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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 29.11.2007
Aktenzeichen: 3 BS 410/07
Rechtsgebiete: GG, SächsVerf, WRV, EvKirV, SächsLadÖffG


Vorschriften:

GG Art 140
SächsVerf Art. 109 Abs. 4
WRV Art. 139
EvKirV Art. 21
SächsLadÖffG § 8 Abs. 1
SächsLadÖffG § 8 Abs. 2
1. Vorläufiger Rechtsschutz im Normenkontrollverfahren: Teilweise Außervollzugsetzung der Verordnung der Stadt Leipzig über das "Offenhalten von Verkaufsstellen an Sonntagen im Jahr 2007" nach Folgenabwägung.

2. Keine abschließende Klärung der Frage, ob die gemäß § 8 Abs. 1 und Abs. 2 SächsLadÖffG als verkaufsoffen ausweisbaren - jährlich bis zu vier - Sonntage für die Ortsteile gesondert vergeben werden dürfen oder die auf bestimmte Ortsteile beschränkt freigegebenen Sonntage für die Gemeinde in dem betreffenden Jahr vollständig "verbraucht" sind.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 3 BS 410/07

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Gültigkeit einer Rechtsverordnung zum Offenhalten von Verkaufsstellen

hier: Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO

hat der 3. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Ullrich, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Drehwald, die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Vulpius, den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng und den Richter am Oberverwaltungsgericht Heinlein

am 29. November 2007

beschlossen:

Tenor:

Auf den Antrag der Antragstellerin wird § 1 Abschnitt 1 der Verordnung der Stadt Leipzig über das Offenhalten von Verkaufsstellen an Sonntagen und für das verlängerte Offenhalten an Werktagen im Jahr 2007 vom 20. September 2007, veröffentlicht im Leipziger Amtsblatt Nr. 18 vom 29. September 2007, ab Montag, dem 10. Dezember 2007 bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag der Antragstellerin - 3 D 33/07 - außer Vollzug gesetzt.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die in § 1 Abschnitt I enthaltenen Sonntagsregelungen der Verordnung der Stadt Leipzig über das Offenhalten von Verkaufsstellen an Sonntagen und für das verlängerte Offenhalten an Werktagen im Jahr 2007 (im Folgenden: Verordnung) vom 20.9.2007 (Leipziger Amtsblatt Nr. 18 vom 29.9.2007).

In den Sonntagsregelungen ist festgelegt, an welchen Sonntagen im Jahr 2007 auf Grund § 8 Abs. 1 und 2 des Sächsischen Ladenöffnungsgesetzes (SächsLadÖffG) vom 16.3.2007 (GVBl. S. 42) Verkaufsstellen in der Stadt Leipzig abweichend von den Verbotsvorschriften des § 3 Abs. 2 SächsLadÖffG geöffnet haben dürfen. Hiernach werden an den folgenden acht Sonntagen Öffnungen in der Zeit von 12 bis 18 Uhr gestattet: Am 9.9.2007 im Ortsteil Zentrum-Südost; am 7.10.2007 und am 4.11.2007 im Ortsteil Burghausen-Rückmarsdorf; am 2.12.2007 im gesamten Stadtgebiet außer in den Ortsteilen Zentrum-Südost und Grünau-Mitte; am 9.12.2007 und am 16.12.2007 im gesamten Stadtgebiet außer im Ortsteil Burghausen-Rückmarsdorf; am 23.12.2007 im gesamten Stadtgebiet außer in den Ortsteilen Burghausen-Rückmarsdorf und Paunsdorf; am 30.12.2007 im Ortsteil Grünau-Mitte. Des Weiteren ist in der Verordnung festgehalten, dass bereits zuvor an den folgenden zwei Sonntagen des Jahres 2007 Öffnungen gestattet waren: Am 7.1.2007 im Ortsteil Paunsdorf; am 25.3.2007 im Ortsteil Burghausen-Rückmarsdorf.

