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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 08.11.2007
Aktenzeichen: 3 BS 291/06
Rechtsgebiete: SpielV


Vorschriften:

SpielV § 6a S. 1 Buchst. a
SpielV § 6a S. 3
1. Spielgeräte ohne Einsatzrückgewähr, bei denen das eingesetzte Geld lediglich abgespielt werden kann, bieten als Gewinn eine nach § 6a Satz 1 Buchst. a SpielV verbotene Berechtigung zum Weiterspielen an, wenn spielzeitverlängernde Punkte gewonnen werden können, die ein theoretisch unbegrenztes Weiterspielen erlauben.

2. Ob solche spielzeitverlängernden Punktegewinne analog § 6a Satz 3 SpielV zumindest dann zulässig sind, wenn sie die Spielzeit nicht weiter verlängern, als dies bei sechs Freispielen der Fall wäre, bleibt offen.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 3 BS 291/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Vollzug der Gewerbeordnung und der Spielverordnung; Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 3. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Ullrich, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Drehwald und den Richter am Sozialgericht Tischer

am 8. November 2007

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 29. September 2006 - 1 K 1111/06 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 24.5.2006 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 9.5.2006 wiederherzustellen, womit dem Antragsteller - unter anderem - bei Anordnung des Sofortvollzugs aufgegeben wurde, das von ihm in einer Gaststätte aufgestellte und betriebene Spielgerät "Invaders" unverzüglich außer Betrieb zu nehmen und binnen einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides aus den Räumen der Gaststätte zu entfernen. Die dagegen vom Antragsteller vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO beschränkt ist, sind nicht geeignet, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in Frage zu stellen.

Aus den vorgetragenen Gründen ergibt sich bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht, dass der Bescheid vom 9.5.2006 rechtswidrig ist und unter Berücksichtigung dessen im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO das private Interesse des Antragstellers, den Vollzug des Bescheides vom 9.5.2006 auszusetzen, das öffentliche Interesse des Antragsgegners überwiegt, diesen Bescheid ungeachtet des eingelegten Rechtsbehelfs sofort zu vollziehen.

Der Antragsteller macht mit seiner Beschwerde geltend, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht der Auffassung, das streitige Spielgerät "Invaders" verstoße gegen § 6a Satz 1 Buchst. a der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit (Spielverordnung - SpielV) i.d.F. der Bekanntmachung vom 27.1.2006 (BGBl. I S. 280). Denn das Spielgerät biete durch die Möglichkeit, im Spielverlauf Punkte zu gewinnen, gerade keine Berechtigung zum Weiterspielen und keine Chancenerhöhung. Vielmehr sei der Spielverlauf so konzipiert, dass kein Gewinn, keine Gewinnberechtigung und auch keine Chancenerhöhung erzielt werden könne. Zudem schränke die neue Spielverordnung die Spielzeit nicht ein. Dementsprechend entscheide nur die Geschicklichkeit und das Glück des Spielers, wie lange das Spiel dauere. Die im Spielverlauf gewonnenen Punkte seien keine Freispiele, sondern Teil des Spiels, das erst dann beendet sei, wenn alle Punkte aufgebraucht seien.

Bereits aus dieser Schilderung des Spielablaufs, die im Einklang mit der erstinstanzlich vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des Antragstellers vom 22.9.2006 steht, wo zusätzlich erläutert wird, dass sich der Spieler durch den Münzeinwurf ein Spiel mit beispielsweise 100 zu verspielenden Punkten erkaufe und im Spielverlauf mit jedem Punkt weitere Spielpunkte gewinnen könne bis alle Punkte aufgebraucht seien, folgt jedoch, dass das Spielgerät - das unstreitig keine Bauartzulassung oder Erlaubnis nach den §§ 4, 5, 13 oder 14 SpielV besitzt - eine nach § 6a Satz 1 Buchst. a SpielV verbotene Berechtigung zum Weiterspielen als Gewinn anbietet.

Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Norm, weil eine Berechtigung zum Weiterspielen nicht nur in Form von Freispielen gewonnen werden kann, für die § 6a Satz 3 SpielV eine Sonderregelung enthält, sondern auch in Form einer bloßen Berechtigung, länger zu spielen. Denn auch auf diese Weise werden geldwerte Vorteile gewonnen, indem Aufwendungen aus dem eigenen Vermögen erspart bleiben, die sonst für die Bezahlung der gewonnenen Spielzeit hätten aufgebracht werden müssen (OVG NRW, Beschl. v. 26.2.2007, NVwZ-RR 2007, 390 f.). Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgerichts inzwischen - allerdings zu Spielgeräten, die aufgrund des Punktegewinns im günstigsten Falle eine nunmehr durch § 6a Satz 2 SpielV ausdrücklich verbotene Einsatzrückgewähr vorsahen - entschieden, dass auch dann ein Gewinn erzielt wird, wenn infolge des Spielverlaufs Punkte gutgeschrieben werden, selbst wenn der Punktegewinn im günstigsten Falle nur alle bisherigen Einsätze auszugleichen geeignet ist (BVerwG, Beschl. v. 30.3.2007 - 6 B 14/07 -, zitiert nach Juris).

