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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 09.06.2009
Aktenzeichen: 4 B 411/07
Rechtsgebiete: VwGO, SächsGemO
Vorschriften:
VwGO § 86 Abs. 3 | |
SächsGemO § 39 Abs. 7 S. 1 | |
SächsGemO § 56 Abs. 4 |
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss
Az.: 4 B 411/07
In der Verwaltungsrechtssache
wegen Abwahl eines Beigeordneten
hier: Antrag auf Zulassung der Berufung
hat der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Künzler, den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng und den Richter am Oberverwaltungsgericht Heinlein
am 9. Juni 2009
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 23. Mai 2007 - 4 K 1602/05 - wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht.
Der Streitwert für das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht wird auf 10.000,00 € festgesetzt.
Gründe:
Der zulässige Antrag des Klägers ist nicht begründet. Aus den von ihm dargelegten Gründen folgt nicht das Vorliegen der geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1 bis 5 VwGO (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ergeben sich nicht wegen der Erwägung, das Verwaltungsgericht habe fehlerhaft eine Unzulässigkeit der Anfechtungsklage angenommen, weil der Beschluss des Stadtrats zur Abwahl des Klägers als Beigeordneter der Beklagten kein Verwaltungsakt sei. Ob die Abweisung der Klage als unzulässig mangels Vorliegen eines Verwaltungsaktes (dazu: Spoerr/Niewerth, Die Abberufung von Beigeordneten nach sächsischen Kommunalrecht, SächsVBl. 1998, S. 169 ff.) fehlerhaft war, bedarf keiner Entscheidung. Zweifel an der Richtigkeit des Entscheidungsergebnisses (dazu: Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 124 Rn. 7a) bestehen nicht, da die Klage jedenfalls nicht begründet gewesen wäre. Aus den Erwägungen des Klägers ergibt sich nicht, dass die Abwahlentscheidung rechtswidrig gewesen sein könnte.
Nach Auffassung des Klägers ist der Abwahlantrag rechtswidrig, weil der Antrag zum einen als e-mail dem Oberbürgermeister der Beklagten übermittelt wurde und damit nur eingescannte Unterschriften enthalte. Des Weiteren sei der Antrag, auf dem die Namen von vier Stadträten enthalten seien, nicht von der Mehrheit des Stadtrats gestellt worden, wobei hinzu komme, dass er nur von drei Stadträten unterzeichnet sei. Aus diesem Vorbringen ergibt sich nicht, dass die Voraussetzungen für einen Abwahlantrag nach § 56 Abs. 4 Satz 2 SächsGemO nicht vorgelegen haben könnten.
Nach dieser Regelung muss der Antrag auf vorzeitige Abwahl von der Mehrheit aller Mitglieder des Gemeinderats gestellt werden. Ein Erfordernis zur schriftlichen Antragstellung und eigenhändigen Unterzeichnung durch die Antragsteller enthält die Norm nicht. Ausreichend dürfte daher sein, wenn sicher gestellt ist, dass die Abwahl von der Mehrheit beantragt wurde (dazu: HessVGH, Beschl. v. 4.5.1998, ESVGH 48, 248). Daran bestehen hier keine ernstlichen Zweifel. Der Antrag wurde u. a. von den Vorsitzenden der Fraktionen BfG und PDS - die zusammen die Mehrheit im Stadtrat haben - gestellt. Die Vorsitzenden haben bei der Antragstellung mit dem Zusatz "für die Fraktion" deutlich gemacht, dass es sich um einen Antrag ihrer Fraktionen handelt. Anhaltspunkte, dass die Fraktionen oder die in dem Antrag weiter genannten Stadträte die Abwahl tatsächlich nicht beantragt haben könnten, liegen nicht vor.
Eine Rechtswidrigkeit dürfte sich auch nicht deshalb ergeben, weil der Stadtrat in geheimer Wahl über den Abwahlantrag entschieden hat. Für die Abwahl eines Beigeordneten nach § 56 Abs. 4 SächsGemO dürfte als Gegenstück zur Wahl die Regelung in § 39 Abs. 7 Satz 1 SächsGemO anwendbar sein. Danach werden Wahlen geheim mit Stimmzettel vorgenommen (dazu: Musall, in: Sponer/Jacob/Musall u.a. Kommunalverfassungsrecht Sachsen, Band I, § 56 SächsGemO Nr. 6.1).
