung von dessen Leistung als amtierender Leiter der Staatsanwaltschaft Dresden Bezug genommen wird. Diese musste vom Antragsgegner im Rahmen der Beurteilung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung als Hauptkriterien berücksichtigt werden und war daher bereits vor dem Auswahlgespräch bekannt. Dies gilt indessen gleichermaßen für die Leistungen, die der Antragsteller bei der durch ihn versehenen kommissarischen Leitung der Staatsanwaltschaft Leipzig erbracht hat, so dass sein Vortrag, die im Vergleich zum Beigeladenen erheblich längere Zeit der Leitung einer Staatsanwaltschaft sei im Rahmen des Auswahlgesprächs zu berücksichtigen, ebenfalls fehlgeht. Soweit die Bemerkung vom 22.11.2003 "besondere Bedenken" hinsichtlich der "Teamfähigkeit" des Antragstellers äußert, da dieser sich nicht vorstellen könne, bei Auswahl eines anderen Bewerbers mit diesem loyal zusammenzuarbeiten, dürfte diese Bewertung des Auswahlgesprächs dem Vortrag des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren widersprechen, wonach diesem Umstand keine entscheidungserhebliche Bedeutung zugekommen sei. Da sich dieser Satz an zwei vorangegangene, ebenfalls in der Tendenz negative, aber vorsichtig formulierte Bewertungen anschließt, kann die vorgenommene Hervorhebung "besondere Bedenken" nach Auffassung des Senats nur bedeuten, dass der Antragsgegner auf diesen Umstand in entscheidungserheblicher Weise abgestellt hat. Ob die getroffene Auswahlentscheidung unabhängig von dem oben festgestellten Verfahrensmangel auch aus diesem Grunde als rechtswidrig anzusehen ist, kann jedoch dahinstehen.

Ebenfalls offen lässt der Senat, ob der Vortrag des Antragstellers, soweit dieser eine Gleichbehandlung der Bewerber durch den Antragsgegner bei dem Auswahlgespräch gerügt hat, Anlass gibt, an der Wahrung des Grundsatzes der Chancengleichheit zu zweifeln. Dabei ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner ausweislich des Vermerks vom 28.10.2003 bei dem Antragsteller die vorgeschlagenen Fragen "variieren" wollte. Denn es wäre offensichtlich sinnlos, dem Antragsteller die im Fragenkatalog enthaltene Frage 1 zu stellen, mit dem der Antragsgegner in Erfahrung bringen wollte, wie sich die Bewerber bereits über die Staatsanwaltschaft Leipzig informiert hatten. Aus dem Vermerk ergibt sich allerdings nicht, dass dem Antragsgegner bei der Vorbereitung des Auswahlgesprächs bewusst gewesen wäre, dass der Beigeladene ebenfalls aus dienstlichen Gründen bereits über einschlägige Kenntnisse verfügte, wenn sie auch nicht mit denjenigen des Antragstellers zu vergleichen sein dürften. Diese Kenntnisse könnten sich auch im Ergebnis der Auswahlentscheidung niedergeschlagen haben, da die Bemerkung vom 22.11.2003 zu dem Beigeladenen ausführt, dass dieser "konkrete und handfeste Vorstellungen, wie er den Dienstbetrieb organisatorisch gestalten und optimieren will" gehabt habe.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren sowie die Änderung der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren beruhen gemäß § 72 Nr. 1 GKG 2004 auf § 25 Abs. 2 Satz 1 und 2, § 20 Abs. 3, § 14 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1, § 13 Abs. 4 Satz 1 lit. a und Satz 2 GKG a.F.. Danach war die Hälfte des Grundgehaltes der Besoldungsgruppe R 4 mit 13 zu vervielfachen, wobei dieses Grundgehalt bei Eingang des Verfahrens bei dem Verwaltungsgericht 6.286,30 € betragen hat (vgl. Anlage IV zum BBesG [BGBl. 2003 I S. 1809]). Dieser Wert war wegen des vorläufigen Charakters des Verfahrens nochmals zu halbieren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG a.F. i.V.m. § 72 Nr. 1 GKG 2004).

Ende der Entscheidung

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