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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 15.05.2009
Aktenzeichen: 3 D 124/08
Rechtsgebiete: TierschG, VwGO


Vorschriften:

TierschG § 16a S. 2 Nr. 2
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
VwGO § 80 Abs. 4
VwGO § 80 Abs. 6
VwGO § 161 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 3 D 124/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Leistungsbescheids; Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hier: Beschwerde gegen die Nichtbewilligung von Prozesskostenhilfe

hat der 3. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Ullrich, den Richter am Verwaltungsgericht Jenkis und den Richter am Oberverwaltungsgericht Heinlein

am 15. Mai 2009

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der die Bewilligung von Prozesskostenhilfe versagende Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 16. September 2008 - 6 L 378/08 - geändert.

Dem Antragsteller wird für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Prozesskostenhilfe unter Beordnung von Rechtsanwalt , bewilligt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Nach § 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen haben bei dem Antragsteller vorgelegen, als er wegen des Leistungsbescheids vom 28.4.2006 den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt und zugleich - unter Vorlage der erforderlichen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt hat.

Mit dem - am 17.6.2008 zugestellten - Leistungsbescheid des Rechtsvorgängers des Antragsgegners (vgl. § 2 Abs. 1, § 3 Nr. 3 Buchst. a, § 4 Abs. 1 des Gesetzes zur Neugliederung des Gebietes der Landkreise des Freistaates Sachsen v. 29.1.2008, GVBl. S. 102) ist der Antragsteller wegen der tierschutzgerechten Unterbringung und Versorgung seiner ihm fortgenommenen Tiere zur Zahlung von 14.287,37 Euro aufgefordert worden. Im Zuge des hiergegen gerichteten Widerspruchs, der mit Schreiben vom 25.6.2008 bei dem Regierungspräsidium Dresden erhoben wurde, hat der Antragsteller unter Hinweis auf § 80 Abs. 4 VwGO beantragt, innerhalb von einer Woche die Vollziehung des Leistungsbescheids auszusetzen. Mit Schreiben vom 27.6.2008 hat der Antragsteller auch unmittelbar bei dem Antragsgegner unter Fristsetzung die Aussetzung der Vollziehung beantragt. Der danach am 25.7.2008 bei dem Verwaltungsgericht gestellte Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes war nicht mutwillig und hat im Sinne von § 114 ZPO hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten.

Zum einen hat der Antragsteller in dem Eilrechtsschutzantrag ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Leistungsbescheids vom 28.4.2008 und damit erhebliche Erfolgsaussichten des Widerspruchs dargetan. Bereits im Widerspruchsschreiben ist hierzu ausgeführt worden, dass es sich bei den mit dem Bescheid geltend gemachten Kosten um Gerichtskosten nach Nr. 9009 des Kostenverzeichnisses zum GKG (Auslagen für Verwahrung und Fütterung von Tieren) handele, die erst nach der Rechtskraft des Strafurteils des Amtsgerichts Görlitz vom 11.2.2008 vom Antragsteller - und zwar durch die Staatsanwaltschaft - gefordert werden könnten; eine Rechtsgrundlage für den Bescheid sei deshalb nicht ersichtlich. Hierfür sprach, dass die Tiere mit Bußgeldbescheid vom 14.2.2007, mit welchem gegen den Antragsteller ein Bußgeld wegen Zuwiderhandlung gegen eine Anordnung nach § 16 a Satz 2 Nr. 3 TierSchG (Untersagen des Haltens von Tieren durch Bescheid vom 15.7.2004) verhängt worden ist, als Nebenfolge der Ordnungswidrigkeit eingezogen und in diesem Zusammenhang aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Löbau vom 1.3.2007 beschlagnahmt worden waren (und im April 2007 veräußert wurden). Mit dem Urteil des Amtsgerichts Görlitz vom 11.2.2008 ist der Bußgeldbescheid in der Sache bestätigt worden, jedoch stand die Entscheidung über die hiergegen eingelegten Berufungen durch das Landgericht Görlitz noch aus. Den Standpunkt, dass es sich bei den mit dem Leistungsbescheid geforderten Kosten um Kosten eines Strafverfahrens handelt, die nach der Rechtskraft des Strafurteils (eingetreten am 21.10.2008) durch die Staatsanwaltschaft bzw. die Landesjustizkasse beizutreiben sind, hat im weiteren Verlauf schließlich auch der Antragsgegner eingenommen und den Leistungsbescheid mit Bescheid vom 15.1.2009 als rechtswidrig zurückgenommen.

