Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 23.11.2006
Aktenzeichen: 3 BS 49/06
Rechtsgebiete: FeV, StVG


Vorschriften:

FeV § 28
FeV § 46 Abs. 5
StVG § 4 Abs. 7
Bei einer Entziehung einer Fahrerlaubnis eines EU-Mitgliedsstaates auf der Grundlage des Punktesystems nach § 4 StVG kann die Fahrerlaubnisbehörde auch Punkte berücksichtigen, die auf Verkehrsverstößen beruhen, die vor der Umwandlung einer deutschen Fahrerlaubnis in eine Fahrerlaubnis eines EU-Mitgliedsstaates begangen wurden. Die Umwandlung der Fahrerlaubnis führt nicht zum Erköschen des Punktestandes.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 3 BS 49/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Entziehung der Fahrerlaubnis; Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 3. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Ullrich, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Drehwald und die Richterin am Verwaltungsgericht Gellner

am 23. November 2006

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 12. Januar 2006 - 14 K 2542/05 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 8.750,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

In Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist das Oberverwaltungsgericht darauf beschränkt, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts anhand derjenigen Gründe nachzuprüfen, die der Beschwerdeführer innerhalb der einmonatigen Begründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO darlegt. Dabei können nur Gründe berücksichtigt werden, deren Vortrag den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügt. Nach dieser Vorschrift muss die Beschwerdebegründung die Gründe darlegen, aus denen die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit dieser Entscheidung auseinander setzen. Dies bedeutet, dass die Beschwerdebegründung auf die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts eingehen und aufzeigen muss, weshalb sie der Beschwerdeführer nicht für tragfähig hält.

Dem Antragsteller wurde am 5.11.2002 im Inland eine Fahrerlaubnis erteilt, die er am 3.1.2005 in eine tschechische Fahrerlaubnis umwandeln ließ. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 30.5.2005 ordnete die Antragsgegnerin die Teilnahme an einem Aufbauseminar an; der Anordnung lagen insgesamt sieben Verkehrsverstöße zugrunde, von denen sechs vor der Umwandlung der deutschen in eine tschechische Fahrerlaubnis begangen worden waren. Der Antragsteller nahm nicht an einem Aufbauseminar teil, woraufhin die Antragsgegnerin ihm mit Bescheid vom 26.10.2005 die Fahrerlaubnis entzog und ihm das Recht aberkannte, von ausländischen Fahrerlaubnissen Gebrauch zu machen. Sein hiergegen gerichteter Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz blieb vor dem Verwaltungsgericht ohne Erfolg.

Der Antragsteller führt zur Begründung seiner Beschwerde aus, die verwaltungsgerichtliche Entscheidung stehe nicht mit dem Gemeinschaftsrecht im Einklang. Die unbedingte Anerkennung der tschechischen Fahrerlaubnis werde unterlaufen, wenn vor ihrer Erteilung liegende Ereignisse Berücksichtigung fänden wie hier die Eintragungen im Bundeszentralregister und die Anwendung des Punktesystems. Die nach Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis eingetragenen Punkte rechtfertigten die Anordnung eines Aufbauseminars nicht, weswegen auch die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtswidrig sei. Dass er seine deutsche Fahrerlaubnis in eine tschechische getauscht habe, ändere daran nichts, da die Umstände der Fahrerlaubnisausstellung unerheblich seien.

Hiermit hat der Antragsteller keine Gesichtspunkte vorgetragen, die die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung in Frage stellen.

Grundsätzlich sind nach Art. 1 Abs. 2 Richtlinie 91/439/EWG v. 29.7.1991 die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine gegenseitig anzuerkennen. Hintergrund der Regelung ist neben der Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr die Erleichterung der Freizügigkeit der EU-Bürger. Im Rahmen der Erteilung einer Fahrerlaubnis ist es die Aufgabe des ausstellenden Mitgliedsstaates zu prüfen, ob der Betreffende die Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis erfüllt. Dies gilt sowohl für die theoretischen wie praktischen Kenntnisse über das Führen eines Fahrzeuges als auch für die gesundheitlichen Voraussetzungen. Kommt der ausstellende Mitgliedsstaat bei dieser Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen erfüllt werden, erteilt er die Fahrerlaubnis. Aus der Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung folgt, dass die übrigen Mitgliedstaaten dieses Prüfungsergebnis nicht in Frage stellen und selbst eine erneute Prüfung vornehmen können. In seiner Entscheidung vom 29.4.2004 ist der Europäische Gerichtshof (C 476/01 - Kapper - DAR 2004, 333) daher zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Mitgliedsstaat nicht zu überprüfen hat, ob die Erteilung der Fahrerlaubnis im Ausstellungsstaat im Einklang mit der Wohnsitzvoraussetzung stand und keine Maßnahmen gegenüber dem Inhaber einer Fahrerlaubnis ergreifen kann, bei dem sich nachträglich herausstellt, dass die Voraussetzungen durch ihn nicht erfüllt wurden. Auch dies ist alleinige Aufgabe des Ausstellungsstaates. Weiterhin darf ein Mitgliedsstaat keine erneute Überprüfung der Fahreignung des Inhabers einer Fahrerlaubnis auf Umstände stützen, die zum Entzug der Fahrerlaubnis im Mitgliedstaat geführt hatten und damit vor der späteren Erteilung einer Fahrerlaubnis im Ausstellungsstaat lagen, auch wenn nationale Vorschriften eine entsprechende Prüfung vorschreiben (vgl. EuGH, Beschl. v. 6.4.2006 C 227/05 - Halbritter - DAR 2006, 375). Die Einhaltung seiner nationalen Vorschriften kann der Mitgliedsstaat nicht verlangen, da dies dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung zuwiderlaufen würde.

