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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 02.09.2009
Aktenzeichen: 4 B 390/07
Rechtsgebiete: GVG, VwGO, SGB X


Vorschriften:

GVG § 21
VwGO § 5
SGB X § 45 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 4 B 390/07

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Sozialhilferechts

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Künzler, den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng und den Richter am Oberverwaltungsgericht Heinlein

am 2. September 2009

beschlossen:

Tenor:

Auf den Antrag des Beklagten wird die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 30. April 2007 - 4 K 897/04 - zugelassen.

Gründe:

Der zulässige Antrag ist begründet. Zwar bestehen an der Richtigkeit der Entscheidung entgegen der Auffassung des Beklagten keine ernstlichen Zweifel nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; die Berufung muss jedoch wegen eines Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zugelassen werden.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung - das Verwaltungsgericht dürfte entgegen der Auffassung des Beklagten zutreffend von einer unbedingten Klageerhebung ausgegangen sein - bestehen nicht, da das Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht den angefochtenen Bescheid über die Rücknahme der den Klägern im Zeitraum von Mai 1999 bis Oktober 2003 gewährten Hilfe zum Lebensunterhalt aufgehoben haben dürfte. Die Rücknahmeentscheidung nach § 45 Abs. 1 SGB X ist voraussichtlich rechtswidrig.

Eine Rechtswidrigkeit des Bescheides wird zum einen schon deshalb anzunehmen sein, weil der Beklagte wegen des Vermögens des Klägers zu 1. - der minderjährige Sohn der Klägerin zu 2., der Sparvermögen mit einem höchsten Vermögensstand von 2.893,03 € sowie eine Unfallversicherung mit einem Rückkaufwert von 533,00 € verschwiegen haben soll - auch Bescheide über Hilfe zum Lebensunterhalt an die Klägerin zu 2. aufgehoben hat. Vermögen von minderjährigen Kindern kann sozialhilferechtlich nicht wie eigenes Vermögen der Eltern behandelt werden; etwas anderes gilt selbst dann nicht, wenn die tatsächliche Verfügungsmacht über Sparbücher minderjähriger Kinder bei den Eltern liegt.

Des Weiteren spricht viel dafür, dass das behördliche Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt wurde. Zunächst wird davon auszugehen sein, dass der Beklagte bei der Ausübung des Ermessens nach § 45 Abs. 1 SGB X - gerade bei einem Sachverhalt wie hier - die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Hilfeempfänger hätte berücksichtigen müssen: Der 1997 geborene Kläger zu 1. hat einen Grad der Behinderung von 100; jedenfalls im Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung war seine Mutter die Klägerin zu 2. als betreute Mitarbeiterin in den M.......... Werkstätten für Lebenshilfe tätig. Schließlich spricht viel dafür, dass sich der Beklagte bei einer sachgerechten Ermessensausübung auf den Betrag des höchsten Vermögensstandes - abzüglich des Schonbetrages - hätte beschränken müssen. Sofern der Wert der insgesamt geleisteten Hilfe den höchsten Vermögensstand im streitgegenständlichen Zeitpunkt überstiegen haben sollte, dürfte eine Berechtigung für die Rückforderung nicht gegeben sein (NdsOVG, Urt. v. 30.9.2004, FEVS 56, 227).

2. Zu Recht rügt der Beklagte jedoch einen Verfahrensmangel nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, weil das Verwaltungsgericht nicht ordnungsgemäß besetzt war. Die Kammer war im Zeitpunkt der Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter am 24.1.2006 - mehr als ein Jahr nach dem Auslaufen der Übergangsregelung des § 10 Abs. 4 Rechtspflege-Anpassungsgesetz, wonach eine solche Besetzung in den neuen Ländern bis zum 31.12.2004 möglich war - nicht mit einem ständigen Vorsitzenden Richter besetzt (§ 4 Satz 1, § 5 VwGO i. V. m. § 21 f GVG). Ein Verhinderungsfall nach § 21 f Abs. 2 GVG, bei dem ein vom Präsidium bestimmtes Mitglied den Vorsitz des Spruchkörpers führen konnte, lag nicht vor. Eine solche Vertretung im Vorsitz kann zur Gewährleistung der Einheitlichkeit und Güte der Rechtsprechung nur für die Übergangszeit von einigen Monaten zugelassen werden (etwa: BVerwG, Urt. v. 25.7.1985, NJW 1986, 1366 f). Ist diese Übergangszeit verstrichen, muss das Präsidium der Vakanz etwa durch Übertragung des Vorsitzes auf einen Vorsitzenden Richter einer anderen Kammer Rechnung tragen.

Auf dem sich daraus ergebenden Besetzungsmangel beruht das angefochtene Urteil i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO; bei Verfahrensmängeln i. S. v. § 138 Nr. 1 VwGO wird eine solche Kausalbeziehung unwiderleglich vermutet.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Belehrung zum Berufungsverfahren

Das Antragsverfahren wird als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht, Ortenburg 9, 02625 Bautzen, einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht gestellten Antrag verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe).

Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig. Für das Berufungsverfahren besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Berufung. Danach muss sich jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinn des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Ende der Entscheidung

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