Am 16.11.2007 hat die Antragstellerin einen Normenkontrollantrag gestellt, mit welchem sie begehrt zu erkennen, dass § 1 Abschnitt 1 der Verordnung unwirksam ist (3 D 33/07). Zugleich hat sie den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Zu ihrer Antragsbefugnis beruft sie sich auf die Vorschriften des Vertrages des Freistaates Sachsen mit den evangelischen Landeskirchen im Freistaat Sachsen und insbesondere auf den dort in Art. 21 gewährleisteten Schutz des Sonntags und der kirchlichen Feiertage.

In der Sache macht die Antragstellerin geltend, dass bereits die Ermächtigungsgrundlage der Verordnung, § 8 Abs. 1 bis 3 SächsLadÖffG, gegen höherrangiges Recht verstoße. Die darin enthaltenen Regelungen, wonach Verkaufsstellen an jährlich bis zu vier Sonn- oder Feiertagen zwischen 12 und 18 Uhr geöffnet sein dürfen und die Gemeinden ermächtigt werden, diese Tage, ausgenommen im Einzelnen bezeichnete Feiertage, zu bestimmen, seien verfassungswidrig. Denn sie enthielten keine Bestimmung bezüglich des Zweckes einer solchen Ausnahme. Sonderöffnungen an Sonntagen seien als intensiver Eingriff in Verfassungsrecht und sonstige Rechtspositionen einzustufen. Dennoch sei es den Kommunen freigestellt, ohne Anlass beliebig von den Ausnahmeregelungen Gebrauch zu machen. Die Verordnung sei auch deshalb rechtswidrig, weil sie ihrerseits gegen die Ermächtigungsgrundlage verstoße. Entgegen der Bestimmung in § 8 Abs. 1 SächsLadÖffG seien nämlich mehr als vier Sonntage als verkaufsoffen freigegeben worden. Aus der in § 8 Abs. 2 Satz 2 SächsLadÖffG enthaltenen Regelung, wonach die Gemeinde bei der Freigabe die Öffnung auf bestimmte Ortsteile beschränken könne, folge nicht, dass sie hiernach berechtigt wäre, die vier verkaufsoffenen Sonn- und Feiertage für einzelne Ortsteile gesondert zu vergeben. Anderenfalls könnte eine Gemeinde, je nach Größe und Untergliederung, beliebig viele Sonn- und Feiertage als verkaufsoffen festlegen. Dass ein "Verbrauch" der möglichen Sonn- und Feiertagsöffnungen durch eine auf bestimmte Ortsteile beschränkte Ausnahmeregelung eintrete, ergebe sich auch aus der Entstehungsgeschichte des Sächsischen Ladenöffnungsgesetzes. Da bis zum 1. Advent in Leipzig bereits fünf Sonntage verkaufsoffen gewesen seien, der 7.1., der 25.3., der 9.9., der 7.10. sowie der 4.11.2007 in den genannten Ortsteilen, seien alle vier Sonntage bereits verbraucht, so dass für Dezember keine Sonderöffnungen mehr in Frage kämen. Zudem verstoße die Verordnung, wonach ein Öffnen in großen Teilen Leipzigs an allen vier Adventssonntagen in Folge möglich sei, unmittelbar gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Sonn- und Feiertagsruhe. Schließlich stehe sie auch im Widerspruch zum Gesetz über Sonn- und Feiertage im Freistaat Sachsen. Die Antragstellerin beantragt,