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass dem Antragsteller nach 4 Abs. 7 StVG die Fahrerlaubnis entzogen werden konnte und damit nach § 28 Abs. 1 Satz 3 FeV, § 46 Abs. 5 Satz 2 FeV das Recht, ein Fahrzeug im Inland zu führen, erlischt. Nach dieser Regelung ist die Fahrerlaubnis dann zu entziehen, wenn der Inhaber einer Fahrerlaubnis einer zuvor angeordneten Teilnahme an einem Aufbauseminar nicht innerhalb der hierfür gesetzten Frist nachkommt. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 30.5.2005 ordnete der Antragsgegner die Teilnahme an einem Aufbauseminar an und setzte die Frist zur Vorlage einer Teilnahmebescheinigung auf den 30.8.2005 fest. Dieser Anordnung kam der Antragsteller nicht nach. Die Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis lagen damit nach nationalem Recht vor.

Die gemeinschaftsrechtlichen Regelungen stehen dem nicht entgegen. Zwar ist der Antragsteller Inhaber einer tschechischen Fahrerlaubnis, diese wurde ihm in der tschechischen Republik aber nicht nach Überprüfung seiner Fahreignung neu erteilt. Vielmehr hat der Antragsteller seine deutsche Fahrerlaubnis unter Nutzung des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung in eine tschechische Fahrerlaubnis umgetauscht. Nach den oben dargestellten gemeinschaftsrechtlichen Regelungen konnte die zuständige Behörde in Tschechien die Fahreignung des Antragstellers nicht in eigener Zuständigkeit prüfen, sondern musste die deutsche Fahrerlaubnis, und damit das Ergebnis einer entsprechenden Prüfung im Inland, anerkennen. Stützt die jetzt zuständige deutsche Behörde eine Maßnahme nach der Fahrerlaubnisverordnung auf Umstände, die zeitlich vor der Umwandlung einer deutschen in eine tschechische Fahrerlaubnis liegen, so stellt sie damit gerade nicht eine Prüfung der tschechischen Behörden, ob der Antragsteller die Voraussetzungen zur Erteilung einer Fahrerlaubnis erfüllt, in Frage, da eine solche Überprüfung in Tschechien gar nicht stattgefunden hat. Eine Aushöhlung des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung ist hier nicht zu befürchten, weswegen entgegen der Ansicht des Antragstellers die Umstände der Ausstellung der Fahrerlaubnis in einem anderen Mitgliedstaat durchaus relevant sind. Anders als in den bisherigen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes greift der Antragsgegner auch nicht auf Umstände zurück, die zuvor im Inland zu einer Entziehung der Fahrerlaubnis geführt hatten, da der Antragsteller im Besitz einer deutschen Fahrerlaubnis war und diese lediglich in eine tschechische umwandeln ließ. Auch verlangt der Antragsgegner nicht die Einhaltung nationaler Vorschriften bei der Erteilung einer Fahrerlaubnis. Die Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis oder die entsprechende Umwandlung werden durch den Antragsgegner nicht in Frage gestellt, vielmehr zieht der Antragsgegner die Konsequenz aus dem bisherigen Verkehrsverhalten des Antragstellers im Inland, das in erster Linie durch deutliches Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit geprägt war. Dem stehen gemeinschaftsrechtliche Regelungen nicht entgegen, insbesondere ergibt sich aus ihnen nicht, dass Eintragungen in einem Verkehrsregister durch die Umwandlung einer Fahrerlaubnis zum Erlöschen kommen sollen oder auf diese durch die Umwandlung nicht mehr zurückgegriffen werden kann. Soweit der Antragsteller vorträgt, die tschechische Fahrerlaubnis entstehe so mit einer Hypothek, ist anzumerken, dass die mit der Hypothek des durch Verkehrverstöße erreichten Punktestandes belastete deutsche Fahrerlaubnis in eine tschechische Fahrerlaubnis einschließlich des sie belastenden Punktestandes umgewandelt wurde. Die vom Antragsteller so bezeichnete "Hypothek" ist damit nicht neu entstanden, sondern wird lediglich fortgesetzt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 KGK).

Ende der Entscheidung

Zurück