2. Besondere rechtliche Schwierigkeiten nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO weist die Rechtssache nicht wegen der vom Kläger im Hinblick auf die Abweisung der Anfechtungsklage als unzulässig aufgeworfenen Rechtsfragen auf, ob die Abwahl eines Beigeordneten ein Verwaltungsakt ist sowie ob eine Verpflichtung zu einer Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit der Abwahlentscheidung besteht. Auf die Rechtsfragen würde es in einem Berufungsverfahren nicht ankommen, da die Klage jedenfalls nicht begründet wäre. Es spricht alles dafür, dass die Abwahlentscheidung rechtmäßig ist.
Zunächst liegt - wie unter 1. ausgeführt - kein Verstoß gegen § 56 Abs. 4 Satz 2 SächsGemO vor. Dass die Abwahlentscheidung aus anderen Gründen rechtswidrig sein könnte, wird ebenfalls nicht angenommen werden können. Die Abwahl eines kommunalen Wahlbeamten ist nicht an bestimmte sachliche Voraussetzungen geknüpft. Sie rechtfertigt sich als kommunalpolitischer Akt durch die Tatsache des Vertrauensverlustes; auf die Gründe, die zu dem Vertrauensverlust geführt haben kommt es grundsätzlich nicht an. Die Amtsausübung des kommunalen Wahlbeamten erschöpft sich nicht in einer sachbezogen-unpolitischen gesetzlichen Aufgabenerfüllung. Mit der Abwahlregelung hat der Gesetzgeber die Forderung nach politischer Gleichgestimmtheit zwischen Vertretung und Verwaltungsspitze anerkannt. Es ist nicht Sache des Gerichts, den Willen des Gesetzgebers durch eigene Vorstellungen von der kommunalpolitischen Realität zu ersetzen (BVerwG, Beschl. v. 15.12.1989, Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 68). Eine gerichtliche Überprüfung der bestimmenden Motive für die Abwahl ist deshalb regelmäßig entbehrlich (BVerwG, Beschl. v. 22.9.1992, NVwZ 1993, 377). Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass etwa wegen einer rechtsmissbräuchlichen Abwahlentscheidung ausnahmsweise etwas anderes gelten könnte.
3. Die Rechtssache hat im Hinblick auf die aufgeworfene Frage, ob die Abwahl eines Beigeordneten ein Verwaltungsakt ist, keine grundsätzliche Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Rechtsfrage ist nicht entscheidungserheblich, da die Klage - wie unter 2. ausgeführt - auch bei unterstellter Zulässigkeit mangels Begründetheit keinen Erfolg haben könnte. Jedenfalls wegen der fehlenden Entscheidungsunerheblichkeit kann die Berufung auch nicht wegen der geltend gemachten Divergenz zu der Entscheidung des BVerwG vom 14.1.1965 (BVerwGE 20,160) zugelassen werden.
4. Schließlich liegt auch kein Verfahrensmangel wegen der geltend gemachten Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 3 VwGO vor. Der Kläger bringt hierzu vor, das Verwaltungsgericht habe nicht darauf hingewiesen, dass nach seiner Auffassung die Abwahlentscheidung kein Verwaltungsakt sei und die Klage gegen den Stadtrat hätte gerichtet werden müssen.
Die Hinweispflicht gegenüber einem anwaltlich vertretenen Kläger ist zwar nicht ausgeschlossen, jedoch eingeschränkter als gegenüber einem nicht anwaltlich vertretenen Beteiligten. Insbesondere muss das Gericht einen anwaltlich vertretenen Kläger nicht auf eine mögliche Klageänderung hinweisen (BVerwG, Beschl. v. 21.3.1989, Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 38). Eine gerichtliche Hinweispflicht bestand bei der gegebenen Sachlage um so weniger, als die Frage der richtigen Klageart nicht nur Gegenstand umfangreicher schriftsätzlicher Ausführungen der Beteiligten war, sondern darüber hinaus der Kläger - wie in dem angefochtenen Urteil ausgeführt - in der mündlichen Verhandlung auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts erklärt hat, an dem - unzulässigen - Hilfsantrag festzuhalten und diesen nicht als Hauptantrag zu stellen.
Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die die Beteiligten keine Einwände erhoben haben.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Ende der Entscheidung
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