§ 1 Abschnitt I der Verordnung der Stadt Leipzig über das Offenhalten von Verkaufsstellen an Sonntagen und für das Offenhalten an Werktagen im Jahr 2007 vom 20.9.2007 bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag außer Vollzug zu setzen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie verneint die Antragsbefugnis der Antragstellerin und hält auch in der Sache die Einwände gegen die Rechtmäßigkeit der Verordnung für nicht berechtigt. Weder verstoße die in § 8 SächsLadÖffG enthaltene Ermächtigungsgrundlage gegen höherrangiges Recht noch verstoße die Verordnung ihrerseits gegen die Ermächtigungsgrundlage. Die von der Antragstellerin vor allem bemängelte Regelung zur Freigabe hinsichtlich bestimmter Ortsteile stehe in Einklang mit der Gesetzeslage. Aus § 8 Abs. 1 SächsLadÖffG ergebe sich die Möglichkeit zur Freigabe von vier verkaufsoffenen Sonntagen über das gesamte Jahr. Die Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung durch die Gemeinden sei in § 8 Abs. 2 SächsLadÖffG geregelt. Die Freigabe könne auf bestimmte Ortsteile beschränkt werden. Die in Anspruch genommenen Sonntage gälten nur für diese Ortsteile als verbraucht. Hieraus ergebe sich die Ermächtigung, durch Rechtsverordnung verkaufsoffene Sonntage für einzelne Ortsteile zu bestimmen. In den einzelnen Ortsteilen könnten Ladengeschäfte an maximal vier Sonntagen im Jahr geöffnet sein. Somit werde sichergestellt, dass kein Händler mehr als die erlaubten Sonntage geöffnet haben dürfe. Dieser Rechtsauffassung werde bisher auch durch das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit gefolgt.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in der Normenkontrollsache ist zulässig und hat in dem erkannten Umfang Erfolg.

1. Der Antrag ist zulässig.

Insbesondere kann der Antragstellerin die gemäß § 47 Abs. 2 VwGO erforderliche Antragsbefugnis nicht abgesprochen werden, da sie geltend machen kann, durch die Verordnung oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Zutreffend beruft sie sich hierzu auf Art. 21 des Vertrages des Freistaates Sachsen mit den evangelischen Landeskirchen im Freistaat Sachen (Evangelischer Kirchenvertrag Sachsen) vom 24.3.1994, der durch das Zustimmungsgesetz vom 24.6.1994 (GVBl. S. 1252) den Rang eines Landesgesetzes erlangt hat. Nach Art. 21 Evangelischer Kirchenvertrag Sachsen wird der Schutz des Sonntags und der kirchlichen Feiertage gewährleistet. Damit wird der in Art. 140 GG bzw. 109 Abs. 4 SächsVerf i.V.m. Art. 139 Weimarer Verfassung verbriefte Sonn- und Feiertagsschutz - hiernach bleiben der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt - in den Vertrag aufgenommen, und zwar mit der spezifischen Blickrichtung darauf, dass den Kirchen der Sonntagsschutz und der Schutz ihrer - kirchlichen - Feiertage vom Staate garantiert wird. Es geht eben insoweit maßgeblich um den Schutz der christlich-religiösen Dimension der Sonn- und Feiertage (vgl. OVG MV, Beschl. v. 22.12.1999, NVwZ 2000, 948 zu Art. 7 bzw. Art. 23 der in Landesrecht transformierten Verträge zwischen dem Land Mecklenburg-Vorpommern und dem Heiligen Stuhl bzw. der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs und der Pommerschen Evangelischen Kirche). Hiernach kann es nicht zweifelhaft sein, dass sich die Antragstellerin auf den Sonntagsschutz als subjektives Recht aus dem Kirchenvertrag berufen kann. Da eine Verletzung dieses Rechts durch die mit der Verordnung geschaffenen Sonderöffnungszeiten an Sonntagen auch zumindest möglich ist, ist die Antragsbefugnis der Antragstellerin für den Normenkontrollantrag und dementsprechend auch für das vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu bejahen.

2. Der Antrag ist teilweise begründet.

Gemäß § 47 Abs. 6 VwGO kann das Oberverwaltungsgericht, das gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 24 Abs. 1 SächsJG über die Gültigkeit von im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften entscheidet, die Anwendung der Verordnung der Antragsgegnerin vorübergehend außer Vollzug setzen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Da sich der Wortlaut der Vorschrift an § 32 BVerfGG anlehnt, sind die vom Bundesverfassungsgericht hierzu entwickelten Grundsätze (BVerfG, Beschl. v. 8.11.1985, BVerfGE 71, 158 [161]; BVerfG, Beschl. v. 8.11.1994; BVerfGE 91, 252 [257 f.]; st. Rspr.) auch bei der Anwendung des § 47 Abs. 6 VwGO heranzuziehen. Bei der Prüfung, ob die vorläufige Aussetzung einer bereits in Kraft gesetzten Norm danach dringend geboten ist, muss deshalb ein besonders strenger Maßstab angelegt werden (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 18.12.2000, NVwZ 2001, 827 f.). Danach sind - sofern sich die Hauptsache nicht ausnahmsweise von vornherein als unzulässig oder offensichtlich begründet oder offensichtlich unbegründet erweist - grundsätzlich allein die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Hauptsache aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, dem Normenkontrollantrag aber der Erfolg zu versagen wäre (Senatsbeschl. v. 27.9.2007 - 3 BS 100/07 -).

