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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 18.01.2006
Aktenzeichen: 3 E 259/05
Rechtsgebiete: BGB, SächsMG
Vorschriften:
BGB § 11 | |
SächsMG § 25 |
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss
Az.: 3 E 259/05
In der Verwaltungsrechtssache
wegen Melderechts
hier: Beschwerde gegen die Nichtbewilligung von Prozesskostenhilfe
hat der 3. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Ullrich, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Drehwald und die Richterin am Verwaltungsgericht Gellner
am 18. Januar 2006
beschlossen:
Tenor:
Dem Kläger wird für das Verfahren in der 1. Instanz Prozesskostenhilfe bewilligt.
Gründe:
Die Beschwerde hat Erfolg. Dem Kläger ist nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO Prozesskostenhilfe zu bewilligen, da die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen sind (1.) und er die Kosten der Prozessführung nicht aus eigenen Mitteln bestreiten kann (2.).
1. Nach der Klarstellung, dass die Klage im Namen des minderjährigen D. J. Z. erhoben wurde, ist dieser klagebefugt, da er die Fortschreibung des Melderegisters für sich begehrt.
Strittig ist hier der Wohnsitz des Klägers ab dem 28.10.2004. Der Kläger ist minderjährig. Zum 28.10.2004 lebten seine nicht geschiedenen Eltern, die die gemeinsame Personensorge inne hatten, getrennt.
Nach § 25 Abs. 1 Satz SächsMG ist das Melderegister fortzuschreiben, wenn es unrichtig oder unvollständig ist. Hierbei vollzieht das Melderecht familienrechtliche Entscheidungen nach (vgl. OVG MV, Beschl. v. 25.8.2003 - 1 L 160/03 -). Der Wohnsitz von minderjährigen Kindern besteht grundsätzlich bei ihren Eltern, sog. abgeleiteter Wohnsitz nach § 11 BGB. Dies entspricht dem Grundgedanken, dass der Hauptwohnsitz sich dort befindet, wo auch der Lebensmittelpunkt ist; für minderjährige Kinder ist dies in der Regel am Wohnsitz der Eltern. Bei einer dauerhaften Trennung leitet sich der Wohnsitz nach § 11 Satz 1 Halbsatz 2 BGB nach dem personensorgeberechtigten Elternteil ab. Üben die Eltern die Personensorge gemeinsam aus, besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein abgeleiteter Doppelwohnsitz bei beiden Elternteilen (vgl. BGH, Beschl. v. 7.7.1967, BGHZ 48, 228 [237]; BGH, Beschl. v. 12.3.1997, XII ARZ 6/97 zitiert nach juris). Das Sächsische Meldegesetz enthält keine Regelung zum Wohnsitz eines Minderjährigen, wenn dessen Eltern im Fall der Trennung beide personensorgeberechtigt sind. Zwar ist nach § 12 Abs. 2 Satz 3 SächsMG die Hauptwohnung eines Minderjährigen die vorwiegend benutzte Wohnung des Personensorgeberechtigten. Diese Regelung steht jedoch im Zusammenhang mit der Abgrenzung von Haupt- und Nebenwohnung. Die Regelung wurde mit Änderungsgesetz vom 11.3.1994 eingeführt und dient ausweislich der Gesetzesbegründung (BR-Drs. 3/92, 24/25) der Regelung des Wohnsitzes für Minderjährige, die auswärtig untergebracht sind wie beispielsweise Internatsschüler. Zu der Frage, bei welchem sorgeberechtigten Elternteil das minderjährige Kind seinen Wohnsitz hat, wenn die Eltern dauerhaft getrennt leben, trifft die Regelung also keine Aussage (a. A. Heilmann, Melde-, Pass- und Ausweisrecht Sachsen, § 12 MRRG RdNr. 2).
Die familienrechtliche Entscheidung zum abgeleiteten Doppelwohnsitz würde in der Konsequenz zu zwei unterschiedlichen Hauptwohnsitzen der Kinder führen. Insgesamt verfolgt das Melderecht jedoch die Intention, eine eindeutige Festlegung von Haupt- und Nebenwohnsitz - bei nur einem Hauptwohnsitz - zu erreichen, da sich an den Wohnsitz Behördenzuständigkeiten sowie Rechte und Pflichten der Einwohner knüpfen (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.10.1991, BVerwGE 89, 110). Dies ist nicht vereinbar mit zwei Hauptwohnsitzen aufgrund des familienrechtlich abgeleiteten Doppelwohnsitzes. Folgt man daher dem Grundgedanken des Melderechts, dass sich der Hauptwohnsitz dort befindet, wo der Betreffende sich überwiegend aufhält und seinen Lebensmittelpunkt hat, ist der Hauptwohnsitz des minderjährigen Kindes dort anzunehmen, wo dieses sich hauptsächlich aufhält. Um der familienrechtlichen Entscheidung des abgeleiteten Doppelwohnsitzes Rechnung zu tragen, ist bei dem anderen personensorgeberechtigten Elternteil ein Nebenwohnsitz anzunehmen.
Wo sich der Kläger seit dem 28.10.2004 hauptsächlich aufgehalten hat, ist unklar. Er selbst trägt vor, er habe sich in C. bei seinem Vater aufgehalten und sei von der Großmutter betreut worden und später in C. in den Kindergarten gegangen. Nach Angabe der Gemeinde N. war er jedoch bei seiner Mutter in N. gemeldet, bei der Anmeldung dort selbst zugegen und in der Gemeinde auch für den Kindergarten angemeldet. Insoweit sind die Erfolgsaussichten der Klage offen, da im Rahmen einer Beweisaufnahme zu klären sein wird, wo sich der Kläger im streitigen Zeitraum tatsächlich überwiegend aufgehalten hat.
2. Der Kläger kann die Kosten der Prozessführung aus eigenen Mitteln nicht aufbringen. Er selbst hat ausweislich des Bescheides der ARGE-SGB2 C. vom 19.12.2005 nur ein Einkommen von 199,00 €, was unter dem nach § 166 VwGO i.V.m. § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 a) ZPO abzuziehenden Satz von 380,00 € liegt. Dem minderjährigen Kläger steht jedoch ein Prozesskostenvorschussanspruch gegen seine Eltern zu, die aber jeweils nur über ein Einkommen in Höhe von 298,00 € ausweislich des Bescheides der ARGE-SGB2 C. vom 19.12.2005 verfügen. Auch dieses liegt unterhalb des nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 a) ZPO abzuziehenden Satzes von 380,00 €. Ein einsetzbares Einkommen verbleibt daher weder für den Kläger noch für seine Eltern.
Einer Kostenentscheidung und Streitwertfestsetzung bedurfte es nicht, da außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens nach § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet werden und die Festgebühr nach § 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffer 5502 des Kostenverzeichnisses nur anfällt, wenn die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Ende der Entscheidung
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