Dass der Verordnungsgeber § 6a Satz 1 Buchst. a SpielV eine umfassende Bedeutung geben wollte, zeigt zudem die Gesetzesbegründung, wonach § 6a SpielV nicht nur auf die Übernahme der zur früheren Rechtslage ergangenen Rechtsprechung zu den sog. "Fun-Games" beschränkt sein, sondern zur Vermeidung einer Umgehung des Verbots umfassend jeglichen Gewinn in Form von Berechtigungen zum Weiterspielen verbieten soll, es sei denn, es handelt sich um die in § 6a Satz 3 SpielV unter den dortigen Voraussetzungen maximal erlaubten sechs Freispiele (BR-Drs. 655/05, S. 18/19). Dies entspricht auch der Systematik des § 6a SpielV, der in § 6a Satz 1 Buchst. a SpielV den Gewinn jeglicher Weiterspielberechtigungen verbietet, aber sodann in § 6a Satz 3 SpielV unter den dortigen Voraussetzungen als Ausnahme davon maximal sechs Freispiele als Gewinn zulässt.

Angesichts des somit nach Wortlaut, gesetzgeberischem Willen und Systematik der Norm umfassend gemeinten Verbots von Weiterspielberechtigungen kommt es nicht darauf an, dass der Gesetzestext und die Gesetzesbegründung Weiterspielberechtigungen in Form von Punktegewinnen nicht ausdrücklich erwähnt (a.A. Odenthal, ZfWG 2006, 286 [288]), zumal die Spielverordnung mit dem Verbot der Ausschüttung von Weiterspielberechtigungen keine Punktegewinne als solche verbietet, sondern nur Punktegewinne, die zu einer Weiterspielberechtigung, mithin zu einer Spielzeitverlängerung führen, so dass kein Bedürfnis bestand, Punktegewinne gesondert zu erwähnen.

Ob hingegen spielzeitverlängernde Punktegewinne zumindest dann zulässig sind, wenn sie analog § 6a Satz 3 SpielV ausschließlich in unmittelbarem zeitlichen Anschluss an das entgeltliche Spiel abgespielt werden und die Spielzeit nicht weiter verlängern, als dies bei sechs Freispielen der Fall wäre (so Odenthal, ZfWG 2006, 286 [288]), oder ob selbst diese Analogie ausscheidet, weil durch Punkte vermittelte Spielzeitgewinne anders als Freispiele nicht vom entgeltlichen Spiel trennbar sind und darin gleichsam aufgehen, so dass der Reiz des Spiels statt im Spielvergnügen nur noch im Streben nach Gewinn, d.h. darin liegt, viele Punkte anzusammeln und dadurch die Spieldauer möglichst lange auszudehnen (so OVG NRW, Beschl. v. 26.2.2007, NVwZ-RR 2007, 390 f.), kann hier dahinstehen. Jedenfalls sind spielzeitverlängernde Punktegewinne nach Sinn und Zweck des § 6a Satz 1 Buchst. a SpielV in Fällen wie dem vorliegenden verboten, in denen sie die Gelegenheit bieten, theoretisch - abhängig von der Geschicklichkeit und vom Glück des Spielers, wie der Antragsteller vorgetragen hat - unbegrenzt weiter zu spielen, und so geeignet sind, den Spieltrieb eines Spielers für eine überlange Zeit zu wecken (ebenso HessVGH, Beschl. v. 16.1.2007, GewArch 2007, 290 ff.).

Diese Gefahr der überlangen Bindung an ein Spielgerät hat im Übrigen auch der Verordnungsgeber als einen der Gründe für die Einführung des Verbots der sog. "Fun-Games" angesehen, da die ursprünglich eher "harmlosen" Spielabläufe der "Fun-Games" in der Praxis sehr schnell mit erheblichem Gefährdungspotential missbraucht worden seien, indem unter anderem die Spielsequenzen sehr lang ausgelegt worden seien, so dass der Spieler die "Rückholchance" nicht mehr als "Einsatzrückgewähr", sondern als Gewinn empfunden habe (BR-Drs. 655/05, S. 18). Auch wenn diese Begründung auf Spielgeräte bezogen ist, die im günstigsten Fall eine Rückgewähr des Spieleinsatzes vorsahen, was vorliegend nicht zutrifft, gilt für die Möglichkeit der theoretisch unbegrenzten Spielverlängerung durch Punktegewinne nichts anderes, weil auch die durch das Bespielen des Gerätes fortwährend und unbegrenzt ermöglichte Spielverlängerung als ein Gewinn im Sinne einer geldwerten Ersparnis empfunden werden kann. Dabei beschränkt sich das dadurch bedingte Suchtpotential nicht nur auf die Möglichkeit des unbegrenzten Spielens als solches, sondern animiert auch im Falle eines Misserfolges in besonderem Maße immer wieder zum erneuten Spielen, da stets aufs Neue die - nur theoretisch - unbegrenzte Spieldauer lockt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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