Auch in dem vorliegenden Verfahren erweist sich der Normenkontrollantrag in der Hauptsache weder von vornherein als unzulässig noch als offensichtlich begründet oder offensichtlich unbegründet. Der Antragstellerin hat beachtliche Gründe aufgezeigt, die gegen die Rechtmäßigkeit der von ihr angegriffenen Verordnung der Stadt Leipzig über das Offenhalten von Verkaufsstellen an Sonntagen und für das verlängerte Offenhalten an Werktagen im Jahr 2007 vom 20.9.2007 sprechen könnten. Sie ergeben sich aus ihrem Einwand, dass nach ihrer Auffassung die in § 8 SächsLadÖffG enthaltene Ermächtigungsgrundlage entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht dahin verstanden werden kann, dass die Gemeinden berechtigt seien, die möglichen vier verkaufsoffenen Sonn- und Feiertage für einzelne Ortsteile gesondert zu vergeben. In § 8 Abs. 1 SächsLadÖffG ist normiert, dass abweichend von § 3 Abs. 2 Verkaufsstellen an jährlich bis zu vier Sonn- oder Feiertagen zwischen 12 und 18 Uhr geöffnet sein dürfen; hiervon ausgenommen sind die in § 8 Abs. 3 SächsLadÖffG bezeichneten Feiertage. Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 SächsLadÖffG werden die Gemeinden ermächtigt, die Tage nach Absatz 1 durch Rechtsverordnung zu bestimmen. In § 8 Abs. 2 Satz 2 SächsLadÖffG ist geregelt, dass bei der Freigabe die Öffnung auf bestimmte Ortsteile und Handelszweige beschränkt werden kann. Aus der Systematik dieses Regelungsgefüges kann man - wie es die Antragstellerin darlegt - folgern, dass zunächst nach § 8 Abs. 2 Satz 1 SächsLadÖffG vier Sonn- und Feiertage pro Jahr und Gemeinde freigegeben werden dürfen und dass diese Freigabe im Ausgangspunkt das gesamte Gemeindegebiet betrifft. Von dieser einmal erfolgten Freigabe für die Gemeinde können dann in einem weiteren Schritt gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 SächsÖffG einzelne oder mehrere Ortsteile wieder ausgenommen werden mit der Folge, dass die Ausnahmegenehmigung an dem betreffenden Sonn- oder Feiertag dann nur noch für einen Teil der Gemeinde gilt und dieser Tag im Übrigen "verbraucht" ist. Aus der Möglichkeit, Ausnahmen auf bestimmte Gebiete zu beschränken, folgt bei einer solchermaßen am Wortlaut der Normen orientierten Betrachtungsweise daher nicht, dass die Gemeinde auf der Grundlage des § 8 Abs. 2 Satz 2 SächsLadÖffG berechtigt wäre, die vier verkaufsoffenen Sonn- und Feiertage für einzelne Ortsteile gesondert zu vergeben. Anderenfalls hätte es die Gemeinde in der Hand, je nach Größe und Untergliederung im Ergebnis weit mehr als nur vier Sonn- und Feiertage als verkaufsoffen auszuweisen, was auch dem Sinn und Zweck der Regelungen zuwider laufen könnte.