Des Weiteren hatte der Antragsteller jedenfalls gemessen an den Anforderungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - hinreichend Anlass, vorläufigen Rechtsschutz zu beantragen. In dem Leistungsbescheid vom 24.4.2008 ist § 16 a TierSchG als Rechtsgrundlage angeführt. Nach § 16 a Satz 2 Nr. 2 TierSchG kann die Behörde dem Halter ein Tier fortnehmen und so lange "auf dessen Kosten" anderweitig pfleglich unterbringen, bis eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Haltung des Tieres durch den Halter sichergestellt ist oder - wenn dies nicht sichergestellt ist - bis die Tiere veräußert werden. In der Rechtsprechung etwa des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Beschl. v. 9.6.2005, NVwZ-RR 2006, 305) wird - worauf der Antragsteller in der Antragsschrift zutreffend hingewiesen hat - die Auffassung vertreten, dass Kosten, die aufgrund dieser Maßnahme dem Tierhalter in Rechnung zu stellen sind, Kosten im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO sind (vgl. auch Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., 2007, § 80 Rn. 62). Geht es um die Anforderung von Kosten im Sinne dieser Vorschrift, entfällt die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs mit der Folge, dass vorläufiger Rechtsschutz nur über § 80 Abs. 5 VwGO durch die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung erwirkt werden kann, wobei gemäß § 80 Abs. 6 VwGO ein solcher Eilrechtsschutzantrag nur zulässig ist, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hat. Einen solchen Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 4 VwG0 hat der Antragsteller mit den Schreiben vom 25. und 27.6.2008 gestellt. Nachdem der Antragsgegner über den Aussetzungsantrag nach einem Monat noch nicht entschieden hatte, konnte er gerichtlichen Rechtsschutz am 25.7.2008 auch ohne die vorherige Ablehnung der Vollzugsaussetzung durch die Behörde beantragen. Nach § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auch ohne die vorherige Ablehnung des Aussetzungsantrags zulässig, wenn die Behörde hierüber ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat. Zur Angemessenheit einer solchen Frist wird als Faustformel verschiedentlich von einem Monat ausgegangen (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 80 Rn. 186), so dass der Antragsteller sich hierauf berufen konnte. Darüber hinaus hat er in dem Schreiben vom 27.6.2008 darauf hingewiesen, dass er von einer drohenden Zwangsvollstreckung ausgehe, wenn hinsichtlich des Aussetzungsantrags keine Reaktion erfolge. Auch von daher konnte er eine Reaktion von Seiten des Antragsgegners - und sei es auch nur in Form einer Zwischennachricht - jedenfalls binnen eines Monats erwarten.

Dem Antragsteller kann auch nicht entgegen gehalten werden, dass die Tiere - wie ausgeführt - ihm nicht auf der Grundlage des § 16 a Nr. 2 TierSchG fortgenommen worden sind und die Kosten für ihre Unterbringung und Versorgung von ihm demgemäß auch nicht durch Leistungsbescheid auf der Grundlage dieser Vorschrift sofort vollziehbar angefordert werden konnten. Entscheidend ist allein, dass der Antragsgegner den Leistungsbescheid auf diese Vorschrift gestützt und - trotz der in die richtige Richtung weisenden Kritik, die der Antragsteller hieran im Widerspruchsschreiben geübt hat - zunächst weiterhin von der Rechtmäßigkeit dieses Bescheids ausgegangen war.

Hatte der Antragsteller nach allem berechtigten Anlass, den Eilrechtsschutzantrag bei dem Verwaltungsgericht zu stellen, kann ihm insoweit der Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht abgesprochen werden. Allerdings spricht vieles dafür, dass das Rechtsschutzbedürfnis für diesen Antrag entfallen war, als der Antragsgegner in der Antragserwiderung vom 13.8.2008 mitgeteilt hat, dass er den Leistungsbescheid nicht für sofortvollziehbar erachte und davon ausgehe, dass der dagegen gerichtete Widerspruch des Antragstellers aufschiebende Wirkung entfalte. Hiernach hätte es nahe gelegen, den Eilantrag für erledigt zu erklären, womit der Antragsteller es hätte vermeiden können, dass das Verwaltungsgericht diesen Antrag mit dem Beschluss vom 16.9.2008 - 6 L 378/08 - abgelehnt hat. Wenn der Antragsteller demgegenüber an dem Antrag festgehalten hat, so hatte dies gleichwohl keinen Einfluss auf das Fortbestehen seines Anspruchs auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Denn durch die Fortsetzung des Verfahrens und den Beschluss vom 16.9.2008 sind keine weiteren Kosten als die bis dahin bereits begründeten Gerichtskosten (1,5 Verfahrensgebühr nach Nr. 5210 des Kostenverzeichnisses zum GKG) und Rechtsanwaltsgebühren (1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG zzgl. Auslagenpauschale und Umsatzsteuer) entstanden. Hätte der Antragsteller das Verfahren für erledigt erklärt (und der Antragsgegner sich dem angeschlossen), so wäre eine Ermäßigung des Satzes der gerichtlichen Verfahrensgebühr von 1,5 auf 0,5 nicht eingetreten. Im Falle der Beendigung des Verfahrens durch Erledigungserklärungen nach § 161 Abs. 2 VwGO ermäßigt sich diese Gebühr nur dann in diesem Umfang, wenn keine Entscheidung über die Kosten ergeht oder die Entscheidung einer zuvor mitgeteilten Einigung der Beteiligten über die Kostentragung oder der Kostenübernahmeerklärung eines Beteiligten folgt (Nr. 4 zu Nr. 5211 des Kostenverzeichnisses). Dies wäre hier nicht in Betracht gekommen, vielmehr wäre im Falle übereinstimmender Erledigungserklärungen gemäß § 161 Abs. 2 VwGO eine Entscheidung über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen zu treffen gewesen.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet und Gerichtskosten nach § 3 Abs. 2 GKG i. V. m. Ziffer 5502 des Kostenverzeichnisses nicht erhoben werden. Eine Streitwertfestsetzung ist daher ebenfalls entbehrlich.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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