Wenn die Antragsgegnerin demgegenüber einwendet, dass die Freigabe auf bestimmte Ortsteile beschränkt werden kann und die in Anspruch genommenen Sonntage nur für diese Ortsteile als verbraucht zu gelten hätten, so wird man diese Betrachtungsweise insbesondere im Falle sehr großer Gemeinden sicherlich nicht als gänzlich fernliegend ansehen können. Für diese Interpretation gibt allerdings die aufgezeigte Gesetzessystematik kaum etwas her. Auch nach den bislang vorgelegten und dem Senat bekannten Materialien lässt sich hierfür wenig Greifbares ableiten. Vielmehr deutet nach den bisherigen Erkenntnissen auch die Entstehungsgeschichte des § 8 SächsLadÖffG darauf hin, dass in dieser streitigen Frage vieles für den Standpunkt der Antragstellerin spricht. In § 1 Abs. 2 Satz 2 des Sächsischen Ladenöffnungsvorschaltgesetzes vom 16.11.2006 (GVBl. S. 497) war ausdrücklich geregelt, dass ein Verbrauch der verkaufsoffenen Sonntage nicht eintritt, wenn die Ladenöffnung in kreisfreien Städten auf bestimmte Stadtbezirke beschränkt wird. Die gleiche Regelung war - als § 8 Abs. 2 Satz 3 - auch in dem Gesetzentwurf der Staatsregierung für das neue Sächsische Ladenöffnungsgesetz (Sächsischer Landtag, Drucksache 4/6839, 27.10.2006) enthalten. Dass der Gesetzgeber es zunächst für erforderlich hielt, eine entsprechende Ausnahme für kreisfreie Städte zu regeln, spricht dafür, dass er im Übrigen davon ausging, dass auch durch die räumlich auf einen Ortsteil begrenzte Freigabe vom Ausgangspunkt her ein Verbrauch dieses Tages für die gesamte Gemeinde eintritt. Diese Sonderregelung für kreisfreie Städte ist indes in das neue Ladenöffnungsgesetz vom 16.3.2007 nicht übernommen worden. Mit einiger Wahrscheinlichkeit deutet dies darauf hin, dass der Gesetzgeber in § 8 SächsLadÖffG nunmehr regeln wollte, dass durch einen auf bestimmte Ortsteile beschränkten Sonntagsverkauf auch in kreisfreien Städten ein Verbrauch der Ausnahmemöglichkeit für das gesamte Stadtgebiet eintritt.

Abschließend lässt sich allerdings diese zwischen den Beteiligten streitige Frage in dem vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht mit der erforderlichen Gewissheit beantworten. Hierzu wäre in der Hauptsache zu prüfen, ob zusätzliche Unterlagen aus dem Gesetzgebungsverfahren vorhanden sind, die weiteren Aufschluss ergeben könnten. In diesem Zusammenhang könnte z. B. auch geklärt werden, ob es zutrifft, dass - wie die Antragstellerin vorträgt - sie es gewesen ist, die mit den Ausführungen des Oberlandeskirchenrates in der Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr am 12.1.2007 darauf hingewirkt hat, dass der zunächst vorgesehene Satz 3 des § 8 Abs. 2 SächsLadÖffG nicht in das Gesetz aufgenommen worden ist, welche Bedeutung der in dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen enthaltenen Begründung zukommt, wonach der Gesetzentwurf weitere Regelungsbedürfnisse enthält, die mit dem Änderungsantrag ausgeräumt werden sollen (Sächsischer Landtag, Anlage 2 Drucksache 4/8088 zu Drucksache 4/6839), und worauf der von der Antragsgegnerin für ihre Interpretation des § 8 Abs. 2 SächsLadÖffG zitierte Standpunkt des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit gestützt ist. Auch die weiteren - insbesondere die gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 8 SächsLadÖffG erhobenen - Einwände der Antragstellerin können in dem hier gegebenen Rahmen des vorläufigen Rechtschutzes nicht abschließend geprüft werden.

Erweist sich nach allem der Ausgang des Normenkontrollverfahrens in der Hauptsache letztlich als offen, ist die Entscheidung über den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nach Maßgabe der Folgenabwägung zu treffen. Die gebotene Abwägung der Folgen, die eintreten würden, wenn die von der Antragstellerin beantragte einstweilige Anordnung nicht erginge, die Hauptsache aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn sie erlassen würde, dem Normenkontrollantrag aber der Erfolg zu versagen wäre, führt den Senat zu der Einschätzung, dass die von der Antragstellerin in der beanstandeten Verordnung enthaltenen Sonntagregelungen nicht in vollem Umfang, sondern ab dem 10.12.2007 außer Vollzug zu setzen sind. Erginge die einstweilige Anordnung nicht, hätte die Hauptsache aber Erfolg, so träte die Situation ein, dass der gesetzlich vorgesehene Sonntagsschutz praktisch für sämtliche Sonntage im Dezember 2007 zu Unrecht eingeschränkt bliebe. Denn ist hiernach davon auszugehen, dass in Leipzig zuvor bereits fünf Sonntage des laufenden Jahres verkaufsoffen gewesen und insoweit vollständig "verbraucht" sind, darf nunmehr kein weiterer Sonntag freigegeben werden. Der rechtlich fest verankerte Sonntagsschutz, der dazu dient, eine Atmosphäre zu schaffen, in welcher nicht allein religiöse Betätigung ermöglicht, sondern auch ein Umfeld gewährleistet werden soll, das dem Gottesdienst und der sonstigen seelischen Erhebung günstig ist, und für ein Klima der äußeren und inneren Ruhe - frei von Hetze und Geschäftigkeit - sorgen soll, liefe somit für einen vollständigen Monat in einem bedeutenden Umfang leer. Es kommt hinzu, dass die Verordnung bereits zum Ende des Jahres gegenstandslos wird, was bedeuten würde, dass sich aus einer nachträglich festgestellten Rechtswidrigkeit der Verordnung keine Konsequenzen ergäben. Würde die einstweilige Anordnung erlassen, wäre dem Normenkontrollantrag aber der Erfolg zu versagen, so träte der Nachteil ein, dass es den Ladenbetrieben an den vorgesehenen Öffnungszeiten zu Unrecht versagt worden wäre, mit Kundschaft in Kontakt zu treten, Waren zu verkaufen und den Umsatz zu fördern, was insoweit auch vom Schutzbereich des Art. 12 und 14 GG bzw. Art. 28 und 31 SächsVerf umfasst ist. In die Betrachtung wird man zudem einzustellen haben, dass dann möglichweise auch Kundeninteressen nachteilig betroffen wären. Dem Senat erscheint es in Anbetracht dieser Ausgangslage mit den bezeichneten widerstreitenden Interessen angemessen, einen sachgerechten Ausgleich herbeizuführen, der darin liegt, dass § 1 Abschnitt I der Verordnung ab dem 10.12.2007 vorläufig außer Vollzug gesetzt wird mit der Folge, dass die beiden ersten Sonntage im Dezember 2007 wie nach der Verordnung vorgesehen verkaufsoffen bleiben, die folgenden Sonntage aber nicht. Angesichts dessen, dass die Antragstellerin um Rechtsschutz gegen die bereits am 29.9.2007 veröffentlichte Verordnung erst Mitte November 2007 nachgesucht hat, berücksichtigt der Senat hierbei auch, dass es den Ladeninhabern in hinreichendem Maße zu ermöglichen ist, sich auf die veränderte Situation rechtzeitig einzustellen und entsprechend umzudisponieren hinsichtlich des Personals, der Waren, der Werbung und aller anderen in diesem Zusammenhang bedeutsamen Vorkehrungen. Wegen des 2.12.2007 ist auch in Rechnung zu stellen, dass insoweit möglicherweise deshalb kein "Verbrauch" eingetreten sein könnte, weil die Sonntage 7.1. und 25.3.2007 noch unter der Geltung des erst am 1.4.2007 außer Kraft getretenen Ladenöffnungsvorschaltgesetzes als verkaufsoffen ausgewiesen waren, in welchem - wie ausgeführt - geregelt war, dass ein Verbrauch der verkaufsoffenen Sonntage nicht eintritt, wenn die Ladenöffnung in kreisfreien Städten auf bestimmte Stadtbezirke beschränkt wird. Dürfte man diese beiden Sonntage nicht mitzählen, so wären erst die drei Sonntage 9.9.2007, 7.10.2007 und 4.11.2007 als verbraucht anzusehen mit der Folge, dass der 2.12.2007 als vierter Sonntag noch als verkaufsoffen bestimmt werden konnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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